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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.04.2021

Von der Liebe zur Literatur

Die Buchhändlerin
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Inhalt: Frankfurt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Christa liebt Bücher über alles und möchte Literatur studieren. Doch als Frau ist sie an der Universität nicht gern gesehen und so muss sie bald wieder ...

Inhalt: Frankfurt, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Christa liebt Bücher über alles und möchte Literatur studieren. Doch als Frau ist sie an der Universität nicht gern gesehen und so muss sie bald wieder gehen. Deshalb arbeitet sie stattdessen in der Buchhandlung ihres Onkels, die sich nach und nach wieder mit Büchern füllt. Ihre Leidenschaft für Bücher bringt sie auf die Idee einen Literaturkreis zu gründen, in dem sie schnell Gleichgesinnte und Freunde findet. Doch das Schicksal legt ihr auf ihrem weiteren Weg immer wieder Steine in den Weg.

Meine Meinung: Das Buch schildert sehr lebendig die schwierige Situation nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Männer sind gefallen, andere werden noch vermisst. Kinder sind zu Waisen geworden. Es herrschen Hunger, Kälte, Krankheiten und Wohnungsnot, aber auch die Sehnsucht nach einem neuen Anfang. Auch das damalige Frauenbild wird sehr deutlich. Gegen den Willen ihrer Mutter, die der Meinung ist, Frauen sollten sich auf ein Leben als Ehefrau, Mutter und Hausfrau vorbereiten, kämpft Christa zielstrebig für ihren Traum, Literatur zu studieren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch der Weg dorthin ist sehr holprig und sie muss einige Opfer dafür bringen.
Die Literatur, vor allem die Lyrik, nimmt in diesem Roman viel Raum ein, doch oft wirkten diese Passagen auf mich zu konstruiert und emotionslos. Aber auch der Hunger der Deutschen nach Literatur wird deutlich und obwohl Bücher sehr teuer sind, werden sie gut verkauft. Hier hätte ich mir noch mehr Interaktion mit den Kunden der Buchhandlung gewünscht.
Das Buch lässt sich sehr flüssig und unterhaltsam lesen, es ist allerdings für die relativ geringe Seitenzahl (330 S.) recht vollgestopft mit den unterschiedlichsten - keinesfalls uninteressanten -Themen. Leider empfand ich das Buch dadurch als etwas zu oberflächlich.

Fazit: Ein unterhaltsamer und flüssig zu lesender Roman, der die Stimmung nach dem Zweiten Weltkrieg gut widerspiegelt.

Veröffentlicht am 22.03.2021

Atmosphärischer Nordsee-Krimi

Dunkler Grund
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Inhalt: Auf einer Segeljacht im Husumer Hafen wird die Leiche einer Frau gefunden. Die allseits beliebte Nantje führte zusammen mit ihrem Mann Sebastian ein gut besuchtes Fischrestaurant. Wer hätte einen ...

Inhalt: Auf einer Segeljacht im Husumer Hafen wird die Leiche einer Frau gefunden. Die allseits beliebte Nantje führte zusammen mit ihrem Mann Sebastian ein gut besuchtes Fischrestaurant. Wer hätte einen Grund sie zu töten? Kommissar Krumme hat sofort Nantjes arroganten Ehemann in Verdacht und lässt sich auch von seinen Kollegen nicht von seiner Meinung abbringen. Doch dann verschwindet Sebastian unter mysteriösen Umständen. Bei seinen Ermittlungen gerät Krumme schließlich selbst in Gefahr.

Meine Meinung: „Dunkler Grund“ ist bereits der 7. Fall für Kommissar Krumme. Ich lese die Nordsee-Krimis von Hendrik Berg wirklich sehr gerne. Der ältere Theo Krumme und seine junge Kollegin Pat sind sehr verschieden, doch inzwischen befreundet und ein tolles Team. Vor allem der etwas brummige und eigensinnige Theo Krumme, der vom hektischen Berlin-Neukölln ins idyllische Husum gezogen ist, ist mir sehr ans Herz gewachsen. Auch die meist humorvollen Passagen aus seinem Privatleben, z.B. mit seinem Hund Sonny, gefallen mir gut. Aber auch alle anderen Charaktere sind gut und glaubhaft beschrieben.
Der Schreibstil des Autors lässt sich so flüssig lesen, dass ich das Buch innerhalb von zwei Tagen durchgelesen hatte und die wunderschönen atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen erzeugten in mir eine Sehnsucht nach Nordfriesland, der Nordseeküste und den - auf jeden Fall in diesem Buch - etwas schrägen Bewohnern. Ich glaube, in jedem Teil der Reihe spielt friesischer „Spökenkram“ eine kleine Rolle. In „Dunkler Grund" geht es um die Legende der versunkenen Siedlung Runghold.
Der Fall selber und die Ermittlungen sind zunächst nicht besonders spektakulär, doch gegen Ende steigt die Spannung dann doch ziemlich an.
Insgesamt hätte ich mir etwas mehr Polizeiarbeit gewünscht und die Auflösung kam dann auch ziemlich übereilt.
Der Fall ist in sich abgeschlossen und völlig problemlos ohne Vorwissen zu lesen. Ich persönlich bin auch erst beim vierten Fall eingestiegen und habe die Vorgängerbände erst später gelesen, aber wegen der Weiterentwicklung der Protagonisten ist es natürlich vorteilhaft beim ersten Buch „Deichmörder“ zu beginnen.

Fazit: Ein Nordsee-Krimi mit tollen Charakteren und einer ganz besonderen Atmosphäre. Ich warte jetzt schon wieder ungeduldig auf das nächste Buch von Hendrik Berg.

Veröffentlicht am 16.03.2021

Der 1. Fall für August Emmerich

Der zweite Reiter
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„Der zweite Reiter“ ist der erste Fall für August Emmerich und Ferdinand Winter. Inzwischen gibt es schon vier Teile der Reihe.
Alex Beer beschreibt sehr anschaulich die entbehrungsreiche und elende Zeit ...

„Der zweite Reiter“ ist der erste Fall für August Emmerich und Ferdinand Winter. Inzwischen gibt es schon vier Teile der Reihe.
Alex Beer beschreibt sehr anschaulich die entbehrungsreiche und elende Zeit nach dem 1. Weltkrieg in Wien, was die gesamte Atmosphäre des Romans ziemlich düster macht. Trotzdem gelingt es der Autorin oft durch witzige Szenen, vor allem bei der Zusammenarbeit von Emmerich und Winter, die Stimmung aufzulockern. Der Kriminalfall bleibt bis zum Schluss undurchschaubar und es gibt eine unerwartete Wendung. Trotzdem fehlte mir hier insgesamt die Spannung.
August Emmerich ist 36 Jahre alt, im Waisenhaus aufgewachsen und durch den Krieg bereits etwas abgestumpft, was Tote und Verbrechen angeht. Eine schmerzende Kriegsverletzung und private Probleme machen ihm zusätzlich zu schaffen. Er ist ein Schlitzohr und geht nicht immer den legalen Weg. Sein neuer junger Assistent Winter ist für ihn zunächst nur für eine überflüssige Belastung.
Ferdinand Winter stammt aus einer völlig anderen sozialen Schicht, ist eher ängstlich und sehr korrekt. Aber er beweist Emmerich schon bald seine Intelligenz und vor allem Loyalität. Beide Charaktere haben mir sehr gut gefallen.
Das Buch lässt sich schnell und locker lesen, hat mich aber nicht hundertprozentig überzeugt.

Veröffentlicht am 02.03.2021

Fesselnder historischer Roman

Die Verlorenen
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Inhalt: London, Ende November 1747: Die erst 18-jährige Krabbenverkäuferin Bess Bright lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder in ärmlichsten Verhältnissen. Nach einer ungewollten Schwangerschaft ...

Inhalt: London, Ende November 1747: Die erst 18-jährige Krabbenverkäuferin Bess Bright lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder in ärmlichsten Verhältnissen. Nach einer ungewollten Schwangerschaft gibt sie noch am Tag der Geburt ihre kleine Tochter im Waisenhaus ab. So bald es ihre Lebensumstände zulassen, möchte sie das kleine Mädchen wieder zu sich nehmen. Doch als es nach sechs Jahren endlich so weit ist, erfährt sie, dass ihr Kind schon einen Tag nach seiner Ankunft wieder abgeholt wurde - von einer Frau, die sich als Bess ausgegeben hatte.
Verzweifelt macht sich Bess auf die Suche nach ihrer Tochter…

Meine Meinung: Der Roman hat sich in eine völlig andere Richtung entwickelt, als ich gedacht hätte, und das hat mir gut gefallen. Ich war ziemlich überrascht, als nach etwas mehr als hundert Seiten Teil 2 begann, die Erzählperspektive wechselte und die Geschichte aus der Sicht von Alexandra weitererzählt wurde. Stacy Halls schreibt sehr atmosphärisch, bildhaft und anschaulich über das Leben im 18. Jahrhundert in London. Auch die beiden Protagonistinnen, die aus völlig verschiedenen Gesellschaftsschichten kommen, beschreibt die Autorin sehr interessant und glaubwürdig. Während Bess hart arbeiten muss und trotzdem in bitterer Armut lebt, gehört Alexandra zur Oberschicht und wohnt in einem großen Haus mit Dienstboten. Auch wenn Bess mir sympathischer war, konnte ich in gewisse Weise auch mit Alexandra mitfühlen. Als die Geschichte dann eine neue Wendung nimmt, stellt man sich als Leser die Frage, ob die Entscheidung wirklich überdacht und richtig ist.
Das Ende fand ich zwar ziemlich konstruiert und unrealistisch, aber trotzdem hat es mir gut gefallen und mich zufriedengestellt, denn „Die Verlorenen" ist ein fiktiver Roman und keine wahre Geschichte.
Das Cover finde ich sehr passend. Es sind viele Details darauf zu sehen, die in der Geschichte vorkommen, was mir aber erst nach dem Lesen aufgefallen ist.

Fazit: Eine ungewöhnliche und fesselnde Geschichte, die ich gerne gelesen habe und die mich für kurze Zeit ins historische London versetzt hat.

Veröffentlicht am 10.02.2021

Ein Leben im goldenen Käfig

Unheimlich nah
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Inhalt: Nach der gut ausgegangenen Entführung seines Vaters Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996, ist das Leben für Johann nicht mehr so wie es einmal war. Die drei Familienmitglieder werden rund um die Uhr ...

Inhalt: Nach der gut ausgegangenen Entführung seines Vaters Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996, ist das Leben für Johann nicht mehr so wie es einmal war. Die drei Familienmitglieder werden rund um die Uhr bei jedem Schritt, den sie vor die Tür machen, von Personenschützern begleitet und überwacht. Besonders für den 14-jährigen Johann ist das eine große Belastung.

Meine Meinung: Ich habe bereits vor einiger Zeit das Buch „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Johann Scheerer gelesen, in dem er auf eindringliche Weise über die 33 Tage erzählt, als sein Vater sich in den Händen der Entführer befand und sein Zuhause zu einer polizeilichen Einsatzzentrale wurde. In „Unheimlich nah“ berichtet er nun von den darauf folgenden Jahren. Sehr ehrlich, selbstkritisch und oft auch humorvoll schreibt er über das beklemmende Gefühl und die schwierigen Situationen, die durch eine permanente Begleitung / Überwachung während der prägenden Jahre der Pubertät entstanden sind. Die Personenschützer, von Johann ironisch„Die Herren“ genannt, sind wirklich überall dabei. Im Urlaub, auf Klassenfahrt, bei Treffen mit Freunden und bei Dates. Nichts bleibt unbeobachtet und leider auch nicht immer unkommentiert und häufig kommt es für Johann zu peinliches Situationen. Kaum vorstellbar, was das mit einem jungen Menschen macht. Es ist die Zeit des Erwachsenwerdens, der Abnablung von den Eltern und der ersten eigenen Schritte auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Johann ist die permanente Anwesenheit der stets bewaffneten und gut geschulten Personenschützer anderen Menschen gegenüber sehr unangenehm und er verstrickt sich aus diesem Grund immer häufiger in Lügen oder versucht, seine „Verfolger" abzuhängen. Doch andererseits beunruhigt ihn auch der Gedanke: (Zitat) „Wie übermächtig muss die Gefahr sein, wenn schon der Schutz so beklemmend war?“ Er führt ein Leben zwischen Angst, verbunden mit dem Wunsch nach Sicherheit und dem großen Bedürfnis nach Freiheit und Selstständigkeit.
Die meiste Zeit hat mich diese Geschichte sehr gefesselt, erst im letzten Drittel ließ mein Interesse etwas nach.
Einige Handlungen fand ich etwas unrealistisch,deshalb bin ich mir nicht sicher, ob der Autor zum Zweck der Unterhaltung noch fiktive Elemente hinzugefügt hat.

Fazit: „Unheimlich nah“ ist ein sehr berührender und selbstironischer Roman über das Erwachsenwerden unter extremen Umständen. Über den Wunsch eines Jugendlichen, einfach ein „normales“ Leben führen zu können.