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Veröffentlicht am 16.05.2021

„Das Gedächtnis ist der Schreiber der Seele.“ (Aristoteles)

Villa Fortuna
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Die Mitsechzigerin Johanna Burger lebt mit fünf Hunden abgeschieden in einem alten Haus in den Bergen der italienischen Marken nahe Belmonte, als sie eines Tages unangemeldeten Besuch bekommt. Ein 44-jähriger ...

Die Mitsechzigerin Johanna Burger lebt mit fünf Hunden abgeschieden in einem alten Haus in den Bergen der italienischen Marken nahe Belmonte, als sie eines Tages unangemeldeten Besuch bekommt. Ein 44-jähriger Amerikaner namens Michael steht bei ihr vor der Tür und behauptet, Johanna wäre seine Mutter. Doch so leicht macht es Johanna ihrem ungebetenen Gast nicht, sie streitet alles ab. Trotzdem nimmt sie Michael in ihr Haus auf und während der sich schon bald handwerklich nützlich macht und zudem Gefallen an der Dorfschönheit Flavia findet, die den Lebensmittelladen führt, brechen bei Johanna Jahrzehnte zurückliegende Erinnerungen hervor, die sie schon viel zu lange verdrängt hat…
Antonia Riepp hat mit „Villa Fortuna“ wieder einen sehr unterhaltsamen, fesselnden Roman vorgelegt, bei dem sie den Leser nicht nur wieder in die italienischen Marken entführt, sondern ihm auch eine Geschichte präsentiert, in der sie Vergangenheit und Gegenwart wunderbar miteinander verwebt. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil weist dem Leser schnell den Platz als Johannas unsichtbarer Schatten zu, durch den er nicht nur Michaels Ankunft auf Johannas bergischem Domizil miterlebt, sondern mit ihr gedanklich immer wieder in die Vergangenheit der Jahre 1974-1976 und 2006 abtaucht. Während die Gegenwart die sich entwickelnde Beziehung zwischen Johanna und Michael wiederspiegelt, wird in der Vergangenheit das von Johanna Erlebte nach und nach offen gelegt. Dabei gewinnt auch das Schicksal der Italienerin Gabriella an Bedeutung, das unbewusst eng mit dem von Johanna verbunden ist. Die Autorin versteht es meisterlich, die landschaftliche Atmosphäre mit ihrer Geschichte zu verbinden und ihre Protagonisten einen Lebenslauf zu verpassen, der für so manche Frau der 70er Jahre steht. Vor allem die damaligen Erziehungsmethoden, die Scheinheiligkeit innerhalb der Familie sowie der gute Ruf nach außen werden hier thematisiert und bilden vor allem die Grundlage für das Handeln und Tun von Johanna. Mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl bringt Riepp Johannas Vergangenheit ans Tageslicht, lässt den Leser in deren Gedanken- und Gefühlswelt wie in einem offenen Buch lesen und überrascht doch mit einigen Wendungen, die die Geschichte nicht vorhersehbar machen und so die Spannung gut halten. Dabei wird der Leser durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt, während er sich fragt, wie er selbst in der einen oder anderen Situation wohl gehandelt hätte.
Ihre Charaktere hat die Autorin mit glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften lebendig bestückt, die dem Leser schnell ans Herz wachsen, so dass ihm Mitfühlen und –fiebern leicht fallen, während er sie auf ihrem Lebens-(Leidens-)weg begleitet. Johanna ist als Teenager naiv und voller Träume, doch landet sie buchstäblich hart auf dem Boden der Tatsachen, was ihr gesamtes späteres Leben prägt. In der Gegenwart wirkt Johanna freundlich, aber unterkühlt und manchmal hart, unterschwellig jedoch mit einer unbestimmten Sehnsucht und unterdrücktem Schmerz ausgestattet. Michael ist ein offener und ehrlicher Mann, der zwar schon lang weiß, dass er adoptiert wurde, doch jetzt erst feststellt, dass dies durchaus bis heute einen Einfluss auf sein Leben hat. Gabriella ist wie Johanna ein Opfer ihrer Zeit und trägt die Trauer immer bei sich. Frau Grundel ist eine harte und unbeugsame Frau, der es nur um ihr Auskommen geht. Durga ist ein Freigeist und Johanna eine gute Freundin. Aber auch Marion, Max oder Johannas Mutter spielen einige tragende Rollen in dieser Handlung.
„Villa Fortuna“ zieht den Leser mit wenigen Worten in die fesselnde Handlung hinein, wo ihn spannend verpackt Familiendrama, Geheimnisse, Intrigen und großes Gefühle erwarten. Ein wunderbares Kopfkino während der Lektüre ist garantiert. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner!

Veröffentlicht am 15.05.2021

„Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen.“ (Vincent Van Gogh)

Elbstürme
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1890. Nach drei Jahren im englischen Liverpool kommt Reederstochter Lily mit Ehemann Henry von Cappeln und Tochter Hanna zurück in ihre Heimatstadt Hamburg, weil es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut ...

1890. Nach drei Jahren im englischen Liverpool kommt Reederstochter Lily mit Ehemann Henry von Cappeln und Tochter Hanna zurück in ihre Heimatstadt Hamburg, weil es ihrem Vater gesundheitlich nicht gut geht. Ihre arrangierte Ehe ist eine Farce, denn Henry schreckt auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurück,. Noch immer trauert Lily ihrem geliebtem Jo hinterher, dem Vater von Hanna. Aber auch Jo Bolten hat Lilys Weggang nicht gut verkraftet, im Alkohol das Vergessen gesucht und für die Rechte der Hafenarbeiter gekämpft. Nun sinnt er auf Rache an Ludwig Oolkert, den er für sein ganzes Elend verantwortlich macht. Derweil legt der windige und geschäftstüchtige Oolkert wie ein Krake seine Hände auf die Karsten-Reederei. Doch Lily hat weder die Reederei noch Jo aufgegeben und fängt damit an, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht länger rumschubsen zu lassen, auch wenn die Gefahr besteht, dass Henry ihr Tochter Hanna wegnimmt…
Miriam Georg hat mit „Elbstürme“ genau den richtigen Titel für den Abschlussband ihrer historischen Familiensaga gefunden, denn diesmal geht es wirklich auf sämtlichen Schauplätzen stürmisch zu. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert antreten, um dort Lily und Jo wiederzutreffen und deren Schicksal mitzuverfolgen. Über wechselnde Perspektiven erlebt der Leser zum einen, wie Lily von ihrem Ehemann Henry gegängelt und unterschwellig immer wieder bedroht wird. Es gefällt ihm sie in einem goldenen Käfig zu halten, der Lily mehr und mehr die Luft zum Atmen nimmt. Aber auch die Rückkehr in den Hamburger Familienhaushalt ändert nichts an ihrer Situation, dort herrschen ebenfalls die alten konventionellen Vorstellungen, was sich für eine Frau schickt oder nicht. Zum anderen nimmt man Anteil an Jos Leben, der sich zwar aktiv für die Rechte der Arbeiter einsetzt, sich gleichzeitig jedoch auch an Oolkerts Opiumvorrat bedient, um seiner Familie ein halbwegs würdiges Leben zu ermöglichen. Neben dem engen Korsett von Lilys Leben lässt die Autorin die Armut und Verzweiflung der Bewohner des Gängeviertels sowie die Arbeitskämpfe und die Bemühungen der Frauenrechtlerinnen um Gleichberechtigung so lebendig wiederaufleben, so dass der Leser alles hautnah miterleben kann. Gleichzeitig hat sie ein Paket von Intrigen, Neid, Lügen und Geheimnissen geschnürt, die den Leser vor sich her und die Spannung immer weiter in die Höhe treiben, wobei das Ende eine Überraschung birgt, die so nicht zu erwarten war.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und lebendig in Szene gesetzt. Mit glaubwürdigen Ecken und Kanten können sie den Leser überzeugen, der regen Anteil an ihrem Schicksal nimmt und mit ihnen hofft, bangt und fiebert. Lily ist ein Kämpferherz, die einiges an Durchhaltevermögen und Geduld beweist, bis sie mutig und selbstbewusst ihre Frau steht. Henry ist ein widerlicher Kerl, der nur an sich denkt und es genießt, andere gewaltsam unter seiner Knute zu halten und damit sein eigenes Unvermögen zu kaschieren. Jo hat sich gehen lassen und seinen Frust im Alkohol ertränkt. Doch seine Leidenschaft für den Arbeitskampf und Gerechtigkeit sind ungebrochen. Lilys Bruder Franz ist genauso ein Scheusal wie Henry, der für ein Geheimnis seiner Frau das Leben zur Hölle macht. Aber auch Emma, Hanna, Charlie, Sylta und Mr. Huckabe tragen viel zum Unterhaltungswert der Handlung bei.
„Elbstürme“ fesselt mit einer spannenden und facettenreichen Familiengeschichte vor gut recherchiertem Hintergrund. Eine Zeitreise voller Abwechslung und Dramatik, dabei tiefgründig und vor allem sehr unterhaltsam. Absolute Leseempfehlung für ein Geschichte der Extraklasse! Einfach wunderbar!!!

Veröffentlicht am 14.05.2021

"Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will." (Henri Matisse)

Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
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Der 74-jährige Dominique Brulé besitzt den kleinen Blumenladen „L’Étoile Manquante“ mitten im Pariser Stadtteil Saint-Germain. Obwohl von der Schönheit der Pflanzen umgeben und von freundlicher Stammkundschaft ...

Der 74-jährige Dominique Brulé besitzt den kleinen Blumenladen „L’Étoile Manquante“ mitten im Pariser Stadtteil Saint-Germain. Obwohl von der Schönheit der Pflanzen umgeben und von freundlicher Stammkundschaft regelmäßig frequentiert, fühlt sich Dominique im Herzen einsam. Auch die beiden älteren spanischen Freundinnen Doña Mercedes und Doña Tilde, die sich ebenfalls allein fühlen, können diese Einsamkeit durch ihre täglichen Besuche nicht lindern. Um diesen Zustand zu ändern, stellt Dominique die 23-jährige Spanierin Violeta Gadea als Verkäuferin ein. Schon bald bringt Violeta nicht nur frischen Wind in den Blumenladen, sondern vor allem in das Leben von allen anderen…
Maxim Huerta hat mit „Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta“ einen warmherzigen und poetischen Roman vorgelegt, der den Leser mit wenigen Worten in eine warme Decke hüllt, ihn in die Stadt der Liebe entführt und mitten in eine einsame Zweckgemeinschaft platziert, um dort die Ereignisse hautnah mitzuerleben. Mit flüssigem, gefühlvollem und empathischen Erzählstil schafft der Autor eine zauberhafte Atmosphäre, die den Leser vom ersten Moment an einfängt und ihn bis zum Ende nicht mehr loslässt. Schon der kleine Blumenladen vermittelt durch die Beschreibungen eine Oase der Ruhe, aber auch der Einsamkeit. Hier beim alten Dominique geben sich die Stammgäste die Klinke in die Hand, halten ein Schwätzchen, öffnen sich ein wenig beim Gespräch und nehmen ein wenig der heimeligen Atmosphäre und den liebevollen Gesten mit in ihren restlichen Tag. Durch die Sichtweise von Dominique erlebt der Leser, wie dieser selbst noch immer um seine seit Jahren verstorbene Frau Julie trauert, aber auch die älteren spanischen Damen Mercedes und Tilde, die seit über 40 Jahren in Paris leben, haben insgeheim ihre Päckchen zu tragen. Mit Violeta kommt die Jugend zurück in die Herzen der Alten, sie bringt nicht nur Energie in den Laden. Tiefgründig und mit vielen Lebensweisheiten lässt Huerta den Leser in die Seelen seiner Protagonisten blicken, lässt ihn ihre Einsamkeit, ihre Ängste, Geheimnisse und kleinen Hoffnungen erkennen, aber auch die Bande der Freundschaft, die sie miteinander teilen. Sorgsam verwebt Huerta die Leben seiner Protagonisten miteinander, zeigt die Veränderungen von ihnen auf, die mit dem Auftauchen Violetas langsam in ihrem Leben stattfinden.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, wirken wie aus dem realen Leben gegriffen und können den Leser sofort von sich überzeugen, der sich nur zu gern unter sie mischt und ihren Geschichten lauscht, während erst eine gewisse Melancholie in der Luft liegt, die nach und nach der Hoffnung Platz macht. Dominique ist ein liebevoller, charmanter älterer Herr, der neben Vergesslichkeit vor allem unter dem Tod seiner Frau leidet. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Menschen mit seinen Blumen etwas Glück mit auf den Weg zu geben. Wie er mit den Pflanzen umgeht, ist einfach herzerwärmend. Mercedes ist aufgrund der Erfahrungen mit ihrem Ehemann eine verbitterte Frau, die mit dem Leben hadert, Tilde dagegen wirkt eher resolut und etwas schroff. Beide eint die Einsamkeit, die ihren Alltag grau einfärbt, der nur im Blumenladen etwas Farbe bekommt. Violeta ist wie eine frische Brise: offen, freundlich, sie strahlt Optimismus aus und verteilt diesen großzügig auch auf andere.
„Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta“ verzaubert und öffnet Herzen. Ein Buch voller Poesie und Lebensweisheit, das man noch lange im Gedächtnis behalten wird. Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 09.05.2021

Puro gozo e joie de vivre (Genuss und Lebensfreude pur)

Algarve
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Als Fans der südlichen Länder gehört auch Portugal mit seiner an der Atlantikküste gelegenen Algarve zu unseren Lieblingszielen in Europa, dessen Bewohner, Kultur, Landschaft und Kulinarik wir besonders ...

Als Fans der südlichen Länder gehört auch Portugal mit seiner an der Atlantikküste gelegenen Algarve zu unseren Lieblingszielen in Europa, dessen Bewohner, Kultur, Landschaft und Kulinarik wir besonders zu schätzen gelernt haben. Daher haben wir die Veröffentlichung des Kochbuches „Algarve“ von Rita Hess, erschienen im Knesebeck Verlag, auch sehnlichst erwartet, denn wenn schon momentan kein Urlaub möglich ist, so holen wir uns diesen an die heimische Tafel. Als Hobbyköche hatten wir inzwischen Gelegenheit, die Rezepte dieses Buches ausgiebig zu testen sowie die von der Autorin dazu liebevoll zusammengestellten persönlichen Texte zu goutieren.
Schon die exklusive Gestaltung dieses schwergewichtigen Buches ist ein echter Hingucker, das hellgemusterte Cover ist ein Augenschmeichler, der die Sehnsucht nach Süden weckt, aber auch unter dem Einband versteckt sich ein farbenfrohes Design, das einem Regenbogen gleicht. Sobald man das Buch aufschlägt, überkommt einen das Urlaubsfeeling: großformatige, farbenprächtige Fotos von Menschen, Pflanzen, Meer und Landschaft springen einem regelrecht entgegen und vermitteln Lebensfreude pur, spiegeln aber auch ihren Alltag wieder. Nach der Einleitung über das Meeresrauschen, maurisches Erbe und die Schätze der See und der traditionellen Küche schließen sich die Kapitel „água“ (Wasser), „terra“ (Erde), „alma“ (Seele), „saber“ (Wissen) und „sabor“ (Geschmack, hier mit Frische übersetzt) an. Während die ersten über den Rhythmus des Meeren, Austernfischerei, Surfen, Ziegenkäse, - würste und –fleisch, die handwerkliche Herstellung von Lebensmitteln, Feigen, Korkeichen sowie allerlei Lebensweisheiten und das Leben im Einklang mit der Natur einiges Wissens- und Lesenswertes zu bieten haben, geht es vor allem bei „Sabor“ um die Küchenseele der Algarve.
Hier darf man der renommierten Köchin Noélia Jéronimo über die Schulter schauen und nach ihrem Rezept Clementinen mit marinierten Küstengarnelen, Gebeizte Makrele, Ceviche von der Dorade, Thunfischbauch mit Granatapfel, Thunfischtatar mit Feigen, Gemüseschmortopf, Mandelsuppe mit Feigen und Sardellen und Mandelpudding mit Orange genießen. Bei Nélia Nunes erwartet einen dann die traditionelle Bergküche in Form von geschmortem Wildschwein oder gebratener Schweinekeule mit Kartöffelchen, während man bei José Pinheiro Brotsuppe mit Gabeldorsch oder Feigen-Nougat-Eiscreme mit Medronho verkostet. Die Algarvios-Freunde kredenzen die Petiscos, in den gebratenen Auberginen mit würziger Tomatensauce möchte man am liebsten baden, so köstlich gehen diese über die Zunge. Auch ein Dessert geht immer, da ist der Honigpudding oder der Mimoso-Kuchen die beste Wahl.
Die Rezepte sind genau aufgelistet und mit Zeitangaben beschrieben, so dass auch Laien mit einem Gericht der Algarve punkten können.
„Algarve“ von Rita Hess bringt nicht nur den portugiesischen Sommer und die Lebensfreude in die heimische Küche, sondern auch auf den Teller, um sich von dort ganz schnell ins Herz des Genießers zu schleichen, während er verzückt die bunten Fotos betrachtet und glaubt, er wäre tatsächlich im Urlaub! Absolute Empfehlung für alle, die sich nach südlichen Gaumenfreuden sehnen und eine Auszeit bitter nötig haben: Ab an die Algarve!

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Veröffentlicht am 09.05.2021

"Es ist nicht alles Gold, was glänzt." (Friedrich Hebbel)

Das Kaffeehaus - Falscher Glanz
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Nachdem ihre Freundin Mary Vetsera durch die Hand von Kronprinz Rudolf gestorben ist, dessen Geliebte sie war, soll Sophie von Werdenfels zum Schweigen gebracht werden. Ihr bleibt leider nichts anderes ...

Nachdem ihre Freundin Mary Vetsera durch die Hand von Kronprinz Rudolf gestorben ist, dessen Geliebte sie war, soll Sophie von Werdenfels zum Schweigen gebracht werden. Ihr bleibt leider nichts anderes übrig, als dem Ruf des Kaiserlichen Hofes zu folgen und eine Anstellung als Hofdame von Kaiserin Elisbeth „Sisi“ anzunehmen. Ihre Arbeit im Kaffeehaus ihres Onkels Stefan Danzer muss sie schweren Herzens aufgeben. Das Leben bei Hofe ist für Sophie kein Vergnügen, denn dort ist sie Intrigen und Missgunst ausgesetzt, vor allem Gräfin Marie Festetics macht ihr das Leben zur Hölle. Das Verhältnis zu Elisabeth jedoch verändert sich und lässt Sophie oftmals zu ihrer Vertrauten werden. In all der Zeit bei Hofe sieht Sophie ihre große Liebe Richard von Löwenstein nur sehr selten, denn dieser ist als Regimentsermittler ständig auf Reisen, um Missstände ans Tageslicht zu bringen. Gleichzeitig kommt seine Reiserei einer Flucht gleich, denn er will seine Verlobte Amalie von Thurnau um keinen Preis heiraten. Auch Sophie gerät in das Visier eines älteren ungarischen Adligen, der ihr den Hof macht und alsbald um ihre Hand anhält. Die traurige Nachricht über die schwere Erkrankung ihres Onkels Stefan treibt Sophie vom Hof zurück ins Kaffeehaus…
Marie Lacrosse hat mit „Das Kaffeehaus-Falscher Glanz“ den zweiten Band ihrer Kaffeehaus-Trilogie vorgelegt, der an akribisch recherchiertem historischem Hintergrundwissen sowie die Verflechtung von wahren Begebenheiten mit fiktiver Handlung dem ersten Teil in Nichts nachsteht. Die Autorin ist eine Meisterin, was unterhaltsame und gleichzeitig lehrreiche Lektüre angeht. Sie kombiniert dies mit einem flüssigen, farbenprächtigen und gefühlvollen Erzählstil, der den Leser sofort für sich gewinnt und in die Vergangenheit katapultiert. Über wechselnde Perspektiven und einer Zeitspanne von 1889 bis 1891 darf der Leser Sophie an den kaiserlichen Hof folgen, um dort die Welt des Adels und der Politik zu erleben und die Konfrontation mit eifersüchtigen und intriganten Hofbewohner zu ertragen. Auch in Begleitung von Richard von Löwenherz erlebt man allerlei mit, besucht die unterschiedlichsten Armeeabteilungen und deckt dortige Missstände auf, aber vor allem folgt man Richards Gefühls- und Gedankenwelt. Nebenbei informiert die Autorin den Leser über die damaligen gesellschaftlichen Zustände in der österreichischen Monarchie, wo Arbeitskutscher streiken, das Volk große Armut leidet, während andere sich die Taschen füllen, während die Trauer um den Tod des Kronprinzen das Leben bei Hofe für Lähmungserscheinungen sorgt und vor allem Elisabeths Gemüt zu schaffen macht. Alles verpackt die Autorin so fesselnd, dass der Leser durch eine Gefühlsachterbahn rauscht, während er durch die Seiten fliegt.
Die Charaktere haben eine Weiterentwicklung durchgemacht und sind liebevoll und glaubwürdig in Szene gesetzt. Der Leser hat sie bereits in Herz geschlossen und verfolgt voller Neugier die Ereignisse, während er mitfiebert, hofft und bangt. Sophie ist eine freundliche und ehrliche Frau, immer hilfsbereit und fürsorglich. Sie ist zurückhaltend, denn sie weiß nicht, wem sie wirklich bei Hofe trauen kann. Richards Wankelmut kostet ihn diesmal einige Sympathiepunkte, denn die Art und Weise, wie er mit Sophie und Amalie umgeht, zeugt nicht gerade von Entschlussfreudigkeit. Graf Lajosz Szaley ist ein widerlicher alter Bock, der Sophie in große Gefahr bringen könnte. Grafin Marie von Festetics intrigiert gegen Sophie, da sie ihre eigenen Felle schwimmen sieht. Sisi trauert um ihren Sohn, ist depressiv und launisch, wenn nicht sogar extrem zerrissen. Aber auch Sophies Familie sowie die von Mary Vetsera spielen eine Rolle in dieser wundervollen Geschichte.
Der Titel „Falscher Glanz“ beschreibt die Handlung um Sophie und Richard auf den Punkt genau. Der Roman besticht mit hautnah miterlebbarer Geschichte und einer spannenden Geschichte, die von Anfang bis Ende fesselt. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Extraklasse!!!

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