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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2021

Leider eher schwach

Ein erhabenes Königreich
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Beendet, zugeklappt und ... nichts gefühlt.

Die Familie um Protagonistin Gifty ist aus Ghana in die USA ausgewandert, um sich ein neues Leben aufzubauen. Doch recht schnell kommt Sehnsucht nach der Heimat ...

Beendet, zugeklappt und ... nichts gefühlt.

Die Familie um Protagonistin Gifty ist aus Ghana in die USA ausgewandert, um sich ein neues Leben aufzubauen. Doch recht schnell kommt Sehnsucht nach der Heimat auf, und der Vater verlässt die Familie sowie Amerika. Bereits hier beginnt das fragile Familiengefüge um Gifty, ihren älteren Bruder Nana und ihre Mutter zu wanken. Mutter und Tochter suchen im Glauben an Gott und innerhalb ihrer Gemeinde nach Trost, Nana findet seinen Zufluchtsort in den Drogen und stirbt schon bald an den Folgen seines Heroinkonsums.
Durch den befremdlichen Umgang der Gemeindemitglieder und des Pastors mit dem Tod ihres suchtkranken Bruders, versucht Gifty ihrer Religion den Rücken zu kehren und wendet sich Jahre später in beruflicher Sicht den Wissenschaften zu. Während ihre Mutter immer mehr einer lähmenden Depression verfällt, erforscht Gifty anhand von Mäusen Suchtverhalten, sucht nach Gründen und Auswegen aus der Abhängigkeit und versucht gleichzeitig, ihrer Mutter eine Stütze zu sein.

Ein Buch über eine Familie, die in der Fremde vom rechten Weg abgekommen ist. Die zentralen Themen liegen auf Verlust und Trauer, psychischer Gesundheit, sowie dem Urzwist zwischen Religion und Wissenschaft. Zu viele Themen, die dann leider nicht so komplex ausgearbeitet sind wie erwartet. Gifty, recht konservativ aufgewachsen und im christlichen Glauben sozialisiert, wendet sich beruflich der Wissenschaft zu, sucht Antworten in der Wissenschaft, die ihr die Religion schuldig bleibt. Ich verstehe zwar Giftys Gefühlschaos und ihr Handeln, aber sie bleibt charakterlich recht flach. Somit hat das Buch bei mir auf emotionaler Ebene leider kaum etwas ausgelöst. Zwischendurch mit vielen Längen versehen, wirkte das Buch auf mich relativ zäh und es fiel mir manchmal schwer, dranzubleiben. Mein Fall war es leider nicht ganz, auch wenn ich ein paar durchschnittlich gute Lesestunden damit hatte.

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Komplexe Sprache

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Little Dog wächst als Sohn einer vietnamesischen Einwandererfamilie zusammen mit Mutter und Großmutter in den USA auf. Die Mutter ist Analphabetin, und doch ist das gesamte Buch als Brief an sie konzipiert. ...

Little Dog wächst als Sohn einer vietnamesischen Einwandererfamilie zusammen mit Mutter und Großmutter in den USA auf. Die Mutter ist Analphabetin, und doch ist das gesamte Buch als Brief an sie konzipiert. Als Protagonist beschreibt Little Dog in ich-Form fragmentarisch auserwählte Erlebnisse seines Lebens, und zwar mit scharfer Beobachtungsgabe und in sanften Worten. Vuong ist selbst mit zwei Jahren nach Amerika immigriert, schreibt in seinem Debütroman daher autofiktional über die Lasten des Lebens in der Fremde, thematisiert Heimatlosigkeit, Identität, Familie und Liebe, spannt einen Zeitbogen von Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter.

Ich tu mich ein wenig schwer mit einer Bewertung, da mich der Roman gespalten zurücklässt. Es war mir sprachlich oft "zu viel", zu ausgetüftelt, die Schachtelsätze "zu gewollt", sodass ich mich nicht ganz auf die Geschichte einlassen konnte - und leider habe ich dann gedanklich oft einfach abgeschaltet. Ich verstehe die Lobeshymnen durchaus, Vuongs Sprache ist beeindruckend und besitzt hohen Wiedererkennungswert, aber für mich besitzt ein guter Roman eben auch "mehr" als eine schöne Sprache. Mir wird das Buch also insgesamt als ein eher mühsames Leseerlebnis in Erinnerung bleiben, das zwischendurch leider manchmal langweilig und mir einfach zu wirr geflochten war. Wer jedoch ein sprachlich komplexes Erlebnis sucht, die Sprache über den Inhalt stellen kann und diese wirklich hohe Sprachkunst zu schätzen weiß, wird hier einen kleinen Schatz finden.

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Veröffentlicht am 28.06.2021

Nicht mein Geschmack

Die Kinder hören Pink Floyd
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Der 10-jährige Alexander schaut oft in den Himmel, in der Hoffnung, eines Tages die ikonische Prisma-Pyramide von Pink Floyd zu erblicken. "Schau in die Welt, nicht in den Himmel", sagen die Erwachsenen, ...

Der 10-jährige Alexander schaut oft in den Himmel, in der Hoffnung, eines Tages die ikonische Prisma-Pyramide von Pink Floyd zu erblicken. "Schau in die Welt, nicht in den Himmel", sagen die Erwachsenen, und entreißen ihn regelmäßig aus seinen Tagträumereien. Denn der Junge versucht die Welt so zu verstehen, wie Pink Floyd sie in ihren Texten besingt. Das Buch spielt in einer westdeutschen Vorstadt während der 70er-Jahre und erzählt autobiografisch vom den jungen Jahren des Autors: Alexander selbst stottert, seine Schwester hat wegen Contergan einen Herzfehler. Und Beide zusammen himmeln Pink Floyd an, sehen in der Musik den musikalischen Kampf gegen das Establishment und finden in dieser ein Ventil zur Flucht aus dem trostlosen Alltag. Und so folgen wir Alexander in seinen familiären und schulischen Alltag, ins Kino und in den Balkan Grill, durch seine kindliche Gedankenwelt und vor den heimischen Plattenspieler, der die neuen Platten von Pink Floyd in Dauerschleife abspielt und das ständig politische Gerede der Erwachsenen verstummen lässt.

Das Buch ist so komplex erzählt, dass ich anfangs Probleme hatte in die Geschichte einzusteigen und manchmal Probleme dabei hatte, der teils wirklich bizarren Handlung weiter zu folgen. Es werden so viele Themen angeschnitten und Szenen durcheinandergewürfelt, dass Teile des Buches fast psychedelisch wirken, aber davon leider kaum etwas bei mir ankommt. Humorvolle Wohnzimmer-Szenen vor der ZDF-Hitparade gehen über in abstruse, phantastische Gruselgeschichten über berühmte Persönlichkeiten wie Heino oder The Sweet, die Schwester kritisiert zwischendurch immer wieder mal den Kapitalismus. Alles zusammen wirkt sehr gestaucht und schwer zu folgen, die Gedanken driften im Buch und auch bei mir immer wieder ab.
Positiverweise ist der Roman mit vielen tollen, atmosphärischen Beschreibungen verschiedenster Pink Floyd-Songs hinterlegt, sowie mit geschwisterlichen Versuchen von Interpretationen der Texte und Plattencover. Für mich als langjähriger Pink Floyd-Fan ein großer Pluspunkt.
Dennoch fürchte ich, das Konzept des Romans nicht ganz verstanden zu haben, aber irgendwie hat mich das Werk doch gut unterhalten. Pink Floyd bleibt zeitlos und die Kinder werden hoffentlich auch weiterhin Pink Floyd hören, doch das Buch wird mir sicher nicht lange im Gedächtnis bleiben, leider.

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Veröffentlicht am 21.06.2021

Leider nicht zu Ende erzählt

Unter Wasser Nacht
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Zwei einst eng befreundete Ehepaare teilen sich einen Hof im Wendland, doch der Tod eines Sohnes hat einen tiefen Keil zwischen die ehemals starke Beziehung der vier Freunde geschlagen. Aaron ist vor einem ...

Zwei einst eng befreundete Ehepaare teilen sich einen Hof im Wendland, doch der Tod eines Sohnes hat einen tiefen Keil zwischen die ehemals starke Beziehung der vier Freunde geschlagen. Aaron ist vor einem Jahr unter ungeklärten Umständen in der Elbe ertrunken, und keiner möchte und kann so richtig an einen Tod durch Ertrinken glauben, denn er ist mit seiner Art bei vielen Menschen angeeckt. Und dann driften nicht nur die Nachbarn auseinander, sondern allmählich auch die Eltern des toten Kindes selbst. Als eine fremde Frau aus Dänemark auftaucht, tun sich zunehmend neue Rätsel auf und das einst idyllische Leben auf dem Hof wird von Grund auf umgewirbelt.

Ich bin hin und her gerissen. Es beginnt als ruhiges Buch über Entfremdung, Trauer und Trauma in einer toll ausgearbeiteten Atmosphäre. Verzweiflung vermischt sich mit einer gewissen Erleichterung, der Sohn war ja doch irgendwie ein 'Problemkind'.
Doch obwohl des sehr starken Anfangs hat mich zunehmend immer mehr gestört. Beginnend ab dem Erscheinen von Mara, einer scheinbar sehr (!) charismatischen Frau aus dem Freistaat Christiania, von der sich irgendwie alle auf einen Schlag abhängig machen. Der Vater des toten Jungen verliebt sich Hals über Kopf in diese interessante Frau und beginnt seine eigene Frau zu belügen und zu hintergehen, die sich aber offensichtlich nicht allzu daran stört. Währenddessen buhlen die beiden Frauen auf dem Hof sogar noch um die Freundschaft zu Mara und versinken in Eifersucht, wenn die andere dann mal kurzzeitig mehr beachtet wird. Dazu stehen die Frauen beinah stalkend ständig am Fenster und beobachten das Ein- und Ausgehen im Haus gegenüber. Es beginnt eine unerklärliche Rivalität, jeder auf dem Hof will irgendwie am meisten von Mara abbekommen. Und dann erzählt die Tochter der einen Familie der neuen Frau Dinge, die sie nicht mal ihrer Mutter anvertrauen wollte. Das Buch wurde ab der Hälfte für mich zunehmend unglaubwürdiger, die Dialoge und Charaktere konstruierter und nebenbei zu flach. Einige Fragen bleiben ungeklärt - warum lässt sich die Tochter jeden Abend von Aaron am Fluss verprügeln? Sie wehrt sich nicht, sucht sich keine Hilfe, trifft sich aber jeden Tag aufs Neue mit ihm. Für mich unsolide und nicht ganz zu Ende gedacht, warum sie so Abhängig von Aaron ist, ob sie vielleicht sogar erpresst wird. Letztendlich ein Buch mit anfangs guter Grundidee, doch meiner Meinung nach unbefriedigend ausgearbeitet, immer mehr vom Plot abdriftend und mit sehr kitschigem, nicht gänzlich unauserzähltem Ende.

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Veröffentlicht am 27.05.2021

Berührend

Halbmond über Heinde
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Aysha ist 15, als sie mit Bruder und Mutter aus Aleppo flieht. Doch als Einzige ihrer Familie erreicht sie Deutschland und wird von einer Pflegefamilie aufgenommen. Mit ihnen lebt sie fortan in einem alten ...

Aysha ist 15, als sie mit Bruder und Mutter aus Aleppo flieht. Doch als Einzige ihrer Familie erreicht sie Deutschland und wird von einer Pflegefamilie aufgenommen. Mit ihnen lebt sie fortan in einem alten Mühlhaus in einem kleinen Ort namens Heinde, wo sie versucht, in Deutschland anzukommen. Bald stolpert Aysha über eine düstere Legende über das Haus in dem sie wohnt und entdeckt starke Parallelen zu ihrem eigenen Leben. Doch während die Frau in der Legende von Räubern bedroht wird, sind Ayshas Feinde eine Gruppe Dorfrassisten.

Handlungsmäßig passiert wahnsinnig viel auf wenigen Seiten. Aysha erlebt während der Flucht schlimme Dinge, wird von ihrer Familie getrennt und muss sich nun allein in Deutschland zurechtfinden lernen. Sie beginnt mit dem Tagebuchschreiben und berichtet dem Leser aus dieser Sicht von ihren ersten Begegnungen mit Rassismus und Solidarität. Doch das Buch ist mit knapp 120 Seiten einfach zu kurz, um so viele Themen tiefgehend zu behandeln. Die Geschichte besteht zu großen Teilen aus Tagebucheinträgen, und dennoch bleibt Ayshas Person mir eher unnahbar. Trotzdem fand ich die Geschichte von Aysha angenehm zu lesen, denn sie kann exemplarisch für die vielen Einzelschicksale syrischer Flüchtlingsmädchen gelesen werden und ist doch ganz berührend für Zwischendurch.

Empfehlenswert vor allem für jene, die sich mit dem Thema Fluchterfahrung noch nicht beschäftigt haben. Ich kann mir das Buch tatsächlich ganz gut als Lektüre im Schulkontext vorstellen. Das Potential der Handlung wurde aber leider nicht ganz ausgeschöpft.

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