angenehmer Krimi in spannungsvollem historischen Setting
Der nasse FischInhalt
Deutschland im Jahre 1929: Kriminalkommissar Gereon Rath wird aus Köln nach Berlin versetzt, nachdem ein Schusswechsel ungünstig verlief. Dort wird er, trotz Beziehungen, zunächst in der Abteilung ...
Inhalt
Deutschland im Jahre 1929: Kriminalkommissar Gereon Rath wird aus Köln nach Berlin versetzt, nachdem ein Schusswechsel ungünstig verlief. Dort wird er, trotz Beziehungen, zunächst in der Abteilung "Sitte" eingesetzt, wo er sich statt mit Mordfällen mit Pornokaisern herumschlagen darf.
Nachdem ein Russe unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt, ermittelt er auf eigene Faust und ohne Erlaubnis.
Dabei muss er zwischen Kommunisten und Sozialisten des politisch gebeutelten Berlins in der Wirtschaftskrise auch auf sich selbst aufpassen, den spätestens nachdem ein nächster Schusswechsel unglücklich ausgeht, muss er zusehen, dass ihm sein Gebilde aus Halbwahrheiten nicht selbst um die Ohren fliegt.
Meine Meinung
Der Schreibstil Volker Kutschers ist angenehm zu lesen, zwar nicht besonders kunstvoll, aber das würde auch nicht zu diesem Roman passen.
Das Setting ist spannend, dazu muss gar nicht viel passieren außer den historischen Ereignissen, die zumindest im Hintergrund eingeflochten werden. Ich freue mich schon auf die Folgebände, um ein wenig Fiktion im historischen Kontext zu finden. Das Zitat "eine gerahmte Fotografie von diesem Hitler, einem komischen Kauz mit Charlie-Chaplin-Bart" macht ziemlich anschaulich, was für einen historischen Wissensvorsprung Leser den Buchfiguren gegenüber haben.
Eigentlich auch ein wenig mehr Fiktion, wenn man sich den Inhalt genauer anschaut. Einige Dinge wirkten übertrieben, zu gestellt, selbst für Fiktion. So viele Zufälle sind einfach unrealistisch, sodass die Handlung an einigen Stellen ein wenig konstruiert und dick aufgetragen wirkte, weil gerade zufällig das richtige Puzzlestück im richtigen Moment geliefert wurde. Ergänzt wurde das durch einige (nicht alle!) Wendungen, die nicht wirklich überraschen konnten.
Teilweise kamen so viele Ereignisse zueinander, dass es fast zu viel wurde. Das macht aber verständlich, warum eine Serie aus dem Buch gemacht wurde, genug einzelne Ereignisse sind auf jeden Fall da.
Und auch die moralische Fragwürdigkeit einiger Taten ist wahrscheinlich historisch nicht weit hergeholt, aber etwas dick aufgetragen. Hier schafft Kutscher es aber, seinen Protagonisten gerade eben so viele Sympathiepunkte sammeln zu lassen, dass sich solche Zweifelhaftigkeiten zähneknirschend akzeptieren ließen.
Die Spannungskurve ist angenehm eingeflochten. Am Anfang ziehen sich die Ereignisse ein wenig, sodass ich überrascht wurde, nach dem Motto "Hoppla, das ist ja ein Spannungshöhepunkt, wo kommt der denn jetzt her?"
Insgesamt ist das Buch unter dem Gesichtspunkt aber flüssig zu lesen, weil trotz einiger vorhersehbarer Wendungen immer genug passiert, um Leser bei der Stange zu halten. Die kurzzeitigen "Spannungsflauten" sind nicht zu ausgedehnt, um den Lesespaß zu mindern.
Die Figuren hätten allerdings noch etwas besser ausgearbeitet werden können, indem sie mehr Raum bekommen. Kommissar Rath stand ganz klar im Mittelpunkt, ohne anderen viel Bühnenplatz zu gewähren. Dadurch blieben einige Charaktere ein bisschen blass. Obwohl Rath sicherlich auch Einzelkämpfer ist und das durch diese Zentrierung zum Ausdruck gebracht wird, wurde es mir persönlich ein bisschen zu viel von ihm.
Das Cover in Graustufen ist vielleicht nicht unbedingt Eyecatcher, passt aber gut zum Roman und seiner Atmosphäre.
Fazit
Insgesamt ist das Buch lesenswert, trotz einiger Vorhersehbarkeiten. Ein Krimi, dessen 600 Seiten sich innerhalb einiger Abende entspannt auf dem Sofa lesen lässt, der spannend genug ist, um weiterzulesen, aber nicht so sehr, dass er einem den Schlaf raubt, weil man hinter jeder Ecke Attentäter vermutet.