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Veröffentlicht am 18.01.2021

Hercule Poirot reloaded – gut, aber Sophie Hannah ist nicht Agatha Christie

Die Monogramm-Morde
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Sophie Hannah hat 2014, fast 40 Jahre nach Hercule Poirots letzten Fall „Vorhang“ mit der Genehmigung von Agatha Christies Familie wieder einen Fall mit dem belgischen Detektiv veröffentlicht. Damit tritt ...

Sophie Hannah hat 2014, fast 40 Jahre nach Hercule Poirots letzten Fall „Vorhang“ mit der Genehmigung von Agatha Christies Familie wieder einen Fall mit dem belgischen Detektiv veröffentlicht. Damit tritt sie in sehr große Fußstapfen.
Der Roman ist im Jahr 1929 angesiedelt und man findet atmosphärisch viele von Agatha Christies geprägte Schauplätze in diesem Roman wieder: Kaffeehäuser, Hotels und ein typisches englisches Dorf. Hercule Poirot sitzt im Pleasent’s Coffee House, als plötzlich eine Frau hineinstürmt. Jemand wolle sie umbringen, aber sie habe es verdient. Der Täter dürfe nicht dafür bestraft werden. Ebenso schnell verschwindet die Frau wieder und bevor Poirot sich diese Begegnung erklären kann, wird er von dem jungen Scotland-Yard- Beamten Catchpool zu einem spektakulären Dreifachmord in das Hotel Bloxham gerufen. Schnell erkennt Poirot einen Zusammenhang zwischen den drei Morden und der seltsamen jungen Frau.
Der Roman ist gut aufgebaut, so dass eine eigentlich spannende Kriminalgeschichte entsteht. Leider hat dieser Roman einige Mängel, die nicht zuletzt daher rühren, dass man natürlich immer den Vergleich mit Agatha Christie bemüht. Die Kriminalhandlung ist von der Grundidee gut, jedoch ist der Plan des Täters unglaublich kompliziert und von sehr vielen Zufällen und psychologischen Momenten abhängig. Je weiter die Handlung geht, desto öfter hat man das Gefühl, dass sich bestimmte Elemente ständig wiederholen, und dass nach dem ersten Twist in der Handlung sofort ein zweiter und ein dritter folgen muss. So gerät auch dann die Auflösung des Falls sehr lang. Passend dazu versammelt Poirot nicht nur alle Verdächtigen, sondern gleich noch das gesamte Hotelpersonal dazu. Weniger wäre da mehr gewesen. Wo Agatha Christie mit wenigen Strichen ein Bild malt, benutzt Sophie Hannah eine ganze Farbpalette.
Leider ist auch die Charakterisierung Poirots nicht gut gelungen. In dem Roman hat er den jungen Scotland-Yard- Beamten Catchpool an seiner Seite. Dieser wirkt in seinen Handlungen so gehemmt und begriffsstutzig, dass man ihn sich als fähigen Inspektor nicht vorstellen kann. Zudem werden ihm seine Mängel von Hercule Poirot auch immer wieder schonungslos vor Augen geführt. Während bei Agatha Christie dieses Spiel zwischen Poirot und Colonel Hastings wunderbar funktioniert, da Poirot Hastings gegenüber bei aller geistigen Überlegenheit immer augenzwinkernd freundschaftliche Zuwendung zeigt und auch immer noch eigene Stärke zeigt, so wirkt das Verhältnis zwischen Poirot und Catchpool eher wie das eines immer wieder zurechtweisenden Lehrers zu seinem begriffsstutzigen Schüler. Poirot ist so vor allem eines- arrogant, von Herzlichkeit ist nicht viel zu spüren. Zudem sind Poirots Schlussfolgerungen zuweilen von einer solchen Spitzfindigkeit, dass sie zuweilen unglaubwürdig wirken. Wie groß ist denn der unterschied zwischen „den Mund öffnen“ und den Mund aufmachen“? Nicht sehr groß, denn Poirot muss diesen für ihn so offensichtlichen Unterschied auf vier Seiten erklären.
Insgesamt aber hat Sophie Hannah einen ordentlichen Kriminalroman geschrieben, der allerdings Längen aufweist, da die Handlung zu kompliziert ist und sich in zu vielen Einzelheiten verliert. Einige Personen sind sehr gut charakterisiert, aber gerade den von Agatha Christie durch über 30 Romane und zahllosen Kurzgeschichten vorgegebenen Charakter Poirots kann Hannah nicht wirklich wiedergeben. Nach diesem Roman bemerkt man vor allem, welche Stärken Agatha Christies Romane haben. Vielleicht sind die Mängel in den nachfolgenden Romanen verbessert worden.

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Veröffentlicht am 04.04.2020

Realitätsfern, nicht immer logisch - aber unterhaltsam

Unter der Erde
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Elias Haack, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, kehrt nach dreißig Jahren in das kleine Dorf zurück, in dem er seine ersten Lebensjahre verbracht hat, um zum Geburtstag seinen 90-jährigen Großvaters ...

Elias Haack, ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller, kehrt nach dreißig Jahren in das kleine Dorf zurück, in dem er seine ersten Lebensjahre verbracht hat, um zum Geburtstag seinen 90-jährigen Großvaters Wilhelm zu gehen. Das Dorf ist am Rande eines Tagebaus und wird demnächst vom Erdboden verschwinden. Die Handvoll Bewohner allerdings hält zusammen, man kümmert sich umeinander.

Das Wiedersehen mit seinem Großvater währt allerdings nur kurz, denn am nächsten Tag ist Wilhelm tot und Elias muss feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, aus dem Dorf wieder herauszukommen. Gezwungenermaßen macht Elias sich auf die Suche nach seiner Herkunft, die weit in die Vargangenheit reicht. Und die Bewohner des Dorfes kommen Elias immer seltsamer vor.


Stephan Ludwig, bekannt durch die "Zorn"-Bestseller Serie, versucht sich mit "Unter der Erde" an einem ganz eigenen Thema, dessen Idee ihm gekommen sei, als er in der Lausitz in der Nähe eines Tagebaus eine Autopanne hatte. Stephan Ludwig versteht es, Spannung aufzubauen und den Leser durch ein oftmals rasantes Erzähltempo und Cliffhanger bei der Stange zu halten, so dass man sich beim Lesen durchaus unterhalten fühlt. Leider krankt die Geschichte an vielen logischen Löchern und Brüchen, sowie maßloser Realitätsferne dort, wo sie versucht realistisch zu sein. Baut sich die Handung in den ersten beiden Kapiteln noch durchaus logisch auf, so wechselt der Stil nun ständig, das dritte Kapitel hat mich mehr an einen apokalyptischen Stephen King Roman erinnert, das vierte - und meiner Meinung nach beste Kapitel - erzählt Wilhelms Vorgeschichte . Hier bekommen einige Figuren auch durchaus Tiefe. Das letzte Kapitel - ein Endgame - schwankt dann zwischen dem genregerechten explodierenden Showdown und einer Groteske, die mich teilweise an Friedrich Dürrenmatt (z.B. "Die Panne") erinnert. Was Dürrenmatt allerdings konsequent und genregerecht umsetzt, wirkt bei Stephan Ludwig aufgesetzt und brachte mich eher zum Kopfschütteln als zum Schmunzeln. Auch der Epilog wirkt aufgesetzt und übertrieben.

Viele der Personen in dem Roman sind in ihren Handlungen nicht nachvollziehbar, bzw. machen plötzlich eine totale Charakteränderung durch. Auch sind die Handlungen und Ereignisse nicht immer logisch, so dass sich bei mir am Ende einige offene Fragen ergaben.

Hätte Stephan Ludwig etwas weniger dick aufgetragen, wäre dies durchaus ein guter Thriller geworden, denn sprachlich bietet der Roman viel Unterhaltsames. Bei der Handlung muss man allerdings viele Abstriche machen. Ist man dazu bereit, kann das Buch durchaus unterhalten.


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Veröffentlicht am 02.08.2023

Spannende Grundidee verschenkt

Zwei Fremde
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Inhalt:
Das einsame Hotel in den schottischen Highlands ist am letzten Tag der Saison fast eingeschneit. Es ist Remies letzter Arbeitstag und sie kann es kaum erwarten, am nächsten Tag in ihren Urlaub ...

Inhalt:
Das einsame Hotel in den schottischen Highlands ist am letzten Tag der Saison fast eingeschneit. Es ist Remies letzter Arbeitstag und sie kann es kaum erwarten, am nächsten Tag in ihren Urlaub zu fliegen. Nur noch zwei Gäste sind im Hotel, als nacheinander zwei Fremde auftauchen. jeder behauptet, Polizist zu sein, der Remie und die Gäste vor einem entflohenen Häftling schützen will. Doch wer von beiden lügt?
Das Buch besticht durch eine spannende Grundidee und eine ein cooles (wenn auch nicht ganz neues) Setting. Leider kommt die Geschichte nur langsam in Fahrt, nimmt dann etwas an Spannung auf, um diese im letzten Viertel leider wieder zu verlieren.
Der Schreibstil ist leicht zu lesen, doch bleiben die Personen insgesamt blass, lediglich Remie sticht etwas hervor. Leider konnte ich ihre Handlungen in dieser extremen Situation nicht nachvollziehen. Wirklich ängstlich oder gar panisch wirkt sie nie. Oft schweifen ihre Gedanken in Erinnerungen an ihren Bruder ab (die mehr wie ein Fremdkörper wirken). Zuweilen verliert sich der Autor auch in seltsamen oder unpassenden Formulierungen („Hinter mir hörte ich das Exoskelett des Wassers plappern“). Die Auflösung der Hauptfrage kommt dann recht plötzlich und auch viel zu früh. Danach tauchen auch leider viele Logiklöcher und unrealistische bzw. für mich nicht nachvollziehbare Handlungen auf.
Insgesamt ein nur mäßig spannender Thriller, der viel von seinem Potenzial verschenkt. Er kann aber durchaus als leichte Unterhaltung dienen (und James Bond-Filme sind ja auch nicht immer logisch und realistisch).

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Der Versuch, Begeisterung für Mathematik zu wecken

3,7
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„Schon als Kind habe ich mich für Mathematik begeistert und versucht, auch anderen diese Begeisterung zu vermitteln. Leider scheint dies nur wenigen Mathematik-Lehrern zu gelingen.
Dies möchte ich ändern. ...

„Schon als Kind habe ich mich für Mathematik begeistert und versucht, auch anderen diese Begeisterung zu vermitteln. Leider scheint dies nur wenigen Mathematik-Lehrern zu gelingen.
Dies möchte ich ändern. Denn Mathematik macht Spaß!“ (http://www.briefe-aus-einer-anderen-welt.de/impressum/ abgerufen am 09.03.2022)
Ich muss zugeben, dass ich mich mit einer Bewertung dieses Buches etwas schwer tue, da ich als Mathematiklehrer vielleicht einen anderen Blick habe als die Leser, für die dieses Buch geschrieben ist, nämlich für junge Menschen etwa ab der 4. Klasse, wie der Autor auf der oben genannten Homepage angibt.
Den Anspruch, den Raymond Hemmecke hat, nämlich Begeisterung für Mathematik zu vermitteln, zu zeigen, dass Mathematik Spaß macht, kann ich nur begrüßen. Er ist damit allerdings natürlich nicht der erste, der das versucht. Mein Eindruck nach der Lektüre des Buches war, dass er damit eher Erwachsene erreichen kann, die irgendwann nach ihrer Schulzeit sich noch einmal an ihre Mathematikstunden zurückerinnern wollen, entweder weil sie die Begeisterung ihrer Mathestunden wieder erleben wollen oder weil sie hoffen, hier einen Lehrenden zu finden, der ihnen die (in der Schulzeit vermisste) Begeisterung jetzt vermitteln kann. Da kann das Buch durchaus Erfolg haben.
In 20 Briefen schreibt 3,7 von der Welt Pirk einem Erdling Briefe. Versteckt in den Briefen sind einige schöne Hinweise, wie Mathematiker ticken und arbeiten, so zum Beispiel, dass Mathematiker (schreib)faul sind und deshalb so viele Abkürzungen verwenden. Oder dass man ein unbekanntes Problem auf ein bekanntes und kleineres Problem zurückführen kann.
Ein Kind von 10 Jahren wird dieses Buch aber, denke ich, nicht oder nur bedingt begeistern aus verschiedenen Gründen:
- Die Rahmenhandlung ist sehr simpel und wird auf Dauer monoton: Eine gewisse 3,7 (warum dieser Name?) schreibt einem Erdling Briefe, in denen mathematische Probleme gelöst werden. Am Anfang ist das noch interessant, weil auf dem fremden Planeten keine Zeit existiert und so das Problem der Unendlichkeit erklärt wird. Später ist es aber völlig unerheblich, woher 3,7 kommt.
- die Aufmachung des Buches ist nicht sehr ansprechend, ein großzügig gedruckter Text in lustiger Comic-Schrift mit ein paar mathematischen Formeln, keine Illustrationen (z.B. des Erdlings und der kleinen 3,7), die das ganze etwas auflockern würden.
- Das Briefe wirken immer unzusammenhängender und das Buch endet völlig abrupt. Es steht am Ende „Bis zum nächsten Brief“ und das war es. Die Lösung habe ich zufällig auf der obigen Homepage gefunden: Das Buch ist eine 20 Briefe umfassende Auswahl von insgesamt 36 Briefen (und zwar querbeet). Einen Hinweis darauf (und auf die Homepage) findet man im Buch nicht.
- Die behandelten Probleme sind nicht sehr neu und schon vielfach für Kinder erklärt worden. Auch wenn der Autor oft schöne und einleuchtende Erklärungen bietet, sind diese nicht immer ausführlich und altersgemäß (ab 10 Jahre!) dargeboten.

Alles in allem wirkt das Buch wenig professionell, mehr wie ein Liebhaberstück des Autors. Mehr Begeisterung für Mathematik erweckt bei mir eher „Der Zahlenteufel“ von Hans Magnus Enzensberger (von der Grundidee sehr ähnlich) oder der Mathematik-Krimi „Christian und die Zahlenkünstler“ des Gießeners Mathematik-Professors Albrecht Beutelspacher.

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Veröffentlicht am 31.08.2020

Zähe Jagd nach der eigenen Identität

Der Trakt
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Der Weg durch den nächtlichen Park, der Überfall – all das weiß sie noch, als sie aus dem Koma erwacht. Ihre Erinnerung ist völlig klar: Sie heißt Sibylle Aurich, ist 34 Jahre alt, lebt mit Mann und Kind ...

Der Weg durch den nächtlichen Park, der Überfall – all das weiß sie noch, als sie aus dem Koma erwacht. Ihre Erinnerung ist völlig klar: Sie heißt Sibylle Aurich, ist 34 Jahre alt, lebt mit Mann und Kind in Regensburg. Sie scheint fast unversehrt. Und doch beginnt mit ihrem Erwachen eine alptraumhafte Suche nach sich selbst. Zwar hat Sibylle ihr Gedächtnis behalten, die Welt aber hat offenbar die Erinnerung an Sibylle verloren: Ihr Mann kennt sie nicht, von ihrem eigenen Hochzeitsfoto starrt ihr das Gesicht einer Fremden entgegen, und niemand hat je von ihrem Sohn Lukas gehört! Wurde er entführt? Hat er nie existiert? Und wem kann sie überhaupt noch trauen?

Die Handlung in Arno Strobels Thriller "Der Trakt" beginnt vielversprechend: nach einer Flucht aus dem Keller einer Klinik, muss Sibylle Aurich erkennen, dass niemand weiß, wer sie ist. Aber stimmen ihre Erinnerungen nicht oder ist sie das Opfer einer Verschwörung. Und so läuft Sibylle Aurich durch Regensburg und München und weiß nie, wem sie trauen kann. Leider fehlt dieser Jagd die Spannung und der rote Faden. Vieles ist zufällig und wirkliche Spannung kommt nicht auf. Am schlimmsten ist es, dass mich auch Sibylles Schicksal nicht wirklich packen konnte, obwohl immer wieder ihre Verzweiflung durchscheint. Auch der Showdown und die Auflösung sind recht flach geraten.

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