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Veröffentlicht am 27.12.2020

Neubeginn auf Island

Das Wörterbuch des Windes
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MEINE MEINUNG
Mit „Das Wörterbuch des Windes“ hat die deutsche Autorin Nina Blazons einen weiteren unterhaltsamen und sehr warmherzig erzählten Roman für die erwachsene Leserschaft vorgelegt, der auf der ...

MEINE MEINUNG
Mit „Das Wörterbuch des Windes“ hat die deutsche Autorin Nina Blazons einen weiteren unterhaltsamen und sehr warmherzig erzählten Roman für die erwachsene Leserschaft vorgelegt, der auf der einzigartigen, windumtosten Insel Island angesiedelt ist.
Der faszinierende Roman ist eine abwechslungsreiche und stimmige Mischung aus Entwicklungsroman und Liebesgeschichte gewürzt mit einigen glaubwürdig eingebetteten mystischen Elementen und Informationen über nordische Mythen. Hervorragend gefallen haben mir die ausdrucksstarken und sehr atmosphärischen Beschreibungen von Islands rauer Landschaft, den isländischen Traditionen und Bräuchen sowie der interessanten Lebensart der Isländer gefallen. Mit ihrem einfühlsamen und eindringlichen Schreibstil lässt uns die Autorin rasch in eine fesselnde, fremde Welt eintauchen und nimmt uns mit auf diese außergewöhnliche Insel der Winde, die im Roman immer wieder eine tragende Rolle eingeräumt bekommt.
Erzählt wird aus den unterschiedlichen Ich-Perspektiven von zwei sehr unterschiedlichen Charakteren, die im Laufe der Handlung eine ganz besondere Beziehung zueinander aufbauen und sich gegenseitig in ihrer schwierigen Lebenssituation Halt geben. Die Haupthandlung erleben wir vor allem aus Sicht der Protagonistin Swea, aber auch aus der Perspektive des alten Isländers Einar, dem Swea eher zufällig begegnet und über dessen berührende Vergangenheit wir schrittweise immer mehr erfahren.
Da sich die Geschichte um die Protagonistin Swea recht gemächlich und unspektakulär aufbaut, hat es eine Weile gedauert, bis ich mich in die Handlung hineinfinden konnte. Doch so langsam nahm mich dann in die besondere Atmosphäre gefangen und mit den verschiedenen sehr greifbaren Nebencharakteren und ihren Hintergrundgeschichten zog auch die Spannung zunehmend an.
Nina Blazon versteht es hervorragend ihre Figuren zum Leben zu erwecken. Sowohl Swea als auch Einar erlebt man zunächst als sehr unnahbare und verschlossene Charaktere. Doch je mehr man über ihr Leben erfährt und hinter ihre Fassade aus verdrängten Hoffnungen und enttäuschten Traumen blickt, desto mehr beginnt man sie zu mögen.
So ist auch Swea eine anstrengende und anfangs nicht unbedingt sympathische Protagonistin, die aber mit ihren Eigenheiten und ihrem Handeln sehr glaubwürdig und authentisch wirkt. Wir lernen sie in einer Ausnahmesituation kennen, als sie nach dem endgültigen Zerbrechen ihrer Ehe vor einem Scherbenhaufen steht und sich von allen betrogen fühlt. Wir begleiten sie bei dem schmerzhaften Prozess, den alten Ballast abzuwerfen und sich selbst und das Leben neu zu entdecken. Auch wenn es eine ganze Weile dauerte es, bis ich mit ihr warm wurde, so verfolgt man doch interessiert ihren „Selbstfindungstrip“ und ihre Bemühungen einen Neuanfang auf Island zu wagen.
Auch Einar eine faszinierende, liebenswerte und facettenreiche Figur des Romans, dessen mysteriöse Vergangenheit und Geheimnisse man erst während der Handlung allmählich zu ergründen beginnt.
Trotz einiger Längen versteht es die Autorin, uns mit verschiedenen Verwicklungen und einigen überraschenden Enthüllungen bis zum Ende hin zu unterhalten.
FAZIT
Ein unterhaltsamer Roman mit einer warmherzigen, emotionalen Geschichte, viel Island-Flair und einem wunderschönen Schreibstil.

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  • Erzählstil
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.12.2020

Inspirierende Familiengeschichte

Das Buch eines Sommers
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INHALT
Im Sommer seines Lebens hat Nicolas einen Traum. Er will Schriftsteller werden wie sein Onkel. Dann kommt das Leben dazwischen und die Firma seines Vaters, Verantwortung, Termine und lauter Zwänge. ...

INHALT
Im Sommer seines Lebens hat Nicolas einen Traum. Er will Schriftsteller werden wie sein Onkel. Dann kommt das Leben dazwischen und die Firma seines Vaters, Verantwortung, Termine und lauter Zwänge. Als sein Onkel stirbt, verliert Nicolas den einzigen Menschen, der an ihn geglaubt hat. Doch überraschend findet er am unwahrscheinlichsten Ort den Schlüssel, der ihm hilft, zu dem zu werden, der er wirklich ist.
(Quelle: Diogenes)
MEINE MEINUNG
Der deutsche Bestseller-Autor und Ernährungspapst Bas Kast hat mit „Das Buch eines Sommers“ seinen ersten Roman vorgelegt. Obwohl der Untertitel „Werde, der du bist“ nach einem Ratgeber- oder Selbsthilfebuch klingt, das uns dabei helfen soll unser Leben zu verändern, handelt es sich um einen inspirierenden Roman rund um die Themen Selbstfindung, Selbstvertrauen, Persönlichkeitsentwicklung und dem Erlangen von positivem Lebensgefühl. Es ist zugleich eine faszinierende Familiengeschichte, in der Bas Kast immer wieder lebensphilosophische Fragestellungen aufwirft, die zum Nachdenken anregen und Mut machen sollen, eingefahrene Gleise zu verlassen und sich für ein erfüllteres und zufriedeneres Leben zu entscheiden.
Kast versteht es, Stimmungen und Bilder mit viel Feingespür einzufangen, und uns nachdenklich zu stimmen und abzuholen auf eine spannende Entdeckungsreise zum eigenen Ich.
FAZIT
Eine lesenswerte, lebensphilosophische Erzählung, die zum Nachdenken anregt und uns inspirieren soll, uns auf die Suche nach dem eigenen Ich und zu einem erfüllenden Leben zu begeben!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.12.2020

Packender Einblick in das tödlichste Land der Welt

Der erste Tote
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INHALT
Mexiko, heute. Die beiden Journalisten Andrew und Carlos sollen eigentlich nur ein Routinestück über die Ölindustrie in Poza Rica, Veracruz, machen, wo ein amerikanischer Konzern groß einsteigt. ...

INHALT
Mexiko, heute. Die beiden Journalisten Andrew und Carlos sollen eigentlich nur ein Routinestück über die Ölindustrie in Poza Rica, Veracruz, machen, wo ein amerikanischer Konzern groß einsteigt. Zufällig finden sie die furchtbar verstümmelte Leiche eines jungen Umweltaktivisten, Julían Gallardo. Während Carlos noch fotografiert, trifft die Guardia Civil ein und scheucht beide aus der Stadt. Trotz massiver Drohungen stellen die beiden weitere Nachforschungen an, bevor sie nach Mexico City zurückkehren. Als Carlos dort umgebracht wird, flieht Andrew außer Landes. Aber der Tod von Carlos, der nicht nur sein Kollege und Freund war, sondern auch sein Lover, lässt ihn nicht los. Er kehrt nach Poza Rica zurück und recherchiert die Geschichte von Julían Gallardo und bringt damit nicht nur Polizei, Militär und Kartelle gegen sich auf ...

(Quelle: Suhrkamp Verlag)
MEINE MEINUNG
Der packende Debütroman „Der erste Tote“ vom irischen Autor, freiberuflichen Journalisten und ehemaligen Auslandskorrespondenten Tim MacGabhann ist der verstörende und sehr ungewöhnliche Auftakt einer als Trilogie angelegten Reihe um den in Mexiko arbeitenden Reporter Andrew, der deutlich autobiografische Züge trägt.
Obwohl das Buch vom deutschen Verlag als Thriller ausgewiesen ist, handelt es sich bei Tim MacGabhann`s gelungenem Debüt eher um eine ungewöhnliche Mischung aus berührender, tragischer Liebesgeschichte und einer sehr dunklen, aufrüttelnden und verwirrend vielschichtigen Geschichte über die gnadenlos brutale Realität Mexikos mit wenigen rasanten, actiongeladenen Thriller-Elementen.
Angesiedelt ist seine packende Geschichte in Mexiko, dem tödlichsten Land der Welt für Medienvertreter und einem durch und durch korrupten Land im Würgegriff von Terror und Gewalt durch eine Vielzahl von skrupellosen und brutalen Kartellen. Angesichts von Tausenden Vermissten und Toten, alltäglichen Willkürakten und Massakern ist es kein Wunder, dass Tim MacGabhann beschlossen hat seine akribisch recherchierte Story über die Machenschaften der Ölindustrie, die beispiellose beängstigende Umweltverschmutzung sowie die erschreckende Verflechtung der Drogenkartelle bis in die höchsten Ränge von Politik, Wirtschaft, Polizei und Militär, nicht als Reportage zu veröffentlichen und somit sein Leben zu riskieren. So hat er beschlossen, die Wahrheit ganz im Stil einer traditionellen „crónica“ zu schreiben – einer literarischen Mischform aus Tatsachenbericht und fiktiver Geschichte, die in Mexiko stark verwurzelt ist. „Betrachten Sie es als reine journalistische Wahrheit, die sich in einer kleineren fiktionalen verbirgt.“ – erläutert der Autor in seinem hochinteressanten Anhang zu seinem Roman, dem er zudem unter „Über Der erste Tote“ seine sorgsam recherchierten Fakten inklusive seiner genutzten Quellen und ausführlicher Erläuterungen beigefügt hat. Um bei seiner komplexen Hintergrundgeschichte im Mittelteil richtig mitkommen zu können, empfiehlt es sich übrigens sehr, den Anhang schon vorab zu lesen und sich etwas mit der Thematik auseinander zu setzen.
Mit dem packenden Ausgangsszenario versteht es MacGabhann hervorragend, uns in seine Geschichte um die beiden faszinierenden Protagonisten - den Journalisten Andrew und seinen mexikanischen Partner, Freund und Fotografen Carlos - hineinzuziehen. Die beiden arbeiten an einer brisanten Recherche zu einem Artikel über die ehemals folierende Ölmetropole Poza Rica im mexikanischen Bundesstaat Veracruz, dem Zentrum der mafiösen Kartelle und deren Drogengeschäfte. Als auf die grauenvoll verstümmelte Leiche eines Umweltaktivisten stoßen, wittert Carlos eine große Geschichte dahinter und recherchiert auf eigene Faust weiter…mit tödlichen Konsequenzen für ihn. Während die Spannung anfangs sehr hoch ist, wendet sich der Autor im weiteren Verlauf zunehmend der in Mexiko vorherrschenden Problematik zu und nimmt viel Tempo aus seiner Geschichte. Allmählich erfahren wir durch Andrews hartnäckige Suche nach Antworten auf die Hintergründe von Carlos Tod, viele Details über dessen fatale Recherchen, die ein weit verzweigtes Netz aus Korruption nahelegen.
MacGabhann zeichnet insgesamt ein sehr schonungsloses, verstörendes Bild von seiner Wahlheimat Mexiko fernab der touristischen Klischees. Gekonnt schildert er sehr eindrucksvolle Alltagszenarien, fängt eine sehr authentisch wirkende Atmosphäre ein und führt uns auch die erschreckende Realität eines maroden, in Chaos, Verbrechen und Brutalität versinkenden Lands vor Augen, dessen Schicksal in den Händen von Kriminellen und korrupten Sicherheitskräften zu liegen scheint.
Die sehr gut recherchierten Hintergründe über die Drogenkartelle, die teilweise aus ehemaligen Militärs hervorgegangene Mafiaorganisationen sind, ihre Verflechtung mit Konzerninteressen und Polizeiapparat, sowie ihre undurchsichtigen Machenschaften und Allianzen hat der Autor sehr anschaulich, in seine fiktive, sehr nervenaufreibende und beklemmende Geschichte eingewoben. Sehr aufschlussreich, aber leider auch manchmal etwas verworren beschreibt er die unübersichtlichen Zustände in dieser Region und die untragbare Situation der Bewohner, die mit Umweltverseuchung, Vertreibung und permanenten Repressionen zu leben haben, und dennoch mutig gegen Gegner kämpfen, die unter häufig wechselnden Anführern stets zu brutalster Gewalt bereit sind. Zum Ende hin verdichtet MacGabhann seine Hintergrundgeschichte zunehmend, lässt die Spannung wieder deutlich ansteigen und führt die verschiedenen Handlungsfäden sehr stimmig zusammen.
Äußerst faszinierend finde ich den ungewöhnlichen Schreibstil des Autors, der mich mit sehr poetischen und bildhaften Beschreibungen und seinem äußerst empathischen Blick auf Land und Leute bewegen konnte. Ein krasser Kontrast zu seinen oftmals sehr expliziten und blutrünstigen Schilderungen der Gräueltaten und der brutalen Zustände, die mit ihren unerträglichen Bildern oft unter die Haut gehen.
Differenziert und lebensnah sind durchweg auch die Charaktere in diesem wirklichkeitsnah wirkenden Roman gezeichnet. Mit ihren Eigenheiten und Schwächen sowie einfühlsamen Einblicken in ihre Gefühls- und Gedankenwelt wirken sie überaus authentisch und glaubwürdig. Auch die vielen eingefügten mexikanischen Ausdrücke und Sätze sorgen für viel Authentizität, haben aber ein wenig meinen Lesefluss gestört, da leider eine Übersetzung fehlte.
Ich bin sehr gespannt, wie Tim MacGabhann seine vorläufig abgeschlossene, clever konstruierte Geschichte um den Reporter Andrew in den nächsten beiden Bänden seiner Trilogie weiterführen wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.12.2020

Berührende Coming of Age-Geschichte

Dieses ganze Leben
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INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ...

INHALT
Paola passt nicht in diese Welt, findet sie. Wo Glanz und Erfolg das Maß vorgeben, hält sie sich lieber an ihren Bruder, der im Rollstuhl sitzt, gerne Schach spielt und auf Likes pfeift. Auf Verordnung ihrer Mutter muss Paola täglich mit Richi an die frische Luft. Eine gute Gelegenheit, der Enge der elterlichen Villa zu entfliehen und Gegenden zu erkunden, wo Paola das wahre Leben vermutet – das so ganz anders ist, als sie dachte.
(Quelle: Diogenes)

MEINE MEINUNG
„Dieses ganze Leben" der italienischen Autorin Rafaella Romagnolo ist ein herrlich erfrischender, unterhaltsamer Entwicklungsroman mit einer teils nervigen und teils höchst bewundernswerten jungen Protagonistin. Hierin behandelt die Autorin sehr einfühlsam eine Fülle von typischen Pubertätsthemen, die mit der schwierigen Herausforderung des Erwachsenwerden einhergehen - Selbstfindung, dem Gefühlschaos der Ersten Liebe, problembehaftete Freundschaften aber auch Mobbing, fragwürdige Schönheitsideale und Essstörungen. Obwohl uns die Autorin in ihrem Roman eine eigentlich nur allzu bekannte Coming of Age-Geschichte präsentiert, hat sie mich doch mit ihren warmherzig gezeichneten Figuren und ihrer lebendiger Interaktion untereinander berühren können. Mit dem sehr eindrücklich gezeichneten Psychogramm einer zerrütteten Familie, ihren facettenreichen Hintergrundgeschichten sowie der Aufdeckung von Familiengeheimnissen und unbequemen Wahrheiten konnte mich Romagnolo sehr fesseln.
Im Mittelpunkt des tiefgründigen, nachdenklich stimmenden Romans steht die 16-jährige, in einer norditalienischen Stadt lebende Paola, die uns als Hauptfigur und Ich-Erzählerin sehr unmittelbar an ihrem turbulenten, keineswegs normalen Alltag und dysfunktionalen Familienleben teilhaben lässt. Sie ist ein Teenager mitten in der Pubertät, der eigentlich alles hat, wovon andere träumen – aus reichem, angesehenem Elternhaus, in einer luxuriösen Villa mit Angestellten lebend, und doch ist sie todunglücklich und genervt von ihrem Leben, wird als Außenseiterin in der Schule gemobbt, hat keine Freunde, ein geringes Selbstwertgefühl und hat sich einen dicken Panzer zugelegt, um all die Verletzungen und die emotionale Vernachlässigung zu sehr nicht an sich heranzulassen.
In ihren etwas chaotischen, abschweifenden und wenig chronologischen Schilderungen lässt Paola uns recht ungefiltert an ihrem Denken und Fühlen teilhaben. Diese sehr lebendige, recht sprunghafte Erzählweise ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, passt aber hervorragend zu der jungen Protagonistin, die oftmals von Frustration, Wut und Kummer überwältigt wird und gegen die Erwartungshaltung der Erwachsenen rebelliert. Paolas frecher Unterton und ihre bisweilen scharfzüngigen, witzigen bis äußerst zynischen Kommentare lassen ihre Figur „als professionelle Hasserin“ sehr authentisch wirken. Die Autorin hat mit Paola eine sehr vielschichtige und lebendige Figur geschaffen, die mich mit ihrer starken Persönlichkeit, scharfen Beobachtungsgabe und großen Sensibilität sehr beeindruckt und mit ihrer großen Verletzlichkeit berührt hat. Zugleich erhalten wir einen sehr interessanten, authentischen Einblick in die oft zu Extremen neigende Gefühlswelt Jugendlicher während der Pubertät.
Sehr gelungen sind auch die faszinierenden Nebenfiguren wie die extravagante Großmutter, die in den Gärtner verliebt ist, oder die patente, herzensgute rumänische Kinderfrau Nina, die sich immer auf die Seite der Kinder schlägt. Sie sind entsprechend ihrer Rolle in der Erzählung vielschichtig ausgearbeitet und wirken sehr lebensnah, natürlich und glaubwürdig.
Sehr einfühlsam und differenziert beleuchtet die Autorin in ihrem Roman auch die Thematik der Andersartigkeit, insbesondere den unterschiedlichen Umgang mit der Behinderung von Riccardo, Paolas 4 Jahre jüngeren, sehr cleveren an den Rollstuhl gefesselten Bruder.
Sehr fesselnd ist es mit zu verfolgen, wie es Paola gelingt, sich immer mehr Freiheiten zu nehmen, mit Hartnäckigkeit und ihrer beachtlichen inneren Stärke schließlich die heile Welt ihrer Familie zum Einsturz zu bringen und schrittweise die Wahrheit zutage zu befördern. Eine reinigende und zugleich heilende Wirkung hat die Enthüllung des erschreckenden, über allem schwelenden Familiengeheimnisses, das einen mit seiner ungeheuerlichen Tragweite sehr nachdenklich stimmt.
Die Autorin lässt ihren Roman mit einer stimmungsvollen, versöhnlich stimmenden Episode sehr offen enden und entlässt eine gereifte, sehr bemerkenswerte Protagonistin ins Erwachsenenleben.
FAZIT
Eine berührende Coming of Age-Geschichte mit einer liebenswerten, aber manchmal anstrengenden Protagonistin - amüsant, unterhaltsam und nachdenklich stimmend!

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Frostiges Thriller-Debüt

Frostgrab
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INHALT
Die Snowboarderin Milla trifft auf einer einsamen Lodge in den französischen Alpen ihre Clique von früher wieder. An diesem Ort haben sie vor zehn Jahren gemeinsam trainiert, bis eine Tragödie alles ...

INHALT
Die Snowboarderin Milla trifft auf einer einsamen Lodge in den französischen Alpen ihre Clique von früher wieder. An diesem Ort haben sie vor zehn Jahren gemeinsam trainiert, bis eine Tragödie alles zunichtemachte. Doch was Milla als harmloses Wiedersehen ansah, entwickelt sich schnell zum gnadenlosen Psychospiel. Plötzlich sind die Handys verschwunden, und die Seilbahn steht still.
Dann ist der Erste von ihnen tot.
Die eisige Bergspitze droht zum Grab für sie alle zu werden, wenn sie nicht ihr düsterstes Geheimnis offenbaren.
Und jeder hat etwas zu verbergen. Besonders Milla.
(Quelle: Harper Collins)

MEINE MEINUNG
Mit ihrem viel versprechenden Debüt „Frostgrab“ ist der Autorin Allie Reynolds ein fesselnder Psychothriller gelungen, der mit seinem frostigen Setting hervorragend in die kommende Winterzeit passt und für reichlich Nervenkitzel sorgt.
Der Thriller spielt in der faszinierenden Welt der Snowboard-Szene, in der sich die Autorin als ehemalige Top Ten Freestyle Snowboarderin bestens auskennt. Viel Insiderwissen und Sport-Fachbegriffe hat die Autorin in die Handlung einfließen lassen, so dass Fans dieses Sport sicher begeistern sein werden, während Laien sicherlich nicht viel damit anfangen können. Ich habe es beim Lesen aber nicht als störend empfunden, da ich rasch von der fesselnden Geschichte gebannt war.
Geschickt bedient die Autorin sich eines beliebten und altbewährten Thriller-Konzepts, das mit seinem Ausgangsszenario an einen Agatha Christie-Klassiker erinnert: In einem einsamen Berghotel eines Skigebiets inmitten von Eis und Schnee gelegen, treffen sich 5 Freunde einer Clique nach 10 Jahren zu einem Ehemaligentreffen wieder. Niemand von ihnen weiß genau, wer dieses Treffen arrangiert hat, doch bemerkt die Gruppe rasch, dass sie allein dort oben am Gletscher und von der Außenwelt abgeschnitten sind, und jemand mit ihnen ein perfides Psychospiel treibt. Schon bald ist klar, dass ihr Zusammentreffen und die mysteriösen Geschehnisse im Hotel im Zusammenhang mit der furchtbaren Tragödie vor 10 Jahren stehen, deren Hintergründe nun offensichtlich aufgedeckt werden sollen.
Die clever konstruierte, äußerst fesselnde Handlung ist auf zwei einander abwechselnden Handlungssträngen angelegt, die in verschiedenen Zeitebenen spielen. Zum einen erleben wir die Ereignisse im einsamen Berghotel in der Gegenwart mit und zum anderen springt die Geschichte immer wieder zu Rückblicken, die uns an den Erinnerungen der Protagonistin Milla an jenen tragischen Winter vor 10 Jahren teilhaben lassen. Aus ihrer Sicht erfahren wir neben ihren rätselhaften, unheilvollen Andeutungen immer mehr Details über die Vergangenheit - das Kennenlernen der sechs Snowboarder Milla, Saskia, Curtis, Dale, Heather und Brent in dem französischen Skigebiet, ihren Wettkampfvorbereitungen sowie der komplizierten Gruppendynamik innerhalb der Clique mit ihren Liebeleien, Freundschaften, Intrigen und Rivalitäten.
Sehr authentisch stellt die Autorin die aufkommende Beklemmung, die Ängste, Paranoia und das allmähliche Hochschaukeln von gegenseitigen Verdächtigungen, Anschuldigungen und Misstrauen innerhalb der Gruppe dar und steigert die Spannung mit den sich zuspitzenden Entwicklungen immer weiter.
Der Nervenkitzel wird zudem enorm erhöht durch die über allem liegende unheilvolle Atmosphäre und den Verdacht, dass jemand ein raffiniertes Psychospiel mit ihnen treibt. Lange Zeit bleibt ungewiss, wer hinter dem Katz- und Mausspiel auf Leben und Tod stecken könnte.
Durch die schrittweise aufgedeckten Verwicklungen ist klar, dass jeder von ihnen Geheimnisse zu verbergen hat und eine gewisse Schuld an den verhängnisvollen Geschehnissen auf sich geladen hat, die schließlich im spurlosen Verschwinden des vielversprechenden Snowboard-Stars Saskia vor 10 Jahren gipfelten. Die komplexe Geschichte gewinnt zusehends an Spannung und Dynamik, überrascht mit einigen Wendungen und sorgt immer wieder auch für den notwendigen Thrill.
Im Gegensatz zum gelungenen, clever inszenierten Setting sind die verschiedenen Charaktere zwar insgesamt interessant, aber etwas klischeehaft und nicht sehr vielschichtig ausgearbeitet. Zudem war mir keiner von ihnen sonderlich sympathisch, so dass mir ein Mitfiebern mit ihnen schwer fiel. Recht lebendig und lebensnah hat die Autorin die jugendliche Snowboarder Clique angelegt und auch ihr Handeln absolut glaubwürdig dargestellt. Als aufstrebende, sehr talentierte Shooting-Stars sind sie extrem ehrgeizig, risikofreudig und halten sich alle für unbesiegbar. Nach dem harten Training vergnügen sie sich mit Alkohol, Partys und Affairen, und so pflegen sie eher unverbindliche, oberflächliche Beziehungen stets ihr eigens Fortkommen im Blick. So wundert es auch nicht, dass auf der Piste mit harten Bandagen gekämpft wird und man sich unbeliebter Konkurrenz mit fragwürdigen Aktionen zu entledigen versucht.
Mit ihrem mitreißenden Schreibstil und geschickt gesetzten Perspektivwechseln treibt die Autorin ihren packenden Psychothriller voran und lässt ihn schließlich in einem fesselnden, hochdramatischen Showdown gipfeln. Die Auflösung und Beweggründe sind zwar nachvollziehbar und glaubwürdig dargestellt, doch wirkte die Geschichte insgesamt etwas zu konstruiert auf mich.

FAZIT
Ein fesselnder, raffiniert angelegter Psychothriller, der in der Snowboarder-Szene spielt - mit tollem winterlichen Setting und reichlich Nervenkitzel, aber leider etwas eindimensional wirkenden Charakteren!

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