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Veröffentlicht am 21.11.2020

Ein lehrreicher Weckruf

Populismus leicht gemacht
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Das Buch ist ideal für alle, die keine trockene Abhandlung über Populismus lesen, sondern mit Humor die Charakteristika dieser Politikform nachvollziehen wollen.
Mit seinem Buch „Populismus leicht gemacht. ...

Das Buch ist ideal für alle, die keine trockene Abhandlung über Populismus lesen, sondern mit Humor die Charakteristika dieser Politikform nachvollziehen wollen.
Mit seinem Buch „Populismus leicht gemacht. Erfolgreich lernen von den großen Diktatoren der Geschichte“ hat der Historiker und Podcaster Ralf Grabusching, in Zeiten, wo erneut Populist:innen in Parlamente einziehen oder sogar Präsident werden, einen absoluten Treffer gelandet.
In 13 Kapiteln erläutert der Autor wesentliche Merkmale des Populismus und verdeutlicht diese an Beispielen von Rechts- und Linkspopulisten und Diktatoren aus dem letzten Jahrhundert, wie sie sich Feindbilder geschaffen haben, stets eine allgemeine Antihaltung einnahmen und Krise ausnutzten, um sich selber als Retter:in zu präsentieren. All diese Wege, die sich schon vor hundert Jahren Diktatoren und Populisten wie Hitler, Stalin, Mussolini, Hoax, Tito, Franco und viele weitere eingeschlagen haben, um an die Herrschaft zu kommen und diese zu stabilisieren, werden kurzweilig erläutert. Pro Kapitel wählt Grabusching zwei bis drei Beispiele aus der Geschichte und stellt dabei immer wieder Bezüge zur Gegenwart her. Wie Feindbilder erzeugt, aufgebauscht und gezielt eingesetzt werden, kennzeichnet nicht nur das letzte Jahrhundert, sondern ist auch in heutigen Gesellschaften von erschreckend großer Aktualität.
Mit Humor und einer lockeren Sprache, bei der ein:e fiktionale Leser:in angesprochen wird, gelingt es dem Autor, den/ die Leser:in zu unterhalten, aber gleichzeitig auch Wissen zu vermitteln. So habe ich viel über Diktatoren gelernt, von denen ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte. Mit dem Bezug zur heutigen Zeit und zu Politiker:innen und Parteien wie Donald Trump in Amerika, der FPÖ in Österreich oder der AfD in Deutschland, zeigt Grabusching die sich wiederholenden Politikstile auf und führt dem Leser eindrücklich vor Augen, dass Populismus kein Phänomen der Gegenwart ist, sondern schon viel länger – sehr erfolgreich - Anwendung findet. Damit ist das Buch auch eine Warnung und ein Aufruf dazu, aufmerksam zu sein, Populismus zu erkennen und sich diesem entgegenzustellen. Denn wozu Populismus in seiner schlimmsten und grausamsten Form führen kann, haben gerade wir in Deutschland leider im letzten Jahrhundert allzu oft und allzu deutlich erfahren müssen. Auch wenn es dem Buch nicht an Humor und Unterhaltung fehlt, so hinterlässt die Lektüre ein mulmiges Gefühl, da man mit Erschrecken feststellen muss, dass das, was früherer Diktatoren sich zu Nutze gemacht haben, sich bei einer Partei zur täglichen Praxis gehört, die es bis in den deutschen Bundestag geschafft hat.
Es scheint, als hätten die Menschen nichts von den letzten Diktatoren gelernt.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Harte, aber gute Kost

Zwei Leben in einer Nacht
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Ende 2016 wurde in Russland ein Phänomen bekannt, das unter dem Titel „Blue Whale Challenge“ kursierte und Mitte 2017 auch in Europa Bekanntheit erlangte. Ein Administrator stellte Jugendlichen 50 Tage ...

Ende 2016 wurde in Russland ein Phänomen bekannt, das unter dem Titel „Blue Whale Challenge“ kursierte und Mitte 2017 auch in Europa Bekanntheit erlangte. Ein Administrator stellte Jugendlichen 50 Tage lang täglich eine Aufgabe, die schließlich in deren Selbstmord münden sollte. Inklusive einritzen eines Wals. Diese Challenge greift Carolin Wahl in ihrem Roman „Zwei Leben in einer Nacht“ wieder auf. Verkürzt das ganze jedoch auf eine Nacht. Das Buch erschien am 8. Oktober 2020 im Loewe Verlag und ist dort das zweite Werk der Autorin.
Es ist Freitag der 13, in dieser Nacht treffen sich Sam und Caspar das erste Mal. Sie kennen sich nicht, doch haben eine Gemeinsamkeit: beide sollen in dieser Nacht sterben, weil sie nicht mehr leben wollen. Von Ghost wurden sie auf dem Forum Deathwish ausgewählt um an fünf Challenges teilzunehmen, die mit ihrem Tod enden sollen. In den fünf gemeinsamen Stunden lernen die beiden sich besser kennen, tauschen Geheimnisse aus und kommen sich näher.
Die beiden Hauptprotagonisten sind auf den ersten Blick vollkommen unterschiedlich und haben nur die Challenge und ihren Tod gemeinsam. Sam mit indigofarbenem Haar, die Kampfsport betreibt und eine starke Persönlichkeit hat, jedoch an Depressionen leidet. Ihr gegenüber steht Caspar, hochbegabt und hochsensibel, den die Erwartungen seiner Eltern unter Druck setzen. Doch während er bei anderen Jugendlichen seines Alters aneckt und diese nicht mit ihm klar kommen, gelingt es Sam einen Zugang zu ihm zu finden und er zu ihr. Eine Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich nur langsam, doch dafür geht sie umso tiefer. Wird diese Freundschaft die beiden von dem Suizid abhalten?
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm, mitreißend und unglaublich intensiv. Carolin Wahl gelingt es, alle Emotionen der beiden Protagonistinnen auf eine tiefe Weise zu vermittel, und lässt den/die Leserin an der Gedankenwelt von Sam und Caspar teilhaben. Gleichzeitig ist die Sprache poetisch und sensibel. Die steigernde Spannung des Buches sorgt dafür, dass es für mich kaum möglich war, das Buch aus der Hand zu legen. So viele offene Fragen und Geheimnisse, die alle beantwortet werden möchten. Durch Rückblenden und Ausschnitte aus dem Chatverlauf auf dem Forum Deathwish erfährt man mehr über die Geschichte und Hintergründe von Sam und Caspar und der anderen Chatteilnehme. Diese sind meist an Cliffhänger und besonders spannenden Stellen angeschlossen, sodass das der/die Leserin kurz aufatmen kann.
Ein großer Bestandteil des Buches machen Themen, wie Ängste, Depressionen, Trauer, Tod und Suizid aus, wovor auch in einer vorangestellten Triggerwarnung gewarnt wird. Der Autorin gelingt jedoch ein sensibler Umgang mit diesen Themen. Was bewegt Jugendliche zu Selbstmordgedanken und Suizid? Wie wird dies von anderen Menschen missbraucht? Durch Sam und Caspar werden zwei Perspektiven auf Suizid vermittelt. Sam, der Zweifel kommen und die die Möglichkeit von Hilfe im Leben nicht außer acht lassen will, und Caspar, der fest entschlossen ist, sich das Leben zu nehmen.
Die Message des Buches richtet sich vor allem an das Umfeld von Menschen, die von Depressionen oder Selbstmordgedanken betroffen sind. Schaut nicht weg, lautet die Botschaft, sondern greift ein, bevor es zu spät. Und für die Betroffenen: Holt euch Hilfe, es gibt Lösungen im Leben, auch wenn eure Gedanken und andere Leute das Gegenteil behaupten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Roman ein unglaubliches intensives Leseerlebnis war. Er war mitreißend, hat mich zum Lachen, zum Weinen und zum Verzweifeln gebracht, doch es hat sich gelohnt. Die Themen waren schwer zu verdauen, haben zum Nachdenken angeregt und eine neue Sicht auf das Leben, Sterben, sowie die Verzweiflung vieler Menschen gebracht. Doch als Leser
in sollte man vorsichtig sein und das Buch wirklich nur lesen, wenn man damit umgehen kann. Es ist harte, aber gute Kost.

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Veröffentlicht am 16.10.2022

Fantasy, das hervorsticht

A Psalm of Storms and Silence. Die Magie von Solstasia
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Band zwei der Solastia Reihe schließt unmittelbar an Band zwei an und war von Anfang an spannend. Der Autorin ist es gelungen, mich mit Plottwists zu überraschen und durch Rückblicke in die Vergangenheit ...

Band zwei der Solastia Reihe schließt unmittelbar an Band zwei an und war von Anfang an spannend. Der Autorin ist es gelungen, mich mit Plottwists zu überraschen und durch Rückblicke in die Vergangenheit einen tieferen Einblick von der Charakteren und ihren Motiven zu liefern.
Gerade in diesem Band ist Maliks Einfluss auf Karina deutlich spürbar und wie sie sich durch seine Worte verändert hat. Karina entspricht nicht dem typischen Heldinnen Typus. Zwar lernt sie ihre Magie zu kontrollieren, doch fehlt ihr jeder Drang zur Aufopferung und Selbstlosigkeit, was durchaus erfrischend war. Malik macht ebenfalls eine tiefgehende Veränderung durch. Auch wenn ihm vielleicht Macht fehlt, so besitzt er dennoch Stärke. Gleichzeitig bleibt er weiterhin der Junge aus Band Eins, der unter allen Umständen seine Schwestern beschützen will und vor seinen Problemen davon läuft.
Wie schon im ersten Band der Reihe hat mir vieles an dem Buch gefallen. Das ist zum Einen die Themenwahl, die die Autorin getroffen hat: Verantwortung gegenüber seinem
ihrem Volk, Liebe, Privilegien, die Frage von Identität und Zugehörigkeit. Auch die Verwendung von Neopronomen und das Aufbrechen des binären Geschlechtersystems, wie das gesamte Setting der Fantasywelt hat mich angesprochen. Diesen positiven Punkten zum trotz, fallen leider immer wieder ableistische Begriffe und trotz der vielen und interessanten Ereignissen, neuen Charakteren (Ife <3) und Informationen über das Land und die Vorfahren von Malik und Karina, konnte mich das Buch nicht vollständig fesseln.
Die Lektüre des Buches hat mir dennoch erneut viel Freude bereitet und ich möchte es gerne Fantasyliebhaber*innen empfehlen, die Interesse an einer Geschichte haben, die zwischen typischen eurozentrischen Werken hervorsticht und vielleicht auch ein Wegweiser ist, was Fantasy sein kann, wenn wir uns von Altbekannten lösen und neue Richtungen einschlagen.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Ein hilfreicher Leitfaden

Und jetzt du.
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Keine Bewegung hat mich wahrscheinlich in meinem Reflektionsverhalten und meinem politischen Engangement so sehr geprägt wie die Black Lives Matter Demonstrationen 2020. Ich habe begonnen, mich mit Anti ...

Keine Bewegung hat mich wahrscheinlich in meinem Reflektionsverhalten und meinem politischen Engangement so sehr geprägt wie die Black Lives Matter Demonstrationen 2020. Ich habe begonnen, mich mit Anti Schwarzen Rassismus und Antirassismus zu beschäftigen, Bücher gelesen, Podcasts gehört und mich engagiert. Doch Antirassismus lässt sich nicht von einem Tag auf den anderen erreichen, sondern es ist ein Prozess, der immer weiter geht und sich immer im eigenen handeln wieder spiegeln sollte.

Um weiße Menschen bei diesem Prozess zu begleiten hat Tupoka Oggette einen Leitfaden entwickelt. „Und jetzt du“ bietet nicht nur Definitionen, sondern gibt auf für verschiedene Situationen und Kontexte konkrete Handlungsvorschläge und Denkanstöße an die Hand, um sich antirassistisch zu verhalten. Es sind Ansätze um eine Rassismusärmere Welt zu erschaffen. Da das Buch sich vor allem an weiße Menschen richtet, thematisiert die Autorin auch white fragility, white savorism und andere Mechanismen, sowie Antirassismus in Institutionen, wobei sie oft auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreift.

Natürlich bietet es sich an, als Einstieg in das Thema „Exit Racism“ zu lesen, da „Und jetzt du“, an ihre erstes Buch anknüpft, doch auch so ist auch das neuste Buch der Autorin gut verständlich, da sie viele Erklärungen und eine klare, übersichtliche Struktur liefert, dendie Leserin direkt anspricht und mit zahlreichen Metaphern und Vergleichen, die Theorie greifbarer macht. Für mich bot das Buch inhaltlich selber wenig neues. Aber das ändert nicht an dessen Relevanz für uns als Individuen, die Gesellschaft und die Debatte über Rassismus.

Tupoka Ogette findet klare und verständliche Worte für viele Dinge, wo ich zwar das Wissen besitze, mir es aber oft schwer fällt, dieses verständlich zu erläutern. Ich konnte viel aus dem Buch mitnehmen, um in Zukunft anderen genau dieses Wissen besser zu vermitteln. Und ich hoffe und glaube, dass es euch ähnlich gehen wird und das viele, die gerade beginnen, sich mit Antirassismus auseinanderzusetzen, das Buch als Bereicherung wahrnehmen werden.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Ein weiterer gelungener Band der Inspector Lynley-Reihe

Was im Verborgenen ruht
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„Was im Verborgenen ruht“, Band 21 der Inspector Lynley-Reihe, beginnt ganz Elizabeth George like: die ersten 150 Seiten hatte ich überhaupt keine Ahnung, was gerade passiert. Die Autorin wartet mit einer ...

„Was im Verborgenen ruht“, Band 21 der Inspector Lynley-Reihe, beginnt ganz Elizabeth George like: die ersten 150 Seiten hatte ich überhaupt keine Ahnung, was gerade passiert. Die Autorin wartet mit einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven auf, die in keinem Zusammenhang zu stehen scheinen: eine nigerianische Familie, ein Polizist, der seine Frau betrügt, die sich um ihre behinderte Tochter kümmert und und und. Nur von einem fehlt jede Spur: Inspector Lynley.

Nach und nach beginnt Elizabeth George die Fäden zu entwirren, einzelne Verbindungen aufzuzeigen, wobei ein immer weitreichenderes Netz aus Zusammenhängen deutlich wird. Die Ermittlungen nehmen an Fahrt auf und es kristallisiert sich heraus, in welche Richtung die Geschichte gehen wird und welchen Themen sich die Autorin angenommen hat.

Mit diesem Themen ist es Elizabeth George gelungen mich direkt anzusprechen: Rassismus, Wut, Privilegien von Weißen, Genitalverstümmelung und der Einfluss von Politik und Presse auf Polizeiarbeit lässt sie geschickt in die Ermittlungsarbeiten von Inspector Lynley und Sergeant Barbara Havers einfließen.

Es folgen Wendungen und Erkenntnisse, die ich niemals vorhergesehen hätte und die Komplexität der Geschichte war für mich ein Highlight meiner Lektüre.

Der Schreibstil ist sehr ausführlich beschreibend und macht jeden Charakter, auch belanglose Nebencharaktere, in zahlreichen Facetten greifbar.

Während es Lesens wird sehr schnell deutlich, dass Elizabeth Georg viel Recherche in ihre Themen gesteckt hat, vorallem wenn es um die Darstellung der nigerianischen Familie, für dies es anscheinend auch ein Sensitivity reading gab, und weibliche Genitalverstümmelung (FGM) geht.

Der erste Band der Reihe erschien bereits 1988 und bei diesem Buch habe ich erstmals so richtig realisiert, welche Entwicklung die Autorin bezüglich Diversität gemacht hat.

Jedoch wird trotz der Recherche eine eurozentrische Sichtweise in dem Buch deutlich, wenn zb. verallgemeinert von einem „afrikanischen Akzent“ gesprochen wird, wobei ich jedoch nicht weiß, ob die Autorin diese Worte beabsichtigt einem Charakter zugeschrieben hat, um dessen Sichtweise darzustellen, oder ob es ihre eigene eurozentrische Perspektive ist, die sich dort wiederspiegelt. Da jedoch Rassismus grundsätzlich in dem Buch reflektiert wird und weiße Privilegien den Charakteren auch gespiegelt werden, hoffe ich auf ersteres. Leider fallen auch immer wieder ableistische Begrifflichkeiten.

Dennoch: i appreciate the effort :D

Auch der neuste Band der „Inspector Lynley“ Reihe überzeugt, auch wenn gerade zu Beginn ein langer Atem gefordert ist, mit Komplexität, Spannung, interessanten Charakterentwicklungen und Vermittlung von Wissen über FGM, ohne zu pauschalisieren.

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