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Veröffentlicht am 14.02.2021

Magie, Illusion und die Waffe der Manipulation

Hush (Band 1) - Verbotene Worte
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Seit ihre Familie vom „Blauen Tod“ heimgesucht wurde, lebt Shae mit ihrer Mutter als Ausgestoßene am Rande eines ärmlichen Dorfes in Montane. Die Menschen stehen unter der Herrschaft und dem Schutz des ...

Seit ihre Familie vom „Blauen Tod“ heimgesucht wurde, lebt Shae mit ihrer Mutter als Ausgestoßene am Rande eines ärmlichen Dorfes in Montane. Die Menschen stehen unter der Herrschaft und dem Schutz des Hohen Hauses, dessen Barden sie vor der Seuche des „Blauen Todes“ beschützen sollen. Gleichzeitig treiben diese die Abgaben für den Herrscher ein und verbreiten mit ihren magischen Beschwörungen Angst und Schrecken anstatt des erhofften Heils und der Fruchtbarkeit der Böden. Als Shae nach einem Unglück nicht aufhört, Fragen zu stellen und sich nicht ihrem Schicksal fügen will, wird der Kontakt mit ihr zu gefährlich, und selbst ihre Freunde brechen mit ihr. Ohne Rückhalt macht sich Shae auf den Weg, die Antworten bei den Barden zu suchen.

Die Heldin ist aufmüpfig und mutig, der Gegner gerissen und hinterhältig, die Magie nur wenigen zugängig und schwer zu beherrschen. Irrsinn bedroht die Versager. Dies alles mischt Dylan Farrow mit Intrigen, Mord und jeder Menge Geheimnissen, garniert mit einem faszinierenden Fremden und einer Sage, die Befreiung und ein besseres Leben verspricht. Eine Fantasygeschichte also die alle Erwartungen im Juggendbuchbereich bedient.

Die Welt erinnert mit der Abhängigkeit von der Landwirtschaft, der absolutistischen Gesellschaft und ihrem Frauenbild an ein mittelalterliches Herzogtum. Das spiegelt sich sprachlich allerdings kaum wider. Die Heldin erzählt in der Ich-Perspektive und bedient sich einer einfachen Sprache und verzichtet zum Großteil auf langatmige Erklärungen oder ausschweifende Beschreibungen. Das Aussehen ihres Gegenübers ist ihr allerdings häufiger einige Gedanken wert, was für mich oftmals überflüssig war. Toll, fand ich, wie sie die Magie umschreibt und ihren eigenen Körper und Geist beobachtet, wenn er damit in Kontakt kommt.

Auch wenn die Ideen nicht neu und die Charaktere genretypisch sind, hat mich die Geschichte nach wenigen Seiten gepackt. Sie wird temporeich erzählt, enthält eine gute Prise Suspense und Dramatik. Freund und Feind sind kaum zu unterscheiden und so bibbere ich um die Heldin und kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Das Ende ist für meinen Geschmack etwas übertrieben romantisch, aber das kann ich verzeihen. Es kommt zur rechten Zeit und bringt einen zufriedenstellenden Abschluss des ersten Teils. Gleichzeitig liegen noch genug Aufgaben vor Shae und auch ausreichend offene Fragen, die es zu ergründen gilt, für einen spannenden zweiten Teil. Auf den ich mich definitiv freue.

Fazit: Eine spannende Dystopie, die zeigt welche Macht aus Manipulation entsteht, und damit eine gelungener Auftakt der Duologie, bei der man der Fortsetzung entgegenfiebert.

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Veröffentlicht am 03.12.2020

Familienchronik vor dystopischem Hintergrund ...

Das Flüstern der Bäume
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… oder generationsübergreifender Abenteuerroman oder doch eher eine Sammlung von Entwicklungsgeschichten im konstruierten Zusammenhang?

Die Zuordnung ist gar nicht so einfach. Der Autor erzählt genreübergreifend, ...

… oder generationsübergreifender Abenteuerroman oder doch eher eine Sammlung von Entwicklungsgeschichten im konstruierten Zusammenhang?

Die Zuordnung ist gar nicht so einfach. Der Autor erzählt genreübergreifend, bedient sich einem ungewöhnlichem chronikartigem Aufbau – von der Zukunft hangelt er sich von Generation zu Generation in die Vergangenheit und wieder zurück.
Er jongliert mit unterschiedlichen Perspektiven, scheut keinen Wechsel von personalen zum auktorialen Erzähler und zurück und überschwemmt den Leser mit seiner süffigen Sprache voller bizarren Vergleichen. Nicht alles funktioniert, manches bleibt mehr Schein als Sein. Und doch entwickelt die Geschichte eine eigene Dynamik, der ich mich nicht entziehen kann.

Es sind die Menschen, von denen dieses Buch erzählt - Menschen in einer ungastlichen Welt - Menschen, die Familie erfinden und doch nicht leben können. Sie geben ihrer Sehnsucht nach, gehen Wege abseits der Gesellschaft, werden von alten Dämonen gejagt, verletzen sich, verlassen sich und versuchen bis zum Ende, sich selbst treu zu bleiben. Man kann sie nicht alle mögen, aber verstehen kann man sie gut. Und auch ihren Dialog mit den Bäumen.

Es gibt so viele Details die besonders sind. Ungewöhnliche Charaktere, abstoßende Entscheidungen, krasse Lebenswege und eine Atmosphäre voller harziger Gerüche, Blätterrauschen und Rattern von Kettensägen. Die Geschichte entwickelt sich Schicht um Schicht und damit eine eigene Spannung. Ein Twist jagt den nächsten, strapaziert einige Mal meinen Realitätssinn. Doch ich verzeihe es, weil es nicht nur dem Plot dient, sondern ich längst an die Protagonisten gebunden bin und nicht mehr loslassen kann. Das ist es auch was mich versöhnt - mit dem etwas langatmigen auktorialen Mittelteil, der blassen Dystopie, die nur Hintergrund sein darf, und manchem sperrigem Wortspiel. Die Menschen sind echt und erreichen mich.

Fazit: Ungewöhnliche Geschichte für experimentierfreudige Leser.

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Eine Geschichte, die den Leser warm umspült und dann davonträgt

Was der Fluss erzählt
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Das Gebiet von Crickdale bis Oxford entlang der Themse im späten 19. Jahrhundert. Die Menschen leben mit dem Fluss und vom Fluss. Er bestimmt ihren Alltag, ihren Aberglauben und ihre Geschichten.

In der ...

Das Gebiet von Crickdale bis Oxford entlang der Themse im späten 19. Jahrhundert. Die Menschen leben mit dem Fluss und vom Fluss. Er bestimmt ihren Alltag, ihren Aberglauben und ihre Geschichten.

In der Wirtsstube des Swans treffen sich die Menschen nach getaner Arbeit und lieben es, in Geschichten zu schwelgen, sie verweben die losen Enden der Ereignisse zu ihren eigenen Erzählungen und feilen solange daran, bis Wahrheit und Erzählung eine Einheit bilden.

Plötzlich stolpert ein schwerverletzter Mann herein, in seinem Armen ein lebloses kleines Mädchen. Die eilig herbeigerufene Krankenschwester kann nur noch den Tod des Kindes feststellen. Stunden später bemerkt sie, dass das Mädchen wieder atmet. Ein Wunder? Zauberei? Es gibt keine wissenschaftliche Erklärung. Niemand weiß, woher das Mädchen gekommen ist. Und doch melden am nächsten Morgen drei Parteien Ansprüche an. Eine Spurensuche beginnt und allerhand versunkene Geheimnisse treten ans Licht. Die Identität des Mädchens und ihre Geschichte scheinen untrennbar mit dem Fluss verwoben.

Eine Geschichte, wie ein Feuer an trüben und ungemütliche Wintertage. Ihr warmer Erzählton nimmt mich gefangen und führt mich unter die Menschen am Fluss. Ich versinke so tief, dass der Alltag völlig verblasst. Ich fühle die Feuchtigkeit des Flusses, rieche die Armut mancher Häuser und sehe die Sorgenfalten der Menschen. Die Geschichte folgt keinem gradlinigen Plot, sie folgt dem Verlauf des Flusses, sie führt in Nebenarme, Sümpfe und Stromschnellen, bringt Überschwemmungen und wiegt glitzernd im Sonnenlicht. Sie erzählt von den Menschen, die dort leben, ihren Familien, ihren Sehnsüchten und ihren Geheimnissen.

Den Figuren wird mit so viel Liebe und Umsicht Leben eingehaucht, dass ich nicht anders kann, als sie zu mögen und mit ihnen zu bangen. Die Geheimnisse um die Identität des kleinen Mädchens scheinen lange Zeit unlösbar, die gestellten Ansprüche unhaltbar. Und doch spült der Fluss Schicht um Schicht fort, bis die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Wahrheit oder doch ein Mythos des Flusses? – wer weiß das am Ende schon. Eine ganz besondere Geschichte, die mir noch lange im Gedächtnis bleibt.

Fazit: Ein Buch, das den Alltag vergessen macht. Schmökern, träumen und dahintreiben garantiert.

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Veröffentlicht am 01.11.2020

Klein und berührend

Erhebung
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143 Seiten vom Meister des Thrills muten fast wie eine Kurzgeschichte an. Doch sie ist vollständig und sättigend und das auf eine sehr berührende Art. Dieses Mal kein Thriller sondern eine Mischung aus ...

143 Seiten vom Meister des Thrills muten fast wie eine Kurzgeschichte an. Doch sie ist vollständig und sättigend und das auf eine sehr berührende Art. Dieses Mal kein Thriller sondern eine Mischung aus Fantasy-, Gesellschafts- und Coming of Age-Novelle.

Scott wird immer leichter und entwickelt gleichzeitig eine ganz besondere Kraft. Mit Mut, Beharrlichkeit und einem Stück Zivilcourage überbrückt er Gräben und verhärtete Fronten. Mit seiner Leichtigkeit gelingt ihm das Besondere: Er führt Menschen zusammen. Am Ende hatte ich Tränen in den Augen.

Fazit: Was könnten wir alles bewirken, wenn wir es nur täten. Eindeutig eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 05.09.2020

Ein entlarvender Blick auf menschliche Traumata

Altes Land
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Sein ganzes Leben auf der Flucht zu sein, nicht vergessen zu können und nirgendwo zuhause sein zu können, wie mag sich das anfühlen? Die Geschichte erzählt von Vera Eickhoff, die nach ihre Flucht als Kind ...

Sein ganzes Leben auf der Flucht zu sein, nicht vergessen zu können und nirgendwo zuhause sein zu können, wie mag sich das anfühlen? Die Geschichte erzählt von Vera Eickhoff, die nach ihre Flucht als Kind aus Ostpreußen nicht ankommen kann. Trotz vieler Jahrzehnte in der Elbmasch bleibt sie heimatlos. Sie zeigt nur einen eisigen Panzer, der Menschen auf Distanz hält. Sie verwahrt das Haus und lebt nicht darin. Als ihre Nichte Anne mit ihrem kleinen Sohn Leon bei ihr strandet, bekommt ihr Panzer Risse.

Ich hatte Mühe mich einzufinden in das Buch. Anfänglich blieben mir die Menschen darin fremd. Die harte Sätze und entlarvende Blicke auf ihr Leben hielten mich auf Abstand. Die häufigen Perspektivwechsel erschwerten die Orientierung. Jeder Mensch für sich gesehen gefangen in seinem Leben. Jeder Blick auf andere ein Urteil. Jedes Wort zueinander eine Grenze.
Ihre Worte, ihre Taten konnten mich so wenig für sie einnehmen – bis ich Stück für Stück von ihrem Schicksal erfuhr, von ihrer Vergangenheit, ihren verdrängten Traumata, ihren vererbten Narben. Je weiter ich las, je mehr hat mich die Geschichte fasziniert, war ich begeistert von der gewaltigen Sprache und dem verletzlichen Inneren, das sich dahinter verbag. Je mehr ich las, wollte ich das Vera ein Zuhause hatte und Anne ein eigenes Leben...

Die Geschichte endet so abrupt, wie sie begann. Beantwortet längst nicht alle Fragen. Weil das Leben das wohl nicht kann: alle Fragen beantworten, und auch nicht, alle Aufgaben erfüllen. Es bleibt immer etwas übrig für die nächste Generation.

Fazit: Harte Worte, lesenswert und auffwühlend

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