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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2021

Runde Sachen

Der perfekte Kreis
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Es sind runde Sachen, für die ich mich neuerdings begeistere, beziehungsweise dieser Roman darüber: über Calvert, einen ehemaligen Falkland-Soldaten und Redbone, eine Art Punkpoeten oder zumindest ...

Es sind runde Sachen, für die ich mich neuerdings begeistere, beziehungsweise dieser Roman darüber: über Calvert, einen ehemaligen Falkland-Soldaten und Redbone, eine Art Punkpoeten oder zumindest Freidenker, die den Sommer 1989 damit verbringen, England, beziehungsweise dessen Kornfelder mit wundersamen Kreisen zu dekorieren.

Nein, es sind keine Umweltrabauken, denn sie zerstören das Korn nicht, sie gehen sehr liebevoll damit um. Und schaffen sozusagen ein nationales Mythos, denn keiner kann sich so recht erklären, wie diese Kreise, die immer eine andere kunstvolle Form aufweisen, entstehen. Mehr und mehr werden sie für das Werk von Ausserirdischen gehalten.

Calvert und Redbone sind zwei sehr besondere und vor allem sehr unterschiedliche Charaktere, die auch - so könnte man meinen - vollkommen verschiedene Beweggründe für ihre nächtlichen Aktivitäten haben. Ob es tatsächlich so ist?

Dies zu erfahren, ist ebenso spannend wie die merkwürdigen Dinge, die sie nächtens so erleben. Die sind genauso merkwürdig wie ihre eigenen Taten und so denkwürdig wie die fast prophetischen Weissagungen Calverts zur Zukunft der Umwelt, die ich ihnen aber nicht verraten möchte - nein, diesen sehr besonderen und ebenso schrägen Umweltroman sollten Sie in Gänze genießen!

Veröffentlicht am 26.08.2021

...und dann ist das Geld weg!

Erben wollen sie alle
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Biancas Kinder samt Anhang halten eher lockeren Kontakt zu der Mutter, die in einem Alterssitz auf Mallorca haust. Soll sie sich doch ein schönes Leben machen für die letzten paar Jahre.

Aber ...

Biancas Kinder samt Anhang halten eher lockeren Kontakt zu der Mutter, die in einem Alterssitz auf Mallorca haust. Soll sie sich doch ein schönes Leben machen für die letzten paar Jahre.

Aber zu schön darf es auch nicht sein - als Sohn Steffen und Tochter Anja herausbekommen, dass es da seit neuestem so einen flotten Typen namens Wolfgang gibt und ihre Mutter sich mit ihm eine Weltreise gönnen will - da machen sie sich schnell auf den Weg nach Spanien. Schließlich steht Biancas 75ster Geburtstag bevor und den sollte man ja nicht verpassen. Und nebenbei noch die Erbschaft in trockene Tücher bringen.

Was besonders für Hotelbesitzer Steffen ein wichtiges Anliegen ist, läuft es mit dem Betrieb doch eher schlecht als recht. Krankenschwester Anja denkt zwar auch an das Geld, doch als Krankenschwester ist ihr das Wohlergehen der Mutter mindestens genauso wichtig. Zumal Tochter Luisa, die natürlich auch mitfliegt, einen sehr guten Draht zur Oma hat und diese öfter besucht.

Die kleine Reisegesellschaft, zu der als Vierte im Bunde noch Steffens Frau zählt, sieht sich beim Anblick von Wolfgang, dessen Hemd die behaarte Brust freilässt und der auch sonst alles dafür tut, alternde Frauenherzen zum Schmelzen zu bringen, sofort in ihrem Verdacht bestätigt. Und es kommen noch so einige Indizien hinzu....

Ein witziger Ferien- und Sommerroman, aber einer mit Tiefe. Einer, der zeigt, dass es auf der Ferieninsel Mallorca nicht nur oberflächlich zugeht und auch hinter die Kulissen schaut. Und das nicht zu knappt. Autorin Tessa Hennig hat einen herrlich originellen Stil. Jede der Figuren ist liebevoll ausgearbeitet und lässt das Kopfkino rotieren. Ein Roman, in dem es auch um Berufswahl, wichtige Lebensziele, Demenz und Beziehungen im Allgemeinen wie auch im Besonderen geht und der trotzdem - oder gerade deswegen als Lektüre im Liegestuhl durchaus passend ist.

Veröffentlicht am 14.08.2021

Überleben in der Hackordnung von Harlem

Harlem Shuffle
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Ray Carney hat es geschafft - nicht in allen, aber doch in wesentlichen Aspekten. Er lebt im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater ein mehr oder weniger ehrenhaftes Leben als Möbelhändler und hat ein ...

Ray Carney hat es geschafft - nicht in allen, aber doch in wesentlichen Aspekten. Er lebt im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater ein mehr oder weniger ehrenhaftes Leben als Möbelhändler und hat ein Mädchen aus der Oberklasse geheiratet - sehr zum Verdruß von deren Eltern. Aber Elisabeth hält zu ihm, sie sind inzwischen sogar Eltern. Carver gibt sich Mühe, seine kleinen kriminellen Kuhhandel von seiner Frau fernzuhalten, deren Eltern sich ihrerseits bemühen, ihn zu demütigen, ohne es die Enkel spüren zu lassen.

Diesmal hat Colson Whitehead, ohne von seinem Anspruch, das (Über)leben der Afroamerikaner in den USA vergangener Zeiten in all seinen Facetten schonungslos und offen zu vermitteln, abzulassen, einen überaus stilvollen Unterhaltungsroman geschrieben.

Einen, der zwar stellenweise sehr wehtut, aber bei dem man auf der anderen Seite nicht selten das Gesicht zum Lächeln verzieht.

Die Story spielt im Harlem der frühen 1960er Jahre und einige der Benachteiligten haben Mechanismen entwickelt, um nicht ganz so benachteiligt zu sein wie ihre Schicksalsgenossen.

Als eines der Qualitätsmerkmale gilt es, hellere Haut als andere zu haben, im Idealfall sogar gelegentlich für einen Weißen gehalten zu werden, ein äußeres Merkmal, dessen sich beispielsweise Carneys Schwiegermutter Alma rühmen kann - ganz im Gegensatz zu ihm selbst, was sie ihn nicht selten spüren lässt.

Doch neue Zeiten sind im Anmarsch, nicht nur dadurch, dass Martin Luther King und seine Gesinnungsgenossen ihre Stimme immer lauter erheben.

Wie auch immer, jedenfalls schaffen es auch Dunkelhäutige, Weißen und nicht ganz Weißen ein Schnippchen zu schlagen. Vielleicht ja sogar mehrere? Gewissermaßen hat Colson Whitehead, ohne sein Können in irgendeiner Form einzuschränken, hier einen Schelmenroman geschaffen. Mit ernstem Hintergrund natürlich! Aber mit nicht nur einem Augenzwinkern!

Veröffentlicht am 01.08.2021

Auf der Suche nach einem neuen Leben

Die Heimkehr der Störche (Die Gutsherrin-Saga 2)
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Wie auch im Vorgängerroman, in dem das Leben der Familie Twardy in Ostpreußen vor und während des Zweiten Weltkriegs dargestellt wird, fühle ich mich fast als Teil der Handlung, so dicht und ...

Wie auch im Vorgängerroman, in dem das Leben der Familie Twardy in Ostpreußen vor und während des Zweiten Weltkriegs dargestellt wird, fühle ich mich fast als Teil der Handlung, so dicht und atmosphärisch beschreibt Autorin Theresia Graw die Geschichte von Dora Twardy und ihren Lieben, ehemaligen ostpreußischen Gutsbesitzern, die es nach dem Zweiten Weltkrieg in die Nähe von Lüneburg verschlagen hat, wo sie ganz von vorn beginnen müssen.

Dora lässt sich nicht unterkriegen und schafft es, einen Studienplatz in Tiermedizin zu ergattern: ausgerechnet an der Humboldt-Universität Berlin im Ostteil der Stadt, wohin sie mit ihrem Ziehkind Clara, der Tochter ihrer großen Liebe Curt, aufbricht.

Dort lebt Dora bei Verwandten, denn ihr jüngerer Bruder ist nach dem Krieg im Osten Berlins hängen geblieben und hat in eine Familie eingeheiratet, deren Oberhaupt voll und ganz im Dienste des neuen Regimes und damit auch Moskaus steht, wie Dora schnell klar wird. Teilweise ist das sogar hilfreich für sie und Clara und erleichtert ihnen das Einleben um einiges.

Nach einem hoffnungsfrohen Beginn wird ihr, nicht zuletzt durch die Zerschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953, an dem sie teilgenommen hat, allerdings klar, dass dort kein Bleiben für sie ist.

So findet sie sich bald wieder auf der Suche nach einem festen Platz für ihr Leben. Und nicht nur für sich, sondern auch für Clara und Curt, den sie gefunden hat - doch noch verhindert vieles ihren Start in ein gemeinsames Leben.

Wieder ist es der Autorin meisterhaft gelungen, die Atmosphäre der damaligen Zeit aufleben zu lassen, die Unterschiede zwischen Nord und West, zwischen Stadt und Land spürbar zu machen. Ich war so sehr in die Geschichte Doras und ihrer Lieben versunken, dass ich förmlich die Protestrufe der Demonstranten hörte, um nur ein Beispiel zu nennen.

Ein ganz besonderer, authentischer Roman, der mich begeistert hat!

Veröffentlicht am 09.07.2021

Ein interessantes Nachwuchstalent

Das Karlgeheimnis
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Das ist der selbsternannte Krimiautor Emil. Ein sehr junger Autor - in seinem Debüt ist nur eine Sache erfunden und zwar der Finger, der im Gebüsch gefunden wird. Deswegen passt er auch nicht zu dem Rest ...

Das ist der selbsternannte Krimiautor Emil. Ein sehr junger Autor - in seinem Debüt ist nur eine Sache erfunden und zwar der Finger, der im Gebüsch gefunden wird. Deswegen passt er auch nicht zu dem Rest der Geschichte, in der Emil selbst die Hauptfigur ist.

Naja, zusammen mit ein paar anderen, sonst wäre es ja langweilig! Emil ist noch recht frisch in diesem Viertel und der Anlass ist eigentlich ein trauriger: Er und seine Mutter mussten umziehen, weil sie sich die vorherige größere Wohnung nicht mehr leisten konnten. Weil Papa nämlich nicht mehr da ist.

Das ist eine Sache, an der sowohl Emil als auch Mama noch knabbern und das Schlimmste - sie hat sie voneinander entfernt.

Aber es gibt auch Spannendes in Emils Leben, vor allem das Büdchen gleich vor dem Haus, das von Karl, der schon ziemlich alt ist, betrieben wird. Dort sammeln sich so einige Leute und so lernt Emil auch Finja kennen, die eine richtige Detektivin ist. Und zusammen schlittern sie in einen richtigen Kriminalfall, den Emil gleich hier, in seinem ersten Band, beschreibt.

Ich will nicht zu viel verraten, aber soviel sei gesagt: Das Büdchen - manche sagen auch Kiosk oder Trinkhalle - spielt eine nicht unerhebliche Rolle darin. Es ist sozusagen der Tatort.

Aber jetzt hülle ich mich in Schweigen. Den Rest sollt Ihr nämlich selbst lesen und er ist echt total spannend. Und überraschend! Ein wirklich tolles Buch, das Ihr Euch nicht durch die Lappen gehen lassen solltet!