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Veröffentlicht am 30.08.2021

Spannende Suche nach der Wahrheit

Der Erlkönig
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Sandrine muss auf einer kleinen französischen Insel den Nachlass ihrer Großmutter regeln. Schon der Besuch beim Notar und die anschließende Überfahrt jagen ihr Schauer über den Rücken. Die Insel selbst ...

Sandrine muss auf einer kleinen französischen Insel den Nachlass ihrer Großmutter regeln. Schon der Besuch beim Notar und die anschließende Überfahrt jagen ihr Schauer über den Rücken. Die Insel selbst wird nur von wenigen alten Menschen bewohnt, die ein Geheimnis verbindet, das mit dem ehemaligen Kindererholungsheim zu tun hat, das dort vor Jahrzehnten betrieben wurde. Als die einzige Telefonverbindung zum Festland mutwillig zerstört wird, kommt langsam aber sicher das Grauen aus den alten Mauern hervor ...

Nach dem ersten Abschnitt konnte ich nicht verstehen, warum so viele Leser:innen den Thriller so toll finden. Im zweiten Abschnitt (ab Seite 159) nimmt die Handlung aber einen Verlauf, mit dem ich nicht gerechnet hatte.

Dadurch wird auch der teilweise etwas ungelenke, unelegante Schreibstil erklärt und einige der Logiklöcher, die mich schon sehr gestört hatten - überall hatte ich Post-its angebracht.

Der Plot ist höchst ungewöhnlich und sorgt dafür, dass man noch einige Zeit über die Geschichte nachdenken muss. Der Autor hat sich da wirklich etwas Besonderes einfallen lassen.

Der Thriller liest sich dann auch ganz flott. Die Spannung baut sich rasch auf und bleibt bis zum Schluss erhalten. Es gibt verschiedene Zeitebenen und es wird aus unterschiedlichen Perspektiven berichtet, das kann gelegentlich etwas verwirren, daher besser nicht in kleinen Abschnitten lesen. Aber man kann das Buch dann ohnehin kaum noch aus der Hand legen. Achtung! Es ist teilweise wirklich fies.

Ich kann diesen Thriller allen empfehlen, die mal etwas Anderes lesen möchten - ohne hier genau zu erklären warum es so ist. Der deutsche Titel passt, das französische Original trifft es aber noch besser. Wegen des Plots vergebe ich gerne fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 06.06.2021

Der richtige Platz im Leben

Alte Sorten
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Endlich habe auch ich "Alte Sorten" gelesen. Ein wirklich wunderschönes, ruhiges Buch.

Liss bewirtschaftet alleine einen großen Hof und verrichtet mechanisch all die anfallenden Arbeiten, bis ihr eines ...

Endlich habe auch ich "Alte Sorten" gelesen. Ein wirklich wunderschönes, ruhiges Buch.

Liss bewirtschaftet alleine einen großen Hof und verrichtet mechanisch all die anfallenden Arbeiten, bis ihr eines Tages Sally quasi vor den Traktor kommt. Sofort ist Liss klar, dass jede Frage das verstörte Mädchen wieder verschrecken würde. So bietet sie ihr einfach einen Platz zum Wohnen und Essen auf dem Hof. Gemeinsam ernten sie Kartoffeln und Birnen, schlagen Holz, kümmern sich um die Bienen und kommen sich so in kleinsten Schritten näher. Aber die aufkommende Idylle ist fragil, denn Sally ist aus einer Klinik geflohen und wird gesucht und Liss hat Gespenster der Vergangenheit im Gepäck, die sie nicht abschütteln kann.

In einer wunderschönen Spätsommer- und Herbstlandschaft verortet Ewald Arenz diesen kleinen, großen Roman. Auf gerade einmal 250 Seiten werden die Lebensgeschichten der 17-jährigen Sally und der Bäuerin Liss eher angerissen als ausgebreitet. Dennoch wird alles, was die Lesenden wissen müssen, nach und nach erzählt. Dabei nimmt er sich für die Schilderungen der bäuerlichen Tätigkeiten ebenso viel Zeit, wie für die Charakterzeichnungen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonistinnen erzählt, wobei die Sprache sich dem unterschiedlichen Alter entsprechend anpasst; Sally oft aufbrausend und unflätig, Liss besonnen und versöhnlich - zunächst. So werden die Gedanken und Empfindungen der beiden glaubwürdig und nachvollziehbar. Ihre Dialoge sind geprägt von der schwierigen Situation und kommen mit knappen Sätzen aus. Der Schreibstil hat aber auch poetische Elemente, gerade wenn es um die Beschreibung der Natur geht oder der alltäglichen Kleinigkeiten.

Das Buch hat mich in seinen Bann geschlagen, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Wo fühlt man sich warum zu Hause? Was braucht es, um jemandem oder sich selbst wieder zu (ver-)trauen? Beide Lebensgeschichten regen zum Nachdenken an und werben auch für Verständnis und Toleranz. Eine absolute Leseempfehlung und viereinhalb Sterne.

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Veröffentlicht am 13.05.2021

Ein geborener Farbenschreiber

Der Junge, der das Universum verschlang
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Was für ein Buch! Vorab: Es lohnt sich an diesem etwas sperrigen Werk dranzubleiben und es bis zum Ende zu lesen!

Eli Bell ist 13 Jahr alt und wächst in den 80ern in denkbar ungünstigen sozialen Verhältnissen ...

Was für ein Buch! Vorab: Es lohnt sich an diesem etwas sperrigen Werk dranzubleiben und es bis zum Ende zu lesen!

Eli Bell ist 13 Jahr alt und wächst in den 80ern in denkbar ungünstigen sozialen Verhältnissen in einem Vorort von Brisbane, Australen, auf. Drogen, Alkohol und Gewalt sind an der Tagesordnung, aber Eli und sein stummer Bruder August versuchen dennoch, auf der guten Seite zu bleiben. Nicht einfach, wenn selbst die Eltern Drogendealer sind und der Babysitter ein berühmter Ausbrecherkönig und verurteilter Mörder. Als in Eli der Plan reift, diesen Sumpf hinter sich zu lassen und für sich und die Familie einen neuen Weg einzuschlagen, trifft ihn das Schicksal erbarmungslos. Der größte Drogenbaron der Gegend zerstört das kleine Glück der Bells. Aber der Junge, der an das gute Ende in allem glaubt und unbedingt Kriminalreporter werden will, gibt nicht auf und kämpft jahrelang für seine Träume.

Elis Schreibstil, in dem viel zu viele Gedanken Platz finden, wird im Buch kritisiert, denn er male Bilder, statt Nachrichten zu schreiben. "So habe ich schon immer geschrieben. [...] Verschiedene Blickwinkel. Die Kunst, einen Augenblick bis zur Unendlichkeit in die Länge zu ziehen. Details. Einzelheiten [...]" (S. 460). Und genauso schreibt auch Trent Dalton selbst. Die Geschichte von Eli ist unglaublich verzweigt, vielschichtig und verzahnt. Jetzt, wo ich das Buch durchgelesen haben, bekommen so viele Dinge, die vorher überflüssig und merkwürdig anmuteten, einen Sinn. Eigentlich müsste man das Buch gleich nochmal lesen.
Dalton schreibt konsequent aus der Sicht Elis, der zu Beginn der Handlung 13 Jahre alt ist und wir begleiten ihn durch sechs Jahre seines Lebens. Prall gefüllt mit Katastrophen, Liebe und Zuversicht. Eli hat eine unglaubliche Phantasie und die lebt er durch Worte aus. Daher springt die Handlung hin und her, macht Salti, Umwege und sie deutet voraus. Mir war nicht immer klar, was ist real und was spielt sich nur in Elis Kopf ab.
Ich bin nicht einfach in das Buch reingekommen und dann hatte ich auch einen Durchhänger und hab es erstmal für ein paar Tage zur Seite gelegt. Dann hat es mich aber richtig gepackt und ich konnte es nicht mehr zuklappen, bis es ausgelesen war.
Neben der besonderen Schreibweise sind die unglaublich ansprechenden und lebendigen Charaktere hervorzuheben. Allen voran Eli, in dessen Figur viel vom Autor selbst steckt. Slim, der Ausbrecherkönig, der stumme Gus, Stiefvater Lyle, Robert und Fran, die Eltern, alle haben Züge von realen Personen aus dem Umfeld des Autors. Slim Halliday aus Zelle D9 hat es übrigens tatsächlich gegeben. (Hier lohnt eine Internetrecherche.) Die vielen skurrilen Nebenfiguren beleben die Geschichte, sorgen aber auch für die schon erwähnte Weitschweifigkeit in der Schreibweise.

Das Buch ist nichts für zwischendurch, weil es so unglaublich viel zu entdecken gibt, auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene. Das ist mitunter anstrengend, gelegentlich auch ermüdend und oftmals grausam, aber alles macht am Ende Sinn. Der Schluss war für mich so nicht vorhersehbar... obwohl im Nachhinein, wenn man alles genau betrachtet, eigentlich doch. Auf alle Fragen gibt es eine Antwort. Nur eine bleibt unbeantwortet: Warum wurde der Originaltitel nicht eins zu eins übersetzt? Wer das Buch gelesen hat, weiß, warum es nur "Junge verschlingt Universum" heißen kann und nicht anders.
Ich vergebe eine unbedingte Leseempfehlung für einen anspruchsvollen Text und viereinhalb Sterne.

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Veröffentlicht am 10.11.2020

Grausig, grausiger ... Todesfrist

Todesfrist
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Der erste Teil der Thriller-Serie um Sabine Nemez und Maarten S. Sneijder ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Hier geht es ziemlich blutig zu, aber auch sehr spannend.

Eine Frau wird entführt und wacht ...

Der erste Teil der Thriller-Serie um Sabine Nemez und Maarten S. Sneijder ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Hier geht es ziemlich blutig zu, aber auch sehr spannend.

Eine Frau wird entführt und wacht in einem Betonblock wieder auf. Eine zweite Frau wird tot im Münchner Dom gefunden, angekettet an die mächtige Orgel. Es ist die Mutter der Kommissarin Sabine Nemez. Sabines Vater hatte 48 Stunden Zeit, ein Rätsel zu lösen, um das Leben seiner Exfrau zu retten. Er hat es nicht geschafft. Als die Kommissarin eine Suchanfrage in einer internationalen Datenbank vornimmt, wird das BKA Wiesbaden auf den Fall aufmerksam. Maarten S. Sneijder, der Bücher stehlende und von Kopfschmerzen geplagte Profiler, kann etwas zum Fall beitragen. Und das ist nichts Schönes.

Andreas Gruber hat einen fesselnden und wirklich fiesen Thriller geschrieben. Es geht rasant zur Sache, man hat kaum Zeit zum Durchatmen. Die Handlung spielt zeitlich versetzt auf mehreren Ebenen und springt zwischen verschiedenen Handlungsfäden hin und her. Das macht das Buch sehr schnell und spannend. Aber man muss gerade zu Beginn auch sorgfältig lesen, sonst kann man ins Straucheln kommen. Die kurzen Kapitel aus unterschiedlicher Sicht kommen dem Lesetempo ebenfalls zugute.

Der Schreibstil ist flüssig und flott; er ist auf den Inhalt konzentriert und auf wenige wichtige Personen. Rangfiguren werden nur spärlich beleuchtet. Aber gerade der grandiose Unsympath Maarten S. Sneijder ist eine tolle Figur. Seine äußere Erscheinung und seine Ticks sind mal etwas Anderes. (Putzig ist auch die Sache mit der Buchhandelskette, die Sneijder "bevorzugt". Das Anagramm ist schon sehr offensichtlich...) Sabine Nemez wächst vielleicht noch in ihre Rolle hinein, sie hat mir nicht ganz so gut gefallen. Ihre Reaktion auf die Entführung ihrer Mutter (und später deren Tod) war für mich recht verhalten. Etwas enttäuscht war ich letztlich von der Auflösung bzw. dem Antrieb des Täters. Die Idee mit dem Kinderbuch war prima, aber die aufgebaute Spannung ist dann etwas verpufft. Vielleicht war ein bisschen zu viel Psychologie im Spiel.

An einigen ungewöhnlichen Ausdrücken bin ich beim Lesen hängengeblieben (Mezzanin für Zwischengeschoss, Leibschüssel für Bettpfanne), die sind aber wohl der Herkunft des Autors geschuldet, der Österreicher ist.

Cover und Titel sind passgenau auf den Inhalt "zugeschnitten".

Die Story war schon recht blutig und brutal, hat aber gefesselt und einen sehr spannenden Charakter in die Thrillerszene eingeführt. Ich bin gespannt, wie es mit Sneijder und Nemez weitergeht und werde auf jeden Fall an der Serie dranbleiben.

Vier sehr gute Sterne und eine Leseempfehlung für Thrillerfans.






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Veröffentlicht am 07.11.2020

Leckerbissen für Literaturfans

Wonderlands
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Ein wirklich schönes Werk hat Laura Miller hier zusammengestellt. Schon beim Inhaltsverzeichnis läuft den versierten Lesern ein wohliger Schauer über den Rücken. Bücher, die man seit langem liebt und Bücher, ...

Ein wirklich schönes Werk hat Laura Miller hier zusammengestellt. Schon beim Inhaltsverzeichnis läuft den versierten Lesern ein wohliger Schauer über den Rücken. Bücher, die man seit langem liebt und Bücher, die man schon immer lesen wollte stehen hier vereint und haben gemeinsam, dass sich ihre Handlung in imaginären Welten "Wonderlands" abspielt.

Die Einleitung fasst kenntnisreich die Ursprünge und Anfänge der verschiedenen Gattungen zusammen und zeigt die Entwicklung der fantastischen Literatur, unter der hier alle Werke zusammengefasst werden sollen.
Fünf Kapitel gliedern die Bücher in zeitliche Perioden ein:
1. Alte Mythen & Legenden (bis 1700), 2. Wissenschaft & Romantik (1701-1900), 3. Das goldene Zeitalter der Fantasy (1901-1945), 4. Neue Weltordnung (1946-1980), 5. Das Computerzeitalter (1981 - heute). Von den 98 vorgestellten Werken entfallen über die Hälfte auf die beiden letzten Kapitel.
Auf zwei bis sechs Seiten werden die einzelnen Bücher vorgestellt, dabei folgt die Präsentation optisch einem vorgegebenen Schema: Am linken Rand findet sich eine Informationsspalte, oben beginnend mit einer Abbildung des Werkes (Fragment oder Erstausgabe), darunter kurze Informationen zu Werk und Autor und am Ende der Spalte ein Bild des Autors oder der Autorin (entfällt bei anonymen Werken und einmal wird die wichtige Übersetzerin abgebildet). Der Überschrift folgt eine wenige Zeilen lange Charakteristik des vorzustellenden Buches.
Die einzelnen Artikel behandeln verschiedene Aspekte in unterschiedlicher Gewichtung. Informiert wird über die Entstehungsgeschichte des Werkes, die Stellung im Gesamtwerk, den Inhalt, Verflechtungen mit anderen Werken und die Wirkung auf das Genre insgesamt. Es gibt Informationen über die Autoren und Autorinnen, deren andere Werke, Bezüge zur Kunst und Motive, die überraschend in anderen Texten adaptiert werden. (Z.B. besonders reichhaltig bei Stephen Kings "Der dunkle Turm", S. 238f.) Am Ende findet sich ein Autorenverzeichnis, das zeigt, dass hier versierte Fachleute am Werk waren. Das nachfolgende Register verzeichnet die Autoren, Titel und andere erwähnte Werke. Hier ist allerdings nicht stringent gearbeitet worden. Es werden Schauspieler aus Verfilmungen und Buchillustratoren genannt, aber eben nicht alle, die in den Beiträgen vorkommen.

Neben den fast immer interessanten und informativen (kurzen) Texten sind es aber besonders die Abbildungen, die das Buch so besonders machen. Zeichnungen aus den Erstausgaben, besonders gelungene Illustrationen oder Cover, Filmszenen und -plakate, historische Fotos, Manuskriptseiten oder Notizen der Autoren und natürlich Landkarten - die Kernstücke der "Wonderlands".

Laura Miller hat in ihrem Buch Autoren aus aller Welt und deren Werke vereint, die zunächst unterschiedlicher nicht sein könnten: Antike und mittelalterlichen Heldensagen und Weltraumabenteuer, Homer und Stephen King, Mark Twain und Cornelia Funke. Beim Lesen der Artikel wird aber deutlich, wie viele Bezüge es untereinander gibt und wie sich das Genre der "fantastischen Welten" entwickelt hat. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann und will das Buch sicherlich nicht erheben, aber die wichtigsten und einflussreichsten Vertreter sind genannt.

Es macht großen Spaß in diesem Werk zu lesen und Altbekanntes und Neues zu entdecken. Die Autoren haben mit Fachkenntnis und oft mit großer Begeisterung ihre Artikel verfasst.
Ich kann "Wonderlands" nur empfehlen. Die "Appetithappen" machen große Lust darauf, viele der vorgestellten Werke (endlich doch noch) zu lesen.
Fast fünf Sterne!

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