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Veröffentlicht am 21.09.2021

Glasröhrchen gegen Wassergeister

Der Himmel vor hundert Jahren
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Der Himmel vor hundert Jahren – Yulia Marfutova

Longlist Deutscher Buchpreis 2021

Die Autorin entführt in diesem recht kurzen Roman in eine vollkommen eigene Welt. Es ist ein kleines russisches Dorf, ...

Der Himmel vor hundert Jahren – Yulia Marfutova

Longlist Deutscher Buchpreis 2021

Die Autorin entführt in diesem recht kurzen Roman in eine vollkommen eigene Welt. Es ist ein kleines russisches Dorf, etwa um 1918, das völlig abgeschieden liegt. Schon seit längerem, mutmaßt man, sollte doch wohl der letzte Krieg zu Ende sein. Doch bisher ist noch keiner der Männer wieder zurückgekehrt. Sowieso verlässt man sich hier lieber auf die Weissagungen eines Glasröhrchens, den Aberglauben und alte Ikonen.

Die Figuren könnten schrulliger kaum sein. Der alte Ilja, der ganz auf sein Glasröhrchen vertraut. Der ebenfalls alte Pjotr, der sich lieber am Fluss aufhält und mit den Wassergeistern spricht. Iljas Frau Inna, der ein Messer runterfällt – ganz klar, das heißt, ein Fremder kommt ins Dorf. Tatsächlich kommen Fremde von der anderen Seite des Flusses – was die wohl wollen?

Unterstützt werden diese Sonderlichkeiten des Personals von der recht speziellen Sprache. Stakkatoartig, beinahe abgehakt erzählt die Autorin in einem Ton, der direkt von diesen weltfremden, einfachen Leuten kommen könnte. Es ist schon eine Art Kunst, Sprache derart zu vereinfachen und sich quasi so sehr in die Figuren hineinzuversetzen. Dabei nimmt die Erzählstimme eine gefühlte Position oberhalb des Dorfes ein. Abwechselnd beleuchtet sie einzelne Protagonisten und scheint allwissend zu sein – mit einem liebevoll zwinkernden Auge.

Allzuviel passiert eigentlich gar nicht in dieser Geschichte. Es ist die Beschreibung dieses irgendwie aus der Welt gefallenen Dorfes und seiner Bewohner. Man nimmt das Leben hin, wie es kommt und interessiert sich eigentlich gar nicht weiter dafür, was außerhalb alles an Weltgeschichte passiert. Trotzdem ist es ein wichtiger Moment im Leben dieses Ortes. Denn etwas drängt von außen herein. Man ist gezwungen über den Tellerrand zu schauen, etwas verändert sich. Plötzlich ist es nicht mehr möglich, die Augen zu verschließen. Mit einer unglaublichen Naivität und guten Portion Aberglaube sind die Figuren dieses Romans ausgestattet. Wie könnten sie auch anders sein in ihrer Abgeschiedenheit?

Kurze Kapitel, wortkarge Charaktere. Ein ahnungsloses Dorf inmitten eines Sturms der Weltgeschichte – dem Untergang des Zarenreiches. Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen. Es sind auch nur knapp 200 Seiten. Am Ende muss ich aber auch sagen, dass das genug ist von diesem doch recht anstrengenden Schreibstil. Auf interessante Art und Weise anstrengend. Deshalb von mir 4 Sterne.

 

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Veröffentlicht am 18.09.2021

Nett

Das Herz, das für dich schlägt
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Ein leichter Liebesroman mit trotzdem durchaus sehr ernsten Themen.
Lisa lernt Tom über ein Datingportal kennen. Die beiden verstehen sich sofort blendend, nur will Tom partout kein Treffen mit Lisa. Was ...

Ein leichter Liebesroman mit trotzdem durchaus sehr ernsten Themen.
Lisa lernt Tom über ein Datingportal kennen. Die beiden verstehen sich sofort blendend, nur will Tom partout kein Treffen mit Lisa. Was ist nur mit ihm los? Diese Auflösung bzw. Spannung bis dahin zieht sich über beinahe das komplette Buch. Das heißt für den Leser, dass es viele Chat-Verläufe zu lesen gibt. Daran sollte man sich also nicht stören. Ansonsten mochte ich diesen Roman sehr gerne und war über längere Zeit absolut gefesselt. Lisas Reaktionen und der Handlungsverlauf im Allgemeinen würde sicherlich des Öfteren eine Plausibilitätskontrolle nicht bestehen. Wenn man darüber hinwegsehen kann - alles gut. Eine nette Geschichte fürs Herz.
Der spritzige Humor hat mir sehr gut gefallen, ich musste öfters laut auflachen. Tom scheint fast zu perfekt zu sein und Lisa ist sympathisch und hat Mumm.
Ich schwanke etwas zwischen 3 und 4 Sternen - möchte dann aber doch wohlwollende 4 Sterne vergeben.

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Veröffentlicht am 11.09.2021

April und Storm

April & Storm - Stärker als die Nacht
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April and Storm – Stärker als die Nacht
Eine wunderbare Liebesgeschichte um April, die gerade eine schwere Erkrankung überstanden hat und Storm, dessen Gesicht von Narben entstellt ist und der ein schweres ...

April and Storm – Stärker als die Nacht
Eine wunderbare Liebesgeschichte um April, die gerade eine schwere Erkrankung überstanden hat und Storm, dessen Gesicht von Narben entstellt ist und der ein schweres Geheimnis mit sich herumschlägt.
April braucht dringend einen Mitbewohner und lässt ausgerechnet den geheimnisvollen Storm bei sich einziehen. Sofort fliegen die Fetzen, allerdings auch die Funken. Beide tragen große Päckchen mit sich herum und tun sich schwer damit, ihren Gefühlen nachzugeben.
Sprachlich fand ich den Roman angemessen, die Story berührend und fesselnd. Bis zur letzten Seite war mir allerdings nicht klar, dass es sich hierbei um den Auftakt einer Trilogie handelt – somit endet dieser Teil mit einem fiesen Cliffhanger….. tja, ein Grund, die Autorin im Auge zu behalten.
Hat mir insgesamt gut gefallen – 4 Sterne

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Veröffentlicht am 11.09.2021

Hoch über dem Meer

Die Leuchtturmwärter
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Die Leuchtturmwärter – Emma Stonex
Bisher hab ich mich tatsächlich noch nie genauer mit Leuchttürmen oder dem Beruf des Leuchtturmwärters auseinandergesetzt. Emma Stonex hat sich hier vom spurlosen Verschwinden ...

Die Leuchtturmwärter – Emma Stonex
Bisher hab ich mich tatsächlich noch nie genauer mit Leuchttürmen oder dem Beruf des Leuchtturmwärters auseinandergesetzt. Emma Stonex hat sich hier vom spurlosen Verschwinden dreier Leuchtturmwärter im Jahr 1900 inspirieren lassen. Sie verlegt die Geschichte ins Jahr 1972 vor die Küste von Lands End und macht einen spannenden, stimmungsvollen Roman daraus.
Vor der Küste Cornwalls verschwinden kurz nach Weihnachten drei Leuchtturmwärter – Arthur, Bill und Vincent. Die schwere Tür des Leuchtturms ins von innen verriegelt, die Uhren sind stehengeblieben – was ist passiert? Ein Handlungsstrang begleitet direkt die Leuchtturmwärter, der zweite spielt zwanzig Jahre später. Die drei Frauen der verschwundenen Männer hadern nach wie vor mit den Geschehnissen, haben kaum in ein normales Leben zurückgefunden.
Emma Stonex taucht tief ein in das Leben der Leuchtturmwärter. Die Einsamkeit, das Enge Zusammenleben dreier Männer, die Sehnsucht nach der Familie. Es ist sehr eindringlich und detailliert beschrieben. Auch die Auswirkungen langer Aufenthalte auf dem Leuchtturm. Es ist ein entbehrungsreiches Leben im Turm, man muss mit Einsamkeit gut zurechtkommen.
Zuhause die Frauen, die auch zwanzig Jahre später nicht abschließen können, mit den Geschehnissen. Die Handlungsstränge greifen ineinander. Die Männer verhalten sich zu Hause komplett anders als auf dem Turm, scheinen geradezu dorthin fliehen zu wollen. Vor unglücklichen Ehen, vor der Vergangenheit.
Im weiteren Verlauf kommen immer mehr kleine oder größere Geheimnisse ans Tageslicht, die immer wieder ganz neue Sichtweisen eröffnen.
Eine ganz große Rolle spielt immer wieder das Meer. Die Beschreibungen sind bildgewaltig und wunderschön. In erster Linie wird es unberechenbar dargestellt, wild, gefährlich. Jeder der Männer hat eine ganz eigene Beziehung zum Meer und seine Gründe, diesen Beruf gewählt zu haben.
Diesen besonderen Roman habe ich sehr gerne gelesen. Eine spannende und atmosphärische Geschichte, die mich gefesselt hat.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 11.09.2021

Im Schnee

Reise durch ein fremdes Land
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Reise durch ein fremdes Land – David Park
So fremd ist dieses Land gar nicht, das der Protagonist Tom in diesem Roman durchquert. Es ist seine Heimat Großbritannien. Ein Wintereinbruch kurz vor Weihnachten ...

Reise durch ein fremdes Land – David Park
So fremd ist dieses Land gar nicht, das der Protagonist Tom in diesem Roman durchquert. Es ist seine Heimat Großbritannien. Ein Wintereinbruch kurz vor Weihnachten macht die Landschaft fremd für ihn. Er ist unterwegs um seinen Sohn Luke nach Hause zu holen, der krank in seinem Studentenzimmer liegt.
Tatsächlich begleiten wir Tom ausschließlich auf seiner einsamen, stundenlangen Autofahrt durch die Winterlandschaft. Sonst passiert eigentlich nichts. Dieser komplette Roman beschäftigt sich mit Toms Gedanken und Erinnerungen, was doch ziemlich interessant ist, denn da ist noch etwas, das in Tom gärt, von dem man aber lange Zeit nicht genau weiß, was es ist.
Anfangs wirkt es geradezu verbissen, übertrieben, diese Motivation bei Wind und Wetter viele Kilometer zurückzulegen, um diesen Sohn nach Hause zu holen. Nach und nach erfährt man, dass da noch mehr ist. Tom hat etwas gutzumachen, denn da ist noch ein weiterer Sohn und eine große Schuld. Tatsächlich erfährt der Leser erst bei der Hälfte des Buches, was denn eigentlich passiert ist.
Obwohl das Ziel ganz genau feststeht, gleicht diese Fahrt einer Irrfahrt (der Erinnerungen und Gefühle). Als Fotograph hat Tom einen besonderen Blick auf Dinge, auf Menschen. Auch zu den Erinnerungen gibt es jeweils ein Foto. Eines hat er ganz weit in den Tiefen seiner Kamera versteckt. Ihm will er sich nähern auf dieser Fahrt.
Es ist ein sehr leises, nachdenkliches Buch. Obwohl es ganz wunderbar geschrieben ist, mit tollen poetischen Gedanken, hat es doch auch seine Längen. Teilweise wirkt es etwas einschläfernd, dennoch hat es eine besondere, intensive Atmosphäre.
Ich tat mich Anfangs etwas schwer in die Geschichte zu kommen, zu viele nebulöse Andeutungen. Sobald sich der Nebel etwas lichtete, mochte ich es aber sehr.
4 Sterne!

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