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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Bier! Ein Bier! Ein Königreich für ein Bier!

Maria und das Ding mit dem Reinheitsgebot
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Die Erhellung ist nicht nur irgendein Bier. Es ist DAS Bier der Allgäuer Riederer und ohne ihm geht gar nichts. Da fällt es eher ungünstig aus, dass genau zu der Zeit, als der Landesvater Meerburger eine ...

Die Erhellung ist nicht nur irgendein Bier. Es ist DAS Bier der Allgäuer Riederer und ohne ihm geht gar nichts. Da fällt es eher ungünstig aus, dass genau zu der Zeit, als der Landesvater Meerburger eine Riesen-PR-Aktion mit den Riederern abziehen will, der Aloisius alles hinwirft. Denn er hat die Schnauze voll. Frau weg, Tochter weg, Sohn weg, Motivation weg. Und das Finanzamt auf dem Hals. Nun, die Allgäuer wären nicht die Allgäuer, wenn sie keinen Plan hätten. Die Landfrauen (welche sowieso die heimliche Regierung der Riederer bilden) fahren nach Hamburg und holen Maria, Aloisius' Tochter, zurück. Der geht es ein bisschen wie ihrem Vater. Sohn und Tochter aus dem Haus, Mann mehr oder weniger weg, keinen Plan, was zu tun ist. Doch kaum schnuppert sie Heimatluft, besinnt sie sich ihrer Stärken. Und die sind auch extrem notwendig, wenn sie nicht nur die Brauerei, sondern auch das Riesenfest für die Riederer retten will.

Herb spielt in diesem Buch bewusst mit all den Klischees, die man so von den Bayern oder auch den Nordlichtern aus Hamburg hat. Er überspitzt gern, doch natürlich ergeben sich genau daraus die Situationen, die dafür sorgen, dass es nicht langweilig wird und man meistens mit einem Grinsen beim Lesen dasitzt. Ab und zu stichelt er auch ein wenig in Richtung Machenschaften der Landesregierung (wem bei Meer + Burg im Namen des Landesvaters ein Licht aufgeht, bekommt Holzpunkte geschenkt) und dass er alles Tatkräftige in die Hände von Frauen legt, ist eine schöne Zukunftsvision, die vielleicht irgendwann einmal umgesetzt wird. Verkehrt wäre es sicherlich nicht. Dieser Roman ist kein Shakespeare, aber er macht zwei Sachen: Spaß und Durst.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Philosophie der Rechtssprechung

Verbrechen
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Ferdinand von Schirach, der Autor, schreibt über Verbrechen, und das tut er aus erster Hand. Er ist Berliner Strafverteidiger, erfolgreich als solcher, doch nicht nur in seinen Plädoyers beweist er Scharfsinn ...

Ferdinand von Schirach, der Autor, schreibt über Verbrechen, und das tut er aus erster Hand. Er ist Berliner Strafverteidiger, erfolgreich als solcher, doch nicht nur in seinen Plädoyers beweist er Scharfsinn und Redegewandheit. In diesem Buch stellt er elf seiner Fälle vor. Was diese Fälle so außergewöhnlich macht, sind nicht die Verbrechen an und für sich, denn sie sind so normal, wie es Verbrechen sind, die nicht von Sherlock Holmes gelöst werden, sondern aus dem normalen Leben stammen. Nein, was sie einzigartig macht, ist die seltsam nüchterne, geradezu lakonische Ausdrucksweise Schirachs, gleichzeitig ungeschnörkelt und doch von einer Eindringlichkeit, der man sich kaum entziehen möchte.

Er schreibt über einen alten Arzt, der nach Jahrzehnten seine Frau umbringt, und doch nicht ins Gefängnis muss, sondern mit drei Jahren offener Vollzug davonkommt. Anfangs ist man empört, als man die Geschichte hinter dem Mord erfährt, fast erleichtert.

Über drei Kleinkriminelle, welche die falsche Person ausrauben und völlig aus dem Häuschen sind, als rings um sie her plötzlich Menschen sterben. Dieses Mal kommt keiner in den Knast, obwohl der gesunde Menschenverstand sagt, jemand hätte es verdient.

Eine Schwester tötet ihren Bruder - am Ende ist die ganze Familie tot und niemand wandert hinter schwedische Gardinen. Man empfindet nur noch Mitleid.

Zuerst sterben Tiere, dann verschwindet ein Mädchen. Und ein Junge gibt allem eine Zahl und damit eine Bedeutung. Kein Knast, keine Heilung in Sicht.

So seltsam, wie die Auswahl meiner Beschreibungen hier klingen, so seltsam und wortkarg ist auch das Buch, aber es schadet ihm in keinster Weise. Vielleicht könnte man von Schirach vorwerfen, dass er fast nur reiche Menschen verteidigt oder Verbrechen, in denen es um viel Geld geht, aber ich kenne den Mann nicht, so will ich es ihm nicht unterstellen. Ich kann nur sagen, dass ich ... nun, kann man es Vergnügen nennen, wenn es um Mord oder Tod geht? Vielleicht nicht, aber immerhin lässt sich dieses Buch hervorragend lesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Keine Panik, die wollen nur spielen ...

Untot - Lauf, solange du noch kannst
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Bobby ist neu in der Klasse, eine Außenseiterin und wünscht sich nichts mehr, als dass dieser verdammte Schulausflug zu Ende ist. Zum Glück ist das der letzte Stop hier an der Raststätte, also bleibt sie ...

Bobby ist neu in der Klasse, eine Außenseiterin und wünscht sich nichts mehr, als dass dieser verdammte Schulausflug zu Ende ist. Zum Glück ist das der letzte Stop hier an der Raststätte, also bleibt sie im Bus sitzen und wartet einfach ab. Doch die anderen kommen nicht zurück, außer Alice, und die ist völlig panisch, hat sie doch gesehen, dass ihre Klassenkameraden erst starben und dann wieder auferstanden sind und hinter ihr her waren. Plötzlich sind Bobby, die Zicke Alice, der Klassenclown Smitty, der ungeahnte Führungsqualitäten beweist und der Obernerd Pete auf sich gestellt. Handys funktionieren nicht mehr, die meisten anderen Personen, denen sie begegnen, sind Leute, die nur noch in einer Art "Ngngngng-Brain" denken und sie fressen wollen und es ist tiefster Winter. Alles nicht gerade hilfreich beim Überleben einer Zombieapokalypse.

Eigentlich ist hier nicht viel Neues, mal davon abgesehen, dass die Moral beim Trinken von Gesundheitsdrinks lautet: Finger weg oder Zombie! Trotzdem ist es ein gelungenes Jugendbuch, das großen Spaß gemacht hat. Bobby und ihre Gefährten müssen weglaufen, stolpern über Gangster, kommen dem Geheimnis hinter dieser Zombieinvasion auf die Spur, finden ebenso heraus, dass sogar Bobbys Mutter irgendwie darin verwickelt ist und müssen sich zusammenraufen in dieser tödlichen Situation. Das ist nicht einfach, denn unterschiedlicher können diese Typen nicht sein - eigentlich wird jedes Klassenklischee bedient, aber das auf eine sehr amüsante und niemals langweilende Art und Weise.

Horror ist es natürlich weniger, sobald man das 12. Lebensjahr hinter sich gelassen hat, aber die Verbindung aus Jugend- und Zombiebuch funktioniert überraschend gut.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Gefangen, geschützt und rar - Männer!

Die geschützten Männer
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In einer äußerst nahen Zukunft (man darf nicht vergessen, dass der Roman in den 70igern geschrieben wurde und so manches "Zukünftige" schon ein bisschen altbacken wirkt), rafft ein geheimnisvoller Virus ...

In einer äußerst nahen Zukunft (man darf nicht vergessen, dass der Roman in den 70igern geschrieben wurde und so manches "Zukünftige" schon ein bisschen altbacken wirkt), rafft ein geheimnisvoller Virus namens Enzephalis 16 fast alle Männer dahin und von den Überlebenden sind die meisten zeugungsunfähig. Einer der Toten ist auch der Präsident der USA, also übernimmt diesen Job eine Frau, die eine Diktatur der Frauen errichtet.

Zu der rarsten Sorte Männer gehört Dr. Martinelli, der Ich-Erzähler. Er ist nicht nur einer der Überlebenden, darüber hinaus ist seine Zeugungskraft erhalten UND er ist befähigt genug, um an einem Mittel zu forschen, welches das Virus aufhalten soll. Deshalb bringt man (ich meine natürlich FRAU!) ihn in ein Lager, in dem er isoliert und bewacht wird. Das ist auch bitter notwendig, denn mittlerweile ist das Problem mit den nicht vorhandenen Männern so angewachsen, dass Männer auf offener Straße überfallen und zum Sex gezwungen werden. In dem Lager ist er gleichzeitig Gefangener wie auch Befehlshaber, denn aufgrund seines Wissens und seiner Fähigkeiten müssen die Milizionärinnen einerseits tun, was er anweist, andererseits besteht auch viel Hass zwischen ihm und einigen der bis vor kurzem unterdrückten Frauen. Als sich herausstellt, dass eigentlich kein Interesse mehr an dem Gegenmittel besteht, bekommt Martinelli Kontakt zu einer Gruppe von Aufständischen, und er muss sich entscheiden, ob er dafür sein Leben riskiert.

Ein interessantes Buch, auch wenn es schon ganz schön alt ist. Eine Art Dystopie, die ganz ohne Jugendliche oder Dreiecksgeschichten auskommt (ok, das sollte ich vielleicht so nicht sagen, immerhin ist hier manchmal ein Mann mit einem halben Dutzend Frauen zusammen), aber wenigstens ohne diese konstruierten Gefühlssachen. Einfach mal den Spieß umdrehen und Frauen all diese Ungerechtigkeiten ausleben zu lassen, die selbst heute noch in zivilisierten Ländern Gang und Gäbe sind, liest sich verdammt erschreckend - bis man sich fragt: Hm, ist das nicht eigentlich normal, allerdings andersrum? Mir hat der Schluss nicht sonderlich gefallen, da wäre mir mehr Mut und Konsequenz lieber gewesen, aber ansonsten ist das echt ein Buch, das zum Nachdenken anregt und auch klasse geschrieben ist.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Auf der Suche nach Selbstbestimmung

Jane Eyre
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Jane Eyre, die Titelheldin, hat ein ziemlich trostloses Leben. Sie lebt im Hause ihrer Tante, da sie Waise ist, und wird dort ziemlich schlecht behandelt. Irgendwann schiebt die extrem unfaire Tante sie ...

Jane Eyre, die Titelheldin, hat ein ziemlich trostloses Leben. Sie lebt im Hause ihrer Tante, da sie Waise ist, und wird dort ziemlich schlecht behandelt. Irgendwann schiebt die extrem unfaire Tante sie in ein Waisenheim ab, wo Jane es noch schlimmer trifft. Der noch unfairere Leiter der Einrichtung lässt kaum eine Möglichkeit vergehen, das Mädchen zu schikanieren. Das ändert sich erst, als er seines Postens enthoben wird, Jahre später, und Jane selbst eine Ausbildung als Lehrerin erhalten hat. Es ist Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen, so bewirbt sie sich als Hauslehrerin bei dem reichen Mr Rochester und wird angenommen.

Mr Rochester ist ein äußerst seltsamer Zeitgenosse. Ziemlich hässlich, dafür äußerst wohlhabend, was natürlich bei gewissen Frauen jegliche Hässlichkeit aufhebt, exzentrisch bis zur Seltsamkeit - und er verbirgt ein Geheimnis in seiner Dachkammer. Jane fühlt sich immer mehr von dem charismatischen Mann angezogen, was natürlich allein bei dem Standesunterschied ein Unding ist, doch das Unmögliche scheint zu passieren, er erwidert ihre Zuneigung. Bevor sie ihre Liebe besiegeln können, passiert ein furchtbares Unglück.

Mir ist klar, dass man diese Geschichte im Kontext betrachten sollte, und dass sie vor 150 Jahren absolut ein Novum und fortschrittlich war in dem Zusammenhang, dass eine junge Frau selbstbestimmt und unabhängig leben wollte. An und für sich finde ich das Buch für einen Klassiker auch gut geschrieben, allerdings hat mir die Geschichte zwischendurch zu große Längen, bei denen ich mich ernsthaft gelangweilt habe. Am schlimmsten war es, als sie bei ihrem entfernten Verwandten lebt, der sie nach ihrer Flucht von Rochester House aufgegabelt hat, und der sie sogar heiraten wollte. Diese Zeit empfand ich als zu langatmig beschrieben und von der Stärke der jungen Frau war fast nichts mehr zu spüren.

Ansonsten ist das Buch natürlich ein guter Einblick in diese Zeit, fast schon ein historisches Zeugnis, möchte man sagen. Es hält nichts von den Grausamkeiten der Ärmsten und Hilflosesten gegenüber zurück und dem Kampf einiger weniger Frauen, die sich nicht mit der ihnen von den Männern unter Berufung auf Gott und die Bibel zugewiesenen Rolle abfinden wollten.