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Veröffentlicht am 26.10.2022

Eine Lebensreise

Der Junge im Fluss
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Was wäre, wenn wir unser Leben neu beginnen könnten? Wenn wir es rückwärts leben würden? Wie prägt uns unsere Vergangenheit?

All das sind Fragen, die Nestor T. Kolee in seinem neuen Buch „Der Junge im ...

Was wäre, wenn wir unser Leben neu beginnen könnten? Wenn wir es rückwärts leben würden? Wie prägt uns unsere Vergangenheit?

All das sind Fragen, die Nestor T. Kolee in seinem neuen Buch „Der Junge im Fluss“ aufgreift. Der Untertitel – „Über die Suche nach dem eigenen Ich“ – verrät, worum es Kolee geht: Der Leser soll sich Gedanken über sein eigenes Leben machen.

Entsprechend mythologisch ist „Der Junge im Fluss“ auch angelegt. Ben, der am liebsten hätte, dass nichts sich verändert, dass alles bleibt wie es ist, muss sich auf den Weg machen. Der Aufbruch ist nötig, denn die Insel, auf der er lebt, ist in Gefahr, komplett im Meer zu versinken. Und so macht er sich auf den Weg nach Damai, einem Ort ohne Zeit – einem Ort, wie er ihn sich wünscht. Ein Kompass und ein Kolibri weisen ihm den Weg. Ein Rätsel ist außerdem noch zu lösen.

Stillstand, Veränderung, Aufbruch – das sind die Themen, um die das Buch kreist. Erfahrungen müssen gemacht werden, Hindernisse überwunden werden. Auch für den Leser ist das Buch nicht ohne Hindernisse. Die verschiedenen Zeitebenen, die sich rückwärts bewegende Zeit, und schließlich die Unsicherheit, ob Bens Wahrnehmung überhaupt richtig ist und was die Ratgeber bewegt: all das verwirrt den Leser dieser Lebensreise zwischendurch.

Lässt man das Buch an die eigenen Grundfesten heran, so ist es eine lohnenswerte Lektüre, die einen darüber nachdenken lässt, wo und wie im Leben man sich verändert hat und wo man allzusehr auf der Stelle tritt.

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Veröffentlicht am 10.08.2022

Essayistischer Text über die Stille

Wenn Stille eine Sprache wäre
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Die Suche nach Stille in einer unruhigen Zeit: das ist das Thema von Tomas Sjödins Buch "Wenn Stille eine Sprache wäre".

Ein wenig missverständlich ist der Buchtitel, denn selbstredend ist für Sjödin ...

Die Suche nach Stille in einer unruhigen Zeit: das ist das Thema von Tomas Sjödins Buch "Wenn Stille eine Sprache wäre".

Ein wenig missverständlich ist der Buchtitel, denn selbstredend ist für Sjödin die Stille eine Sprache, allem voran die Sprache des Gebets. Überhaupt spricht bzw. schreibt Sjödin über weite Strecken vom Gebet - die Verknüpfung zum Thema Stille ist dabei eher punktuell. 

Sjödins Buch ist eher ein Essay als eine theologische Abhandlung. Sjödin selbst spricht in Blick auf sein Buch von "akademischem Zwitschern". Allerdings ist sein Buch alles andere als akademisch, es ist vielmehr ein Reisebericht, in den Überlegungen zur Bedeutung von Stille eingebunden sind.

Sjödins Buch wirkt eher wie ein Bericht über die Arbeiten zu einem Buch über Stille. So beschreibt Sjödin, welche Bücher er zum Thema gelesen hat, mit welchen Theologen er darüber diskutiert hat und wie er sich selbst im Gebet der Stille genähert hat. 

Ideen und Assoziationen, Zitate anderer Theologen sowie biographische Reflexionen prägen das Buch - argumentierende, meditative oder mystische Texte sucht man vergebens bei Sjödin. 

Wer hingegen Inspirationen sucht, ist bei Tomas Sjödin goldrichtig aufgehoben. Seine Gedankensplitter aus anderen Bücher sind alles andere als uninteressant, etwa der Hinweis darauf, dass unsere Sprechgeschwindigkeit sich im Laufe der letzten Jahrzehnte rasant beschleunigt hat oder auch die Frage, ob es auf der Erde überhaupt noch völlig Stille Orte gibt und was absolute Stille mit uns macht. Inspirierend sind vor allem Sjödins Ausführungen zum Gebet, in die er seine eigene Biografie eingebunden hat. So spricht er vom Kraftorten der Stille, von stillem Gebet, spontanem und monotonem Beten. Auch sein Hinweis auf das Staunen, das wir wieder erlenen sollten, ist bedenkenswert. 

Für mich eher störend waren die vielen Bezüge auf Theologen, die mir allesamt nichts sagen. 

Veröffentlicht am 27.03.2022

Jesus im Schnelldurchlauf

Jesus für Eilige
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Mit seinem Büchlein „Jesus für Eilige“ will Fabian Vogt kurz und knackig, wie der Untertitel verspricht, das vermitteln, was an Jesus wichtig ist.

Zunächst stellt Vogt vor, was man über Jesu Biographie ...

Mit seinem Büchlein „Jesus für Eilige“ will Fabian Vogt kurz und knackig, wie der Untertitel verspricht, das vermitteln, was an Jesus wichtig ist.

Zunächst stellt Vogt vor, was man über Jesu Biographie weiß, anschließend berichtet er, was über Jesu Handeln aus den Evangelien berichtet wird. Diesen Teil bezeichnet Vogt selbst als „Charakterstudie“. Erst im folgenden Kapitel geht es um Jesu Kernbotschaften. Vogt legt also Wert darauf, dass man aus Jesu Verhalten letztlich auch seine Botschaft ableiten kann. Schließlich geht Vogt noch auf zentrale Inhalte ein: Gleichnisse, Wunder, Bergpredigt, Abendmahl, Kreuzigung, Auferstehung und Demut.

Inhaltlich wie auch stilistisch hat mich das Büchlein nicht durchgängig überzeugt. Auf der sprachlichen Ebene schwankt das Buch teilweise zwischen umgangssprachlichen Formulierungen und dem Nachahmen von Jugendsprache (Jesus als Influencer mit seinen Followern …) auf der einen Seite und seriösem wissenschaftlichem Text auf der anderen, wo der Leser gesiezt wird. Manchmal gelingt dieser Balanceakt, zum Teil aber auch nicht.

Inhaltlich fand ich den persönlicheren Zugang zu Jesus durch die sogenannte „Charakterstudie“ sehr angenehm. Die zentralen Inhalte sind zwar entsprechend kurz angerissen, aber hier erweist sich Fabian Vogt als Reiseführer durch den theologischen Dschungel, der eigene Akzente setzt. Nicht überzeugt hat haben mich die Nacherzählungen der Gleichnisse am Schluss des Buches – im Original sind sie doch viel lebendiger. Weshalb die Gleichnisse Jesu hier so überrepräsentiert sind, hat sich mir nicht erschlossen. Auch der kurze geschichtliche Schnelldurchlauf durch 2000 Jahre Kirchengeschichte ist wenig gewinnbringend.

Etwas unschlüssig bin ich, wer dieses Büchlein gewinnbringend liest. Sicherlich der Konfirmand, für den manche Kapitel aber doch etwas zu abgehoben sein dürften, etwa die Rede vom Mythos beim Abendmahl. Sicherlich der Interessierte und noch nicht allzu Belesene, der einiges Neues über Jesus erfahren dürfte.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Auf der Suche nach der Herkunft von 80 Millionen Euro...

Wisting und der fensterlose Raum
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Kommissar Wisting ist im zweiten Band der Wisting-Reihe mit einem heiklen Fall betraut: Jørn Lier Horst lässt seinen Kommissar die Herkunft von 80 Millionen Euro untersuchen, die bei einem Politiker gefunden ...

Kommissar Wisting ist im zweiten Band der Wisting-Reihe mit einem heiklen Fall betraut: Jørn Lier Horst lässt seinen Kommissar die Herkunft von 80 Millionen Euro untersuchen, die bei einem Politiker gefunden wurden. Versteckt waren sie – und damit ist der etwas merkwürdige Titel des Kriminalromans „Wisting und der fensterlose Raum“ gelöst – in einem fensterlosen Raum des Ferienhauses.

Dass das Geld nach dem – natürlichen – Tod des Politikers gefunden wird, macht das Ermitteln nicht einfacher. Bald schon wird klar, dass das Geld aus einem Überfall stammt, der schon einige Jahre zurückliegt. Und bald schon stellt sich die Frage, was der Fall mit einem Angler, der am Tag des Überfalls verschwunden ist, zu tun hat.

In die Ermittlungsarbeiten mit einbezogen ist Wistings Tochter Line, eine Journalistin. Ihre Aufgabe ist es, das Umfeld des verstorbenen Spitzenpolitikers unter die Lupe zu nehmen. Dass ihr Vater ein Ermittlungsteam zusammenstellt, führt allerdings dazu, dass das Ermitteln eher langsam vorwärtsgeht. Jeder darf mal eine Spur verfolgen, jeder seine Ergebnisse präsentieren. Anfangs wirkt das Buch dadurch doch ein wenig zäh. Dieser Eindruck verflüchtigt sich allerdings, je weiter die Handlung vorangeht. Dann sorgen auch die häufigen Perspektivwechsel für Spannung, da Ermittlungsschritte unterbrochen werden.

Mir kam der Showdown am Schluss aufgrund der ansonsten eher bedächtigen Ermittlungsschritte fast wie ein Fremdkörper vor. Verwundert hat mich auch, mit welcher Selbstverständlichkeit Personen als Lockvögel verwendet werden, ohne dass ihre mögliche Gefährdung überhaupt diskutiert wird. Ein videoüberwachter Raum scheint jegliche Bedenken zu zerstreuen. Auch dass Wisting über seine Tochter Informationen an die Presse geben lässt, um die Karriere eines Politikers zu beenden, dem Wisting direkt keine Schuld nachweisen kann, überrascht doch. Hier hätte man doch etwas mehr über die Beweggründe Wistings erfahren. Aber es bleiben ja weitere Bände um Kommissar Wisting, die dies nachholen können.

Fazit: Jørn Lier Horsts „Wisting und der fensterlose Raum“ ist ein Krimi, der erst nach und nach an Fahrt gewinnt, dann aber sein Spannungspotenzial voll entfaltet.

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Veröffentlicht am 08.01.2021

Brüche im Leben

Wenn es dunkel wird
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Menschen, die in ihrem Leben etwas begegnet, das sie dann aus der Bahn wirft: das ist das wiederkehrende Thema in Peter Stamms neuem Erzählband „Wenn es dunkel wird„. Elf Erzählungen sind in dem kleinen ...

Menschen, die in ihrem Leben etwas begegnet, das sie dann aus der Bahn wirft: das ist das wiederkehrende Thema in Peter Stamms neuem Erzählband „Wenn es dunkel wird„. Elf Erzählungen sind in dem kleinen Bändchen versammelt.

Elf Erzählungen, die rund um unfreiwillige Brüche im Leben kreisen, hinter all denen sich aber letztlich doch der unausgesprochene Wunsch verbirgt, dass sich etwas im Leben ändern müsse. „Er selbst schien für dieses Leben verloren zu sein“, heißt es etwa in der ersten Erzählung, die von einem Lehrling handelt, der sich monatelang auf einen Banküberfall vorbereitet.

Viele der Erzählungen macht aus, dass ihr Ende offen bleibt. Wird der Lehrling die Bank überfallen? Kommt es tatsächlich zum Tête-à-tête zwischen Angestellter und Chef – oder ist es nur ein Wunschdenken, das zu dem äußerst schnulzigen Ende der Geschichte führt? Wer ist überhaupt real in der Geschichte „Wenn es dunkel wird“ ?

Für meinen Geschmack sind dabei manche der Geschichten etwas arg kitschig geraten oder schrammt gerade so mithilfe der Mehrdeutigkeit am Schnulzigen vorbei. So etwa die „Frau im grünen Mantel“, aber auch „Sabrina“, die sich immer mehr mit einem Kunstwerk identifiziert, das sie selbst darstellt, und – allen voran – „Der erste Schnee“, eine grausig schnulzige Geschichte um „das schönste Weihnachtsgeschenk, das Georg mir jemals gemacht hat“. Naja.

Mein Favorit ist die Geschichte „Supermond“, in der ein Angestellter, der kurz vor der Pensionierung steht, sich immer überflüssiger fühlt und nicht nur unsichtbar wird, sondern auch langsam verschwindet. Hier zieht Peter Stamm das Absurd-Groteske von Anfang an durch, wo es sonst nur Teil einer Geschichte ist.

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