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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.08.2021

Nichts ist, wie es scheint

Bahnhofstrasse
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„...“Hören Sie auf zu schleimen und machen Sie ich endlich auf den Weg. Sonst sehe ich schwarz für Ihre Forschungen...“ Wenn Höflichkeit das Florett war, so stand die Drohung für den Zweihänder...“

Der ...

„...“Hören Sie auf zu schleimen und machen Sie ich endlich auf den Weg. Sonst sehe ich schwarz für Ihre Forschungen...“ Wenn Höflichkeit das Florett war, so stand die Drohung für den Zweihänder...“

Der Anruf der Rektorin kommt für Professor Philipp Humboldt ungelegen. Er müsste sich noch auf seine Vorlesung vorbereiten. Doch obige Worte sind deutlich. Also macht er sich auf den Weg. Dort erfährt er, dass Alexander von Werdenberg seine Privatbank verkaufen will. Philipp soll sein Vermächtnis verfassen und ihm für Fragen zur Verfügung stehen. Das passt ihm gar nicht. Wenn er allerdings seine Karriere nicht gefährden will, bleibt ihm keine Wahl.
Der Autor hat einen spannenden Krimi geschrieben. Es ist der zweite Band mit Philipp Humboldt. Obwohl ich Teil I nicht kenne, hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Was Philipp Humboldt macht, macht er gründlich. Hinzu kommt, dass er für seine Familie alles tut, notfalls auch Grenzen überschreitet.
Über seine Chefin heißt es:

„...Die Rektorin war klein und zierlich. Ihre funkelnden Augen und die aufrechte Körperhaltung ließen jedoch keinen Zweifel aufkommen, wer in diesem Büro das Sagen hatte...“

Der 95jährige Alexander von Werdenberg wirkt im ersten Moment wie eine Gentleman alter Schule. Trotzdem gilt er als knallharter Geschäftsmann.
Der Schriftstil des Buches ist mir sehr positiv aufgefallen. Er ist nicht nur abwechslungsreich, sondern arbeitet häufig mit sehr gut ausgewählten Vergleichen und einer manchmal blumigen Sprache, wobei es blumig nicht ganz trifft, aber mir fällt kein besserer Begriff dafür ein. Das folgende Zitat stammt aus den ersten Gespräch des Professors mit dem Banker.

„...Die Beschäftigung mit dm Bösen bedeute doch nur, dass man sich selbst auf der Spur sei. Man stelle sich Faust ohne Mephisto vor oder den Fledermausmann ohne den Joker. Kafka habe mit Fug und Recht behauptet, dass das Gute allein trostlos sei...“

Sehr schnell wird deutlich, dass Alexander von Werdenberg von seiner Vergangenheit nur wenig preisgeben will. Doch Philipp ist gründlich. Er gräbt tief und muss erkennen, dass Sein und Schein zwei Seiten einer Medaille sind.
Der Autor ermöglicht mir als Leser ab und an in kurzen Kapiteln einige Einblicke in die Vergangenheit von Alexander, sodass ich etwas mehr weiß als Philipp, aber bei weitem nicht genug. Lange bleibt viel Raum für Phantasie.
Zu den interessanten Stellen gehört ein weiteres Interview zwischen beiden Männern, dass auch wie ein Interview wiedergegeben wird. Alexander war mit seinem Bruder 1944 aus Deutschland geflohen. Das erfahre ich im Prolog. Auf die Frage, warum er nie wieder in die Heimat zurückgekehrt ist, antwortet er:

„...In der Nachkriegszeit hatten die Siegermächte vor allem Angst vor den Kommunisten. Vor den Nazischergen drückte man ein Auge zu. Mit diesen Gesellen wollten mein Bruder und ich nichts zu tun haben...“
Die Handlungsorte werden sehr gut beschrieben. Ich konnte also Philipp problemlos durch Zürich folgen und hatte bei der Ausstattung der Privatbank sofort ein Bild vor Auge.
Dass sich im und nach dem Zweiten Weltkrieg die Schweizer Banken nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, wird ebenfalls thematisiert.
Am Ende bleibt keine Frage offen. Alle Geheimnisse sind für mich als Leser gelöst. Und Alexander von Werdenberg hat sein Ziel erreicht. Jetzt erscheint er als vielschichtige Persönlichkeit mit unterschiedlichen Facetten.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es verbindet Spannung mit einer verzwickten Handlung voller Überraschungen.

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Veröffentlicht am 07.08.2021

Ein Stück Zeitgeschichte

Fantom
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„...Alexander räusperte sich: „Hier ist Roy Clark. Hauptbahnhof. In einer Viertelstunde geht die Bombe hoch.“...“

Dieses Telefonat könnte es am 8. Dezember 1966 genau so gegeben haben, denn das Buch bezieht ...

„...Alexander räusperte sich: „Hier ist Roy Clark. Hauptbahnhof. In einer Viertelstunde geht die Bombe hoch.“...“

Dieses Telefonat könnte es am 8. Dezember 1966 genau so gegeben haben, denn das Buch bezieht sich auf reales Geschehen. Der Fall landet bei Kommissar Horst Berger. Schnell stellt sich heraus, dass die Bahn vorher zwei Erpresserbriefe erhalten, aber nicht ernst genommen hat.
Der Autor hat die Geschichte exakt recherchiert und spannend aufgearbeitet.
Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er passt sich den Gegebenheiten an. Die Gegebenheiten sind neben dem Bombenleger auch die Suche nach einer Frau mit Partner, die schon mehrere Banküberfälle verübt haben. Gleichzeitig stellen sich Fragen nach Horsts Vergangenheit, speziell nach dem Schicksal seiner Mutter während der Nazizeit. Auch die aktuellen politischen Probleme werden gekonnt in den Krimi integriert. Das sind vor allem der Vietnamkrieg und der Schahbesuch.
Sehr detailliert werden die technischen Fakten wiedergegeben. Dazu gehört auch die Wirkung von Sprengstoffen.

„...Die Brisanz ist das Zertrümmerungsvermögen eines Sprengstoffs. Da gibt es erhebliche Unterschiede. Wenn Sie einen hochbrisanten Sprengstoff nehmen, also zum Beispiel Nitroglyzerin oder TNT, dann haben Sie eine Detonationsgeschwindigkeit von zehntausend Meter pro Sekunde...“

Ab und an lässt mich der Autor einen Blick in die Gedankenwelt des Täters werfen. Auch seinen Lebenslauf erfahre ich, als er ihn seiner Frau erzählt. Die Folgen des Zweiten Weltkriegs hatten ihn staatenlos gemacht.
Gut ausgearbeitete Gespräche zeigen den Zeitgeist. So besucht Horst seinen Sohn in Westberlin und landet in einer Gesprächsrunde von Studenten. Michael äußert dort:

„...Wohin treibt die Bundesrepublik? Sie treibt überhaupt nirgendwo hin, sie steckt noch immer fest im braunen Sumpf….“

Ein Student namens Benno soll ein Gedicht vortragen, möchte aber nicht. Wenige Wochen später ist dieser Benno Ohnesorg tot – erschossen von einem Polizisten. Das belastet erheblich das Verhältnis von Horst und Michael.
Auch die Ermittlungen ziehen sich hin. Immer wieder neue Anschläge und neue Forderungen, sowie Übergabevereinbarungen, die plötzlich abgebrochen werden, zerren an den Nerven der Polizei. Kompetenzgerangel der einzelnen Dienststellen kommt hinzu. Die Presse spielt ihr eigenes Spiel. Der Bombenleger scheint gekonnt mit allen zu spielen. Auch die Bankenlady ist nicht greifbar.
Zu den beeindruckendsten Stellen gehört für mich das Gespräch von Susanne, Horst Schwester, mit ihrem Halbbruder George in Saigon. Der junge Mann war seiner sogenannten Pflicht nachgekommen und in den Vietnamkrieg gegangen. Er wird ihn als gebrochener Mann verlassen.

„...Susanne würde ihn verachten, wenn sie das wüsste. Aber das durfte sie nie erfahren. Es reichte schon, wenn er sich selbst verachtete...“

Die Geschichte spielt gewissermaßen in einer Zeit des Umbruchs. Während der eine endlich Klarheit über die Vergangenheit bekommt und andere nicht bereit sind, alte Zöpfe abzuschneiden und sich ob ihres Handelns auch noch im Recht wähnen, beginnt es bei den Studenten zu brodeln. All das hat der Autor zu einer spannenden Handlung zusammengefügt.
Eine Karte über die Örtlichkeiten und ein inhaltsreiches Nachwort ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.


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Veröffentlicht am 06.08.2021

Empfehlenswertes Kinderbuch

Dreh hin – Dreh her 1: Gute Nacht, kleiner Bär!
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„...Höchste Zeit zum Schlafengehen! Komm, kleiner Bär, zieh schon mal den Schlafanzug an!...“

Diese Zeilen befinden sich auf der ersten Seite eines ungewöhnlichen Kinderbuches. Der kleine Leser begleiten ...

„...Höchste Zeit zum Schlafengehen! Komm, kleiner Bär, zieh schon mal den Schlafanzug an!...“

Diese Zeilen befinden sich auf der ersten Seite eines ungewöhnlichen Kinderbuches. Der kleine Leser begleiten den Bär bei seinem täglichen Abendritual. Jedem Thema ist eine Doppelseite gewidmet. Nachtwäsche anziehen, Zähne putzen, Kuscheltier suchen, etwas trinken und einer Gute – Nachtgeschichte zuhören sind die Punkte, die auf den Seiten dargestellt werden.
Die Bilder sind sehr farbenfroh. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass selbst Kleinigkeiten deutlich dargestellt werden, seien es die Handtücher im Bad oder der Halbmond beim Blick aus dem Fenster.
Die passenden kurzen Texte umfassen maximal fünf Zeilen. Sie sind leicht verständlich, in kurze Sätze gefasst und aus der Erfahrungswelt der Kinder genommen.
Das Besondere aber sind die Schlaufen zum Drehen, die auf jeder Doppelseite angebracht sind. Damit kann das Kind das Bild selbst verändern.Sie sind leicht gängig und stabil genug, dass normalerweise nichts dabei kaputt gehen kann.
Das Kinderbuch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 05.08.2021

Gelungene Anthologie

Kurzgeschichten gegen Krebs
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„...Die Idee des Projekts war, möglichst viele Autorinnen und Autoren zu finden, die honorarfreie Texte für eine gemeinsame Geschichtensammlung beisteuern. Die Gewinne aus dem Verkauf der Kurzgeschichtensammlung ...

„...Die Idee des Projekts war, möglichst viele Autorinnen und Autoren zu finden, die honorarfreie Texte für eine gemeinsame Geschichtensammlung beisteuern. Die Gewinne aus dem Verkauf der Kurzgeschichtensammlung werden zu 100% an die Deutsche Krebshilfe gespendet...“

Diese Sätze stammen aus dem Vorwort des Buches. Das Buch vereint 32 Geschichten von 22 Autoren. Die Erzählungen gliedern sich in vier Schwerpunkte:
- zum Schmunzeln
- Spannung und Staunen
- Nachdenkliches
- Hoffnung
So unterschiedlich wie der Inhalt der Geschichten, so verschieden ist auch der Schriftstils. In den ersten Erzählungen steht der Humor im Mittelpunkt. Es ist amüsant, die Gedanken eines Hundes zu lesen. Der zieht dabei folgendes Fazit:

„...Menschen können manchmal ganz schön komisch sein...“

Auch das Klassentreffen sorgt für eine handfeste Überraschung. Natürlich werden gekonnt Vorurteile bedient.

„...Am Nachbartisch sind drei Preußen gesessen, wirft einer aus der Runde der Abschlussklasse 1971 ein. „Woher weißt du, dass das Preußen waren?“, fragt ihn nun der Karl. „Zuerst haben sie gefragt, was ein Schäuferle ist, dann haben sie sich gewundert, dass da wirklich ein Knochen drin ist...“

Die Krimis im zweiten Teil beschäftigen sich mit Mord, Diebstahl und Erpressung. Sehr amüsant fand ich die Entführung der Bierbrauer. Hier wurde gekonnt politisch überspitzt. Die letzte Erzählung dagegen ist eher berührend. Der Täter ahnt nicht, dass er nach vielen Jahren seinem Opfer gegenübersteht.
Im dritten Kapitel fällt es mir schwer, eine einzelne Erzählung herauszugreifen. Jede hat mich auf ihre spezielle Art zum Nachdenken gebracht. Eine der Geschichten allerdings lässt mich als Leser den Blick in eine mögliche Zukunft werfen, die hoffentlich nicht kommt. Hier ist ein Ausschnitt daraus:

„...Man konnte doch alles mühelos von zu Hause erledigen. Mit Freunden kommunizieren, Sport treiben, arbeiten, Sex. Es gab keinen Grund, nach draußen zu gehen...“

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Mit Corona hat die Erzählung nichts zu tun.
In den letzten Geschichten geht es um Hoffnung. Das kann heißen, dass es nie zu spät ist, sich einen Traum zu erfüllen, dass Kindheitserinnerungen an bestimmte Gerichte und deren Duft gebunden sind oder das Freundinnen auf besondere Art zusammenstehen.
Im Anhang findet sich ein Kurzporträt aller beteiligten Autoren.
Die Anthologie hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Zusammenstellung ist gelungen. Eigentlich ist jede Geschichte etwas Besonderes. Natürlich habe ich in jedem Kapitel meinen Favoriten.

Veröffentlicht am 04.08.2021

Krimigedichte - klasse gemacht

Shortmord 1
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„...Drei Frauen stellten fest nach Jahren,
dass ihre Männer untreu waren.
Sie tagten an geheimen Ort
und planten einen Dreifachmord...“

Das Zitat bringt das Wesentliche des kleinen Büchleins zum Tragen. ...

„...Drei Frauen stellten fest nach Jahren,
dass ihre Männer untreu waren.
Sie tagten an geheimen Ort
und planten einen Dreifachmord...“

Das Zitat bringt das Wesentliche des kleinen Büchleins zum Tragen. Hundertzwanzig Mal hat die Autorin Kriminalfälle in Reime gefasst. Übrigens, wer bei obigen Fall an die drei Gatten denkt, liegt falsch.
So verschieden wie die Kriminalfälle im normalen Leben sind, so verschieden spiegeln sie sich in den Gedichten wider. Dabei gelingt es der Autorin gekonnt, das Wesentliche herauszuarbeiten und kurz und prägnant zum Schluss zu kommen. Viele der Gedichte bewegen sich im Rahmen von weniger als 20 Zeilen. Erstaunlicherweise kann man manchmal mit 20 Zeilen eine ganze Geschichte einschließlich Vorgeschichte erzählen.
In der Mehrzahl der Gedichte geht es um Mord und Totschlag. Das ist zumeist kombiniert mit tiefschwarzem Humor. Dies kann sich dann schon mal so lesen:

„...Erstochen mit dem Geigenbogen,
der ist nun leider arg verbogen...“

An einigen Stellen kommen die Fälle mit ihren eignen Humor herüber, obwohl das Geschehen eigentlich gar nicht amüsant ist. Doch durch geschickte Wortwahl wirkt es so.
Das Büchlein hat mir sehr gut gefallen. Es ist im Verlag Wortspiel entstanden. Hier ist der Name des Verlags Programm.

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