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Veröffentlicht am 03.02.2021

Ein leises, wortgewaltiges Meisterwerk

Winterbienen
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Zur Geschichte:

Es geht um Egidius Arimond, ein Schullehrer in den Jahren 1944/45. Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges in Kall; ein kleiner beschaulicher Ort irgendwo in der Eifel. Hier wohnt Egidius ...

Zur Geschichte:

Es geht um Egidius Arimond, ein Schullehrer in den Jahren 1944/45. Mitten in den Wirren des 2. Weltkrieges in Kall; ein kleiner beschaulicher Ort irgendwo in der Eifel. Hier wohnt Egidius und darf aufgrund seiner Epilepsie nicht mehr unterrichten. Mit seiner Krankheit taugt er nicht einmal für den Kriegsdienst, wie sein Bruder Alfons, der ein erfolgreicher Kampfpilot ist und so widmen er sich eben seinen Bienen, die er von seinem Vater nach dessen Tod übernommen hat. Egidius schmuggelt aber auch Flüchtlinge mit Hilfe seiner Bienenkästen über die Grenze und findet auch an den Frauen im Dorf gefallen, deren Ehemänner in den Krieg ziehen mussten. Ein gefährliches Unterfangen, da er sich eines Tages auch noch mit Charlotte, der Ehefrau des NSDAP-Kreisleiters einlässt.

Norbert Scheuer gelingt hier ein großartiger Roman, der mit ganz leisen Tönen auskommt und als Tagebuch geschrieben ist.

Ich habe die Lizenzausgabe der Büchergilde Gutenberg und der Einband ist aus feinem Leinen gearbeitet. Lesekultur pur. Der honigfarbene Schutzumschlag ist einfach aber ansprechend gestaltet.

Da der Roman als Tagebuch und dazu in der „Ich-Form“ geschrieben ist, habe ich schon nach wenigen Seiten das Gefühl, dass ich selbst der Verfasser bin. Einfühlsam, wortgewaltig und mit Liebe zum Detail beschreibt er den täglichen Ablauf unseres Protagonisten ohne jemals langweilig oder langatmig zu wirken.

So z.B.:

„Der Himmel ist grau wie Zement, die Wolken hängen tief, sodass man fürchtet, sich irgendwo weit entfernt am Horizont den Kopf zu stoßen“ (S. 26).

Großartig beschreibt Norbert Scheuer auch wie sich die krankheitsbedingten Anfälle seines Protagonisten ankündigen:

„Gestern hatte ich nach langer Zeit wieder einen epileptischen Anfall; er kündigte sich an wie ein Windhauch, als triebe ich an einem Sommertag auf einem Segelboot langsam aufs Meer hinaus“. (S. 39)

Er beschreibt die für Egidius immer schlechter und schwieriger werdende Situation im Dorf und den damit verbundenen Anfeindungen, parallel dazu das Leben seiner Bienen, so detailliert und kräftig, ja gefühlvoll und das Ganze völlig unaufgeregt und mit einer ganz leisen Stimme, dass es eine wahre Freude ist, es zu lesen. Wir tauchen tief ein in das Leben des Protagonisten und die damalige Situation zusammen mit den damit verbundenen Sorgen und Nöten der Menschen.

Mehr will ich über den Inhalt nicht verraten.

Die Danksagung am Ende ist meines Erachtens wichtig gelesen zu werden. Am Ende lässt mich das Buch nachdenklich, ja sogar ein wenig melancholisch, aber keineswegs traurig zurück. Ich wäre gern länger geblieben.

Eine ganz klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 17.01.2021

Spannend bis zum Schluss

Die Henkerstochter (Die Henkerstochter-Saga 1)
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Schongau, kurz nach dem 30 jährigen Krieg. Es ist eine finstere Zeit. Eine Zeit der Wegelagerer, Verbrecher, Hexen und Henker.

Auch Schongau hatte zu dieser Zeit einen Henker. Den Jakob Kuisl.

Das ...

Schongau, kurz nach dem 30 jährigen Krieg. Es ist eine finstere Zeit. Eine Zeit der Wegelagerer, Verbrecher, Hexen und Henker.

Auch Schongau hatte zu dieser Zeit einen Henker. Den Jakob Kuisl.

Das Gute am Buch: den Scharfrichter Jakob Kuisl hat es tatsächlich gegeben, und er stammt aus einer der wohl bekanntesten bayerischen Henkersdynastien.

Kurz zur Geschichte: In Schongau wird ein Bub ermordet aus dem Lech geborgen, trägt ein vermeintliches Hexenmahl und gleich ist es den Leuten in Schongau klar wer schuld hat: Die Hebamme Martha Stechlin. Sie soll den Bub verhext haben und also auf dem Scheiterhaufen brennen. Jakob Kuisl, seine Tochter Magdalena und Simon, der Sohn des Stadtmedicus‘ wollen dies verhindern und den wahren Grund für das Verbrechen herausfinden.

Es ist ein turbulenter und spannender Roman, der an historisch, belegbaren Schauplätzen spielt und auch geschichtlich wirklich gut recherchiert ist, zumal der Autor Oliver Pötzsch selbst aus der Familie der Kuisl‘s stammt.

Das Cover ist gelungen, und der Roman lässt sich ob des guten Schreibstils wirklich flüssig lesen. Ich mag den Schreibstil von Oliver Pötzsch, und das nicht nur in den Büchern rund um die Henkerstochter. Ich finde den Auftakt der Reihe um die Henkerstocher wirklich spannend, vor allem da die Spannung bis zum Schluss anhielt, sodass ich das Buch nicht weglegen wollte/konnte. Ich habe mitgefiebert bis zum Schluss, zumal auch wirklich erst ziemlich am Ende Licht ins Dunkel kommt.

Natürlich gleichen sich vielleicht viele historische Romane,die um diese Zeit spielen, denn es geht um Gut gegen Böse, Intrigen und Macht, aber vielleicht ist es mein Bezug zu Schongau und dem Autor, der mich quasi durch diesen Roman fliegen lässt und mich aufgeregt, zufrieden und wirklich gut unterhalten zurück lässt.

Ich habe selbst in Schongau gewohnt, kenne die Ecken und Gassen, welche im Roman beschrieben sind und ich hatte auch das große Glück einer Lesung mit dem Autor an den Schauplätzen vor Ort in Schongau beiwohnen zu dürfen. Es war einfach grandios.

Für mich eine absolute Leseempfehlung und ich werde definitiv auch die nachfolgenden Romane lesen.

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Veröffentlicht am 06.01.2021

Spannend mit überraschendem Ende

Hinter diesen Türen
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Danke an netgalley und den dtv Verlag, dass ich dieses Buch lesen durfte.

Das Cover ist sehr ansprechend und interessant gestaltet. Dadurch, dass ich direkt durch ein Schlüsselloch schaue, habe ich -zusammen ...

Danke an netgalley und den dtv Verlag, dass ich dieses Buch lesen durfte.

Das Cover ist sehr ansprechend und interessant gestaltet. Dadurch, dass ich direkt durch ein Schlüsselloch schaue, habe ich -zusammen mit dem Titel „hinter diesen Türen“- das Gefühl, direkt in die Geschichte gezogen zu werden. Für mich ist das Cover ein absoluter eyecatcher.

Ruth Ware hat einen, für mich sehr guten Erzähl-/Schreibstil, was ein flüssiges Lesen zur Folge hat. Die Geschichte ist wirklich spannend geschrieben. Was mir sehr gut gefällt ist der Umstand, dass ich das Buch aus Sicht der Protagonistin Rowan Caine lese, die offensichtlich im Gefängnis sitzt und einem Strafverteidiger einen Brief schreibt und darin versucht, ihm ihre Geschichte zu erzählen.

Rowan Caine bekommt eine Stelle als Kindermädchen in Schottland. Was zunächst sehr einladend und ob des zu erwartenden Gehalts phantastisch klingt, entpuppt sich alsbald als Rowans persönlicher Alptraum. Hier muss ich kurz dazu sagen, dass ich mich wirklich die ganze Zeit über die Hauptprotagonistin Rowan aufgeregt habe. Aufgrund ihres, teilweise dilettantischen Verhaltens im Haus, den Kindern und der „Teilzeithaushälterin“ Mrs. Mc Kenzie gegenüber, waren mir hier und da die Folgen ihres Verhaltens ziemlich klar und ich wäre am liebsten ins Buch gesprungen um sie zu schütteln und ihr mal so einiges zu erzählen. Aber das nur am Rande erwähnt.
Die Situation im Haus finde ich von Anfang an sehr bedrückend und irgendwie düster, obwohl es ein, auf die modernste Art und mit „High-Smarthome-Technik“, umgebautes altes schottisches Landhaus ist. Alles funktioniert „App-gesteuert“. Aber irgendwas schwebt die ganze Zeit unterschwellig dunkel über dem Haus, der Familie und der Geschichte. Ich empfand es sehr beklemmend.

Der Autorin gelingt es wirklich sehr gut die Spannung durch alle , recht angenehm kurzen, Kapitel aufrecht zu erhalten und ich will sofort wissen, wie es im nächsten Kapitel weitergeht. Für mich ein pageturner.

Rowan muss gleich nach Beginn in ihrem neuen Job, allein klar kommen, da ihre Arbeitgeber beruflich verreisen müssen. Und so steht sie da mit drei Kindern und zwei Hunden und ich werde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht stimmt; mit den Kindern, dem Haus und ihr selbst.
Seite um Seite komme ich meinem Verdacht etwas näher und da Rowan ihren Brief aus dem Gefängnis schreibt, scheint im Haus ja etwas passiert zu sein. Und das ist , so glaube ich das geniale an dieser Geschichte, denn ich beginne von Anfang an mit zu rätseln, was wann und wo passiert sein könnte und so entstand für mich eine absolute Sogwirkung; angefangen vom Buchcover bis zur letzten Seite. Und am Ende erwartet mich dann das Unerwartete und lässt mich überrascht zurück.

Ein spannendes Buch, das eine klare Leseempfehlung bekommt.

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Veröffentlicht am 15.12.2020

Absolut genial

QualityLand (QualityLand 1)
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Die Zeit schreibt: „eine Gesellschaftssatire zum Totlachen, für alle, die noch nicht tot sind“.

Willkommen in QualityLand. So beginnt nicht nur die Werbung, sondern auch das ein oder andere Kapitel im ...

Die Zeit schreibt: „eine Gesellschaftssatire zum Totlachen, für alle, die noch nicht tot sind“.

Willkommen in QualityLand. So beginnt nicht nur die Werbung, sondern auch das ein oder andere Kapitel im Buch. Und was soll ich sagen? Ich war begeistert und verärgert zugleich!

Begeistert vom HörBuch und enttäuscht ob der Tatsache, es nicht schon viel eher gelesen/gehört zu haben.

Nur kurz zum Inhalt:

Beschrieben wird unser Land in nicht all zu ferner Zukunft. Es heißt nicht mehr Deutschland sondern QualityLand, und ist gespickt mit Humor, Pointen und ist doch extrem gesellschaftskritisch. Einerseits beängstigend, andererseits belustigend. Nur bin ich mir nicht ganz sicher was überwiegt. Sicherlich siegt im Moment des Lesens der Humor. Aber dennoch schwebt unterschwellig das Damoklesschwert über einem, wenn man wirklich über die beschriebenen Szenen im Buch nachdenkt. Und das sollte man nicht nur, man muss es sogar.
In der Geschichte geht es um Peter Arbeitsloser. In QualityLand heißen die Menschen nicht mehr Meier, Müller oder Schulze, sondern die Nachnamen sind nach dem Beruf des Vaters (bei Männern) und dem Beruf der Mutter (bei Frauen) zum Zeitpunkt der Geburt gewählt. Geniale Kombi! So z.B. Julia Nonne 😂
Wir lernen auch dass es Drohnen mit Höhenangst gibt, einen eitlen Sexroboter oder ein Tablet namens „Pink“.
Es ist unterm Strich eine Satire, welche sich mit den Algorithmen, Cookies, der Digitalisierung, dem größten Onlinehandel genannt „the Shop“, oder aber auch mit den Gefahren der Digitalisierung beschäftigt. Und wir stellen sehr schnell die Parallelen zu unserem jetzigen Leben fest.
Erschreckend und faszinierend zugleich. Ich mag den Humor von Marc-Uwe Kling, ich liebe die irrwitzig abgefahrenen, extrem verschachtelten Dialoge und bin begeistert vom Spiegel, der mir hier seitenweise vorgehalten wird.
So kurzweilig und humorvoll, hintersinnig und ironisch ist das (Hör)Buch aus meiner Sicht ein absolutes „Muss“. Nur wirklich schade, dass ich es erst jetzt gehört habe. Absolute Lese- oder noch besser Hörempfehlung.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Ein leiser, bezaubernder Roman

Alte Sorten
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Ich hatte das Buch schon relativ lange auf meinem SUB liegen, und wie das manchmal so ist, gab ich anderen Büchern den Vorrang. Dies war, das muss ich hier nun zugeben, ein grober Fehler. Man sollte doch ...

Ich hatte das Buch schon relativ lange auf meinem SUB liegen, und wie das manchmal so ist, gab ich anderen Büchern den Vorrang. Dies war, das muss ich hier nun zugeben, ein grober Fehler. Man sollte doch seinem Bauchgefühl folgen, denn mich hat das Buch auf eine ganz wunderbare Reise mitgenommen.

Der Einband kommt ansprechend schlicht aber keineswegs langweilig daher. Es sind Birnen auf dem Cover und es geht schließlich auch um „alte Sorten“. Zunächst dachte ich mir, na ja, ein Buch mit nur 200 Seiten über „olle Birnen“? Weit gefehlt.

Ewald Arenz nimmt mich mit auf den Hof von Liss. Eine ältere, fast schon schrullige, etwas seltsam anmutende, aber eine wie ich finde, faszinierende Frau, die mir ob ihrer Schweigsamkeit sehr gut gefällt; arbeitet von Früh bis spät auf ihrem Hof, dem Kartoffelacker, im Weinberg und versorgt ihre Hühner.

Eines Tages wird die scheinbare Idylle gestört durch Sally, einer Teenagerin, die von Liss auf dem Heimweg aufgesammelt wird und Liss gewährt ihr Unterschlupf ohne zu fragen, woher sie kommt, wer sie ist oder warum sie jetzt da ist.

Liss fragt nicht viel, Sally sagt nicht viel und doch kommunizieren beide durch ihre Schweigsamkeit. Diese Art der Kommunikation fand ich großartig beschrieben. Mir gefällt die Ruhe zwischen den beiden obwohl ein Gefühlsgewitter heranzunahen scheint und Sallys Gedankengänge und Selbstgespräche, in denen sie versucht, sich ein Bild von Liss zu machen sind so einfühlsam, wie gewaltig zugleich beschrieben. Und ebenso macht Liss sich Gedanken über Sally. Aber beide sind nie aufdringlich und nötigen die andere nicht, ihre Fragen zu beantworten oder sich zu öffnen.

Sallys Gedankengänge sind zum Teil brachial und in einem derben Jargon, der aber nie störend wirkt oder anstößig. Sie ist ein Teenager, allein gelassen, unverstanden mit ihren Problemen, Sorgen und Nöten.

Im Verlauf der Geschichte verknüpfen sich die Geschichten der beiden Protagonistinnen wie Fäden immer weiter und es entsteht langsam eine Art Netz, eine Verknüpfung, die scheinbar unsichtbar beide aneinander bindet. Es gedeiht so etwas wie eine Freundschaft, die jedoch auf die Probe gestellt wird.

Viel mehr möchte ich über die Geschichte nicht schreiben, da ich nicht mehr verraten möchte.

Der Roman ist leise, mäandert durch die extrem fühlbare, spürbare Landschaft, den Kartoffelacker, den Weinberg, nie langweilig und doch so gewaltig groß, dass es eine wahre Freude ist ihn zu lesen.

Ein Buch über Vertrauen, Ängste, Freundschaft und das alles in einer Landschaft, welche so bezaubernd beschrieben ist, dass ich die Landschaft stets sehen, den Duft der Birnen riechen und den Wind auf meiner Haut fühlen konnte.

Ich bin begeistert von dem Buch und werde es sicherlich nicht zum letzten Mal gelesen haben. Eine ganz klare Leseempfehlung und mein Lese-Highlight in 2020.

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