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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.04.2021

Geschicktes Verknüpfen von Fakten und Fiktion

Der Himmel über den Menschen
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Dieses Buch fordert die Leser ein wenig heraus. Wieso? Die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion verschwinden. Manchmal hat der Leser den Eindruck, ein Buch über SiFi zu lesen.

Thomas Imre versteht es, ...

Dieses Buch fordert die Leser ein wenig heraus. Wieso? Die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion verschwinden. Manchmal hat der Leser den Eindruck, ein Buch über SiFi zu lesen.

Thomas Imre versteht es, das Kopfkino seiner Leser anzuwerfen. Denn, wer hat sich noch nie die Frage gestellt, ob wir im Universum die Einzigen sind?

Seinen Protagonisten, den Astrophysiker Steven Thaillor beschäftigt diese Frage seit seiner Kindheit. Als er dann noch ein nicht identifiziertes Objekt, das auf die Erde zurast entdeckt, werden die Ängste der Menschheit konkret. Bedrohung oder nicht? Mit den neuen Technologien und KI, scheint er den Antworten auf diese Frage näherzukommen.

Meine Meinung:

Der Autor verknüpft geschickt naturwissenschaftliche Fakten mit philosophischen Ansätzen.

Das Buch lässt sich in drei Teile gliedern. Nach einem sehr wissenschaftlichen (Fach)Teil, in dem die Leser mit zahlreichen Fachtermini bekannt gemacht werden, kommt es zu einem Mittelteil, der recht spannend zu lesen ist. Hier dürfen die Leser an virtuellen Reisen teilhaben und erfahren einiges aus dem Weltall. Im dritten Teil verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion vollends. Da muss man schon ein wenig aufpassen, nicht abzudriften.

Der Autor lässt seine Leser darüber nachdenken, wie winzig wir doch in Wirklichkeit sind, auch wenn sich die Menschheit durch das Aufblähen noch so wichtig nimmt. Weiters gibt es auch einige Ansatzpunkte, das eigene Verhalten zu überdenken. Vielleicht jetzt zu handlen, und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.

Fazit:

Ein Buch, das zum Nachdenken anregt, aber auch ein paar Ansatzpunkte für das eigene Handeln liefern kann. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Burghard Breitner - eine widersprüchliche Person

Zwischen den Welten
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Siegfried Hetz ist vielen Lesern als Autor zahlreicher Reiseführer durch das Land Salzburg bekannt.

Diesmal hat er sich, nach Engelbert Dollfuss, wieder einer umstrittenen Persönlichkeit Österreichs ...

Siegfried Hetz ist vielen Lesern als Autor zahlreicher Reiseführer durch das Land Salzburg bekannt.

Diesmal hat er sich, nach Engelbert Dollfuss, wieder einer umstrittenen Persönlichkeit Österreichs angenommen: Dr. Burghard Breitner, seines Zeichens Mediziner, der von einem Teil der Bevölkerung als „Engel von Sibirien“ verehrt wurde und es dennoch, trotz jüdischer Herkunft, nicht geschafft hat, sich vom nationalsozialistischen Gedankengut zu befreien.

Wer ist er nun dieser Dr. Breitner?

1884 in Mattsee, dessen „Geschichte eine Geschichte von braunen Bonzen in herrschaftlichen Villen ist“ (© Siegfried Hetz/2016) geboren, studiert er Medizin und rückt begeistert 1913 in den Balkankrieg ein. Schon nach wenigen Tagen an der Front landet er „unverwundet“ in russischer Kriegsgefangenschaft. Dies ist nach seinen Ehrbegriffen eine Schande. In einem sibirischen Lager leistet medizinische Hilfe, soweit das mit den beschränkten Mitteln möglich ist. Erst 1920 wird er aus dem Kriegsgefangenenlager entlassen und kehrt in ein völlig anderes Österreich zurück.

Bereits 1932 tritt er der NSDAP bei, die er nach deren Verbot 1934 wieder verlässt. 1939 wird er wieder in die Partei eintreten. Dieser Ein- und Austritt sowie der Wiedereintritt wirft ein schräges Licht auf Breitner. Vor allem, wenn man weiß, dass niedrige Mitgliedsnummern während der NS-Zeit (und auch später) eine große Bedeutung haben. Wobei es verwunderlich ist, dass er wieder in die Partei aufgenommen worden ist. Um eine große Karriere zu machen, benötigt er den „großen Ariernachweis“, den er nicht beibringen kann. Ganz im Gegenteil, er sollte 1938 gemäß des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (1933)“ mit nur 54 Jahren in den Ruhestand geschickt werden. Durch Intervention wird er 1941 „deutschblütigen Personen“ gleichgestellt und sofort eingezogen. In diversen Lagern ist er an Menschenversuchen beteiligt.

Diese Beteiligung an NS-Verbrechen wird ihm 1946 (wie schon 1938) abermals den Lehrstuhl für Chirurgie an der Universität Innsbruck kosten. Er behauptet,

„Das nationalsozialistische Regime hat mich in seinen führenden Vertretern keineswegs als Gesinnungsgenossen gewertet. Ich war nur geduldet, von Vielem ausgeschlossen, in nichts gefördert.........In dem Bewusstsein, kein Parteimitglied zu sein und keins sein zu wollen, sah ich mich als unentwegter Österreicher, der die nationalsozialistischen Doktrinen schärfstens abgelehnt hat, nicht bemüssigt, auch nur in Nebensächlichkeiten meine Person politisch bemerkbar zu machen.“(S.131)

Die schriftlichen Beweise über seine Mitgliedschaft in der NSDAP wiegen schwer. Und dann geschieht das, was häufig passiert: Man sieht letztendlich darüber hinweg. So kommt es, dass Burghard Breitner 1951 als Kandidat des „Verbandes der Unabhängigen“ (VdU) als Gegenkandidat zu Theodor Körner (SPÖ) und Heinrich Gleißner (ÖVP) zur Wahl des Bundespräsidenten aufgestellt wurde.

1956 stirbt Burghard Breitner, der sich Zeit seines Lebens auch als Dichter verstanden hat.

Meine Meinung:

Der Text auf der Rückseite des Buches fasst die ambivalente Persönlichkeit des Burghard Breitners recht gut zusammen:

"Habe ich bestanden?" Die bange Frage stand brennend über seinem Leben und ist in seinen Grabstein gemeißelt. Deutschnational bis in die Knochen, jüdischer Abstammung, Nietzsche verfallen und von Otto Weiningers Geschlecht und Charakter aufgerüttelt – ständig bewegte sich Burghard Breitner zwischen den Welten. Dem Rot-Kreuz-Gedanken über 50 Jahre aufs Innigste verbunden, schaffte er es dennoch nicht, sich vom menschenverachtenden System des Nationalsozialismus ausreichend zu distanzieren.“

Autor Siegfried Hetz gelingt es, durch seine akribische Spurensuche ein plastisches Bild dieses Mannes zu zeichnen und die Widersprüche seiner Person heraus zu arbeiten.

Fazit:

Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, was vor allem an der kleinen Schrift liegt. Zahlreiche Fotos und Faksimiles ergänzen diese Biografie. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 10.04.2021

Meierhofer & Team ermitteln wieder

Teufelsblüten
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Das Buch hätte eigentlich zur Marillenblüte 2020 erscheinen sollen, aber Covid-19 hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin dann im Herbst auf den achten Fall des Johann Meierhofer gestoßen ...

Das Buch hätte eigentlich zur Marillenblüte 2020 erscheinen sollen, aber Covid-19 hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin dann im Herbst auf den achten Fall des Johann Meierhofer gestoßen und habe ihn pünktlich zur Marillenblüte 2021 gelesen.

Worum geht’s?

Mitten in einem Garten voller blühender Marillenbäume wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden, der neben einen Zweig des bekannten Wachauer Obstbaumes noch einen Zettel mit der kryptischen Botschaft „Teufelsblüten -> Teufelsfrüchte -> Teufelstod“ izwischen den Zähnen hat. Chefinspektor Meierhofer und sein Team, Stefano Staudinger und und Eva Brombspeidel, werden mit den Ermittlungen betraut.

Recht schnell entdecken die Polizisten, dass es sich bei dem Toten um Rudolf Maria Baumstingl handelt, dessen Bruder als Clément LeStyler ein bekannter Influencer ist. Meierhofer, ein knapper Sechziger, hat mit dem Gewese um die Social Media nichts am Hut und lässt sich von seinem Enkel Lukas ein wenig Nachhilfe geben, zumal die beiden quasi allein zu Hause sind, weil Lukas‘ Eltern mit kleiner Tochter und der Oma in Grado weilen.

Bei ihren Recherchen im Leben des Influencers kommen einige Ungereimtheiten zutage und so wundert es nicht wirklich, dass es eine zweite Leiche gibt: Nämlich die erfolgreiche Herz-Schmerz-Buchautorin, mit herrlichen Künstlernamen Jolanda Blütentraum, die zwar tolle Verkaufszahlen aufweisen kann, aber kaum jemand zugibt, deren Buch gelesen zu haben.

Wie hängen die beiden Morde zusammen? Denn, dass die Toten mehr als den einen Marillenblütenzweig gemeinsam haben, ist Chefinspektor Meierhofer und seinem Team klar.

Meine Meinung:

Mir gefällt diese Reihe um den Kremser Polizisten sehr gut. Hier wird im Team gearbeitet und obwohl Hans Meierhofer der Chef ist, kehrt er diesen nicht wirklich heraus. Es geht immer freundschaftlich zu, die Kulinarik der Wachau kommt nicht zu kurz und die Charaktere sind liebevoll gezeichnet. Meierhofers Skepsis den sozialen Medien gegenüber kann ich gut nachvollziehen. Hier ist nicht alles Gold, was glänzt, aber ohne Internet ist man schon ziemlich aufgeschmissen. Die Rolle, die Lukas als Berater für den Opa in Sachen Social Media spielt, ist total nett. Warum nicht einmal von den Jungen lernen? Opa Hans hat auch keine Scheu, seinen Enkel zu fragen.

Wir Leser dürfen durch die Obstgärten flanieren und das Lokalkolorit genießen. Mehrmals werden wir durch falsche Fährten in die Irre geführt. Der Täter ist mir eine Spur zu spät aus dem Hut gezaubert worden. Da muss ich diesmal leider einen Stern abziehen. Ich habe es lieber, wenn der Täter oder die Täterin schon vorab einmal vielleicht auch nur ganz kurz in Erscheinung getreten ist.

Der Schreibstil ist flott und flüssig. Über die wohlklingenden Namen wie Klemens Alois Baumstingl, der als Clément LeStyler im Internet Furore macht, oder Jolanda Blütentraum, die gut bürgerlich Josepha Huberpichler heißt, musste ich herzhaft lachen. i

Fazit:

Ein gelungener Wohlfühlkrimi, dessen Epilog eine Fortsetzung verspricht. Gerne gebe ich hier 4 Marillenknödel, äh, 4 Sterne.

Veröffentlicht am 03.04.2021

Eine gelungene Fortsetzung

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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Diese Fortsetzung der Geschichte rund um die Hebamme Hulda Gold ist ein gut gelungenes Abbild der frühen Zwanziger Jahre. Die Hyperinflation bringt auch ehemals Wohlhabende beinahe an den Bettelstab, doch ...

Diese Fortsetzung der Geschichte rund um die Hebamme Hulda Gold ist ein gut gelungenes Abbild der frühen Zwanziger Jahre. Die Hyperinflation bringt auch ehemals Wohlhabende beinahe an den Bettelstab, doch zu kaufen gibt es ohnehin nichts mehr. Der Kampf um ein Stück Brot, einen vergammelten Kohlkopf oder einen Schluck verwässerte Milch hält die Menschen auf Trab. Die Arbeitslosigkeit steigt rasant und viele Familien brechen auseinander.

Während Hulda ihrem Beruf nachgeht, ist Karl North mit einem abscheulichen Verbrechen konfrontiert: Man findet eine Wagenladung voll Kinderleichen. Es scheint, als ob ein Kinderhändlerring sein Unwesen treibt. Üblicherweise bespricht Karl verbotenerweise seine Fälle mit Hulda, die mit ihrem analytischen verstand häufig einen Lösungsansatz findet. Doch diesmal schweigt er, bis Hulda von einem verschwundenen Säugling erzählt, den sie wenige Tage vorher auf die Welt geholt hat. Das Baby ist eines der sogenannten „Scheunenkinder“, aus jenem Viertel von Berlin, in dem neben den Ärmsten der Armen auch zahlreiche jüdische Familien angesiedelt haben. In dieser Familie scheint einiges nicht zu stimmen, denn das Verhältnis zwischen der Wöchnerin und ihrer Schwiegermutter ist über die üblichen Ausmaße zerrüttet. Hulda beginnt zu recherchieren und wird Zeugin eines der zahlreichen antisemitischen Überfälle.

Meine Meinung:

Auch dieses Buch ist weniger Krimi als historischer Roman. Sehr gut gelungen ist die Darstellung der politischen Situation. Zuerst die Hyperinflation, dann die Einführung der Rentenmark, die den Deutschen ein wenig Hoffnung macht und gleichzeitig das Erstarken der antisemitischen Kräfte. Hitler sitzt zwar gerade in der Festung Landsberg ein, aber, wie die weitsichtige (und vermutlich schwule) Bert, feststellt, wird er dadurch zum Märtyrer hochstilisiert.

Erschreckend ist, wie viele Polizisten bereits dem rechten Lager angehören und die Polizei unterwandert haben. Ich gehe davon aus, das Norths Kollege Fabricius auch einer dieser Sorte ist.

Der interessant ist, wie Hulda stetig an ihre eigene jüdische Herkunft erinnert wird. Die Gestalt des Bert gefällt mir sehr gut, denn er ist so etwas wie der Rufer in der Wüste. Über ihn wüste ich gerne mehr.

Die Autorin hat penibel recherchiert und stellt die Situation im Berlin von 1923 authentisch dar.

Sowohl Hulda als auch die anderen Charaktere sind vielschichtig angelegt und schön ausgearbeitet.

Fazit:

Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 03.04.2021

12 "Familienrucksäcke" als Folge des 20. Juli 1944

Stauffenberg. Folgen
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Nach ihrem Buch „Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter“ hat die Autorin eine Fülle von Zuschriften erhalten. Wildfremde Menschen haben ihr die eigene Familiengeschichte erzählt. Viele davon ...

Nach ihrem Buch „Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter“ hat die Autorin eine Fülle von Zuschriften erhalten. Wildfremde Menschen haben ihr die eigene Familiengeschichte erzählt. Viele davon tragen die Ereignisse der Vergangenheit wie einen „Familienrucksack“ mit sich herum. Manche mit Stolz, manche spüren das Gewicht der Vergangenheit auf ihren Schultern, weil einiges ungesagt oder ungelöst ist. Andere wieder können ihre Vorfahren nicht mehr fragen, sondern schleppen Geheimnisse oder nicht Aufgearbeitetes nach wie vor mit sich herum.

Zwölf ausgewählte, höchst unterschiedliche Menschen bzw. Geschichten werden hier vorgestellt. Da ist zum einen jener Mann, der nun auch die andere Seite sieht, nämlich jene der Widerstandskämpfer und posthum der Gruppe um Stauffenberg Abbitte leistet.

Oder die Tochter von Heinrich Berger, eines jener vier Männer die bei der Bombenexplosion in der Wolfschanze, die Hitler töten sollte, ums Leben kam. Diese Geschichte ist besonders interessant, weil sich hier die Tochter des Attentatsopfers und die Enkelin des Attentäters gegenüberstehen.

Auch der Schwiegervater der Historikerin und Autorin findet Platz, denn alleine die lose Bekanntschaft mit der Familie Stauffenberg bringt jene von Christoph von Bechtolsheim in akute Gefahr. Was wohl in ihm vorgegangen ist, als sein Sohn ausgerechnet Sophie als Ehefrau auserkoren hat?

Fazit:

Ich hätte noch viel mehr solcher Lebensgeschichten lesen mögen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.