Toller Roman
„Gute Nachbarn“ finden sich in vielen Orten, so auch in Oak Knoll, einem kleinen Städtchen in North Carolina. Leider passen aber nicht immer alle Nachbarschaftskonstellationen zusammen. Valerie Alston-Holt, ...
„Gute Nachbarn“ finden sich in vielen Orten, so auch in Oak Knoll, einem kleinen Städtchen in North Carolina. Leider passen aber nicht immer alle Nachbarschaftskonstellationen zusammen. Valerie Alston-Holt, eine verwitwete afroamerikanische Ökologie-Professorin, und ihr Sohn Xavier, der bald aufs College gehen wird, wohnen schon sehr lang in ihrem schönen Haus mit großem Garten mitten im Ortskern von Oak Knoll. Der Blickfang des Grundstücks ist eine wundervolle alte Eiche, die der ganze Stolz von Valerie ist. Dieser Baum wird jedoch zur Ursache einer Verkettung unglücklicher Ereignisse als die neuen Nachbarn, Familie Whitman, neben Valerie einziehen. Brad Whitman, das Familienoberhaupt, ist ein Unternehmer, der es geschafft hat, nicht nur finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch lokale Berühmtheit zu erlangen. Er und seine Frau sowie die beiden Töchter sind weiß, was in Amerika – wie ihr wisst – oft von Vorteil ist und im Buch auch eine bedeutsame Rolle spielen wird. Im Klappentext heißt es: „Manchmal braucht es nur noch eine sterbende Eiche und eine Teenager-Liebe, um eine hübsche Nachbarschaft von einer Katastrophe erschüttern zu lassen.“ Und genau das passiert hier – in Oak Knoll – in diesem Roman.
„Gute Nachbarn“ ist überwiegend ein sehr ruhiges Buch, das auf mich aber sofort einen unheimlich starken Sog ausgeübt hat. Therese Anne Fowler seziert hier Stück für Stück ihre Charaktere und gleichzeitig auch die amerikanische Gesellschaft. Vorurteile, Rassismus, Sexismus, Nachhaltigkeit… dieser Roman steckt voller großer Themen, die uns immer noch und immer wieder vor Herausforderungen stellen und nachdenklich stimmen. Obwohl sich die Autorin dabei auch an Klischees bedient, empfand ich dies nicht störend und ihr gezeichnetes Szenario auch keinesfalls unrealistisch. Trotz der leisen Töne vermittelt die Autorin viel Spannung und bereitet den Leser langsam auf die sich anbahnende Katastrophe vor.
Besonders gut gefiel mir der Erzählstil. Die Geschichte wird überwiegend von einem neutralen Erzähler wiedergegeben. In manchen Passagen jedoch berichtet die namenlose Nachbarschaft, die man als Leser nicht weiter kennenlernt, in der ersten Person Plural von den Geschehnissen und wendet sich dabei regelmäßig direkt an den Leser. Die Sichtweise von außen und die direkte Ansprache machen es besonders spannend, da hier oft Andeutungen fielen, die die Spannung mächtig anheizten. Hier ein Beispiel:
„Sie hütete seit fünf Monaten ein Geheimnis, ein Geheimnis, von dem nicht mal der Mensch, um den es ging, wusste, dass sie es wusste. Ein beunruhigendes und widerwärtiges Geheimnis, wie Sie sicher ebenfalls finden werden, sobald Sie die Details kennen.“ Seite 158
So unlogisch es auch klingt, trotz der Spannung, die das Buch beinahe zum Bersten bringt, weiß man als Leser worauf es hinausläuft. Es gibt also keine großen Überraschungen, aber doch einige kleine Details, die weiter zu fesseln wissen.
Etwas störend empfand ich tatsächlich die eingefügten Rückblenden im Roman. Man erfährt zu jeder Figur Hintergründe. Diese sind auch absolut essentiell, da man die Handlungen der Figuren sonst sicher nicht so gut nachvollziehen könnte. Leider wirkten diese Hintergründe jedoch immer etwas sperrig und brachen den Lesefluss bei mir.
Das letzte Drittel das Buchs bekam dann richtig Tempo und hat meinen Herzschlag definitiv beschleunigt und einige Tränchen hat es mich auch verdrücken lassen. Der Abschluss des Buchs ist großartig zu Ende erzählt. Richtig gut.
Ein toller gesellschaftskritischer Roman, der mich vor allem durch seine besondere Erzählweise fesseln konnte! Fans von „Desperate Housewives“ würde ich das Buch sofort empfehlen. Ich denke jedoch, es wird polarisieren und nicht jedem so gut gefallen wie mir. Gesellschaftskritik meets „Romeo & Julia“ fasst es in meinen Augen am besten zusammen. Ob das auch euren Geschmack trifft, müsst ihr entscheiden. Mir spukt das Buch auf jeden Fall auch eine Woche später noch im Kopf herum. Well done, Therese Anne Fowler!