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Veröffentlicht am 13.02.2021

stille Dramatik

Insel der verlorenen Erinnerung
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In einer Welt, in der immer mehr Dinge aus dem Alltag verschwinden und mit ihnen die damit verbundenen Erinnerungen, versucht eine junge Schriftstellerin ihr Ich zu bewahren. An ihrer Seite hat sie einen ...

In einer Welt, in der immer mehr Dinge aus dem Alltag verschwinden und mit ihnen die damit verbundenen Erinnerungen, versucht eine junge Schriftstellerin ihr Ich zu bewahren. An ihrer Seite hat sie einen alten Mann und ihren Verleger und gegen sich die Vorschriften und Kontrollen der Erinnerungspolizei und die Spitzel in der Nachbarschaft. Als ihr Verleger in Gefahr gerät, festgenommen zu werden, wird sie tätig.

Die Geschichte hat mich mit ihren leisen Tönen gefangen genommen. Das Buch kommt fast ohne Namen aus und wir begleiten die Schriftstellerin durch ihren Alltag, der sich ganz allmählich durch immer weitere Einschränkungen zu einem engen Gefängnis entwickelt. Man muss vorsichtig sein, was man tut, was man sagt. Man weiß nicht mehr, wer Freund, wer Feind ist und man muss die Regeln einhalten und alle Dinge, die verschwinden, bis auf den letzten Krümel vernichten. Trotz allem versucht die Schriftstellerin sich treu zu bleiben und das Richtige zu tun.

Obwohl Yoko Ogawa auf drastische Szenen und umfassende Gefühlsbeschreibungen verzichtet, schlägt einem die erdrückende Atmosphäre des Erinnerungsregimes entgegen. Als auch immer mehr Menschen verschwinden, fühle ich mich in die Zeit der Gestapodrangsalierungen hineinversetzt. Die Menschen versuchen, sich zurechtzufinden und optimistisch zu bleiben, doch hinter den verschlossenen Türen herrscht die Angst.

Mich hat am meisten beeindruckt, wie sehr die Veränderung des Alltages und der Verlust der Erinnerungen die Menschen verändert. Sie werden zu einem blassen Abbild ihrer Selbst. Parallel zur Erzählung verfasst die Schriftstellerin ihren eigenen Roman, der sich immer mehr mit ihrem Alltag verschmilzt. Die reduzierte Erzählweise und die asiatische Höflichkeit macht das Buch zu einer Besonderheit.

Fazit: Ein leises Buch, das noch lange nachhallt.

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Erschütternd

Die Farbe von Milch
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Mary lebt 1830 auf dem Hof ihres Vaters als jüngste von drei Schwestern. Ihr herrischer Vater führt die Familie mit harter Hand und schickt Mary mit 15 in die Dienste des Pfarrers. In ihrer einfachen Sprache ...

Mary lebt 1830 auf dem Hof ihres Vaters als jüngste von drei Schwestern. Ihr herrischer Vater führt die Familie mit harter Hand und schickt Mary mit 15 in die Dienste des Pfarrers. In ihrer einfachen Sprache schildert Mary die Geschehnisse in diesem Jahr, die ihr Leben so radikal veränderten.

Wie rückblickende Tagebucheinträge erscheinen die einzelnen Kapitel. Anfänglich hatte ich etwas Mühe mich an die Erzählweise wie u.a. die indirekte Rede zu gewöhnen. Gleichzeitig macht es die Geschichte so authentisch, als läse man ein Zeitzeugnis. Stück für Stück lerne ich Marys Alltag kennen, ihren Freigeist und ihre unverblümte Ausdrucksweise lieben.

Die Rolle der Frau in der patriarchalen Gesellschaft, die harte Arbeit, die das Überleben sichert, und die ermüdenden Wiederholungen, die der Alltag fordert, zeichnen ein erdrückendes Bild vom entbehrungsreichen Leben der jungen Frau.

Die rückblickende Erzählung zieht die Schlinge immer enger um Marys Hals. Sie bleibt sich unbeirrbar treu, egal welche Bürden ihr das Schicksal auferlegt. Am Ende bleibe ich tief berührt zurück und bin stolz auf diese junge Frau, die sich nicht beugen lässt.

Fazit: Eine Geschichte, die gehört werden soll. Absolute Leseempfehlung. Triggerwarnung!

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Vom Mut die Schutzmauern niederzureißen

Ich treffe dich zwischen den Zeilen
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Erwartet habe ich eine blumige Romanze, die sich Poetry-Slam-Battles entwickelt und mit schönen Worten zu bezaubern vermag. Erhalten habe ich einen psychologisch fundiert aufgebaute Coming-of-Age-Geschichte ...

Erwartet habe ich eine blumige Romanze, die sich Poetry-Slam-Battles entwickelt und mit schönen Worten zu bezaubern vermag. Erhalten habe ich einen psychologisch fundiert aufgebaute Coming-of-Age-Geschichte mit liebevoll entwickelten Charakteren und einem packenden Spannungsbogen, die so viel mehr enthält als nur schöne Worte.

Ich will nicht zu viel verraten: Die große Stärke dieses Buches ist die tolle Entwicklung von Loveday, die anfangs völlig verbarrikadiert hinter ihrer Schutzmauer lebt und deren Leben nur aus der Leidenschaft für Bücher zu bestehen scheint. Doch das Treffen mit Nathan weckt in ihr den Wunsch, dass es für sie noch mehr im Leben geben muss und sie machst sich auf, die Schutzmauern einzureißen. Außer mit Lovedays Geheimnis weiß das Buch mit noch mehr gut entwickelten Nebenfiguren und überraschenden Wendungen zu überraschen. Seite für Seite wächst alles zu einem großen Ganzen.

Der Geschichte hat mich total gefangen genommen und gehört zu einen meiner Highlights in diesem Lesejahr.

Fazit: Eine Geschichte, die im Herzen bleibt und es wert ist, immer wieder gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Atemraubend, aufwühlend und schockierend wozu Menschen fähig sind!

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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After the fire ist mein Highlight 2020!

Die Geschichte katapultiert mich mitten ins Geschehen. Sie beginnt mir dem großen Feuer, dem Endkampf, auf den die Gotteslegionäre sich vorbereitet haben, der Möglichkeit ...

After the fire ist mein Highlight 2020!

Die Geschichte katapultiert mich mitten ins Geschehen. Sie beginnt mir dem großen Feuer, dem Endkampf, auf den die Gotteslegionäre sich vorbereitet haben, der Möglichkeit sich als wahre Gläubige zu beweisen. Alles ist viel zu schrecklich, um es als eine Befreiung zu sehen, die es für die Sterbenden und die Überlebenden bedeutet hat. Das Leben teilt sich in ein „Davor“ und „Danach“. So wird die Geschichte auch erzählt.

Ich erlebe die Welt aus den Augen der 17-jährigen Moonbeam im Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit. Sie erzählt im „Danach“ von ihrem aktuellen Alltag in der Psychiatrie und dem Leben in der Legion Gottes. Ich wohnen ihren Therapiesitzungen bei, erlebe ihr Misstrauen gegenüber den Menschen von „Draußen“, durchleide ihre Einsamkeit, ihre Ängsten, den Umgang mit ihrer eigenen Schuld und ihren Kampf um ein zukünftiges Leben . In ihren Rückblicken auf das „Davor“ spüre ich die Manipulationen, die Abhängigkeit und den psychischen Druck, denen die Anhänger der Sekte ausgesetzt sind, und fühle Moonbeams Not, ihren wachsenden Widerwillen und ihr Misstrauen gegenüber den Regeln der Gemeinschaft und den Offenbarungen des Legionsführers Father John.

Mit jedem Schritt, den Moonbeam`s Vertrauen zu den Menschen von „Draußen“ in der Gegenwart wächst und sie sich öffnet, scheint ihre Ablehnung gegen das Leben der Gotteslegionäre in der Vergangenheit zugenommen zu haben und ihre Bewertung der Erinnerung ins Negative zu kippen.  Ich hoffe und bete, dass sie einen guten Weg in ein Leben „Danach“ findet.

Selten habe ich ein Buch als so emotional fesselnd, mit steigenden Spannung und glaubhaftem Realitätsbezug gelesen. Das Buch verarbeitet in seiner fiktiven Geschichte auf sehr persönliche und berührende Weise die Weco-Belagerung, in der am 19. April 1993 82 Mitglieder der Branch Davidians Sekte starben. 21 Kinder überlebeten missbraucht und gebrochen, die tagelangen Belagerund und wurden im Anschluss von einem speziellen Trauma Team des Texas`Children Hospitals behandelt und für auf ein Leben außerhalb der Sekte vorbereitet.

Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich Moonbeam´s Geschichte gelesen habe. Sie hat einen Platz unter meinen Lieblingsbüchern erobert.

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Veröffentlicht am 26.09.2020

Furioses Finale

Das Buch der gelöschten Wörter - Die letzten Zeilen
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Die Absorbierer sind immer einen Schritt voraus. Nicht nur die Buchwelt ist in Gefahr, Quan Surts Pläne bedrohen auch die reale Welt. Mit Hilfe Quan Surts Autor hoffen Hope und Rufus, die Absorbierer stoppen ...

Die Absorbierer sind immer einen Schritt voraus. Nicht nur die Buchwelt ist in Gefahr, Quan Surts Pläne bedrohen auch die reale Welt. Mit Hilfe Quan Surts Autor hoffen Hope und Rufus, die Absorbierer stoppen zu können. Doch dieser muss erst einmal gefunden werden.

Ein Finale, das diesen Ausdruck verdient. Ein Twist jagt den nächsten. So viele Rätsel, die es noch zu lösen gilt, so viele Unwägbarkeiten und dann scheint die Zeit nicht mehr zu reichen. Hope muss Opfer bringen und sogar ihre Liebe aufgeben. Doch sie lässt sich nicht bremsen und wagt viel mehr, als alle von ihr verlangen würden.

Am Ende bleibe ich gerührt und zufrieden zurück. Wunderbar, wie alles aufgelöst wurde und auch die Emotionen kommen nicht zu kurz.

Fazit: Dramatische Wendungen und ein sättigendes Ende

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