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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2021

Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen

Dummheit
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„Dummheit begegnet uns in vielerlei Form – doch woran kann man sie erkennen?“

Heidi Kastner, in ihrem Brotberuf, Psychiaterin und Sachverständige bei Gericht, die schon zahlreiche Schwerverbrecher auf ...

„Dummheit begegnet uns in vielerlei Form – doch woran kann man sie erkennen?“

Heidi Kastner, in ihrem Brotberuf, Psychiaterin und Sachverständige bei Gericht, die schon zahlreiche Schwerverbrecher auf ihren Geisteszustand untersucht hat, widmet sich diesmal der Dummheit.

Wie schon Paracelsus sagte, ist gegen die Dummheit kein Kraut gewachsen. Selbst integre und intelligente Menschen neigen manchmal dazu, die eine oder andere Dummheit zu begehen, d.h. eine Handlung zu setzen, die bei näherer Betrachtung purer Unsinn ist.

Doch was treibt die Menschen an, sich dennoch dumm zu verhalten? Sind es die Querulanten, die Verschwörungstheoretiker oder die Denkfaulen? Oder kann es jeden oder jede treffen, eine dumme Aktion zu setzen? Wenn es um einen schnellen, hohen Gewinn geht, fallen auch Hochbegabte auf Betrüger herein.

Kann man Dummheit messen oder nur die Intelligenz? In einem Kapitel geht Heidi Kastner der in Zahlen gegossenen Intelligenz nach.

Was sie leider (oder Gott sei dank) nicht anbieten kann, sind Lösungen. Hier zitiert sie Albert Einstein, der meint, dass die Dummheit noch sicherer unendlich als das Universum ist.

Allerdings keimt ein wenig Hoffnung auf, wenn sie auf S. 93 schreibt, dass Donald Trump nicht nur gewählt, sondern auch wieder abgewählt worden ist.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Wie das saubere Wassern nach Wien kam

Walzer in Zeiten der Cholera. Eine Seuche verändert die Welt
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Der Wiener Journalist Alexander Bartl hat mir mit diesem Sachbuch große Freude bereitet. Als historisch interessierte Wienerin lese ich gerne Bücher aus der Geschichte Wiens. Dabei muss es nicht unbedingt ...

Der Wiener Journalist Alexander Bartl hat mir mit diesem Sachbuch große Freude bereitet. Als historisch interessierte Wienerin lese ich gerne Bücher aus der Geschichte Wiens. Dabei muss es nicht unbedingt um zuckersüße Walzerseligkeit oder die Welt der Adeligen gehen, sondern darf auch das Wien der Bürger, Handwerker und der einfachen Leute vorkommen.

Das Thema hier: eine Seuche, die durch verunreinigtes Trinkwasser hervorgerufen wird (was man damals noch nicht weiß), betrifft alt und jung, arm oder reich. Auch wenn die Vermögenden durch Latifundien außerhalb Wiens bessergestellt sind, so macht die Cholera vor niemandem Halt.

Alexander Bartl versteht es großartig, die für manchen Leser trocken erscheinende Geschichte der Verbesserung der Trinkwasserqualität darzustellen. So lesen wir von enervierenden Gemeinderatssitzungen, dem ewigen Gezänk um die Finanzierung dieses Großprojektes und lernen einige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts kennen, der Namen uns heute als Straßenbezeichnungen geläufig sind.

Doch bevor es noch zur Errichtung der Hochquellenwasserleitung geht, müssen wir uns mit der Ausbreitung der Cholera beschäftigen. Hier wird der geneigte Leser die eine oder andere Parallele zu heute wiedererkennen, wenn es darum geht, eine Pandemie kleinzureden.

Worauf Alexander Bartl nur kurz hinweist, ist das zweite Großprojekt dieser Zeit: die Donau-Regulierung. Auch sie hat zahlreiche Befürworter bzw. Gegner, ist allerdings wegen der Schiffbarkeit der Donau von überregionaler Bedeutung, sodass hier eher die Ministerien als die Stadt Wien federführend sind. Aber, dieses Bauvorhaben wäre wohl ein anderes Buch wert.

Als die Hochquellenwasserleitung mit dem Hochstrahlbrunnen im Oktober des Jahres 1873 endlich in Betrieb geht, neigt sich ein Jahr mit Höhen und Tiefen dem Ende zu. Zum einem hat die Wiener Weltausstellung mit einem Verlust von 14 Millionen Gulden nicht annähernd den Erfolg gehabt, den Initiator Wilhelm Freiherr von Schwarz-Senborn den Stadtväter versprochen hat und zum anderen ist die Cholera wieder aufgeflammt und hat Tausende Todesopfer, darunter auch Besucher der Weltausstellung gefordert, was der Veranstaltung nicht sonderlich gutgetan hat. Über diese Weltausstellung können wir ebenfalls einige sehr interessante Details nachlesen.

Wir sind mitten in der Gründerzeit. Jeder will ein Stück vom Kuchen und schnell und (möglichst) ohne harte Arbeit reich werden. Doch dann reißt der Börsenkrach vom 9. Mai 1873 die Monarchie beinahe in den Abgrund. Die Spekulationsblase platzt und stürzt zahlreiche Unternehmen in die Pleite.

Meine Meinung:

Obwohl dieses Buch ein Sachbuch ist, liest es sich locker und flüssig. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Ich konnte die Debatten, die Streitereien während der Gemeinderatssitzungen im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße förmlich hören.

Wie der Autor in seinem Nachwort erklärt, gehört eine penible Recherche zum Gelingen eines solchen Werkes unbedingt dazu. Ich hätte mir hier noch ein Verzeichnis der verwendeten Sekundärliteratur gewünscht. Die zahlreichen Abbildungen lockern das Buch auf.

Die Wiener Bevölkerung ist sich des Schatzes „Hochquellenwasserleitung“ oft gar nicht mehr bewusst. Man dreht am Wasserhahn und das saubere Nass fließt heraus. Vielleicht sollten wir ein wenig innehalten und die Kostbarkeit bewusst genießen sowie den Pionieren Eduard Suess und Cajetan Felder Respekt zollen.

Fazit:

Wer Interesse an der Geschichte Wiens im 19. Jahrhundert hat, die mit feiner Sprache erzählt wird, dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Ein berührender biografischer Roman

Kukum
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Michel Jean, Nachfahre eines ehemals nomadischen Stammes der Innu, wie die indigenen Völker Kanadas genannt werden, erzählt die Geschichte seiner Urgroßmutter Almanda Siméon. Almanda, eine Waise wird von ...

Michel Jean, Nachfahre eines ehemals nomadischen Stammes der Innu, wie die indigenen Völker Kanadas genannt werden, erzählt die Geschichte seiner Urgroßmutter Almanda Siméon. Almanda, eine Waise wird von Tante und Onkel aufgezogen und verliebt sich mit fünfzehn Jahren in den nur wenig älteren Innu Thomas Siménon. Sie heiraten und Almanda lebt fortan mit Thomas‘ Stamm. Es ist nicht leicht für Almanda, sich den Sitten und Bräuchen unterzuordnen. Sie bekommen insegsamt neun Kinder und müssen erleben, wie die nomadische Lebensweise immer stärker eingeschränkt wird.
Letzten Endes wird der Stamm zur Sesshaftigkeit gezwungen. Schonungslos beschreibt Michel Jean wie das nunmehrige Leben von Hoffnungslosigkeit, Gewalt, Drogen und ohne jede Zukunftsperspektive abläuft.

Als mehrere Kinder durch Autos, die durch die Siedlung ohne Bürgersteige rasen, getötet werden, fasst sich Almanda ein Herz und reist nach Quebec, um dem Premierminister ins Gewissen zu reden. Immerhin, die Siedlung erhält Bürgersteige.

Fazit:

Mit diesem biografischen Roman hält Autor Michel Jean die Erinnerung an die kanadischen Ureinwohner in Ehren. Bei seinen Recherchen hat er das Geheimnis um die Herkunft seiner Urgroßmutter gelüftet: Sie ist 1895 mit einem Auswandererschiff aus Irland nach Kanada, ins vermeintlich gelobte Land gekommen. Gerne gebe ich für diese berührende Geschichte 5 Sterne.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Hat mir spannende Lesestunden beschert

Der Traumpalast
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Peter Prange, Autor zahlreicher historischer Romane, hat sich diesmal mit der deutschen Filmindustrie der 1920er Jahre beschäftigt. Vor allem die UFA, die sich aus dem Bufa (Bild- und Filmamt), das 1917 ...

Peter Prange, Autor zahlreicher historischer Romane, hat sich diesmal mit der deutschen Filmindustrie der 1920er Jahre beschäftigt. Vor allem die UFA, die sich aus dem Bufa (Bild- und Filmamt), das 1917 von der Obersten Heeresleitung ins Leben gerufen worden ist, der kriegsmüde Bevölkerung neuen Verzicht und Enthusiasmus für den Krieg aufzuerlegen, bildet die Rahmenhand des Romans.

Geschickt verknüpft der Autor die Liebesgeschichte des Konstantin „Tino“ Reichenberg, Bankierssohn und Lebemann, und der Rahel Rosenberg, Tochter eines jüdischen Uniformschneiders, mit der Weltgeschichte. Rahel will keinen Ehemann, sondern selbstständig als Reporterin arbeiten, scheitert aber an den Bedingungen der Zeit.

Dieser Roman ist vor allem ein Kaleidoskop der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die überwiegende Anzahl des auftretenden Personals sind historische Personen, auch wenn vielleicht nicht alle, wie Graf Arco, Ferdinand Sauerbruch oder General Ludendorff gleichermaßen bekannt sind. Es gibt ein Wiedersehen mit Filmgrößen wie Fritz Lang, Thea von Harbou oder dem Ehepaar Pommer.

Genial ist das aufstrebende Filmgeschehen beschrieben. Von Gier um Macht und Einfluss, von persönlichen Eitelkeiten, Finanzierungsproblemen, Pannen und Pleiten sowie von grandiosen Erfolgen.

Nebenbei erhalten die Leser, wie wir es von Peter Prange gewöhnt sind, höchst subtil und unterschwellig Geschichtsunterricht. Denn über die „Organisation Consul“ wissen bestimmt nur wenige Leser Bescheid. Diese Gruppe spielt hier eine große Rolle. Ich bin schon gespannt, wie die weitere Entwicklung in nächsten Teil des Romans dargestellt wird.

Pranges Schreibstil ist fesselnd, sodass die mehr als 800 Seiten schnell gelesen werden können. Die Menschen reden, wie es in den 1920er Jahren üblich ist. In seinem Nachwort weist Peter Prange darauf, dass er, um den Zeitgeist und seine Figuren authentisch dazustellen, auf die heute so pingelig eingehaltene politisch korrekte Schreibweise verzichtet hat. Alles andere wäre unprofessionell.

Fazit:

Ein typischer historischer Roman von Peter Prange: Spannend, vielfältig, lehrreich, unterhaltsam, interessant und mehr als 800 Seiten stark. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und warte auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 24.10.2021

Hat mich bestens unterhalten

Mord auf dem Eis
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In ihrem sechsten Kriminalfall dürfen sich Ernestine Kirsch und Anton Böck auf Eis begeben. Während Antons Enkelin Unterricht im Eisschnelllauf erhält, frönen Ernestine (mehr) und Anton (etwas weniger) ...

In ihrem sechsten Kriminalfall dürfen sich Ernestine Kirsch und Anton Böck auf Eis begeben. Während Antons Enkelin Unterricht im Eisschnelllauf erhält, frönen Ernestine (mehr) und Anton (etwas weniger) dem Rundtanz auf dem Wiener Eislaufverein. Das winterliche Vergnügen, das jedes Mal einen Einkehrschwung in der Kantine des Eislaufvereins beinhaltet, findet ein jähes Ende, als eine der Eiskunstläuferinnen in ihrer Garderobe ermordet wird. Die junge Frau hat sich zugegebenermaßen jede Menge Feinde gemacht, denn sie ist wenig zimperlich, wenn es um ihre eigenen Interessen, wie gute Trainingsstunden geht.

Mit der Aufklärung des Verbrechens ist wieder Erich Felsberg betraut, der noch-nicht-ganz-Schwiegersohn von Anton. Eigentlich will Erich ja nicht, dass Ernestine und Anton ihre Nasen in den Kriminalfall stecken, doch dieses Mal ist er sehr froh, dass die beiden ihn unterstützen. Seine berufliche Laufbahn ist durch einen Kollegen, der ständig antisemitische Witze reißt und möglicherweise sein Vorgesetzter werden könnte, gefährdet. So fügt sich Erich ins Unvermeidliche und lässt sich Ernestine und Anton helfen.

Meine Meinung:

Beate Maly hat die Stimmung im Wien von 1924 sehr gut eingefangen. Auf der einen Seite gehen zahlreiche Menschen ihren Vergnügungen nach. Auf der anderen leben nach wie vor viele Familien in Not und Elend. Der in Wien latent vorhandene Antisemitismus hebt sein Haupt und das bekommt Erich Felsberg deutlich zu spüren. Oder dass ein alter Mann lieber in einer feuchten Bruchbude wohnt, als der sozialistischen Partei beizutreten, die er als „verjudet“ bezeichnet, um eine Gemeindewohnung zu erhalten.

Neben dem kriminalistischen Spürsinn wagen Ernestine und Anton ein Experiment: Das ehemalige Kutscherhäuschen soll renoviert werden und als gemeinsame Wohnung dienen. Obwohl sich beide auf mehr gemeinsame Stunden freuen, ist es vor allem Ernestine, die Bedenken hat. Wird sie ihre Freiheit aufgeben müssen?

Beate Maly hat wie immer penibel recherchiert und so dürfen in das Wien von 1924 eintauchen. Wir besuchen das „Carl-Theater“ in der Praterstraße. Leider wurde dieses, von Eduard van der Nüll und August von Sicard-Sicardsburg (Ja, genau, den Architekten der Wiener Staatsoper), 1944 von Bomben schwer getroffen und zerstört. An seiner Stelle steht nun der „Galaxy-Tower“, einer der zahlreichen gesichtslosen Bürotürme Wiens.

Der Schreibstil ist flüssig und eingängig. Neben der Krimihandlung enthält das Buch auch einige ernste Töne. Denn neben dem aufkeimenden Antisemitismus kommt auch das Elend, dem vergewaltigte Frauen und ledige Mütter ausgesetzt sind, zur Sprache. Nicht immer lässt sich alles mit Geld kaschieren.

Besonders loben möchte ich das gelungene Cover, das stimmig zur Zeit und zur gesamten Reihe passt. Es ist optisch und haptisch sehr ansprechend und hat einen hohen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Ein gelungener 6. Kriminalfall, den Ernestine und Anton bravourös lösen. Gerne gebe ich hier wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung.