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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2021

Der 1. Fall für August Emmerich

Der zweite Reiter
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„Der zweite Reiter“ ist der erste Fall für August Emmerich und Ferdinand Winter. Inzwischen gibt es schon vier Teile der Reihe.
Alex Beer beschreibt sehr anschaulich die entbehrungsreiche und elende Zeit ...

„Der zweite Reiter“ ist der erste Fall für August Emmerich und Ferdinand Winter. Inzwischen gibt es schon vier Teile der Reihe.
Alex Beer beschreibt sehr anschaulich die entbehrungsreiche und elende Zeit nach dem 1. Weltkrieg in Wien, was die gesamte Atmosphäre des Romans ziemlich düster macht. Trotzdem gelingt es der Autorin oft durch witzige Szenen, vor allem bei der Zusammenarbeit von Emmerich und Winter, die Stimmung aufzulockern. Der Kriminalfall bleibt bis zum Schluss undurchschaubar und es gibt eine unerwartete Wendung. Trotzdem fehlte mir hier insgesamt die Spannung.
August Emmerich ist 36 Jahre alt, im Waisenhaus aufgewachsen und durch den Krieg bereits etwas abgestumpft, was Tote und Verbrechen angeht. Eine schmerzende Kriegsverletzung und private Probleme machen ihm zusätzlich zu schaffen. Er ist ein Schlitzohr und geht nicht immer den legalen Weg. Sein neuer junger Assistent Winter ist für ihn zunächst nur für eine überflüssige Belastung.
Ferdinand Winter stammt aus einer völlig anderen sozialen Schicht, ist eher ängstlich und sehr korrekt. Aber er beweist Emmerich schon bald seine Intelligenz und vor allem Loyalität. Beide Charaktere haben mir sehr gut gefallen.
Das Buch lässt sich schnell und locker lesen, hat mich aber nicht hundertprozentig überzeugt.

Veröffentlicht am 02.03.2021

Fesselnder historischer Roman

Die Verlorenen
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Inhalt: London, Ende November 1747: Die erst 18-jährige Krabbenverkäuferin Bess Bright lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder in ärmlichsten Verhältnissen. Nach einer ungewollten Schwangerschaft ...

Inhalt: London, Ende November 1747: Die erst 18-jährige Krabbenverkäuferin Bess Bright lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder in ärmlichsten Verhältnissen. Nach einer ungewollten Schwangerschaft gibt sie noch am Tag der Geburt ihre kleine Tochter im Waisenhaus ab. So bald es ihre Lebensumstände zulassen, möchte sie das kleine Mädchen wieder zu sich nehmen. Doch als es nach sechs Jahren endlich so weit ist, erfährt sie, dass ihr Kind schon einen Tag nach seiner Ankunft wieder abgeholt wurde - von einer Frau, die sich als Bess ausgegeben hatte.
Verzweifelt macht sich Bess auf die Suche nach ihrer Tochter…

Meine Meinung: Der Roman hat sich in eine völlig andere Richtung entwickelt, als ich gedacht hätte, und das hat mir gut gefallen. Ich war ziemlich überrascht, als nach etwas mehr als hundert Seiten Teil 2 begann, die Erzählperspektive wechselte und die Geschichte aus der Sicht von Alexandra weitererzählt wurde. Stacy Halls schreibt sehr atmosphärisch, bildhaft und anschaulich über das Leben im 18. Jahrhundert in London. Auch die beiden Protagonistinnen, die aus völlig verschiedenen Gesellschaftsschichten kommen, beschreibt die Autorin sehr interessant und glaubwürdig. Während Bess hart arbeiten muss und trotzdem in bitterer Armut lebt, gehört Alexandra zur Oberschicht und wohnt in einem großen Haus mit Dienstboten. Auch wenn Bess mir sympathischer war, konnte ich in gewisse Weise auch mit Alexandra mitfühlen. Als die Geschichte dann eine neue Wendung nimmt, stellt man sich als Leser die Frage, ob die Entscheidung wirklich überdacht und richtig ist.
Das Ende fand ich zwar ziemlich konstruiert und unrealistisch, aber trotzdem hat es mir gut gefallen und mich zufriedengestellt, denn „Die Verlorenen" ist ein fiktiver Roman und keine wahre Geschichte.
Das Cover finde ich sehr passend. Es sind viele Details darauf zu sehen, die in der Geschichte vorkommen, was mir aber erst nach dem Lesen aufgefallen ist.

Fazit: Eine ungewöhnliche und fesselnde Geschichte, die ich gerne gelesen habe und die mich für kurze Zeit ins historische London versetzt hat.

Veröffentlicht am 10.02.2021

Ein Leben im goldenen Käfig

Unheimlich nah
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Inhalt: Nach der gut ausgegangenen Entführung seines Vaters Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996, ist das Leben für Johann nicht mehr so wie es einmal war. Die drei Familienmitglieder werden rund um die Uhr ...

Inhalt: Nach der gut ausgegangenen Entführung seines Vaters Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996, ist das Leben für Johann nicht mehr so wie es einmal war. Die drei Familienmitglieder werden rund um die Uhr bei jedem Schritt, den sie vor die Tür machen, von Personenschützern begleitet und überwacht. Besonders für den 14-jährigen Johann ist das eine große Belastung.

Meine Meinung: Ich habe bereits vor einiger Zeit das Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer gelesen, in dem er auf eindringliche Weise über die 33 Tage erzählt, als sein Vater sich in den Händen der Entführer befand und sein Zuhause zu einer polizeilichen Einsatzzentrale wurde. In „Unheimlich nah“ berichtet er nun von den darauf folgenden Jahren. Sehr ehrlich, selbstkritisch und oft auch humorvoll schreibt er über das beklemmende Gefühl und die schwierigen Situationen, die durch eine permanente Begleitung / Überwachung während der prägenden Jahre der Pubertät entstanden sind. Die Personenschützer, von Johann ironisch„Die Herren“ genannt, sind wirklich überall dabei. Im Urlaub, auf Klassenfahrt, bei Treffen mit Freunden und bei Dates. Nichts bleibt unbeobachtet und leider auch nicht immer unkommentiert und häufig kommt es für Johann zu peinliches Situationen. Kaum vorstellbar, was das mit einem jungen Menschen macht. Es ist die Zeit des Erwachsenwerdens, der Abnablung von den Eltern und der ersten eigenen Schritte auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Johann ist die permanente Anwesenheit der stets bewaffneten und gut geschulten Personenschützer anderen Menschen gegenüber sehr unangenehm und er verstrickt sich aus diesem Grund immer häufiger in Lügen oder versucht, seine „Verfolger" abzuhängen. Doch andererseits beunruhigt ihn auch der Gedanke: (Zitat) „Wie übermächtig muss die Gefahr sein, wenn schon der Schutz so beklemmend war?“ Er führt ein Leben zwischen Angst, verbunden mit dem Wunsch nach Sicherheit und dem großen Bedürfnis nach Freiheit und Selstständigkeit.
Die meiste Zeit hat mich diese Geschichte sehr gefesselt, erst im letzten Drittel ließ mein Interesse etwas nach.
Einige Handlungen fand ich etwas unrealistisch,deshalb bin ich mir nicht sicher, ob der Autor zum Zweck der Unterhaltung noch fiktive Elemente hinzugefügt hat.

Fazit: „Unheimlich nah“ ist ein sehr berührender und selbstironischer Roman über das Erwachsenwerden unter extremen Umständen. Über den Wunsch eines Jugendlichen, einfach ein „normales“ Leben führen zu können.

Veröffentlicht am 12.01.2021

Schöne mystische Geschichte, leider auch mit Längen

Was der Fluss erzählt
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Inhalt: England, Ende des 19. Jahrhunderts. Es war die Nacht der Wintersonnenwende - die längste Nacht im Jahr, die Zeit in der Tag und Nacht verschwimmen und unerwartete Dinge geschehen können - als sich ...

Inhalt: England, Ende des 19. Jahrhunderts. Es war die Nacht der Wintersonnenwende - die längste Nacht im Jahr, die Zeit in der Tag und Nacht verschwimmen und unerwartete Dinge geschehen können - als sich die Tür des uralten Wirtshauses an der Themse öffnet und ein schwer verletzter Mann mit einem toten Kind auf dem Arm hineinstolpert. Schnell wird Rita, Hebamme und Krankenschwester, gerufen und kurze Zeit später lebt das Kind wieder. Ein Wunder? Zu wem gehört das Kind? Eine lange Spurensuche beginnt…

Meine Meinung: Die Geschichte hat mir von der Grundidee sehr gut gefallen, genauso wie die märchenhafte Erzählweise und die besondere Atmosphäre. Ich mag sehr gerne etwas mystische Geschichten, die einen Bezug auf alte Sagen und Legenden haben. Die Menschen in den Wirtshäusern erzählen gern alte Geschichte, so wie die von dem Fährmann Quietly, der die Menschen, die aus den verschiedensten Gründen im Fluss treiben, ans Ufer bringt. Entweder an die Seite der Toten oder an die der Lebenden. Mit dem Rätsel um das wiedererwachte Mädchen gibt es nun neuen Gesprächsstoff.
Es werden in diesem Buch die Geschichten von mehreren Menschen erzählt, die sich auf unterschiedlichste Art mit dem Kind verbunden fühlen und der Leser erfährt von Einzelschicksalen, die ans Herz gehen. Zu wem gehört das kleine Mädchen, das nicht spricht? Ist das Kind die entführte Tochter, die unbekannte Enkeltochter oder vielleicht die totgeglaubte Schwester? Warum fühlt die Kleine sich so sehr vom Fluss angezogen? Im Laufe der Geschichte wurde ich immer neugieriger und wollte unbedingt wissen, zu wem das Kind gehört. Erst gegen Ende des Buches laufen die Geschichten zusammen und alle Fragen werden restlos gelöst. Mit meinen Vermutungen lag ich völlig falsch.
Diane Setterfield hat alle Charaktere sehr sorgfältig ausgewählt. Sie sind alle interessant, vielschichtig und wirken authentisch. Besonders gut haben mir Rita und der Fotograf Daunt gefallen.

Fazit: Eine schöne mystische Geschichte mit einem tollen Schreibstil, die aber leider auch einige Längen hat, so dass mein Lesefluss häufiger ins Stocken geriet.

Veröffentlicht am 20.12.2020

Spannendes Katz- und Mausspiel

Die Rabentochter
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Inhalt: 15 Jahre lang verbrachte die junge Rachel freiwillig in einer psychiatrischen Klinik in dem Glauben als 11-jährige ihre Mutter getötet zu haben. In wiederkehrenden Träumen sieht Rachel sich mit ...

Inhalt: 15 Jahre lang verbrachte die junge Rachel freiwillig in einer psychiatrischen Klinik in dem Glauben als 11-jährige ihre Mutter getötet zu haben. In wiederkehrenden Träumen sieht Rachel sich mit einem Gewehr in der Hand vor ihrer toten Mutter stehen. An weitere Einzelheiten kann sie sich nicht erinnern. Als Rachel sich zu einem Interview bereit erklärt, erfährt sie durch einen Polizeibericht, dass sie unmöglich die Tat begangen haben kann. Kurzerhand entlässt sie sich selbst aus der Klinik, um endlich die ganze Wahrheit zu erfahren…

Meine Meinung: Karen Dionne erzählt auf zwei verschiedenen Zeitebenen. In der Gegenwart kehrt Rachel in das alte herrschaftliche Jagdhaus ihrer Familie zurück, in dem immer noch ihre Tante Charlotte und ihre Schwester Diana wohnen. Nach und nach kehren Rachels Erinnerungen an ihre Kindheit zurück. In geschickt eingeschobenen Rückblicken erfährt der Leser aus der Sicht von Rachels Mutter Jenny von den Problemen der Familie, dem Umzug in das Jagdhaus und den folgenden dramatischen Ereignissen. Die Atmosphäre des Buches ist durchweg düster und das Setting, das alte Jagdhaus mit dem riesigen Grundstück in der Moorlandschaft der Upper Peninsula, ist einfach perfekt für diese Geschichte gewählt. Das Thema fand ich sehr interessant, aber es ist auch böse und erschreckend und sicher nicht für jeden geeignet. Beim Lesen spürt man ganz deutlich die Liebe der Autorin zur Natur, die sie auf ihre Charaktere übertragen hat. Der detaillierte Schreibstil ließ mich einerseits alles bildlich vor Augen sehen, andererseits waren mir viele Beschreibungen zu ausschweifend und störten damit meinen Lesefluss. Ich konnte auch nicht alle Reaktionen von Jenny nachvollziehen. Sie hat die Gefahr schon früh erkannt und sie und Peter hätten schon viel früher handeln müssen. Auch wenn das Ende in etwa vorhersehbar ist, fand ich den Weg dorthin doch spannend.

Fazit: „Die Rabentochter“ ist ein gut konstruiertes und spannendes Katz- und Mausspiel mit kleinen Schwächen.