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Veröffentlicht am 27.08.2021

"Du bist dieser hier"

Der zweite Jakob
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„Natürlich will niemand sechzig werden …" So beginnt Jakob Thurner, ein alternder Schauspieler, seine Geschichte. Eine Feier ist geplant, sogar eine Biografie - Jakob aber will all dem entgehen und plant ...

„Natürlich will niemand sechzig werden …" So beginnt Jakob Thurner, ein alternder Schauspieler, seine Geschichte. Eine Feier ist geplant, sogar eine Biografie - Jakob aber will all dem entgehen und plant einen Amerika-Urlaub mit seiner Tochter Luzie. Doch die unternimmt diese Reise anstatt mit ihrem Vater letzendlich mit ihrem Freund Mirko, den Jakob nicht leiden kann. Schuld daran ist Jakobs Geständnis ihr gegenüber, dass er vor vielen Jahren an einem Autounfall beteiligt war und Fahrerflucht beging. Luzie erfährt allerdings nicht die ganze Wahrheit darüber. In Zeitsprüngen erzählt Jacob dem Leser von diesem Unfall und den Geschehnissen, die ihm vorangingen bzw. folgten.
In anspruchsvollem Stil schreibt Gstrein über die Schuld, die Jacob gern getilgt hätte. Nach und nach kommen noch weitere Verstrickungen und Versäumnisse ans Licht. Nur von dem ersten Jakob, nach dem der Schauspieler genannt ist und für den er sorgen soll, erfährt der Leser nur das Nötigste; er bleibt im Hintergrund, so wie er sich tatsächlich oft im Keller versteckt. Was den zweiten Jakob umtreibt, ist vor allem die Frage nach dem "Wer bin ich“, auf die er zwar mehrere Antworten, aber keine endgültige findet: "War ich der? Oder war ich ein anderer?".
„Der zweite Jakob“ - ein komplexer Roman, den Norbert Gstrein hier vorlegt, jedoch ansrengend zu lesen und mit (für meinen Geschmack unnötigen) Längen!

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Veröffentlicht am 14.06.2021

Leichte Unterhaltung

Der erste letzte Tag
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Ein Fitzek-Roman - einmal ganz anders! Als Autor von Psychothrillern hat Sebastian Fitzek sich einen Namen gemacht. Auch in seinem neuen Buch „Der erste letzte Tag“ kommt die Psychologie nicht zu kurz. ...

Ein Fitzek-Roman - einmal ganz anders! Als Autor von Psychothrillern hat Sebastian Fitzek sich einen Namen gemacht. Auch in seinem neuen Buch „Der erste letzte Tag“ kommt die Psychologie nicht zu kurz. Denn im Verlauf einer Fahrt von München nach Hamburg gibt er tiefe Einblicke in das Seelenleben seiner Protagonisten. Was für den Lehrer Livius und die abgedrehte Journalistin Lea als Not-Fahrgemeinschaft beginnt, wird recht schnell zu einem Stresstest. Zunächst sieht Livius Leas Idee, diesen gemeinsamen Tag „on the road“ so zu gestalten, als sei es ihr letzter im Leben, als Spiel an. Doch Leas Konsequenz stellt ihn auf eine harte Probe …
Dass er einen Roman auch ganz ohne (psychische) Gewalttaten schreiben kann, beweist Fitzek hier auf lockere und sehr humorvolle Weise. Sein „Roadtrip“ hält so manche Überraschung bereit, aber auch tiefere Erkenntnisse, menschliche Zuwendung und Wärme. Mit viel Wortwitz führt er durch die rasante, teils kuriose Handlung und stellt uns die unterschiedlichsten Charaktere vor. "Der erste letzte Tag": Ein sommerleichter Roman, nicht tiefschürfend, aber sehr unterhaltend.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Verlust und Neuanfang

Unter Wasser Nacht
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Der Tod des eigenen Kindes ist eine furchtbare Tragödie. Wie gehen Eltern damit um, wie verarbeiten sie dieses Schicksal?
Der Unfalltod von Sophies und Thies´ Sohn Aaron liegt inzwischen mehr als ein Jahr ...

Der Tod des eigenen Kindes ist eine furchtbare Tragödie. Wie gehen Eltern damit um, wie verarbeiten sie dieses Schicksal?
Der Unfalltod von Sophies und Thies´ Sohn Aaron liegt inzwischen mehr als ein Jahr zurück, doch sie haben das Geschehen noch lange nicht verarbeitet. Neiderfüllt blickt Sophie auf die befreundete vierköpfige Nachbarsfamilie, in der das Leben perfekt abzulaufen scheint. Eines Tages erscheint eine Fremde aus Dänemark, Mara. Ihr Erscheinen bringt nicht nur Thies´ Gefühlswelt durcheinander, sondern weckt auch bei einigen Dorfbewohnern dunkle Erinnerungen.
Wechselweise schildert Hauff die Sichtweisen der Hauptakteure auf die Ereignisse und entrollt so nach und nach die Gedankenwelt der Protagonisten. Stück für Stück treten Geheimnisse zutage; der Leser erfährt einige Details über Maras Beweggründe und gleichzeitig mehr über die Ursache von Aarons Ertrinken. Das geschieht in einem ruhigen Rhythmus, keineswegs hektisch oder aufgeregt, und bleibt trotzdem spannend. Der Fokus des Romans liegt meines Erachtens auf den Problemen des Ehepaares Thies und Sophie. Ihre Schuldgefühle, ihre Suche nach dem Grund für das Ertrinken ihres Kindes, ihre Bemühungen, den Verlust gemeinsam zu verabeiten - das wird ganz intensiv nachempfunden. Allerdings hat mich etwas gestört, dass die Autorin Maras Geschichte als fast gleichwertig eingeflochten hat. Sie lenkt meiner Meinung nach sehr vom eigentlichen Thema ihres Romans ab: dem Thema von Verlust und Neuanfang.

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Konflikt zwischen Kuluren

Laudatio auf eine kaukasische Kuh
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Olga Evgenidis wünscht sich von ganzem Herzen einen kurzen, möglichst einsilbigen Nachnamen, und in ihrem Medizinerkollegen Felix Van Saan scheint sie ihn auch gefunden zu haben. Dabei ist dieser Wunsch ...

Olga Evgenidis wünscht sich von ganzem Herzen einen kurzen, möglichst einsilbigen Nachnamen, und in ihrem Medizinerkollegen Felix Van Saan scheint sie ihn auch gefunden zu haben. Dabei ist dieser Wunsch natürlich nur Ausdruck ihrer Sehnsucht, ihr „altes“ Leben hinter sich zu lassen. Als Tochter einer Einwandererfamilie aus Georgien arbeitet sie sich zielstrebig aus ärmlichen, beengten Verhältnissen empor; ihre Zukunft verläuft in vermeintlich geraden Bahnen, an der Seite des begüterten Felix. Doch dann kreuzt Jack Jennerwein ihren Weg …
Keine Frage, das Buch ist anschaulich und in einem angenehmen Stil geschrieben. Angelika Jodl flicht humorvolle Elemente ein, auch einige (wenige) historische Details zum Herkunftsland ihrer Protagonistin, Georgien. Dennoch bleibt der Roman für mich an der Oberfläche; viel mehr als eine Liebesgeschichte mit Hindernissen kann ich nicht erkennen. Die eigentlichen Probleme der doch sehr unterschiedlichen Kulturen in Georgien und Deutschland werden leider nur gestreift, ebenso wie Olgas Konflikte, für sich beide miteinander zu verbinden. Dabei hätte meiner Meinung nach hier das Potential deutlich mehr ausgeschöpft werden können und vermutlich zu einer wesentlich interessanteren, spannenderen Geschichte beitragen können.


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Veröffentlicht am 19.03.2021

Alternative Leben

Die Mitternachtsbibliothek
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Wie viele verschiedene Lebens-Möglichkeiten bietet ein Menschendasein? Kurze Antwort: unendlich viele, je nachdem, wie man sich an bestimmten Wendepunkten entscheidet.
Spannend und verständlich geschrieben ...

Wie viele verschiedene Lebens-Möglichkeiten bietet ein Menschendasein? Kurze Antwort: unendlich viele, je nachdem, wie man sich an bestimmten Wendepunkten entscheidet.
Spannend und verständlich geschrieben zeigt Matt Haigs Roman am Beispiel seiner Protagonistin Nora, wie eine einzelne Entscheidung den Verlauf ihres Lebens, aber auch das vieler anderer Menschen, beeinflussen kann.
Nora Seed empfindet ihren Alltag im englischen Bedford nur noch als frustrierend. Arbeits- und mittellos, fühlt sie sich als Versagerin; sie verfällt in Depressionen, niemandem scheint sie etwas zu bedeuten, im Gegenteil: sie glaubt, für das Unglück anderer noch verantwortlich zu sein. Da sie keinen Ausweg aus ihrer verzweifelten Situation sieht, will sie sterben. Doch das erweist sich als nicht so einfach, denn da gibt es eine geheimnisvolle Bibliothek und eine Bibliothekarin, die sie veranlasst, tiefer über sich selbst und verpasste Möglichkeiten nachzudenken, und ihr die Chance verschafft, Entscheidungen, die sie bereut, zu revidieren…
Die Idee der Paralleluniversen, die Matt Haig für seinen Roman gewählt hat, ist ein faszinierendes Thema. Allerdings wäre es eindrucksvoller, wenn er sich auf wenige Lebensentwürfe für Nora beschränkt und diese noch klarer dargestellt hätte. Natürlich will er zeigen, wie breit die Entscheidungsvielfalt für einen einzigen Menschen sein kann, doch je mehr Leben er schildert, desto verschwommener werden für mich die Bilder. Welche Botschaft der Autor dem Leser vermitteln will, wird diesem recht schnell klar: Sterben ist keine Lösung, jeder Mensch hat seine Fähigkeiten und die Möglichkeit, sein Schicksal selbst zu beeinflussen.
„Die Mitternachtsbibliothek" ist ein unterhaltsamer Roman, spannend und anregend, aber mir fehlt der „Funke“, der auf den Leser überspringen soll.


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