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Veröffentlicht am 28.02.2021

Ausgetüftelter Kriminalroman rund um das Leben des Lewis Carroll

Der Fall Alice im Wunderland
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Der Fall Alice im Wunderland handelt von einer auf Tatsachen beruhenden Geschichte mit einer fiktiven Bruderschaft und fiktiven Personen. Guillermo Martinez hat hier die Tatsache, dass 1994 eine zuvor ...

Der Fall Alice im Wunderland handelt von einer auf Tatsachen beruhenden Geschichte mit einer fiktiven Bruderschaft und fiktiven Personen. Guillermo Martinez hat hier die Tatsache, dass 1994 eine zuvor verschollene Seite aus den Notizen von Lewis Carroll auftauchte zum Anlass der Geschichte genommen und - angelehnt an seine Person - sich selbst als Logik-Student und Doktorand in die Geschichte geschrieben.

Die Handlung in Der Fall Alice im Wunderland spielt zur Zeit des Fundes jener Original-Seite, im Jahr 1994, in Oxford. Guillermo Martinez hatte in Oxford Mathematik studiert und daher fiel es ihm leicht, die Begebenheiten der Geschichte dorthin zu verlegen, zumal Lewis Carroll dort seinerzeit selbst studierte. In Oxford war Lewis Caroll besser unter seinem Namen Charles Lutwidge Dodgson bekannt.

Somit schreibt diese Geschichte ein Mathematiker und Schriftsteller (Guillermo Martinez) über einen Mathematiker und Schriftsteller (Lewis Carroll).



In der Geschichte begegne ich unterschiedlichen Charakteren. Faszinierend an ihnen ist, dass sie alle ein öffentliches als auch ein privates, geheimes Leben haben. Über die junge Studentin Kristen Hill, der es gelungen ist eine bis dahin verschollene Seite aus den Aufzeichnungen von Lewis Carroll zu entdecken und als echtes Fundstück, das neue Erkenntnisse über den Schriftsteller ans Tageslicht bringen soll, lerne ich die Lewis-Carroll-Bruderschaft und peu á peu deren Mitglieder kennen.



Doch bevor sie das wertvolle Schriftstück den Mitgliedern in einer extra dafür einberufenen Sitzung zeigen und erläutern kann, wird sie von einem Auto erfasst und schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert.

Arthur Seldom, Mitglied der Lewis-Carroll-Bruderschaft, ist beunruhigt. Er stellt sich die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelte oder ob gar eine böse Absicht dahinter steckte und Kristen womöglich ihr Leben lassen sollte. In seine Überlegungen bezieht er seinen jungen aufmerksamen Doktoranden mit ein und sorgt dafür, dass Kristen im Krankenhaus polizeilichen Schutz erhält.

Dem wissenschaftlichen Detektiv Seldom wird während seiner eigenen Ermittlungen bewusst, dass Ereignisse durch Vermutungen verändert werden. Wem darf er vertrauen?

Der argentinische Doktorand an seiner Seite ist seine Verbindung zu Kristen. So hofft er jedenfalls, dass - sobald Kristen sich wieder an alles vor dem Unfall erinnern kann - diese genug Vertrauen zu diesem haben werde. Eine Anziehung zwischen den beiden etwa Gleichaltrigen ist jedenfalls spürbar.

Während Kristen noch im Krankenhaus liegt und sich von den Folgen des Unfalls erholt, geschieht allerdings ein Mord. Somit gilt für Seldom die Vermutung als bestätigt: es handelte sich im Fall von Kristen nicht um einen Unfall. Das argentinische - eher ironisch gemeinte - Sprichwort "Wenn sie die Polizei rufen, wird es ein Verbrechen geben" scheint damit erfüllt zu sein.



So gibt die Geschichte zwei Rätsel auf. Zum einen gilt es die Morde aufzuklären und die polizeilichen Ermittlungen zu begleiten. Zum anderen gibt es die literarischen Ermittlungen um die fehlenden Tagebucheinträge von Lewis Carroll.

Und so werde ich in die Ermittlungen mit einbezogen. Was war Lewis Carroll für ein Mensch? Was hat es mit den fehlenden Notizen auf sich? Und hat sich Lewis Carroll schuldig gemacht im Sinne der damaligen Gesetzgebung oder der heutigen?

In dem Magazin La Nacion sagte Guillermo Martinez in einem Interview am 3. März 2019





"Es gibt Theorien, die nicht wegen ihres Grades an Wahrheit geglaubt werden, sondern weil es eine Genugtuung ist, ihnen zu glauben. Oder weil es attraktiver oder faszinierender ist."



Die Ermittlungen und einzelnen Aufklärungspuzzlestücke sind wohldosiert und mit Spannung verfolge ich, wie sich schlussendlich der Fall aufklärt. Ich bin überrascht und gleichzeitig fasziniert von der logischen Aufklärung dieser klug inszenierten Geschichte.

Überraschend für mich ist auch der Erzählstil. Die Geschichte wird very british erzählt und zudem eher antiquiert, als spiele die Handlung zur Zeit von Lewis Carroll und nicht etwa im Jahr 1994. Dann wiederum ist von E-Mails und einem Mobiltelefon die Rede. Das war mir - angelehnt an den Erzählstil - schon zu modern.

Die Übersetzung von Angelica Ammar jedenfalls ist gelungen. Im Verlauf der Geschichte Der Fall Alice im Wunderland konnte ich keinerlei Ungereimtheiten feststellen. Die Worte und Ausdrucksweisen waren perfekt gewählt.

Die Stimme des Sprechers Sascha Tschorn konnte mich ebenfalls überzeugen. Die unterschiedliche Betonung bei den verschiedenen Charakteren kam sehr gut zur Geltung und ich konnte sie mir in ihren Gebärden und ihrer Körpersprache und Mimik gut vorstellen. - Auch, wenn es in der Geschichte Szenen gab, die ich mir lieber nicht so bildlich vor Augen geführt hätte.



Fazit

Diese Geschichte ist für alle, die Spaß am Mitermitteln haben und die auch vor gemutmaßten unliebsamen Hintergründen zur Person des Schriftstellers nicht zurückschrecken.

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Veröffentlicht am 01.02.2021

Komplexer und realistisch gestalteter Kriminalroman

Im Wald
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Im Wald ist der achte Band der Krimi-Reihe um das Ermittlerduo Oliver von Bodenstein und Pia Sander, ehemals Kirchhoff.

Die Krimi-Reihe spielt im Taunus und der achte Band handelt von den Bewohnern des ...

Im Wald ist der achte Band der Krimi-Reihe um das Ermittlerduo Oliver von Bodenstein und Pia Sander, ehemals Kirchhoff.

Die Krimi-Reihe spielt im Taunus und der achte Band handelt von den Bewohnern des kleinen Ortes Ruppertshain und dem nahegelegenen Wald. Die Protagonisten durchlaufen in den Bänden eine eigene Entwicklung, die für sich schon spannend erscheint. Im Wald ist für mich das erste Lesevergnügen der Reihe und ich bin sehr von der Entwicklung innerhalb des Romans als auch der verschiedenen Charaktere angetan. Durch gezielte Rückblenden ist das leicht nachzuvollziehen.







Oliver von Bodenstein wird mit einem Erlebnis aus seiner Kindheit konfrontiert. Nachdem eines Nachts ein Wohnwagen in Flammen aufgeht, in dem ein Mann ums Leben gekommen ist und kurze Zeit später eine alte Frau im Hospiz ermordet wird, deuten die Spuren auf einen Fall von vor vierzig Jahren hin. Damals verschwand ein Junge spurlos. Und mit ihm ein zahmer Fuchs. Beide waren treue Wegbegleiter von Oliver von Bodenstein - bis zu diesem Tag im Sommer 1972.

Der Schreibstil ist klug und gewitzt. Bereits nach kurzer Zeit mag ich das Buch schon nicht mehr aus der Hand legen.



"Tempora mutantur, nos et mutamur in illis." ... "Oder auf Hessisch: Lebbe geht weiter!" - Seite 104



Mir gefällt, dass in der Geschichte auch mal mit Dialekt gesprochen wird. Diese Stellen im Buch lese ich gern laut, um noch mehr ein Gespür dafür zu bekommen. Mit der Aussprache geht auch ein gewisses Gefühl an Mentalität einher. Das ist spannend zu erfahren.

In der Geschichte gibt es eine Vielzahl an Charakteren und ich muss konzentriert lesen, um bei den Freundschafts- und Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb des Ortes auf dem Laufenden zu bleiben. Schließlich geht es hier um rund 40 Jahre Dorfgeschichte die erzählt werden will.

Ich könnte es mir einfach machen und in dem der Geschichte vorangestellten Namensverzeichnis nachsehen, doch ich merke mir die Namen und die Beziehungen der Charaktere zueinander lieber.

Und so lerne ich nach und nach die Dorfbewohner kennen und mag mir gar nicht vorstellen, dass unter ihnen ein Mörder weilen sollte. Mit dem Fortgang der Geschichte und der Ermittlungen wird das Netz immer enger um eine Handvoll Personen geschnürt und findet zuletzt ihren Höhepunkt. Ich bin begeistert, wie so viel Spannung in dem 560 Seiten starken Buch gehalten und schlussendlich sogar gesteigert werden kann.

Realistisch wirkt die Geschichte vor allem durch zeitgeschichtliche Gegebenheiten wie beispielsweise der Verkehr zur Frankfurter Buchmesse oder ein eingewobenes geschichtliches Ereignis wie die Festnahme der Terroristin Ulrike Meinhof. Das rundet das Geschehen im Buch ab und macht den Fall lebensnah.

Ich hatte viel Spaß beim Lesen der Geschichte und beim Miträtseln, wer hier der Täter sein könnte. Nele Neuhaus hat mit Im Wald einen Leser ihrer Geschichten mehr. Die vorangegangenen Werke dieser Krimi-Reihe liegen bereits hier bzw. sind gerade noch auf dem Weg zu mir.



Fazit
Im Wald ist für alle, die komplexe und realistisch gestaltete Kriminalromane mögen. Nele Neuhaus ist Autorin und Kriminalhauptkommissarin ehrenhalber. Ich würde sagen, das merkt man dem Geschehen in der Geschichte an.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Ein magisches Abenteuer

Gnorl
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Gnorl
Jugendbuch
Planet! - Thienemann-Esslinger Verlag
Autor: Florian Fuchs
ISBN 978-3-522-50682-3
338 Seiten



So gern wäre Jonas in diesem Sommer mit seinem Freund und dessen Eltern nach Mallorca gereist. ...

Gnorl
Jugendbuch
Planet! - Thienemann-Esslinger Verlag
Autor: Florian Fuchs
ISBN 978-3-522-50682-3
338 Seiten



So gern wäre Jonas in diesem Sommer mit seinem Freund und dessen Eltern nach Mallorca gereist. Stattdessen stehen ihm nun Ferien auf dem Bauernhof bevor. Im Schwarzwald. Mit seinen Eltern.

Freude sieht anders aus. Doch nachdem er sich nach stundenlanger Fahrt aus dem Auto gequält und den Ausblick gesehen hat, könnte er sich vorstellen, dass die Ferien vielleicht doch noch cool werden. Zwei Kinder in seinem Alter soll es auf dem Hof der Gastfamilie Bommele auch geben.



Anna und Benjamin heißen die Beiden und schon nach kurzer Zeit raufen sich die Drei zusammen und legen sich gemeinschaftlich auf die Lauer. Jonas hatte Abends eine Gestalt aus dem Schuppen entwischen sehen und nun sind die Drei neugierig, um was für ein Geschöpf es sich handelt.

Nach kurzer Verfolgungsjagd entdecken sie einen kleinen Felsspalt. Wohin mag die verborgene Treppe führen? Ein paar Stufen später stecken sie in einem unterirdischen Labyrinth und einem Abenteuer voll Magie, Kobolden und allerlei unbekannten Kreaturen und begegnen alten Geheimnissen und tiefer Freundschaft.

Gut, dass sie zuerst dem Kobold Gnorl begegnen. Denn nicht jeder Kobold hat gute Absichten mit den Eindringlingen aus der Oberwelt.



Ich bin ganz verliebt in die Geschichte. Im ersten Moment dachte ich noch, dass das Buch ganz schön viele Seiten für ein Kinderbuch hat, doch die Geschichte ist ruckzuck gelesen. Wenn ich das Buch zur Seite legen musste, dann habe ich mich unbändig darauf gefreut, später weiterlesen zu können um zu erfahren, wie es den Dreien in der Unterwelt ergeht und was sie für Abenteuer bestehen.

Unter Tage gibt es Orte wie beispielsweise das Finsterloch und das Theater der vielen Beine. Ich möchte es selbst erleben obwohl ich - ob der Gefahren die dort lauern - froh bin, dass ich in meinem sicheren Zuhause die Geschichte erlebe. Jonas, Anna und Benni müssen ganz schön viel Mut aufbringen, um ihre Abenteuer zu bestehen. Dabei mutieren sie aber nicht zu Superhelden, sondern jeder bleibt mit seinen Eigenschaften in seiner Rolle. Sie bleiben stets in ihren Handlungen und Aussagen authentisch. - Genauso ist es mit Gnorl und den anderen Kobolden. Ob Sympathieträger oder nicht, jeder bleibt seinem Naturell treu.

Ich hoffe, ich kann bald mehr um die Abenteuer in der Unterwelt und Gnorl lesen. Wenn Schlafmaden, Asselschrecken und Hexenwühlen sich im Labyrinth neu sortieren müssen.



Fazit

Ein magisches Abenteuer rund um die Welt der Kobolde, schrecklicher Machtausnutzer und wahrer Freundschaft.

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Veröffentlicht am 13.12.2020

Ein Verwirrspiel und eiskaltes Vorgehen zeichnen diesen Thriller aus

Der Spiegelmann
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Der Spiegelmann
Thriller
Bastei Lübbe AG
Lars Kepler
ISBN 978-3-7857-2704-1
624 Seiten










Der Spiegelmann von Lars Kepler ist der achte Band einer Reihe um den Ermittler Joona Linna. Wer die Entwicklung ...

Der Spiegelmann
Thriller
Bastei Lübbe AG
Lars Kepler
ISBN 978-3-7857-2704-1
624 Seiten










Der Spiegelmann von Lars Kepler ist der achte Band einer Reihe um den Ermittler Joona Linna. Wer die Entwicklung der Charaktere nicht zwingend von Anfang an erleben muss, kann gut mit diesem achten Band starten. Wer darauf Wert legt, startet mit Band 1, dem Buch Der Hypnotiseur.









Joona Linna wird nach seinem letzten Fall aus den aktuellen Ermittlungen rausgehalten. Dennoch beteiligt er sich und wird dabei immer mehr in den Fall eingebunden. Dank seiner Empathie und seinen unkonventionellen Methoden übernimmt er schon bald wieder das Ruder und was sich ihm offenbart, lässt mich das Buch nach kürzester Zeit nicht mehr aus der Hand legen.

Der Schreibstil ist flüssig und wechselt zwischen Aufzählungen, spannenden Momenten und scheinbar undenkbaren Situationen. Ich möchte nicht aufhören zu lesen und doch das grauenhafte Geschehen nicht erleben. Doch damit wartet Lars Kepler in diesem Band auf.

Ein 16jähriges Mädchen verschwindet, ein anderes wird nach einem Unfall beim Eisangeln vermisst und später für tot erklärt. Trotz intensiver Suche können beide nicht gefunden werden.

Die Eltern des verschwundenen Mädchens geben die Hoffnung nicht auf, bis nach fünf Jahren das tote Mädchen erhängt auf einem Spielplatz auftaucht. Für die Welt zur Schau gestellt.

Das andere Mädchen bleibt verschwunden und die Eltern erklären ihr Kind für tot. Der Stiefvater, der beim Eisangeln beinahe selbst zu Tode gekommen wäre, kann sich die Situation auch später nicht erklären und kommt immer weniger im Leben klar. Um den Verlust der Tochter verarbeiten zu können, wollen sie ein Mädchen adoptieren.

Doch wer ist für den schrecklichen Tod des Mädchens auf dem Spielplatz verantwortlich? Joona Linna begibt sich mit seinem Team nicht nur in außergewöhnliche Ermittlungssituationen sondern auch selbst in Gefahr. Der Thriller ist voll mit Informationen und vielschichtigen Charakteren und gefühlt birgt jede Seite nicht nur ein weiteres Geheimnis sondern steigert auch die Spannung. Die letzten 200 Seiten habe ich in einem Rutsch gelesen. Ich konnte, ich wollte das Buch nicht aus der Hand legen ohne zu erfahren, wie die Geschichte ausgeht.



"Ein Freund von mir, Samuel Mendel, pflegte zu sagen, wenn man das mit bedenkt, was es nicht gibt, hat man die Spielregeln schon geändert." - Seite 80



Ich selbst habe den Vorgängerroman Lazarus gelesen und war ganz angetan, als ich den neuen Band Der Spiegelmann gesehen habe. Seitdem fiebere ich darauf hin, die ersten Bände auch alle zu lesen.



Fazit
Wer spannende Thriller liebt und vor grauenvollen Handlungen des Täters beim Lesen nicht zurückschreckt, dem kann ich Der Spiegelmann ans Herz legen.



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Veröffentlicht am 22.11.2020

Das wahre Leben - wäre es nicht schreiend komisch, würde es mich wohl deprimieren

Bin noch da
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Bin noch da
Roman
Rowohlt Polaris
Autor: Sven Stricker
ISBN 978-3-499-00195-6
448 Seiten
erschienen am 18. August 2020





Bin noch da heißt der neue Roman von Sven Stricker in dem es um eine Vater-Sohn-Beziehung ...

Bin noch da
Roman
Rowohlt Polaris
Autor: Sven Stricker
ISBN 978-3-499-00195-6
448 Seiten
erschienen am 18. August 2020





Bin noch da heißt der neue Roman von Sven Stricker in dem es um eine Vater-Sohn-Beziehung geht. Oder vielmehr um eine Vater-Sohn-Beziehung die nie wirklich bestand?! - Aber schön der Reihe nach.

Moritz Liebig ist 37 Jahre alt und hat ein eigenes Café. Er lebt mit seiner Frau Jessy und seinem Sohn Elias in einer Wohnung im vierten Stockwerk und ist - so gut es geht - zufrieden. Zu seinen Eltern und seiner Schwester Nina hat er seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr und er bildet sich gern ein, sie auch nicht zu vermissen. Mit 18 ist er zu Hause ausgezogen und hat seitdem sein Elternhaus nicht mehr betreten.







In seinem Café steht er oft selbst hinter dem Tresen und vergibt jedem Kunden in Gedanken einen Namen. Mir gefällt diese Marotte von ihm. Er schaut sich den Menschen vor ihm an und denkt "mhmm, das könnte eine Lily sein, und diese eine Lotte und die dort am Ende der Schlange steht, könnte eine Lea sein". Bis plötzlich ein Karlheinz vor ihm steht. Sein Karlheinz. Sein Vater. Sein Vater, der nie auch nur einen Schritt in sein Café oder eine seiner Wohnungen gesetzt hatte. Doch mit freudigen Nachrichten kommt Karlheinz nicht. Stattdessen teilt er Moritz mit, dass seine Mutter verstorben sei und er auch sterben möchte. Er käme nur nicht an das notwendige Medikament heran. Auch wenn Moritz all die Jahre keinen Kontakt zu seinen Eltern hatte und erstaunt ist, dass seine Mutter bereits seit drei Monaten tot ist und er nicht einmal zur Trauerfeier eingeladen war, seinem Vater helfen aus dem Leben zu scheiden, das will er nun auch nicht. Kann er seinem Vater diesen Wunsch verweigern? Er, Moritz, der sich die ersten 18 Jahre seines Lebens immer gewünscht hatte, dass sein Vater ihn begleitet, für ihn da ist? Dessen Nähe er gesucht hat, sie aber nie bekommen hat. Und jetzt soll Moritz für ihn da sein und ihn begleiten? Beim Sterben?



"Sie nehmen dir nach und nach alle Vergnügungen, das sag ich dir, dann lebst du zwar noch, aber es gibt keinen Grund mehr dafür." - Seite 73



Bei aller Miesepetrigkeit, die Karlheinz an den Tag legt, muss ich trotzdem immer wieder herzlich lachen. Der Roman ist mit einem trockenen unterschwelligen Humor geschrieben, der mich - trotz der ernsten Lage - zum Lachen bringt. Sven Stricker hat eine ganz eigene Art diese Geschichte zu erzählen. So echt, so unverfälscht und mit den Tücken, die das Leben so mit sich bringt. Freunde, Unsicherheiten, Sehnsüchte und familiäres Zusammenleben, Missverständnisse und Freude - ein bunter Strauß an Menschen, Erlebnissen und Gefühlen, die sich am Erlebten festmachen. Die Charaktere wirken echt mit ihren Ecken und Kanten und schon bald fühle ich mich genauso heimisch in der Stadt, in dem Mehrfamilienhaus, in der Straße, in der das Elternhaus steht und im Café, als würde ich dort selbst ein- und ausgehen.

Ich habe das Buch gern gelesen, weil es mir zeigt das - egal wie schwer es in manch einer Lebenssituation sein mag und egal wie verquer es auch gerade läuft - es sieht von außen betrachtet gar nicht so schlimm aus. Schlimm ist es in der Situation nur für einen selbst. Und man selbst ist der Meister, der das Geschick in seinem Wirkungskreis beeinflussen kann.

Bin noch da bringt mich zum Lachen und regt mich ebenso zum Nachdenken an. Ein wundervoller Roman.



Fazit


Bei aller Ernsthaftigkeit des Lebens und der Geschichte habe ich auch immer viel Freude beim Lesen gehabt und laut aufgelacht.

Ein Buch, dessen Geschichte, dessen Wahrheit wohl deprimieren würde, wäre es nicht mit diesem köstlichen Humor geschrieben.

Bin noch da - ein Roman, der einem zeigt, dass man gar nicht so allein ist auf dieser Welt mit seinen ganzen Empfindungen.

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