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Eine Familie in Berlin - Paulas LiebeDie fast 16jährige Paula Oppenheimer wächst wohl behütet in Kreise ihrer drei Geschwister und Eltern auf, unbeschwert kann sie ihre Kindheit genießen. Der Vater Julius verdient den Unterhalt für die Familie ...
Die fast 16jährige Paula Oppenheimer wächst wohl behütet in Kreise ihrer drei Geschwister und Eltern auf, unbeschwert kann sie ihre Kindheit genießen. Der Vater Julius verdient den Unterhalt für die Familie als Prediger und Lehrer am Tempel der Berliner jüdischen Reformgemeinde. Doch der Lohn ist nur so hoch, wie die Gemeinde groß ist, das bedeutet, die Familie steht oft vor finanziellen Krisen und Paulas Mutter Toni muss sparen, um Lebensmittelpreise handeln und stets mit dem Geld rechnen. Nebenbei verdient sich die Familie Geld mit der Vermietung von Räumen an Untermietern. Als es hier zu einer unflätigen Belästigung Paulas durch einen Gast kommt, werden die Konsequenzen gezogen und Paula lebt von nun an als Gesellschafterin bei der Schwester ihrer Mutter Auguste. Auguste erzieht Paula grandios zu einer selbstbestimmten jungen Dame, die lernt ihren eigenen Kopf zu benutzen und bildet sie zudem weiter. Als Paulas Bruder Franz sie dann Richard Dehmel vorstellt, entwickelt sich eine Liebe, die vielen Prüfungen ausgesetzt wird.
Die einzelnen Szenen, gerade die mit der jungen Paula, sind nahezu liebevoll geschrieben. Die Sprache, die die Autorin verwendet, ist unsagbar schön und stilvoll. In feinen Nuancen wiedergegeben sehe ich das Leben der Familie Oppenheimer quasi bildlich vor mir. Paula, die schon als Kind der Poetik verfallen ist, ist herrlich dargestellt und die innige Beziehung zu ihren Geschwistern wunderbar spürbar. Die behütete Atmosphäre ist herrlich fassbar. Die Familie lebt teils unter finanziellen Problemen und hält doch fest zusammen und das Leben verläuft unbeschwert. Das Coming-of-Age Paulas ist wunderbar herausgearbeitet. Leicht schwelende Konflikte der Gesellschaft und zwischen den Beteiligten sind durch Ulrike Renk glaubhaft und einzigartig beschrieben. Die Sprache der Autorin ist fabelhaft, ich bin nach den ersten Zeilen sofort in der Geschichte drin, das Buch lässt sich beschwingt und leicht lesen, die Herzenswärme ist deutlich erkennbar.
Von Herzen gerne vergebe ich dieser Roman-Biografie fünf von fünf möglichen Sternen und die sind wohlverdient! Selbstverständlich spreche ich eine absolute Leseempfehlung aus und wünsche diesem Kleinod, der mit über 500 Seiten ein wahrer Schmöker ist, eine riesengroße Leserschaft. Ganz nebenbei fühle ich mich neben der großartigen Unterhaltung noch wunderbar in die Künstlerszene und Poesie der damaligen Zeit eingewiesen.