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Veröffentlicht am 12.12.2021

Super spannend, super sympathisch, aber leider Potenzial verschenkt

Young Agents – New Generation (Band 3) – Im Visier der Hacker
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Die Young Agents der ersten Generation werden langsam Jugendliche, daher wird Nachwuchs rekrutiert und natürlich top ausgebildet. Denn Kinder sind einfach unauffälliger! Tim mit seinen 12 Jahren ist besonders ...

Die Young Agents der ersten Generation werden langsam Jugendliche, daher wird Nachwuchs rekrutiert und natürlich top ausgebildet. Denn Kinder sind einfach unauffälliger! Tim mit seinen 12 Jahren ist besonders klein und zart und wird daher oft noch für jünger gehalten als er ist. Wie die meisten Nachwuchsagenten hat er keine Familie und wächst nun bei wohlwollenden Pflegeeltern auf, die aber durch den Betrieb ihres Imbiss nicht viel Zeit für ihn haben. Tim versteht sich gut mit seiner Klassenkameradin Maria. Doch als sie in deren Schrebergarten lernen wollen, explodiert dort das Gartenhaus! Ihre Eltern reagieren ungewöhnlich nervös und wollen den begehrten Garten sofort loswerden. Tim spürt, dass etwas nicht stimmt. Als er mit Kollegin Abena unter einem Vorwand das Restaurant von Marias Eltern aufsucht, stellen sie fest, dass diese um horrende Schutzgelder erpresst werden. Sie sind nicht die einzigen Opfer, bei der Verfolgung auf den getuneten E-Bikes machen sie eine erstaunliche Entdeckung.

Wow, welcher junge Krimifan träumt nicht davon selbst zu ermitteln? Aber hier geht es nicht um stümperhafte, Detektiv spielende Kinder, sondern um offiziell geschulten Agenten-Nachwuchs. Denn Kinder haben bisweilen Möglichkeiten, die Erwachsenen verwehrt bleiben und für viele Große sind sie ebenso unsichtbar wie Bettler oder Dienstboten. Allerdings hat der Einsatz der Kinder auch seine Grenzen, sie wissen, dass sie ab einem bestimmten Gefahrengrad Verstärkung z.B. durch ein SEK nicht nur rufen können, sondern auch sollen!

Super spannend geschrieben, richtig viel Action und absolut moderne Verbrechen. Da ist Autor Andreas Schlüter echt auf zack. Denn eigentlich ist Schutzgelderpressung echt old school, das merken auch die Gangster und suchen Nachwuchs für virtuelle, viel schwerer aufspürbare Verbrechen im Netz, sie suchen junge Hacker! Klar kommt da Nerd Balu ins Spiel. Als Deckung bei einer Verfolgungsjagd ist er zwar keine große Nummer, aber sobald es um Technik geht, blüht er auf! Allerdings wenn es um das Verbauen von GPS-Peilsendern geht, standen die Young Agents echt auf dem Schlauch und haben sich so manch gute Gelegenheit entgehen lassen. Das hat meine Tochter und mich richtig frustriert! An einer anderen Stelle empfanden wir etwas als einen Logikbruch, als wir uns fragten, warum denn nun das Restaurant zerstört sei, obwohl das Gartenhaus zuvor explodiert ist.... Als aufmerksame Leser stört uns so etwas wirklich, auch wenn uns die spannende Handlung und die sympathischen jungen Helden wirklich mitgerissen haben. Das Ende kommt ziemlich plötzlich und führt alte Bekannte aus den vorherigen Bänden wieder ein. Es ist mehr ein Cliffhanger als ein Ende und es wird klar, dass man mit diesen Gangstern noch lange nicht fertig ist. Ihre Erwähnung zuvor hat ihr plötzliches Auftauchen durchaus glaubhaft gemacht, doch war das Buch gerade auf seinem Höhepunkt fast schon vorbei. Das wirkte etwas unvollendet, nicht so ganz wie ein Cliffhanger, aber auch kein richtiges Ende.

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven: erst aus Tims und Abenas und später auch aus Balus. Um die jungen Leser nicht zu verwirren, wird der Perspektivwechsel durch einen Schrifttypwechsel optisch verdeutlicht, aber auch der Text zeigt es an, indem z.B. dort steht „... und ich, Abena..“ So fühlt man sich richtig als Teil der Geschichte, da die Ich-Perspektive alles viel unmittelbarer wirken lässt, aber man kommt absolut nicht durcheinander.

Dies ist der 3. Band der 2. Staffel und Andreas Schlüter beginnt so geschickt, dass wir anfangs überhaupt keine Probleme hatten, bis auf einmal Billy auftauchte, dessen Name zwar 1 x erwähnt wurde, aber ohne weitere Angaben zu ihm, Deswegen hatten wir ihn unter „unwichtig“ abgehakt, dabei entpuppt er sich später als eine der Hauptpersonen. Da wäre es schön, wenn sich in der Buchklappe kurze Steckbriefe finden würden, damit man alle wichtigen Infos zu den Young Agents schnell parat hat, dann stören solche Brüche nicht so. An solchen Stellen hatte ich das Gefühl, dass das Buch aus irgendeinem Grund mit zu heißer Nadel gestrickt wurde, wahrscheinlich, damit es noch rechtzeitig fürs Weihnachtsgeschäft fertig wurde. Wir kennen die anderen Fälle nicht und nehmen mal an, dass dies hier ein Ausrutscher war, denn ansonsten ist es ein super Geschenk für Nachwuchsagenten ab 11 Jahren. Dieses Buch ist so spannend, dass sie es wahrscheinlich auch lesen werden, obwohl sie sonst nicht lesen, denn hier geht es rasant zur Sache. Leider nur manchmal zu rasant, da wird zu viel Potenzial verschenkt. Was wir nämlich echt als Potenzial sehen, ist dass hier sowohl Jungs, als auch Mädchen echt was drauf haben. Da wird nicht nur der tolle Hecht angehimmelt und mit den Augen geklimpert, wie in einer Krimiserie meiner Kindheit. Die Mädels können deutlich mehr, als nur Hunden die Pfote zu geben... ohne, dass die Jungs deswegen als Deppen dastehen.

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Veröffentlicht am 23.09.2021

Solider Fall - Anna Thalbach enttäuscht

Die Studentin
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Die 22-jährige Taryn Moore stand am Anfang eines voraussichtlich erfolgreichen Lebens. Jung, schön und nicht nur klug, sondern geradezu brillant in dem von ihr gewählten Fachbereich englische Literatur ...

Die 22-jährige Taryn Moore stand am Anfang eines voraussichtlich erfolgreichen Lebens. Jung, schön und nicht nur klug, sondern geradezu brillant in dem von ihr gewählten Fachbereich englische Literatur stand sie kurz vor der Aufnahme eines Promotionsstudiums und der Zusammenarbeit mit einer renommierten Professorin. Warum sollte solch eine junge Frau aus dem Fenster gesprungen sein, kurz nachdem sie ihre Aufgabe für die Uni erledigt und ihr Abendessen zubereitet hatte? Auch ihr Handy ist nirgendwo zu finden. Während ihre Kollegen den Tod gerne schnell als Freitod abhaken würden, nagen an Inspector Frankie Loomis, Mutter von 17-jährigen Zwillingstöchtern, Zweifel. Sie schaut genauer hin, spürt ihre Kontakte auf und findet immer weniger ein Motiv für einen Selbstmord, aber immer mehr ungeklärte Details. Was auch geschehen sein mag, sie ist entschlossen es herauszufinden.
Anders als in der Verfilmung von Tess Gerritsens Erfolgsserie Rizzoli & Isles ist Detective Frankie Loomis keine glamouröse Erscheinung, sondern eine ganz normale Frau, mit der das Leben es nicht immer gut meinte. Umso besser kann sie sich in die Besonderheiten dieses Falles hineinfühlen. Trotz ihrer Verantwortung als Mutter, deren Töchter sich für den Geschmack einer Mordermittlerin nicht immer umsichtig genug verhalten, bleibt sie am Ball und scheut die Mehrarbeit nicht, die auf sie wartet, wenn sie die Akte nicht sofort schließt. Sie fühlt sich Taryn und ihrer Mutter gegenüber dazu verpflichtet. Zu sehr ähneln deren Lebensumstände ihren eigenen. Ihr Kollege Mac ist zwar nicht begeistert, aber traut ihrem Instinkt. Ansonsten bleibt ihr Sidekick eher blass. Der Fall spielt im Umkreis einer renommierten Universität, dennoch kann sich jeder in diesem Thriller wiederfinden. Es gibt reiche und arme Studenten, Dozenten in den besten Jahren, ebenso wie die Ermittler und es gibt den Schwiegervater des Mentors der Toten, der bereits pensionierter Detective ist und sich nichts sehnlicher als ein Enkelkind wünscht. Das finde ich sehr geschickt gemacht, so dass sich eigentlich niemand zu alt oder zu jung für diese Mordermittlung fühlen kann. Sprachlich nehmen einen die Autoren gekonnt und flüssig mit, ohne dass man merken würde, dass die Erzählung aus zwei statt aus einer Feder stammt. Es gibt keine Brüche, es fließt. Anders als das Leben von Taryn, die trotz ihrer Talente mit ihrem Leben haderte, da sie nicht auf der bright side of life, in einem privilegierten Elternhaus aufwuchs. Ganz klar werden hier die Unterschiede zwischen Studenten aus arme und reichen Familien vorgeführt. Dennoch wird deutlich gezeigt, dass weder Geld noch Talent alles ist, auch Attraktivität kann den Ausschlag geben, aber nicht unbedingt...
Die Geschichte fand ich solide. Die Auflösung nicht völlig vorhersehbar, aber auch nicht völlig überraschend und daher auch absolut schlüssig und nicht an den Haaren herbeigezogen. Es lohnt sich immer wieder auf die Details zu achten, wenn man miträtseln möchte. Was für mich nicht stimmig war, war leider Anna Thalbach, die mich diesmal enttäuschte. Eigentlich mag ich sie als Sprecherin sehr gerne, weshalb für mich klar war, dass ich dieses Buch hören und nicht lesen würde. Aber schon früh stutzte ich und fragte mich, ob mein MP3 Player eine Macke hätte. Bei der Rolle der Maggie und später auch bei Frankie hatte ich den Endruck, als hätte jemand die Geschwindigkeit höher gestellt. Es klang wie bei meiner Tochter, wenn sie Nightcore einstellt. Für mich klang das nicht spannend, sondern gehetzt, aber gerade am Anfang sollte sich der Fall ja langsam entfalten können. Dabei war ihre Stimme für mich unangenehm quietschig, was zum Glück bei den männlichen Rollen nicht vorkam. Ich empfehle sich eine Hörprobe anzuhören, denn so etwas ist ja immer eine Geschmacksfrage. Sehr gut finde ich hingegen die Aufnahmequalität auf den zwei Tonträgern. Dadurch dass die Aufnahme von über 6 Stunden nicht auf einen Tonträger gequetscht wird, spielen sie jeder MP3-Player ohne Probleme oder Hänger ab und zwar vollständig. Das kommt immer seltener vor, weshalb ich immer häufiger MP3 nur im Auto hören kann (mit dem Risiko, dass beim Einlegen des Rückwärtsganges, die Geschichte zurück auf 1 springt) oder auf mein Handy überspielen muss. Abgesehen davon sehen sie auch wirklich schick aus in der Klapphülle mit dem passenden Coverdruck auf den einzelnen Tonträgern.
Leider konnte mich das Hörbuch trotz des stimmigen Falls, der guten Tonqualität und der hochwertigen Aufmachung leider nicht völlig überzeugen.

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Veröffentlicht am 28.05.2021

Hervorragend gelesen!

Wattenmeermord
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Die Kriminalkommissare Jan und Laura Benden haben die Nase gestrichen voll, von all dem Bösen, das in den Metropolen NRWs hinter jeder Ecke lauert und das Laura fast das Leben gekostet hat. So kann es ...

Die Kriminalkommissare Jan und Laura Benden haben die Nase gestrichen voll, von all dem Bösen, das in den Metropolen NRWs hinter jeder Ecke lauert und das Laura fast das Leben gekostet hat. So kann es nicht weitergehen, denken sie sich und als auf der beschaulichen kleinen Insel Pellworm die Stelle des einzigen Inselpolizisten neu zu besetzen ist, kommt sie wie gerufen. Eine Wache mit nur einem Polizisten muss ja in einer friedlichen Gegend liegen, denken sie sich. Da für Laura keine Stelle frei ist, übernimmt sie die Bewirtschaftung des Paulinenhofs und seiner Ferienwohnungen. Doch eines Morgens wird Jan zu einem Leichenfund gerufen: ein Maler und Teilzeitinsulaner sitzt tot auf der Bank auf dem Deich, ohne Anzeichen von äußerer Gewalteinwirkung. Bei der Leichenbeschau fällt Jan jedoch eine kleine rote Einstichstelle über dem Herzen auf. Nun heißt es Tatort sichern und bewachen, bis die Verstärkung von der Kripo vom Festland angekommen ist. Die lässt natürlich auf sich warten und Jan wird die Zeit lang. Doch lang bleibt er nicht allein, sein selbst ernannter Assistent, der wortkarge Friese Tammen ist sofort zur Stelle. Allerdings finden sich auch gleich mehr Verdächtige und Zeugen, als sie erwartet hätten.... In Jan und Laura brodelt das Ermittlerblut, aber eigentlich sollen sie sich ja raushalten...

Sowohl Inselpolizist Jan, als auch seine Frau Laura, die nun einen Hof mit Feriengästen bewirtschaftet, statt sich in NRW todesmutig in die Schusslinie zu werfen, finde ich sehr sympathisch. Dass die zwei auch nach vielen Jahren einander noch lieben und sich um den anderen sorgen, hat mir sehr gut gefallen. Statt ihre Sorgen in Alkohol oder Drogen zu ertränken haben sie sich einfach aus dem Staub gemacht, um sich lieber den Wind, statt Kugeln um die Ohren wehen zu lassen. Auch die übrigen Protagonisten und Insulaner fand ich sehr amüsant, liebevoll beschrieben. Es gibt Täuschungsmanöver und Finten und am Ende zieht das Tempo kräftig an, so stark dass Jan und Laura sich fragen müssen, ob Pellworm doch so harmlos ist, wie sie dachten. Rein statistisch gesehen hätten sich die Verbrechen auf der Insel nun wohl für die nächsten 100 Jahre erledigt, doch bin ich mir sicher, dass dieser Fall erst der Anfang war. Damit man sich auch garantiert auf diesen freut gibt es zum Schluss noch einen vergnüglichen kleinen Twist.

Uve Teschner ist die Traumbesetzung für diesen Inselkrimi! Er kann Hochdeutsch wie Platt und weil das nicht alle können, schiebt er dann nach dem Platt auch die Übersetzung für die Nichtfischköppe hinterher. Sehr lebendig und mit Charme übernimmt er die einzelnen Rollen, ohne dabei je aufdringlich zu werden. Da hört man gerne zu und taucht in die Geschichte ein, wobei das Zwinkern in der Stimme nicht zu überhören ist. Manchmal variiert er aber tatsächlich die Lautstärke und nicht den Ausdruck, was es schwierig macht, wenn man das Hörbuch recht leise hört.

Das Setting gefällt mir, die Reihe hat Potenzial, aber sorry, für mich als Anwältin und Ärztekind/-schwester geht die Auflösung gar nicht! Das ist einfach nicht gründlich recherchiert. Sicherlich kommen doch auch mal Ärzte auf die Insel, die zur Entspannung ein Manuskript kurz durchlesen.... und Juristen sind eh Bücherverschlinger.... Menschlich ist es stimmig, aber nicht juristisch und medizinisch. Die Polizeiarbeit hingegen ist absolut korrekt, was daran liegt, dass Autor Markus Stephan inzwischen tatsächlich der Inselpolizist von Pellworm ist, nachdem ihm der Sumpf des Verbrechens in NRW zu viel wurde. So ist die Schilderung sowohl der Polizeiarbeit, als auch des Lebens auf der Nordseeinsel absolut lebendig und treffend beschrieben. Da weht einem beim Zuhören schon eine steife Brise um die Ohren! Seine Mitautorin Katja Lund, hat schon einige Thriller veröffentlicht, ehe sie sich eine Schreibpause auf Pellworm gönnen wollte und dort den Inselpolizisten kennenlernte...

Klar, dass solch ein Hörbuch mit viel Liebe gestaltet wurde! Sowohl die einzelnen Tonträger, als auch die Klapphülle sind möwenstark bedruckt. Dabei bietet die Hülle noch kleinen kurzen Friesischkurs, Infos zu den Autoren und dem Sprecher als auch eine Karte der Insel mit Markierung aller für den Fall wichtigen Orte und einer Küstenansicht, mit Flensburg und Hamburg.

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Veröffentlicht am 10.01.2021

Leben auf Distanz

Ein Sonntag mit Elena
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Jahrelang war er als Ingenieur im Brückenbau überall auf der Welt unterwegs und verband auf spektakuläre Weise getrenntes, das vereint werden sollte. Hierzu war er jedoch monatelang von seiner Frau und ...

Jahrelang war er als Ingenieur im Brückenbau überall auf der Welt unterwegs und verband auf spektakuläre Weise getrenntes, das vereint werden sollte. Hierzu war er jedoch monatelang von seiner Frau und seinen 3 Kindern Sonia, Guilia und Alessandro getrennt. Doch er und seine Frau liebten sich sehr, auch körperlich, was für ihre Kinder in der Turiner Wohnung nicht zu überhören war. Als sie vor 8 Monaten starb, war er auch mit 66 Jahren noch in Venezuela, statt in Italien um mit ihr den Ruhestand zu genießen. Nun ist er zurück in der ehemals gemeinsamen Wohnung und vermisst sie schmerzlich. Seine Einsamkeit scheint ihn aufzufressen. Sein Sohn lebt in Helsinki, seine Mittlere spricht nicht mehr mit ihm und lediglich seine Älteste, ihren Mann und ihre Zwillingstöchter trifft er manchmal. Als sie sich eines sonntags zum Besuch ankündigen, ist er fest entschlossen, diesen Tag zu etwas Besonderem zu machen. Erstmals stellt er sich selbst an den Herd. Er nimmt die zerliebte Rezeptsammlung seiner Frau und kocht die Lieblingsspeisen seiner vier Gäste. Doch wie es ihnen schmeckt, wird er nie erfahren, denn durch einen Unfall sagen sie ab. Zwischen Enttäuschung und Sorge zerrissen ,geht er in den Park und beobachtet einen dreizehnjährigen Skater. Spontan lädt er ihn und seine Mutter zu seinem vorbereiteten Festmahl ein.

Erzählt wird diese Geschichte aus Sicht der jüngsten Tochter Guilia, einer Theaterautorin, die jedoch mit ihrem Vater nicht mehr spricht. Der Kontakt ist irgendwie beidseitig eingeschlafen. Die Tochter kann ihrem Vater wohl auch nicht verzeihen, dass dieser eine Geliebte in Venezuela hatte, während ihre Mutter stets gute Miene, zu ihrer oft monatelangen Einsamkeit machte, sich fröhlich und zugewandt zeigte. Aufgrund ihrer Ressentiments ihrem Vater gegenüber, finde ich diesen auch sehr distanziert geschildert. Das hat es mir sehr erschwert, eine emotionale Nähe zu ihm aufzubauen. Auch wenn diese Geschichte auch echte Highlights und Bonmots zu bieten hat, ist es mir nie ganz gelungen, völlig in sie einzutauchen. Das dürfte auch daran liegen, dass Guilia die Geschehnisse nur aus zweiter oder dritter Hand kennt. Durch ihre Distanz zu ihrem Vater, nimmt man automatisch auch eine Distanz zu ihm und auch zu Elena und Gaston ein. Diese hat die Erzählerin der Ereignisse erst Jahre später zufällig, wenn überhaupt getroffen. Die Erinnerungen an ihre Mutter, der sie wohl sehr nahe stand, sind viel wärmer und berührender. Durch die Erzählung in mehreren Zeitebenen war ich bisweilen auch etwas irritiert, was durch den merkwürdigen Namen ihres Mannes noch verstärkt wird. So fremdländische Namen sich nur durch Hören vorzustellen, fällt mir unglaublich schwer, wodurch es mir auch nicht so recht gelingt sie mir vorzustellen.

Am Ende soll wohl alles gut sein, aber irgendwie ist der Autor, der so alt ist wie ich, wohl etwas freigeistiger. Es hätte mir als Info genügt, dass in der Wohnung mittlerweile die Enkelgeneration glücklich ist. Dass diese darin kiffen ist keine Bereicherung meines Wohlbefindens, sondern irritierte mich lediglich und setzte mich wieder auf Distanz. Dieser Roman ist nicht nur schlecht, ich hatte mir nur viel mehr von ihm erwartet, insbesondere viel positivere Gefühle. Immer wieder gibt es wunderbare Erkenntnisse, die man mit der Erzählerin teilt, Einblicke in das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Es geht um die Frage, was wirklich zählt im Leben, worauf es ankommt. Ob wir nicht in unserem Streben nach Erfolg und Glück, die Augen vor den wirklich wichtigen Dingen und Menschen verschließen? Es ist ein Weckruf, die Zeit, die man hat, mit den Menschen zu verbringen, die man liebt, sonst könnte es irgendwann zu spät sein.

Julia Nachtmann gefällt mir sehr gut. Ich mag ihre Stimme und man hört ihr ihre Gefühle deutlich an. Ihren inneren Kampf mit ihren Gefühlen zu ihrem Vater und ihre deutliche Nähe und Liebe zu ihrer Mutter und ihren Nichten. Doch auch sie vermag es nicht, in mir ein Gefühl der Wärme und des Wohlbefindens beim Hören auszulösen, das ich mir so sehr von dieser Geschichte gewünscht hätte.

Ein Roman über die Einsamkeit und das was wirklich zählt im Leben, der in mir allerdings bisweilen eine innere Leere auslöste.

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Veröffentlicht am 03.12.2020

Hart

Queenie
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Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.
Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist ...

Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.
Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist sie in Brixton/London. Ihre üppigen weiblichen Formen sind für viele Männer ein Hingucker, doch für sie zählt nur ihr weißer Boyfriend Tom. Statt ihre Beziehung zu genießen, redet sie sie schlecht, auch aufgrund ihrer eigenen, traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit, ohne Tom an diesen teilhaben zu lassen. Tom ist eigentlich ein netter Kerl, versteht sie und ihre Probleme jedoch nicht. So versteht er nicht, wie sehr die rassistischen Sprüche seines Bruders oder Onkels Queenie verletzten und wiegelt ab, statt für Queenie in die Presche zu springen. Als Tom dann eine Beziehungspause vorschlägt, bricht für Queenie eine Welt zusammen. Schon vorher hat sie sich in der Zeitungsredaktion kein Bein ausgerissen, doch jetzt vertrödelt sie die Arbeitstage fast ausschließlich, oder schwänzt, um sich nach ihren ungeschützten sexuellen Abenteuern in der Frauenklinik durchchecken zu lassen. Statt sich um die Themen zu kümmern die ihr wichtig sind und etwas zu bewegen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche nach sexueller Bestätigung.

Bei diesem Hörbuch hatte ich Zweifel, ob es mir nicht zu lang sein könnte. Tatsächlich hätte ich es mir gekürzt gewünscht, denn mehr als 1 MP3 lang ist Queenie die absolute Katastrophe! Nicht nur ihre besten Freundinnen, haben über ihre triebgesteuerten wahllosen Sexabenteuer zur vergeblichen Füllung ihrer inneren Leere den Kopf geschüttelt. Ich war bisweilen fassungslos, warum sie sich selbst so etwas antut. Sie ist nicht so seelenlos, dass ihr belangloser, bisweilen brutaler aber stets liebloser Sex nicht schadet. Mit jedem Versuch den Verlust ihres Freundes durch ein sexuelles Abenteuer zu vergessen, befriedigt sie irgendeinen Kerl, aber nicht sich selbst. Diesen Typen ist sie völlig gleichgültig, was sich auch daran zeigt, dass es völlig ungeschützt erfolgt und Queenie somit langsam zum Dauergast in der Frauenklinik macht. Dort versucht man ihr Hilfe anzubieten, aber sie lehnt, relativ fassungslos ab!

Ich habe selten so gut und nachvollziehbar die verletzten Gefühle und allgegenwärtigen Demütigungen schwarzer Frauen gehört. Es geht unter die Haut, mach unfassbar wütend und man schämt sich schon beim Zuhören. Es gibt wohl kaum einen rassistisch verletzende Plattitüde, die im Zweifel ja gar nicht so gemeint war, die hier ausgelassen wird. Dennoch verkneifen sich viele Menschen noch immer nicht diese verletzenden Sprüche und fühlen sich auch noch im Recht. Aber leider lässt Queenie ihre Qualitäten verkümmern und benutzt ihren Körper. Wofür eigentlich? Denn sie verletzt sich selbst ja nur noch mehr.

Für mich ist sie nicht, wie beschrieben eine Chaosqueen, sondern eine echte Katastrophe, die es nicht schafft, über ihre wirklichen Gefühle zu sprechen, und das was sie innerlich auffrisst, weiterfressen lässt, statt es frei zu lassen. Queenie hat so viele Probleme, dass es eigentlich für eine Geschichte zu viel ist. Einige ihrer Probleme sieht/hört man geradezu kommen, wie ihr Konflikt mit ihrer Freundin Cassandra. Diese tut ihr in dem Moment eigentlich unrecht, aber ich hätte schon früher die Geduld mit jemandem verloren, der sich überhaupt nicht helfen lässt und sich selbst so wenig achtet und stattdessen einfach treiben lässt. Queenies Freundinnen finde ich sehr sympathisch und ich bewundere ihre Geduld, Langmut und Großzügigkeit, denn über Monate gibt sie nichts zurück, sondern nimmt nur. Irgendwann, nach mehr als der Hälfte der Geschichte, bricht sie zusammen und sie nimmt Hilfe an. Nach und nach erfährt man, was zu diesem selbstzerstörerischen Verhalten geführt hat. Das ist echt harter Tobak. Aber dass sie sich dann doch aufrafft und erfolgreich Hilfe sucht, obwohl dass jeglicher Überzeugung in ihrer Comunity widerspricht, hat mich dann doch wieder etwas mit ihr versöhnt. Mir gefällt, dass die Autorin auch Rückfälle trotz Therapie beschreibt. Diese ist auch ein schmerzhafter Prozess und kein einfaches Allheilmittel. Aber es macht Mut, da es zeigt, dass man Selbstrespekt auch wieder lernen kann, nachdem er brutal zerstört wurde.

Patricia Coridun ist eine tolle Wahl für die Stimme der Queenie. Auch wenn ich ihr Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen kann, so kann ich ihren Schmerz hören und spüren, ganz tief unter der Haut. Sie klingt bisweilen auch einfach nur müde, rau und desillusioniert, eigentlich sehr stark und durchsetzungsfähig, doch ohne den aktuellen Biss. Sie ist unglaublich ausdrucksstark und facettenreich, facettenreicher eigentlich als Queenie selbst, die vor allem leidet und sich selbst bemitleidet, statt sich aufzuraffen und was zu ändern.

Die Tracks sind leider nicht alle 5 Minuten gesetzt, um den Wiedereinstieg zu erleichtern, sondern anscheinend den Kapitellängen angepasst. Mit einem normalen MP3-Abspielgerät dürfte das entsetzlich sein, es sollte also unbedingt eine Memory/Hörbuchfunktion vorhanden sein, die automatisch an der richtigen Stelle des Tracks wieder einsetzt. Ein Track kann locker länger als eine halbe Stunde dauern. Dafür kommt jede MP3 aber mit relativ wenigen Tracks aus, so dass mein MP3 Player mit Memoryfunktion die Tonträger auch akzeptiert... Ja, ich mag CDs einfach lieber...

Queenie ist sexuell sehr experimentierfreudig, man sollte dieses Hörbuch auf keinen Fall bei Gelegenheiten hören, bei denen Kinder hereinplatzen könnten. Dabei finde ich ihre Eskapaden allerdings überhaupt nicht erotisch, sondern einfach nur selbstzerstörerisch. Ich schätze aber auch, dass es durchaus so gemeint ist.

Ein Hörbuch, das mich sehr zwiespältig hinterlässt, da es ganz klare Stärken hat, ich ihre Hauptperson Queenie aber bisweilen unerträglich anstrengend finde.

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