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Veröffentlicht am 30.09.2020

Elegant erzählte, intensive Geschichte

Unter uns das Meer
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Amity Gaiges Roman "Unter uns das Meer" ist eine Mischung aus Ehedrama, Abenteuerroman und psychologischer Studie.

Das Ehepaar Partlow lebt mit den Kindern Sybill (7) und George (2 1/2) in einer ...

Amity Gaiges Roman "Unter uns das Meer" ist eine Mischung aus Ehedrama, Abenteuerroman und psychologischer Studie.

Das Ehepaar Partlow lebt mit den Kindern Sybill (7) und George (2 1/2) in einer Vorstadt in Connecticut. In der Ehe kriselt es heftig. Michael fühlt sich in gesellschaftlichen Zwängen gefangen, Juliet machen depressive Schübe das Leben schwer. Um endlich das Gefühl von Freiheit zu erleben, schlägt Michael vor, mit der ganzen Familie ein Jahr lang in der Karibik zu segeln. Juliet traut sich das nicht zu, lässt sich aber von Michael überreden, weil sie hofft, dadurch ihre Ehe zu retten.

Auf der Reise entdeckt die Familie die wunderbare Insellandschaft der Südsee, vor allem die Kinder genießen die gemeinsame Zeit mit ihrem Vater. Probleme, wie Nahrungsmittelknappheit oder ausfallende Technik auf dem Boot können die Partlows zunächst noch lösen. Dann geraten sie auf hoher See in einen gewaltigen Sturm...

Bereits auf der zweiten Seite des Buches wird klar, dass das Abenteuer nicht gut ausgeht, der Spannung tut das jedoch keinen Abbruch.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven: Juliets rückblickender Bericht, nachdem sie mit den Kindern wieder zuhause ist, bildet den Hauptstrang. Er wird von Michaels Tagebucheinträgen vor und während der Fahrt unterbrochen bzw. ergänzt. Mit diesem Stilmittel erwschwert Amity Gaige die Lektüre keineswegs, sondern sie erzeugt dadurch eine Dynamik, die mich das 380 Seiten starke Buch fast in einem Rutsch durchlesen ließ.

Michaels lebhaften Ausdruck empfand ich dabei als wohltuenden Kontrast zu Juliets niedergedrückter Erzählweise. Über die etwas zu langatmigen Beschreibungen der Segeltechniken habe ich auch schonmal hinweggelesen...

Inhaltlich ist der Roman keine leichte Kost. Die Probleme einer dysfunktionalen Familie und vor allem das Leben mit einer Depression werden eindringlich dargestellt.

Von der eleganten, flüssigen Sprache der Autorin bin ich begeistert. ich konnte mühelos in die verschiedenen Situationen eintauchen. Die hervorragende Übersetzung durch André Mumor hat daran sicher einen großen Anteil.




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Veröffentlicht am 15.08.2020

Unterhaltsame Satire auf das Geschäft mit der Kunst

Ein Mann der Kunst
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Das Museum Wendevogel in Frankfurt am Main will den geplanten Anbau nur einem einzigen Künstler widmen: dem Malerfürst KD Pratz. Um den für die Finanzierung maßgeblichen Förderverein davon zu ...

Das Museum Wendevogel in Frankfurt am Main will den geplanten Anbau nur einem einzigen Künstler widmen: dem Malerfürst KD Pratz. Um den für die Finanzierung maßgeblichen Förderverein davon zu überzeugen, organisiert Museumsdirektor Neubauer eine Kurzreise in den Rheingau, wo der als menschenscheu und schwierig geltende Künstler allein auf einer Burg lebt. Der Besuch entwickelt sich nicht wie erhofft; es kommt zu heftigen Streitgesprächen und Verärgerung auf beiden Seiten. Das Projekt droht zu scheitern...

Dieses Buch ist mein bisheriger Lesehöhepunkt des Jahres. Magnusson zeichnet sämtliche Charaktere so liebevoll und skurril, dass es eine reine Freude ist. Beide Seiten der Kunstmedaille nimmt der Autor sich vor: den eitlen, dauerempörten, überempfindlichen Künstler, und die selbstverliebten, gelangweilten, engstirnigen Bildungsbürger*innen. Besonders gut gelungen finde ich den aalglatten, Worthülsen und Lexikonwissen speienden Museumsdirektor.

Die Dialoge sind spritzig und lebendig, der Handlungslauf ist gut komponiert und enthält einige überraschende Wendungen. Sprachlich ist der Roman ein amüsanter, bildreicher und anspruchsvoller Genuss.

Und auf das Ende wäre ich nie gekommen...

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Veröffentlicht am 04.05.2025

Süffige Tragikomödie

Wut und Liebe
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Martin Suter beweist in seinem Buch „Wut und Liebe“ einmal mehr, wie gut er es versteht, tragische und komödiantische Elemente in einer Geschichte zu verbinden.

Noah, ein unentdeckter Künstler ...

Martin Suter beweist in seinem Buch „Wut und Liebe“ einmal mehr, wie gut er es versteht, tragische und komödiantische Elemente in einer Geschichte zu verbinden.

Noah, ein unentdeckter Künstler Anfang 30, lebt mit und von seiner großen Liebe Camilla. Bis diese ihn nicht länger durchfüttern will und ihn verlässt. Als er seinen Kummer in einer Kneipe ertränkt, begegnet er Betty, einer wohlhabenden herzkranken älteren Dame, die vor ihrem Ableben noch eine offene Rechnung begleichen möchte. Sie bietet Noah sehr viel Geld an, damit er den Mann beseitigt, der ihren Gatten auf dem Gewissen hat. Noah wittert eine Chance, Camilla zurück zu gewinnen. Doch ist er bereit, dafür zu töten?

Die Geschichte beginnt recht ruhig, und ich hatte wie immer meine Freude an Martin Suters eleganten Formulierungen, seinen treffenden Charakterisierungen und den realistischen Dialogen. Dann nimmt das Geschehen Fahrt auf, und mit einem Mal ist gar nicht mehr klar, wer hier wen hintergeht. Gegen Ende kam ich mir fast vor wie in einem Karussell wegen der immer neuen Drehungen und Wendungen. Der geschickt angelegte Handlungsverlauf sorgt für Überraschungen und hält die Spannung bis zum Schluss aufrecht.

Fazit: Ein sehr gelungener, unterhaltsamer Roman. Für meinen Geschmack wird darin jedoch zu oft zuviel Alkohol getrunken.

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Veröffentlicht am 04.05.2025

Eindringliche Lebensgeschichte

Schwebende Lasten
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Hanna Krause wird kurz vor dem ersten Weltkrieg in Magdeburg geboren und ist mit vier Jahren eine Waise. Sie wächst bei Ihrer hartherzigen Halbschwester Rose auf, und lernt bei ihr das Blumenbinden, ...

Hanna Krause wird kurz vor dem ersten Weltkrieg in Magdeburg geboren und ist mit vier Jahren eine Waise. Sie wächst bei Ihrer hartherzigen Halbschwester Rose auf, und lernt bei ihr das Blumenbinden, das zu ihrer großen Leidenschaft werden soll.

Hanna heiratet früh, bekommt sechs Kinder und muss die Familie allein ernähren, weil ihr arbeitsloser Mann trinkt. Nur ein paar Jahre kann sie ihren eigenen Blumenladen halten, dann zerstört der 2. Weltkrieg ihre Lebensgrundlage, sie verliert im Bombenhagel zwei ihrer Kinder und ihr gesamtes Hab und Gut. Nach Kriegsende lässt Hanna sich zur Kranführerin ausbilden und legt auf einem Grünstreifen des Fabrikgeländes heimlich ein Blumenbeet an.

Hannas Leben ist geprägt von Armut, harter Arbeit, Gewalt, Verlusten, Angst, Schmerzen, doch sie jammert nicht und gibt nicht auf. Und immer wieder sind es Blumen, die ihr Kraft und Freude schenken.

Wie sie sich und ihre Familie durchbringt, das schildert Annett Gröscher in präziser, sachlicher Sprache. Die Nüchternheit des Schreibstils steht dabei nicht im Gegensatz zu den teils dramatischen Ereignissen. Interessanterweise verstärkt er sogar den Eindruck noch. Mir hat es beim Lesen ein paar Mal die Kehle zugeschnürt, so nah war ich gedanklich in den geschilderten Szenen.

Annett Gröscher holt mit diesem Buch Millionen Frauen, deren Leben so oder so ähnlich verlaufen ist, aus dem Schatten und gibt ihnen eine Stimme. Ich empfehle es gern weiter.




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Veröffentlicht am 04.05.2025

Gute Unterhaltung

Für Polina
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Die Geschichte von Hannes und Polina beginnt direkt nach ihrer Geburt, denn ihre alleinerziehenden Mütter teilen sich im Krankenhaus ein Zimmer und freunden sich an. Beide Frauen sind starke ...

Die Geschichte von Hannes und Polina beginnt direkt nach ihrer Geburt, denn ihre alleinerziehenden Mütter teilen sich im Krankenhaus ein Zimmer und freunden sich an. Beide Frauen sind starke Persönlichkeiten, wobei Fritzi, Hannes' Mutter, ihre Unabhängigkeit bewahren möchte, während Günes einen Ehemann sucht. Polina und Hannes verbringen ihre Jugend in enger Verbundenheit, obwohl sie völlig verschieden sind. Dass sie ineinander verliebt sind, gestehen sich beide lange nicht ein und dann ist es fast zu spät.

Im ersten Drittel des Buches spielt die intelligente, furchtlose Fritzi eine Hauptrolle. Es macht großen Spaß, ihren Weg aus dem lieblosen Elternhaus in die alte Villa im Moor zum Einsiedler Hildebrand zu verfolgen. Man möchte sie gern zur Freundin haben und wünscht ihr nur das Beste. Das scheint auch einzutreten, denn viele Jahre nach ihrem Abitur bekommt Fritzi die Zulassung zum Jurastudium an der Universität in München. Doch bevor sie mit Hannes dorthin ziehen kann, geschieht ein Unglück.

Obwohl Hannes' Vater nur ein Urlaubsflirt von Fritzi war, übernimmt er die Verantwortung für den vierzehnjährigen Jungen und lässt ihn zu sich ziehen. Doch die beiden kommen nicht klar miteinander, und mit 18 sucht Hannes sich einen Job als Klavierträger und eine eigene Bude. Er hat schon seit früher Kindheit ein außerordentliches Talent fürs Klavierspielen, das er wegen eines Traumas nicht mehr ausüben kann.

Polina dagegen lebt ihre Begeisterung für Kunstgeschichte aus, studiert in Großbritannien und lebt später in der Türkei. Sie verschwindet aus Hannes' Leben, gerade, als er sich eingesteht, dass sie seine große Liebe ist.

Wie Hannes sein einsames Leben stemmt, welche Rolle der riesige Kollege Bosch dabei spielt, ob sich das Ausnahmetalent selbst nochmal an den Flügel setzt und ob er und Polina doch noch zueinander finden, das alles erzählt Takis Würger in flüssigem, routiniertem Stil.

Nach dem sehr starken ersten Drittel lässt die Qualität der Geschichte jedoch nach. Es geschehen für meinen Geschmack zu viele ungewöhnliche Zufälle, und die Personen sind zu schablonenhaft geraten, auch bewegt sich der Roman im letzten Drittel sehr nah an der Grenze zum Kitsch. Trotzdem hat es insgesamt Spaß gemacht, ihn zu lesen.

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