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Veröffentlicht am 10.02.2022

Sehr konstruiert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
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Die 77-jährige Judith Potts lebt allein in ihrem Herrenhaus, das sie von ihrer Tante geerbt hat, im kleinen Dorf Marlow. Sie ist Kreuzworträtsel-Autorin und liebt es, nackt im Fluss zu schwimmen und sich ...

Die 77-jährige Judith Potts lebt allein in ihrem Herrenhaus, das sie von ihrer Tante geerbt hat, im kleinen Dorf Marlow. Sie ist Kreuzworträtsel-Autorin und liebt es, nackt im Fluss zu schwimmen und sich den ein oder anderen Whisky zu genehmigen. Doch dann wird ihr beschauliches Leben durch den Mord an ihrem Nachbar durcheinandergebracht. Oder eigentlich eher aufgepeppt, denn Judith denkt gar nicht daran, zu warten, bis die Polizei den Fall gelöst hat. Sie nimmt die Ermittlungen lieber selbst in die Hand.

Robert Thorogood war mir bisher nur als Autor der erfolgreichen „Death in Paradise“-Reihe (die übrigens auch eine durchaus gelungene Umsetzung als TV-Serie besitzt) ein Begriff. Nun startet er mit „Mrs Potts‘ Mordclub und der tote Nachbar“ eine neue Reihe, die ganz im Stil von Miss Marple daherkommt. Die Geschichte wird aus der Sicht eines auktorialen Erzählers geschildert und bleibt die meiste Zeit über bei ihrer Protagonistin Judith. Im späteren Verlauf kommen jedoch auch deren neue Freundinnen, Hundesitterin Suzie, Pfarrersgattin Becks und Dectective Sergeant Tanika Malik zu Wort.

Ein englisches Dörfchen und eine ebenso neugierige wie resolute „Privatdetektivin“ - das sind leider auch schon die einzigen Parallelen zur Kultfigur Jane Marple. Judith Potts ist, um ehrlich zu sein, leicht nervtötend und stellt sich bei ihren Ermittlungen manchmal reichlich ungeschickt an. Ihre offensichtlichen Versuche, im Fall herumzuschnüffeln, werden daher auch schon bald von allen Beteiligten durchschaut. Dennoch ist sie die einzige, die zur Lösung des Falles beiträgt, alle Hinweise fallen ihr in den Schoß und alle wichtigen Schlussfolgerungen stammen von ihr.

Die arme Tanika rückt dabei nicht nur völlig in den Hintergrund, sondern heuert aus lauter Hilflosigkeit die drei Damen auch noch an, um den Fall überhaupt lösen zu können. Und eben diese Auflösung ist dann auch ein wenig hanebüchen und sehr konstruiert. Glänzen kann der Roman jedoch in den Momenten, wenn die drei neuen Freundinnen ihre Kräfte bündeln, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam Großartiges erreichen – davon in Zukunft gerne mehr.

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Veröffentlicht am 20.01.2022

Gutes Konzept, schwache Umsetzung

Ende in Sicht
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Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, ...

Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, um dort Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, landet die 15-jährige Juli vor ihr auf der Straße. Die will nämlich ebenfalls ihrem Leben ein Ende setzen und hat sich von der Autobahnbrücke gestürzt. Hella nimmt das Mädchen mit, um sie in ein Krankenhaus zu bringen und es entwickelt sich ein wahnwitziger Roadtrip.

„Ende in Sicht“ ist bereits der zweite Roman aus der Feder der Journalistin und Moderatorin Ronja von Rönne. Erzählt wird sowohl aus der Perspektive von Hella, als auch der von Juli – jeweils in der dritten Person und der Vergangenheitsform. Der Schreibstil ist von kurzen und prägnanten Sätzen geprägt, welche die Handlung gehetzt vorantreiben. Die beiden Protagonistinnen wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich: Hella, älter und eine ehemalige Berühmtheit. Juli, eine Schülerin wie viele andere auch. Doch als sich die beiden endlich einander öffnen, werden Gemeinsamkeiten sichtbar – beide sind auf ihre Art sehr einsam, haben eine „abwesende“ Mutter und das Leben satt.

Die Prämisse des Romans klang für mich sehr spannend und hat mich sofort angesprochen, doch leider konnte die Umsetzung nicht ganz mithalten. Es fällt schwer, einen Bezug zu den Figuren aufzubauen. Hella hat einige Charakterzüge und Handlungsweisen an sich, die sie nicht unbedingt sympathisch machen, Julis Leid hingegen bleibt bis zum Ende nur schwer greifbar. Ronja von Rönne beschreibt zwar die Depression ihrer Protagonistin, emotional erreicht mich das Ganze jedoch nicht.

Hinzu kommt, dass einige Teile der Handlung nicht ganz glaubwürdig sind. Wer würde ein junges Mädchen, das offensichtlich gerade von einer Brücke gesprungen ist, einfach so wieder aus der Notaufnahme marschieren lassen? Und auch Hellas Kontaktaufnahme mit der Sterbehilfeorganisation wirkt nicht besonders realistisch. Spontan fallen mir einige Romane ein, die das, was die Autorin vorhatte, so viel besser machen, schade!

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Veröffentlicht am 13.01.2022

Absturz in den Wahnsinn

Der fürsorgliche Mr. Cave
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Der Antiquitätenhändler Terence Cave fühlt sich verflucht. Bereits zwei nahe Angehörige hat er durch unnatürliche Todesfälle verloren und dann stirbt auch noch sein 15-jähriger Sohn Reuben bei einer Mutprobe. ...

Der Antiquitätenhändler Terence Cave fühlt sich verflucht. Bereits zwei nahe Angehörige hat er durch unnatürliche Todesfälle verloren und dann stirbt auch noch sein 15-jähriger Sohn Reuben bei einer Mutprobe. Cave bleibt zurück, als alleinerziehender Vater von Reubens Zwillingsschwester Bryony und ihm ist eines klar: seine Tochter muss um jeden Preis beschützt werden. Was mit einer guten und verständlichen Intention beginnt, nimmt bald jedoch wahnhafte Züge an und selbst Terences Schwiegermutter Cynthia kann das drohende Unheil nicht mehr abwenden.

Nach dem „Comfort Book“ und der „Mitternachtsbibliothek“ ist „Der fürsorgliche Mr. Cave“ mein dritter Roman von Matt Haig. Erzählt wird aus der Perspektive des Protagonisten Terence in der Vergangenheits- und Ichform und zwar in einem Brief, den er rückblickend für seine Tochter schreibt. Als Leser*innen befinden wir uns also die meiste Zeit im Kopf des Antiquitätenhändlers – und das ist wirklich nicht angenehm. Nur einmal wechselt das Geschehen kurz in die Außensicht, um eine zentrale Stelle zu schildern; dieser Kunstgriff ist dem Autor gut gelungen.

Abgesehen davon muss ich leider sagen, dass ich mir eine etwas andere Art von Geschichte erwartet hatte; eine, die sich mehr mit dem Prozess des Trauerns und der gesamten Familie auseinandersetzt. Was aber letztendlich erzählt wird, ist Terences langsamer Abstieg in den Wahnsinn. Natürlich ist auch das auf eine gewisse Art nur eine Form dessen, was Verlust mit uns macht, aber eben in seiner extremsten Weise. Mr. Craves Gedanken zu folgen, ist stellenweise wirklich unangenehm. Das kann ich zwar durchaus als literarisch gut umgesetzt anerkennen, aber eine Beziehung lässt sich so zu den Charakteren nur schwer aufbauen. Terence selbst ist völlig verblendet, weshalb wir Tochter Bryony auch nicht objektiv wahrnehmen können. Cynthia ist zwar eine stärkere Figur, kommt aber nur selten zu Wort.

Schade finde ich auch, dass wieder einmal der deutsche Titel nicht die Kraft und Bedeutung des Originals hat. Dieser lautet „The Possession of Mr Cave“ und trägt einen doppelten Sinn in sich: Einmal die Tatsache, dass Terence Bryony behandelt, als sei sie sein persönlicher Besitz. Und auf der anderen Seite fühlt er sich wörtlich, als habe Reubens Geist von ihm Besitz ergriffen. Der deutsche Titel hingegen birgt ein Versprechen, das die Handlung nicht einlösen kann.

Hat mir das Buch gefallen? Nur teilweise. Werde ich die Bücher des Autors weiterhin lesen, weil ich seinen Kampf für die Akzeptanz von Depressionen und psychischer Krankheiten im Allgemeinen unterstützenswert finde? Auf jeden Fall.

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Veröffentlicht am 22.11.2021

Zu wenig Tiefe

Liebe in Zeiten des Hasses
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Um eines schon vorwegzunehmen: Ich befürchte, ich kann mich den uneingeschränkten Lobeshymnen zu „Liebe in Zeiten des Hasses“ leider nicht anschließen. Grundsätzlich ist die Prämisse des Buches natürlich ...

Um eines schon vorwegzunehmen: Ich befürchte, ich kann mich den uneingeschränkten Lobeshymnen zu „Liebe in Zeiten des Hasses“ leider nicht anschließen. Grundsätzlich ist die Prämisse des Buches natürlich sehr spannend: Erzählt wird die Geschichte eines Jahrzehnts, nämlich zwischen den Jahren 1929 und 1939, wobei der Fokus dabei auf der Liebe liegt. Oder sollte ich besser sagen: auf zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem körperlicher Art? Aber dazu später mehr.

Der Text ist in drei große Abschnitte aufgeteilt, „Davor“, „1933“ und „Danach“ und auch inhaltlich läuft alles klimaktisch auf die Machtergreifung Hitlers zu. Und hier stelle ich mir zum ersten Mal die Frage, wie der Autor seine Auswahl derjenigen Paare getroffen hat, die im Buch näher beleuchtet werden. Denn neben Personen, die durch die Nationalsozialisten verfolgt wurden, spielen auch solche eine Rolle, an denen das Geschehen völlig vorbeizugehen scheint. Überhaupt verweilt der Autor bei jedem Paar (oder Trio, oder Quartett…) nur wenige Zeilen oder Seiten und springt dann zum nächsten. Auf diese Weise erfährt man als Leser*in zwar Grundlegendes über viele berühmte Personen, aber kaum etwas geht in die Tiefe.

Zudem scheint der Titel zwar griffig, aber im Prinzip zählt das Buch nur auf, wer zu welcher Zeit mit wem geschlafen hat (positiv dabei: es geht immerhin nicht nur um Heterosexualität) – von der großen Liebe ist da nur selten die Rede. Das mag durchaus den Tatsachen entsprechen und natürlich liefert es auch ein gewisses Bild des Jahrzehnts ab, aber vor den Gräueltaten der Nazis treten viele Bettgeschichten, meines Erachtens, dann doch ins Unbedeutsame zurück.

Was das Buch schafft: einen Überblick über berühmte Personen des Jahrzehnts und ihre Verstrickungen; es macht neugierig, in so manchem Fall näher nachzuforschen.

Was das Buch nicht schafft: den jeweiligen Personen Tiefe zu verleihen. Wer sich mit näher mit einem der Lebensläufe befasst hat, wird feststellen, dass hier auch nur die landläufige Meinung wiedergegeben wird. Aber vermutlich ist das bei so vielen unterschiedlichen Menschen auch nicht anders zu erwarten.

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Veröffentlicht am 15.09.2021

Netter Trilogieauftakt

Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann
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Auf einer Party trifft der 18-jährige Quinn ein mysteriöses Mädchen; als er sie vor zwei Männern retten will, wird er dabei von gruseligen Wesen verfolgt und von einem Auto erfasst. Nach einer Zeit im ...

Auf einer Party trifft der 18-jährige Quinn ein mysteriöses Mädchen; als er sie vor zwei Männern retten will, wird er dabei von gruseligen Wesen verfolgt und von einem Auto erfasst. Nach einer Zeit im Koma darf er das Krankenhaus verlassen, muss aber einen Rollstuhl benutzen. Von da an behandeln alle ihn seltsam, vor allem sein bester Freund Lukas ist in seiner Gegenwart immerzu verlegen. Nur Matilda ist bereit, sich um Quinn zu kümmern und wird von dessen Mutter sofort als Gesellschaft engagiert, dabei stammt sie aus der streng katholischen, verhassten Nachbarsfamilie. Gemeinsam kommen die beiden den geheimnisvollen Vorkommnissen auf die Spur.

„Vergissmeinnicht“ ist das neuste Jugendbuch von Kerstin Gier und der erste Band einer Trilogie. Die Handlung wird abwechselnd aus Quinns und Matildas Perspektive erzählt, was das Geschehen von beiden Seiten beleuchtet. Dass die Autorin eingängig und humorvoll zu schreiben weiß, hat sie in der Vergangenheit ausgiebig bewiesen und auch dieses Buch ist keine Ausnahme. Was die beiden Protagonisten betrifft, war mir vor allem Matilda sympathisch. Sie wächst in einer sehr religiösen Familie auf, die sie in ihrer Freiheit und Persönlichkeit stark einschränkt. In Quinn ist sie schon seit Jahren verliebt.

Und nun zu einem der Schwachpunkte des Romans: Quinn ist (zumindest zu Beginn des Romans) unglaublich arrogant und im Prinzip ein Mobber. Für Matilda hatte er bisher nichts als Spott übrig, obwohl er sie nicht einmal von ihrer Cousine unterscheiden kann. Der Unfall führt zu einer neuen Sicht auf die Dinge, aber ich weiß nicht, ob ich ihm diese Läuterung abnehmen soll, denn eine Beziehung zu Matilda baut er ursprünglich nur auf, weil sie als einzige in sein Geheimnis eingeweiht ist.

Die Fantasykomponente des Romans ist nicht unbedingt neu. Ein Junge erfährt, dass sein Vater nicht der ist, für den er ihn gehalten hat und dass etwas an ihm besonders ist. Natürlich gibt es da auch eine Prophezeiung und eine bunte Zusammenstellung der üblichen Phantasiewesen. Dennoch gelingt es der Autorin, dass ich die Trilogie weiterlesen möchte – das beherrscht sie einfach!

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