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Veröffentlicht am 15.11.2020

Die Härte der Kriegs- und Nachkriegsjahre in Köln

Trümmermädchen
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Familiengeschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Jahre danach zu schreiben, scheint aktuell „angesagt“ zu sein. Jedenfalls habe ich in jüngerer Zeit einige Bücher hierzu gelesen. Dennoch ...

Familiengeschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und die Jahre danach zu schreiben, scheint aktuell „angesagt“ zu sein. Jedenfalls habe ich in jüngerer Zeit einige Bücher hierzu gelesen. Dennoch ist jedes wie auch das vorliegende individuell und ein Mahnmal gegen das Vergessen für uns Wohlstandsbürger mehr als 70 Jahre später. Es ist schlichtweg unvorstellbar, in welcher Not die Protagonisten dieses Romans im ausgebombten und von Jahrhundertwintern heimgesuchten Köln der Jahre 1941 ff. gelebt haben. Hunger, Kälte, Obdachlosigkeit, Krankheit sind die Widrigkeiten, gegen die die junge Anna und ihre Tante Marie ankämpfen müssen, nachdem der Onkel als im Krieg vermisst gilt und die einst gut gehende Bäckerei bei Luftangriffen zerstört wird. Kein Wunder, dass Anna da kriminelle Schwarzmarktgeschäfte macht, während Marie eher in Resignation verfällt. Die Autorin versteht es, die Personen und deren furchtbare Lebenssituation anschaulich zu schildern, wobei ihr ausweislich ihres Nachwortes eigene familiäre Erfahrungen sehr geholfen haben. Manchmal allerdings war für mich der Bogen überspannt, denn eine solche Anhäufung von Elend und die letztendlich positiven Fügungen der Geschichte nehmen der Geschichte etwas ihrer Glaubwürdigkeit. Auch hätte auf manche Klischees verzichtet werden können (z.B. Marie als „Tommy-Liebchen“, der lüsterne Bäckerinnungsmeister und seine intrigante Ehefrau).
Auf jeden Fall ein interessanter Roman für alle, die mehr über die entbehrungsreiche Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach erfahren wollen.


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Veröffentlicht am 08.11.2020

Satire über die Allmacht der Banken

Die Liebe Geld
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Geschrieben ist dieses Büchlein (denn ein solches ist es mit seinen nur 112 Seiten) wie eine Theatervorlage/ein Drehbuch (in Österreich ist es tatsächlich auch bereits auf der Bühne aufgeführt worden).
Aufhänger ...

Geschrieben ist dieses Büchlein (denn ein solches ist es mit seinen nur 112 Seiten) wie eine Theatervorlage/ein Drehbuch (in Österreich ist es tatsächlich auch bereits auf der Bühne aufgeführt worden).
Aufhänger ist das erfolglose, beharrliche Unterfangen des Bankkunden Alfred, einen Bargeldbetrag von seiner Bank ausgezahlt zu erhalten. Beraterin und Bankdirektor weisen seinen Wunsch rhetorisch geschickt trotz ausreichend vorhandener Sparrücklagen unter Hinweis auf die überschätzte Bedeutung von Geld von sich und lassen Alfred ohnmächtig resignieren. Am Ende wartet eine ironische Pointe. Wortwitz, Ironie und irrsinnige Dialoge rund ums Geld machen das Buch lesenswert. Es besticht durch typisches österreichisches Vokabular, Verwendung der dort so wichtigen Titel und Bezugnahme auf lokale Vorkommnisse wie die Ibiza-Affäre.

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Veröffentlicht am 31.10.2020

Amüsante Kindheitsbiografie

Vorstadtprinz
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Als Kabarettist im Fernsehen ist mir Egersdörfer überhaupt kein Begriff, weil mir entsprechende Sendungen fernliegen. Aber auch ohne eine bekannte Person vor Augen zu haben, ist dieses Buch wirklich lesenswert. ...

Als Kabarettist im Fernsehen ist mir Egersdörfer überhaupt kein Begriff, weil mir entsprechende Sendungen fernliegen. Aber auch ohne eine bekannte Person vor Augen zu haben, ist dieses Buch wirklich lesenswert. Der Autor erzählt über seine Kindheit und Jugend in einer bayrischen Kleinstadt. Das erfolgt in einer blumigen, sarkastischen Sprache und vom Hölzchen aufs Stöckchen kommend, gerade deshalb so ansprechend. Da aus einem Zeitraum in den 1970er/80er Jahren erzählt wird, war das Buch umso interessanter für mich, weil auch ich in dieser Zeit aufwuchs und mich an Vieles erinnern konnte. Das Buch ist auf jeden Fall Anlass, mir Egersdörfer einmal im Fernsehen anzuschauen.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Auch außerhalb der Weihnachtszeit gut zu lesen

Weihnachtshaus
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Zwei Bücher der Autorin kenne ich bereits („Schlafen werden wir später“, „Sterben im Sommer“). In diesem Buch treffen wir erneut auf den der Autorin so eigenen poetischen, melancholischen, manchmal märchenhaften ...

Zwei Bücher der Autorin kenne ich bereits („Schlafen werden wir später“, „Sterben im Sommer“). In diesem Buch treffen wir erneut auf den der Autorin so eigenen poetischen, melancholischen, manchmal märchenhaften Schreibstil – Wiederholungen, Wortschöpfungen – und die von ihr bevorzugte Thematik – Trauer(bewältigung). Für jeden ist das vielleicht nichts, auch nicht in jeder Lebenssituation. Die Protagonistin hat vor wenigen Jahren ihren Ehemann durch plötzlichen Herztod verloren. Eine große Stütze in dieser für sie und ihre kleinen Kinder schweren Zeit ist ihre Freundin, die selbst ihr familiäres Päckchen trägt. Gemeinsam haben sie eine Bauruine auf dem Land gekauft in der Hoffnung, hier irgendwann einmal zusammen und mit ihren Lieben Weihnachten feiern zu können. Ihrem Ziel rücken sie näher durch die Hilfe des Amerikaners Bill, der in der Adventszeit in ihr Leben schneit.
Trauerbewältigung, neue Hoffnung und unverbrüchliche Freundschaft sind die beherrschenden Themen, die die Geschichte durchziehen. Das passt natürlich gut in die stimmungsvolle Vorweihnachtszeit. Viele geschilderte Bräuche versetzen uns Leser in Weihnachtsstimmung. Doch auch jenseits dieser Zeit lässt sich das Büchlein gut lesen.

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Veröffentlicht am 23.10.2020

Die Perspektivlosigkeit des Landlebens

Niemand ist bei den Kälbern
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Dieser Roman zeichnet ein gutes Bild davon, wie wenig Perspektive die jungen Leute im ländlichen Bereich der ehemaligen DDR haben.
Angesiedelt ist die Geschichte im früheren Zonenrandgebiet in einem nordwestmecklenburgischen ...

Dieser Roman zeichnet ein gutes Bild davon, wie wenig Perspektive die jungen Leute im ländlichen Bereich der ehemaligen DDR haben.
Angesiedelt ist die Geschichte im früheren Zonenrandgebiet in einem nordwestmecklenburgischen Dorf bei Lübeck und sie spielt an wenigen Tagen in einem Sommer. Die Protagonistin Christin ist zu ihrem Freund auf den Milchviehbetrieb von dessen Vater gezogen, der sie aufgrund ihrer desolaten Herkunft (Vater ein Alkoholiker, Mutter abgehauen) nicht als Bäuerin akzeptiert. Nur zu gerne würde sie in die Stadt flüchten, doch ohne Ausbildung und eigenes Geld kein realistisches Unterfangen. So bleiben ihr nur die regelmäßigen Dorffeste, der Alkohol und Vergnügungen mit Männern. Ähnlich leben die wenigen anderen jungen Dorfbewohner, die gar noch kriminelle Energie entfalten und sich den „Glatzen“ anschließen.
Von ländlicher Idylle kann überhaupt keine Rede sein. Zu der ganzen Trostlosigkeit passt der melancholische Stil des Buches sehr gut. Christin ist eine Antiheldin, aber keineswegs eine unsympathische, hat sie doch so manche gute Seite wie Hilfsbereitschaft ihrem alkoholkranken Vater gegenüber oder ihre Mühen auf dem Hof. Am liebsten würde man sie schütteln und an die Hand nehmen, damit sie etwas aus sich macht.
Ein lesenswertes Romandebüt.

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