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Veröffentlicht am 07.05.2021

Nur ein Ausschnitt aus einem Leben

Hauskonzert
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Das "Hauskonzert" entzieht sich eigentlich von vornherein einer Bewertung, denn wem stünde es zu, den Inhalt eines Lebens, die Ziele, Wünsche, Träume, den Alltag eines anderen Menschen zu bewerten? Und ...

Das "Hauskonzert" entzieht sich eigentlich von vornherein einer Bewertung, denn wem stünde es zu, den Inhalt eines Lebens, die Ziele, Wünsche, Träume, den Alltag eines anderen Menschen zu bewerten? Und all diese Faktoren spielen nun einmal ungefragt und unumstößlich in die Leseerfahrung des "Hauskonzerts" hinein.

So paradox es klingt, aber versucht man den Menschen Igor Levit aus dem Buch herauszuhalten, so bekommt man im Wesentlichen das, was das "Hauskonzert" leistet: einen eindringlichen Einblick in den Künstler, den Pianisten Igor Levit, in die faszinierend, wahnwitzig schwere Arbeit, die hinter der Virtuosität auf dem Klavier liegt, in die Freude am Spiel, den Willen zur Innovation. Mich hat der Ausflug in die Welt des Pianisten begeistert. Mit Erstaunen ist mir so erst wirklich bewusst geworden, dass das Klavierspiel nicht nur körperlich harte Arbeit bedeutet, sondern dass auch jede einzelne Note, jeder Takt und jede Phrase ihre Daseinsberechtigung hat und eine Interpretation verdient hat. Die Passagen, die sich der Musik widmen, waren erhellend und inspirierend.

Was man außerdem im "Hauskonzert" bekommen soll, sind Erkenntnisse die (politische) Haltung Igor Levits zu wesentlichen gesellschaftlichen Themen, wie Antisemitismus und die Flüchtlingskrise, betreffend. Auch diese werden geliefert. Allerdings werden sie nicht annähernd so überzeugend von Florian Zinnacker transportiert, wie die musikalischen Passagen. Während in den Musik-Teilen ein festes Fundament, ein starker Kontext, eine ganze Lebenswelt aufgebaut wird, ist das politische Engagement zu flüchtig, zu oberflächlich dargestellt, irgendwie wirkt es nur wie angerissen. Die wichtigen Positionen, die Igor Levit vertritt, hätten für mich einfach mehr Tiefe im "Hauskonzert" verdient. Sie im wesentlichen nur durch Auftritte in TV-Sendungen, über Twitter-Meldungen und Witze zu illustrieren, war mir einfach ein bißchen wenig - schade, da wurde Potenzial verschenkt.

Überhaupt erscheint es mir am Ende des Buches so, als ob zu wenig Igor Levit in dem Text steckt. Das Layout der Verfassernamen suggeriert, dass das "Hauskonzert" ein Buch von Igor Levit sei, assistiert von Florian Zinnacker, stattdessen ist es der Blick des Journalisten auf Igor Levit, der nur in Sequenzen, meist in Interview-Auszügen, wirklich selbst zu Wort kommt. Und so liest sich auch der Großteil des Buches wie ein sehr langer Zeitungsartikel, zu präsent ist der beobachtende journalistische Stil des Verfassers, zu starr die Einengung der Person Igor Levits auf die zwei Aspekte "musikalisch" und "politisch". Man wird so beim Lesen stets auf Distanz gehalten und kann sich nicht wirklich annähern. Zu diesem distanzierten Eindruck trägt auch die wirre Chronologie bei, die in der Zeit hin- und herspringt und mitunter fast chaotisch wirkt.

Abschließend ist das "Hauskonzert" ein sehr bereichernder Einblick in das musikalische Leben des Igor Levit, dem es aber an dem Willen zur Offenheit in anderen Bereichen schlichtweg fehlt. Bei einer Biographie muss man als Biograph und auch als beschriebenes Objekt Mut zur Enthüllung habe und dieser Mut, der fehlte mir.

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Veröffentlicht am 18.12.2020

Spannender Gattungsmix

2024 Grüne Neue Welt
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2024 entwirft das Bild eines neuen, anderen Deutschlands in nicht allzu ferner Zukunft, indem sich der Teenager-Sohn des Bundeskanzlers schwer verliebt und so die Sicherheit seines Vaters und des Landes ...

2024 entwirft das Bild eines neuen, anderen Deutschlands in nicht allzu ferner Zukunft, indem sich der Teenager-Sohn des Bundeskanzlers schwer verliebt und so die Sicherheit seines Vaters und des Landes gefährdet.

Der Roman ist vieles auf einmal: Zukunftsvision (wobei sicherlich darüber diskutiert werden kann, ob utopisch oder dystopisch), Liebesgeschichte, Coming-of-Age, Familienstory, Thriller und politische Debatte. Für ein Erstlingswerk ist das eine ziemliche Liste an Genres, die hier bedient werden, doch weitestgehend glückt die Verquickung dieser Themen, wenn sie auch alle für sich gesehen jeweils mehr Tiefe und Raum verdient und z.T. auch benötigt hätten.

Die Zukunftsvision, die 2024 ausmalt, ist für den Leser eine Herausforderung, da sie dadurch, dass sie an das Jahr 2024 gebunden wird, nicht allzu weit entfernt ist, aber ein ökologisch nachhaltiges Deutschland zeichnet, dass bei allem Idealismus so momentan nicht vorstellbar ist. Die fiktionale Welt, die vorgestellt wird, ist in sich geschlossen, dicht, glaubwürdig und sinnvoll, mir ist sie auf der zeitlichen Achse jedoch einfach zu nah.

Die Liebesgeschichte entwickelt sich ausgesprochen schnell, intensiv und fast überstürzt. Da es sich bei dem Pärchen um sehr junge Leute handelt, ist diese Art der amour fou schon nachvollziehbar, mir bereitete sie aber im Gesamtkonstrukt Schwierigkeiten, da sie sich nicht „echt“ genug anfühlte und sich am Ende auch zusätzlich eine logische Leerstelle auftat. Das, mit der Liebeshandlung verbundene, Coming-of-Age sowie der Familienhandlungsstrang, der die veränderte Beziehung zwischen Vater und Sohn betrachtet, sind hingegen überzeugend und sehr gelungen. Sprachlosigkeit und das Haften an Erinnerungen dienen hier der Skizzierung der zerfallenden Beziehungsebene. Der Thriller-Part ist interessant aufgezogen und sorgt im Leseprozess für ein hohes Maß an Spannung und Atemlosigkeit, die auch durch die kurzen Kapitel erreicht wird. Auch wenn manche Szenen im Kontext der Story überzogen wirken mag, hält der Roman hier auf jeden Fall, was er verspricht. Die politische Debatte, die sich zwischen Datenschutz und Nachhaltigkeit entspinnt, ist zudem nicht nur ein reizvolles Gedankenprojekt, sondern vor allem genau im richtigen Maß in den Text eingebunden, sodass Raum für eigene Überlegungen bleibt.

Sprachlich und stilistisch weist der Roman zu Beginn ein paar Stolpersteine auf, die sich aber im Verlauf des Textes verflüchtigen. Ist der Romananfang textlich und auch inhaltlich noch etwas holprig, so gerät er doch relativ schnell in einen guten Fluss, der für eine angenehme Lesbarkeit sorgt.

Insgesamt ein durchaus ansprechendes Debut, das ich aufgrund der Thematik und des Protagonisten Lukas allerdings eher als einen Roman für die Zielgruppe „junge Erwachsene“ einordnen würde.

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Veröffentlicht am 12.12.2020

Die verborgenen Welt der Hexen

Geheimnisse der Hexen
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Geheimnisse der Hexen ist ein Lexikon, das schlaglichtartig den Ursprung des Hexenmythos und die Geschichte der Hexerei beleuchtet. Dies gelingt vor allem anhand ausgewählter Hexenschicksale und einer ...

Geheimnisse der Hexen ist ein Lexikon, das schlaglichtartig den Ursprung des Hexenmythos und die Geschichte der Hexerei beleuchtet. Dies gelingt vor allem anhand ausgewählter Hexenschicksale und einer Beschreibung des allgemeinen politischen und religiösen Klimas, das zu der jeweiligen Epoche geherrscht hat. Im Anhang finden sich noch einige grundlegende Aspekte der Hexenkunst (Pflanzen, Steine, Amulette und Talismane, Elemente usw.)

Optisch hat mir das Buch ausgesprochen gut gefallen. Sein dunkler, mystischer Einband, das übergroße Format und die reduzierten, stimmigen Illustrationen passen hervorragend zum Thema und unterstützen die Wirkung des Textes. Von diesem bin ich allerdings nicht vollends begeistert. Sicherlich soll es sich hier nicht um eine umfassende Beschreibung handeln, aber die meisten Erklärungen kratzen doch nur an der Oberfläche. So habe ich am Ende der Lektüre das Gefühl, zwar etwas erfahren zu haben, aber die Zusammenhänge erschließen sich letztlich nur wirklich, wenn man auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen kann. Wer allerdings nur nach einem sehr leichten Einstieg in das Thema sucht, ist bei diesem Buch durchaus richtig.
Als leicht irritierend habe ich den wechselnde Ton der Beschreibungen wahrgenommen. So schwankt der Text (wenn es sich nicht gerade um die in der Ich-Form geschriebenen Schicksale der als Hexen bekannten Frauen handelt), zwischen einem fast schon kumpelhaftem "wir"-Stil mit der Anrede "Schwester" und einer um neutrale Distanz bemühten trockenen Berichterstattung.
Den Anhang ist eigentlich äußerst interessant, aber die Auswahl erwies sich als sehr mager: nur eine Handvoll Pflanzen und magische Gesteine werden vorgestellt und das in sehr trockenem Ton - da wäre mehr möglich gewesen.

Am schwierigsten gestaltet sich jedoch die Ausmachung der Zielgruppe. Es bleibt völlig unklar, für wen dieses Buch gedacht ist. Ein Kinderbuch ist es definitiv nicht und auch für Jugendliche empfinde ich es als nicht passend. Für Erwachsene hingegen bietet es zu wenig.

Insgesamt ein Buch, das optisch gefallen mag und auch ein paar Einblicke in die Hexenwelt gibt, aber auf vielen Ebenen eher rätselhaft bleibt.

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Veröffentlicht am 07.12.2020

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen...

Das Flüstern der Bäume
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Der Baum dient in Das Flüstern der Bäume als wenig überraschendes Symbol für Familienstrukturen, obwohl am Ende die Erkenntnis steht, dass Familie wohl eher ein Wald ist, den man vor lauter Bäumen nicht ...

Der Baum dient in Das Flüstern der Bäume als wenig überraschendes Symbol für Familienstrukturen, obwohl am Ende die Erkenntnis steht, dass Familie wohl eher ein Wald ist, den man vor lauter Bäumen nicht sieht.

Ach, was hatte ich mich auf diesen Roman gefreut…und was war ich schon nach dem ersten Viertel „unterwältigt“ (ich muss dieses Wort hier einfach mal bemühen – es trifft es am besten): Unsympathische Figuren, deren Leben aus Enttäuschungen, Verlusten, Bindungsarmut und Drogenabhängigkeit besteht, „klammern“ sich an Bäume, die ihr Schicksal werden, und wachsen quälend langsam durch einen Plot, der so wenig flexibel ist wie eine deutsche Eiche. Bei aller Sprachkraft, der Fähigkeit, die Weite und Größe Kanadas fühlbar zu machen, und ökologisch-politischen Relevanz – das war alles sehr deprimierend und dazu noch im wahrsten Sinne „Ödnis“. Ein Eindruck, der sich immer wieder bestätigen sollte, und dies trotz des absolut innovativen Aufbaus des Romans, der vom Jahr 2038 rückwärts durch Episoden in den Jahren 2008, 1974, 1934 und 1908 reist und dann wieder in aufsteigender Reihenfolge diese Jahre thematisiert. Die Idee, einen Roman so zu strukturieren, hat mir hervorragend gefallen und auch im Kontext des Themas und der erzählten Geschichte, ist diese Wahl absolut einleuchtend. Darüber hinaus sorgt sie für die Spannung, die man in dem Roman ansonsten weitestgehend vermisst. Um ehrlich zu sein, hat mich diese unglaublich weitschweifige Familiengeschichte erst ab S. 293 mäßig interessiert – leider muss man bis dahin aber erst einmal kommen und auch alles gelesen haben, da man sonst den Anschluss verliert. Zum Ende hin nimmt der Roman tatsächlich an Fahrt auf und besticht auch mit einigen berührenden und traurigen Momenten – besonders der Handlungsstrang um Temple und Everett hat es mir da angetan – aber nochmal: dafür muss man sich durch die Längen der vorangehenden Kapitel kämpfen versinkt aber gleichzeitig in der grenzenlosen Hoffnungslosigkeit einer Dystopie, die nicht nur die Menschheit und Natur zum Tod verdammt, sondern auch das persönliche Schicksal eines jeden Menschen mit dem Label „vergeblich“ versieht. Um zu erkennen, dass es eigentlich immer nur noch schlechter werden kann, braucht man keine 560, meist langatmigen, Seiten und nach der aufzehrenden Lektüre wäre ein wahrer Silberstreif am Horizont auch mal eine nette Abwechslung gewesen.

Für mich ist Das Flüstern der Bäume ein ambitionierter Roman, dem es aber nicht gelingt, seine selbstgesetzten Ziele einzulösen. Drei Sterne gibt es für die großartige Struktur und die Seiten 293 bis 471, sowie das Interpretationspotenzial, das der Roman bietet. Sicherlich könnte ich nun beginnen, genauer über ebendieses zu grübeln und auch verschiedene Ansätze verfolgen, denn die bietet der Roman zuhauf. Aber irgendwie ist dies nach einem Leseerlebnis, das sich mich ob seiner immensen Schwere auf sprachlicher und ihhaltlicher Ebene recht erschöpft zurücklässt, zu viel verlangt – ich komme mir schon so antriebsarm vor wie die Figur des Lomax, der nicht weiß, wie er sich je wieder von seinem Opiumlager erheben soll.

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Veröffentlicht am 01.07.2020

wenig eindrücklich

Der unsichtbare Garten
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Der unsichtbare Garten befasst sich mit einem bedrückenden Thema: dem irreversiblen Verlust der Sehkraft und dem Leben mit und nach einer derartigen Diagnose. Um dies zu veranschaulichen, hat die Autorin ...

Der unsichtbare Garten befasst sich mit einem bedrückenden Thema: dem irreversiblen Verlust der Sehkraft und dem Leben mit und nach einer derartigen Diagnose. Um dies zu veranschaulichen, hat die Autorin einen jungen Tennistrainer zu ihrem Protagonisten gemacht, dessen neues Schicksal ohne Augenlicht in einem starken Kontrast zu seinem vorherigen Lebensentwurf steht.

Tja...das ist einer dieser Romane, die gut gemeint und auch gar nicht schlecht gemacht sind, die aber trotzdem nicht das Gefühl auf das Papier bringen, das es braucht, um eine Leserschaft zu überzeugen, mitzureißen und mitleiden zu lassen.

Die Figur Vincent ist zu Beginn des Romans so in seinem Leid gefangen, dass er überstürzt durch alle möglichen Erlebnisse springt, für die er seine Augen noch nutzen möchte. Der Schreibstil passt sich hier dieser Rastlosigkeit an, der Leser wird fast atemlos zurückgelassen. Es fehlt in diesem Teil jedoch an tiefergehenden Reflexionen über den eigenen - auch mentalen - Zustand. Dies mag man alles wohlwollend auf einer Analyseebene dem bewussten Versuch der Autorin zuschreiben, das Ohnmachtsgefühl und den Negationswillen Vincents transportieren zu wollen.

Das Erzähltempo wird erst gedrosselt, als Vincent tatsächlich nicht mehr sehen kann und beginnt, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Hier wird er als Figur auch deutlich nahbarer und der Roman schafft es, den Leser dazu zu bringen, sich zu fragen, wie man selbst mit solch einer Situation umgehen würde. Allerdings herrscht nun auch über weite Strecken Langeweile, da eigentlich kaum noch - außer einem ziemlich abwegigen Anschlag auf Vincent, der im Nachhinein dann auch nicht wirklich wichtig ist, etwas passiert und auch hier keine besonders tiefe Auseinandersetzung mit der Krankheit erfolgt.

Jegliche Wucht und Nachwirkung, die der Roman hätte haben können, wird jedoch durch das Ende ausgelöscht. Die letzten zwei-drei Kapitel bieten einfach zu viel Happy End - manchmal ist weniger/kürzer mehr.

Insgesamt wirkt der Roman trotz der sicherlich guten Recherche der Autorin über weite Strecken nicht authentisch genug, um emotional zu berühren. Stilistisch durchaus ansprechend und thematisch anspruchsvoll, bleibt der Roman weitestgehend gefällig. Gut gefallen haben mir z.B. die Gartenszenen, aber auch hier bleibt der Eindruck verschenkten Potenzials bestehen. Er liest sich gut, aber er beeindruckt nicht und bleibt an der Oberfläche und ist so eher nette Unterhaltung.

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