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Veröffentlicht am 10.01.2021

Mikroskopischer Blick auf dörfische Strukturen

Unterleuten
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Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter ...

Nach außen scheint das Dorf ruhig und beschaulich, doch die Dorfgemeinschaft wurde durch ihre Geschichte und Politik bereits vor langer Zeit in Bewegung gesetzt, zieht Strippen, streitet offen und hinter verschlossenen Türen, besinnt sich auf alte Banden, knüpft neue Kontakte, manipuliert, sabotiert und prügelt wüst aufeinander ein – alles unter dem Deckmäntelchen, das Beste für das Dorf erreichen zu wollen. Mitten drin ein paar Zugezogenen mit ihren ganz eigenen Problemen und Zielen und dem Gefühl, den Punkt erreicht zu haben, an dem man im Dorf endlich mitmischen kann.

Nach gut 150 Seiten zündet die Autorin eine Lunte, die ganz nach ihrem Plan abbrennt. Die Planung der Landesregierung, eine Windkraftanlage in Unterleuten zu platzieren. teilt das Dorf in Gegner und Befürworter. Die teils jahrzehntelangen schwelenden Konflikte beginnen wieder aufzulodern und steigern sich zu einem martialischem Flächenbrand.

Das Buch lebt von dem Blick hinter die Kulissen, es seziert die Beziehungen bis tief in die Vergangenheit und räumt jedem Protagonisten viel Raum und Zeit zum Denken und Fühlen vor dem eigentlichen Handeln ein. Ein Buch, das mich auf der einen Seite fasziniert, auf der anderen unbeteiligt lässt.

Seite um Seite werden die Dorfbewohner entblättert und ihr Inneres vor dem Leser ausgebreitet. Dies entbehrt nicht einer gewissen Spannung, gleichzeitig benötigt man auch Geduld und Konzentration. Es zieht sich, bis ich die Vielzahl der Protagonisten erst einmal kennengelernt, ihren Tag- und Nachtträumen beigewohnt habe und den sich im Alltag spiegelnden Abgründe gewahr geworden bin.

Leider gelingt es der Autorin nicht, mich emotional zu beteiligen. Mir fehlen Identifikationsfiguren, es scheint nur Macher oder Opfer zu geben und jede Entwicklung in diesem Spektrum wandelt sich zu einem Extrem. Weder Dörfler noch Zugezogenen bieten mir einen Platz an, an dem ich mich einrichten möchte.

Ich fühle mich wie ein unbeteiligter Zaungast bei einem Faustkampf, dessen Choreographie einem Plan folgt. Die Anfeuerungsrufen und wüsten Beschimpfungen der Umstehenden gellen in meinen Ohren, aber der Ausgang bleibt mir völlig egal.

Die Technik der Autorin, jede Szene unter einem Vergrößerungsglas zu betrachten, ist auf der einen Seite interessant und ungewöhnlich - auf Dauer aber auch anstrengend und langatmig. Ich fühle mich durch die detaillierte und Zeit verzögerten Beobachtungen gezwungen, die Bahn jedes einzelnen Schweißtropfens oder Speichelfadens dieses Kampfes zu verfolgen. Manches Mal hätte ich mir weniger Details, weniger Verknüpfungen und weniger innere Landkarten gewünscht und dafür mehr Handlung und mehr Freiraum eigene Gedanken spinnen zu dürfen.

Fazit: Die Geschichte folgt einem genialem Plan, der nichts dem Zufall überlässt, aber auch leider kaum Platz für emotionale Beteiligung lässt. Jeder Gedanke wird mir abgenommen, weil die Autorin bereits festgelegt hat, was ich zu denken habe.

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Veröffentlicht am 27.12.2020

Die Macht der Wortlosigkeit

Still!
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Mariella ist zu der Erkenntnis gekommen, das Reden keine Probleme löst. Folgerichtig hat sie sich entschlossen, nicht mehr zu sprechen - mit niemanden. Es ist überraschend, wie umfassend sie diese Entscheidung ...

Mariella ist zu der Erkenntnis gekommen, das Reden keine Probleme löst. Folgerichtig hat sie sich entschlossen, nicht mehr zu sprechen - mit niemanden. Es ist überraschend, wie umfassend sie diese Entscheidung umsetzt und selbst in Situationen, in der klärende Worte alles vereinfachen würden, bleibt sie stumm. Konsequent in allen Lebenslagen.

Ihr Umfeld kommt damit nicht zurecht. Besonders bei ihrer Mutter liegen die Nerven blank. Aber auch in der Schule wird ihr vieles zum Nachteil ausgelegt, und es ist überraschend, wie aggressiv sowohl Lehrer als auch Mitschüler auf die Stille reagieren.
Als Mariella den gehörlosen Stan trifft, scheint sie endlich jemanden gefunden zu haben, der ihre Entscheidung akzeptiert. Sie beginnt Hoffnung zu schöpfen, doch unterschätzt sie die weitreichenden Folgen ihrer Sprachlosigkeit.

Die Geschichte spiegelt Mariellas Innenleben. Stück für Stück durchlebt man ihren Alltag, ihre Gefühle, ihre Ängste, ihre Träume. Es ist bewundernswert wie konsequent sie ihre Entscheidung umsetzt. Und auch in Momenten der Schwäche, bleibt sie dabei. Das hat mich sehr beeindruckt. Gleichzeitig wird gezeigt, wie wenig Bereitschaft im Umfeld besteht, sich auf Mariella einzustellen.

Mir gefällt die Grundidee des Buches sehr. Es wird mir sehr leicht gemacht, in Mariellas Haut zu schlüpfen und die Welt durch ihre Augen zu betrachten. Doch manches hätte ich mir ausführlicher gewünscht. Viele Szenen bleiben bruchstückhaft. Durch die strikte Wahl der Perspektive bleiben leider auch einige Hintergründe, die zu Mariellas Entscheidung geführt haben diffus. Prägende Ereignisse werden nur angerissen. Mariella wirkt an manchen Stellen stur, doch ich denke, es zeigt gut ihre Überforderung.

Erst die drastischen Ereignisse am Ende machen ihr einen Entwicklungsschritt möglich. Zum Ende gibt es einen Hoffnungsschimmer, doch zur Klärung scheint es noch ein langer Weg.

Fazit: Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit liegen dicht beieinander. Doch man sollte sie nicht verwechseln.

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Veröffentlicht am 04.09.2020

Gut und Böse fein säuberlich getrennt

Mehr als die Erinnerung
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Gut Mohlenberg, 1920: Eine Einrichtung, die psychisch kranken Menschen mit einem für diese Zeit untypsichen menschenfreundlichen Ansatz die Möglichkeit bietet, ein gutes Leben zu führen. Als in der Umgebung ...

Gut Mohlenberg, 1920: Eine Einrichtung, die psychisch kranken Menschen mit einem für diese Zeit untypsichen menschenfreundlichen Ansatz die Möglichkeit bietet, ein gutes Leben zu führen. Als in der Umgebung zwei Morde geschehen, ist man mit der Verdächtigung schnell bei der Hand: Es muss einer der „Geisteskranken von Mohlenberg“ gewesen sein.

Friederike von Aalen, die dort als junge Medizinerin ihren Vater bei der Leitung unterstützt und deren Ehemann nach einem Kriegestraumata selbst zu den Patienten gehört, will die Bewohner schützen und stellt eigene Ermittlungen an.

„Mehr als die Erinnerung ist eine dieser Geschichten, bei der man durch die Seiten fliegt, gut aufgebaut und der das fachliche Hintergrundwissen der Autorin Tiefe und historische Glaubwürdigkeit gibt. Der Krimi ist homogen mit dem Setting verwoben und verliert bis zum Ende nicht an Spannung. Gleichzeitig gibt die Geschichte einen guten Einblick in die psychiatrischen Behandlungsmethoden damaliger Zeiten und der Ausgrenzung der Erkrankten.

Die zeittypischen Rollenklischees werden plastisch transportiert und es ist unterhaltsam zu lesen, wenn eine Frau sich dem widersetzt. Der Spaß potentiert sich zum Ende, als es daran geht, den Täter zu überführen.

Einen Stern Abzug gibt es jedoch: Die Charaktere bleiben sehr flach trotz ausreichendem psychischen Konfliktpotenial. Gut und Böse war schnell sortiert. Dies schwächt die emotionalen Bindung an die Protagonisten. Besonders Friederike von Aalen hatte mir viel zu wenig Ecken und Kanten und war zu übertrieben die treusorgende liebende Ehefrau und Menschenfreundin. Dem Thema hätte es gutgetan, wenn die Menschen vielschichtiger gezeigt worden wären.

Fazit: Eine tolle Mischung aus historischen Frauenroman und Krimi mit gut recherchiertem Hintergrund.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Eine Welt wie im Märchen

Yo
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Yo fällt aus ihrem einsamen, unspektakulären Leben in die bunte Märchenwelt Pardalis. Von einem Tag auf den anderen trägt die unsichere und ängstliche 23jährige die Verantwortung fürs das Überleben der ...

Yo fällt aus ihrem einsamen, unspektakulären Leben in die bunte Märchenwelt Pardalis. Von einem Tag auf den anderen trägt die unsichere und ängstliche 23jährige die Verantwortung fürs das Überleben der Welt mit all ihren wunderbaren Kreaturen. Es bleibt ihr keine Zeit sich einzugewöhnen, denn die dunklen Schatten von Omieda drohen die Welt zu verschlingen. Ein geheimnisvolles Medaillon, die kleine pelzige Suna und der anziehende Vogelmann Miran sind die einzigen, die sie bei ihren Aufgaben unterstützen.

Die Geschichte entspricht einer klassichen Heldenreise, in der die Heldin mit jeder neuen Aufgabe einen Entwicklungsschritt macht. Das Besondere ist die liebevoll erschaffene Welt mit all ihren unterschiedlichen Bewohnern. Ihre Farbenpracht und Vielvalt hat mich des Öfteren an die bunte und atemberaubende Welt von Pandora in dem Film Avatar erinnert.

Immer wieder lernt Yo neue Kreaturen, neue Lebensformen, Gesellschaften und Landstriche kennen, die in einzigartigen bunten Farben der ganzen Geschichte eine märchenhafte Atmosphäre verleihen. Die Bewohner sind mehr als ungewöhnlich, teils bizarr, teils niedlich aber manches Mal auch gruselig. Sie bescheren der Geschichte immer wieder humorige, überraschende und spannende Wendungen. Yos Aufgaben sind sehr gut eingebettet in diese Welt, wenn auch die einzelen Aufgaben manches Mal recht einfach und zufällig gelöst werden.

Eine große Schwachstelle für mich ist die Romanze. Liebe auf den ersten Blick, ohne dass die Anziehung untereinander begründet und nachvollziehbar ist. Es findet keinerlei Entwicklung statt. Yo benimmt sich wie ein 13jähriger Backfisch und hätte mit solch einem Benehmen, niemals eine Chance, bei einer erwachsenen, selbstbewussten Kämpfer Interesse zu wecken. Da große Teile der Geschichte beide aber voneinander trennt, war dieses Ärgernis nicht ständig präsent.

Ein großer Pluspunkt ist das ungewöhnliche und offene Ende. Ein guter Bruch des ansonsten klischeehaften Verlaufs.

Fazit: Leseempfehlung für Fans von Heldenreisen in bunten, innovativen Welten und mit ungewöhnlichen Bewohnern

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Romantisch, lesbisch, leicht ...

Mut ist der Anfang vom Glück
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Die 16-jährige Kim gerät langsam unter Druck. Ihre besten Freundinnen können schon längst einen Freund vorweisen und ihre Eltern warten gespannt, wann sie sich endlich in einen Typen verguckt. Doch der ...

Die 16-jährige Kim gerät langsam unter Druck. Ihre besten Freundinnen können schon längst einen Freund vorweisen und ihre Eltern warten gespannt, wann sie sich endlich in einen Typen verguckt. Doch der Funke will nicht überspringen. Erst als die neue Mitschülerin Ella in Kims Klasse kommt, gerät ihr Herz ins Stolpern und plötzlich ist es nicht mehr so einfach mit der ersten Liebe …

Die Geschichte ist locker leicht erzählt. Es gibt reichlich Hindernisse bis zur ersten großen Liebe ; vor allem Kim selbst steht sich immer wieder im Weg.

Sehr sympathische Charaktere und unterhaltsame Wendungen in einer Erzählung von der Entdeckung der eigenen Sehnsucht und wie viel Mut es braucht, sie nach außen zu zeigen.

Fazit: gelungenes Jugenbuch zum queeren Alltag

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