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Veröffentlicht am 07.11.2021

Es war einmal ein Baum

Das Gedächtnis des Baumes
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„Das Gedächtnis des Baumes“ von Tina Vallès erzählt von einem Großvater mit Demenz, dessen Schicksal zu einer Familiengeschichte wird.
Das Cover zeigt den Ausschnitt eines menschlichen Gesichts. Zu erkennen ...

„Das Gedächtnis des Baumes“ von Tina Vallès erzählt von einem Großvater mit Demenz, dessen Schicksal zu einer Familiengeschichte wird.
Das Cover zeigt den Ausschnitt eines menschlichen Gesichts. Zu erkennen sind ein Auge mit buschiger Augenbraue, Nase und ganz viele Falten: ein alter Mann. Zwischen Bild und Titel besteht eine gewisse Ähnlichkeit.
Jan freut sich, dass seine Großeltern bei ihm und seinen Eltern einziehen. Sein Opa begleitet ihn jeden Tag auf seinem Schulweg. Es sind die Bäume, zu denen der Großvater eine besondere Zuneigung empfindet und die häufig zum Gesprächsthema zwischen ihm und seinem Enkel werden. Dabei taucht immer wieder eine Trauerweide auf, deren Geschichte der Opa verspricht, sie Jan irgendwann zu erzählen. Jan ist glücklich über die Zeit, die er mit seinem Opa verbringen darf, wartet neugierig auf die Geschichte der Trauerweide und bemerkt erst ganz allmählich die Veränderungen an seinem Opa.
Ich finde den Aufbau der Geschichte sehr gelungen. In kurzen Geschichten und Episoden bringt die Autorin aus der Perspektive des Kindes den Lesern das Thema Demenz näher, respektvoll, einfühlsam und bewegend. In Jans Familie sind Harmonie und Zusammenhalt spürbar. Alle gehen liebevoll und aufmerksam miteinander um. Dabei fällt mir das Sprichwort ein: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Der Rückblick in Ort und Leben der Großeltern ist ein berührender Abschnitt. Und dass Jan irgendwann den Grund erfährt, warum sein Opa sich verändert, finde ich wichtig und gut, zeigt es doch, dass Kinder besser verstehen und mit dem Wissen umgehen können, als die Erwachsenen es sich manchmal vorstellen können.
Eine wunderschöne Idee ist die von dem fehlenden O in Jans Namen und allem, was sich in dem Buch noch um das O dreht.
Sehr gern gebe ich eine Empfehlung für ein besonders lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Schreckliche Realität trifft auf Poesie

Grace – Vom Preisträger des Booker Prize 2023 ("Prophet Song")
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„Was wissen wir denn schon, was wirklich ist? Wir können ja die Wahrheit dieser Welt doch nicht in unseren Händen halten. Und Wahrheit, dieses Wort, was kann ein Wort ermessen?“
„Grace“ von Paul ...

„Was wissen wir denn schon, was wirklich ist? Wir können ja die Wahrheit dieser Welt doch nicht in unseren Händen halten. Und Wahrheit, dieses Wort, was kann ein Wort ermessen?“
„Grace“ von Paul Lynch ist erschienen im Verlag Freies Geistesleben. Die Geschichte beginnt im Jahr 1845 in Irland. Die Hungersnot als Folge einer Missernte treibt Scharen von Menschen auf die Straße, sie alle suchen nach Arbeit. So auch Grace. Sie ist gerade mal 14 Jahre alt und hat keine Ahnung, was los ist, als ihre Mutter sie in Männerkleidung steckt, ihr die Haare abschneidet und fortschickt, damit auch sie sich Arbeit sucht und selbst versorgt.
Fast noch ein Kind, muss sich Grace behaupten in der brutalen Realität des Lebens, die von Not und Armut beherrscht wird. Sie kann froh sein, dass ihr kleiner Bruder Colly zuhause ausgerissen ist, um sie zu begleiten. Er sorgt mit seiner fröhlichen Art für gute Laune, wenn es eigentlich nichts zum Lachen gibt. Oder er hält Ratschläge für sie bereit, die mal mehr und mal weniger hilfreich sind. Oder er mahnt so manches Mal auch zur Vorsicht. Doch ab und zu geht er ihr auch gehörig auf die Nerven.
Grace wird zu Tim, versucht sich als Kuhtreiber, wird bestohlen, muss sich vielen Gefahren aussetzen und immer wieder – vor allem nachts – mit den Geistern, die sie verfolgen, fertig werden. Der Weg führt durch Wälder und Felder, durch Ortschaften, oft verlassen… Dabei stellt sich häufig die Frage: Wer oder was ist Realität, was ist Traum oder Fiktion?
Zwischendurch muss ich an das Cover des Buches denken. Die untere Hälfte ist stockdunkel. Symbolisiert sie den Weg, den Grace gehen muss? Ihr Körper ist nur als Silhouette zu sehen. Führt ihr Weg sie irgendwann ins Licht?
Paul Lynch hat eine besondere Gabe, dieses schwere Leben auf der Straße eindrucksvoll zu beschreiben, es in allen schrecklichen Wahrheiten zu benennen und dennoch – so unglaublich es klingen und so unvorstellbar es sein mag – mit Poesie zu füllen. Sätze, die ich langsam „auf der Zunge zergehen lasse“ – würde ich sagen, wenn sie essbar wären. So bleibt mir nur der Genuss, immer wieder innezuhalten, das Gelesene zu überdenken, vieles auch mehrmals zu lesen und ganz tief in mich aufzunehmen.
Etwa 100 Seiten vor dem Ende der Geschichte habe ich schon zu Beginn zwei schwarze Blätter entdeckt. Nachdem ich das Buch gelesen habe und den Sinn dafür erkenne, möchte ich sagen, dass die Idee großartig ist – ebenso wie das unerwartete Ende dieser außergewöhnlichen Geschichte.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Kleine Bibi ganz groß

Bibi Leben eines kleinen Mädchens
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„Bibi – Leben eines kleinen Mädchens“ von Karin Michaëlis habe ich jetzt erst kennengelernt, obwohl Bibi bereits vor 100 Jahren gelebt hat.
Dass ich mit der dänischen Autorin und natürlich auch mit Bibi ...

„Bibi – Leben eines kleinen Mädchens“ von Karin Michaëlis habe ich jetzt erst kennengelernt, obwohl Bibi bereits vor 100 Jahren gelebt hat.
Dass ich mit der dänischen Autorin und natürlich auch mit Bibi Bekanntschaft machen konnte, habe ich der „Erzaehlwerkstatt“ zu verdanken, von der ich erfahren habe: „Jedenfalls ist es mir eine Freude, die Schätze, die ich beim Wühlen in Antiquariaten entdecke, digital aufzubereiten und zu teilen. Diese Bücher gibt es auch nicht als Printausgaben, sondern - aus Umweltschutzgründen - nur in digitalen Formaten.“
Dänemark ist ein sehr schönes Land, in dem meine Familie und ich schon mehrmals unsere Ferien verbracht haben. Jetzt hat Bibi mich noch einmal mitgenommen und mir vieles aus ihrem Land erzählt. Dabei geht es um hundert Jahre zurück in die Vergangenheit. Gut, dass Bibi einen so liebevollen und toleranten Vater hat, der auch noch ein angesehener Bahnhofsvorsteher ist. Dadurch kann Bibi reisen, wohin immer sie will. Dass sie darüber manches Mal „vergisst“, die Schule zu besuchen, stört sie wenig. Neben ihrer Reiselust ist Bibi sehr tierlieb – und sie liebt ihren Paps über alles. Von ihren Reisen schreibt sie ihm viele Briefe.
Ich bin dankbar, dass ich Bibis Leben kennenlernen, ihre Liebe zu ihren Tieren teilen und durch Dänemark reisen konnte, aber auch dafür, dass ich sie in ihrer Trauer um ihre geliebte Mutter begleiten durfte. Auch nach vielen Jahren ist sie Bibi immer nah.
Ein wunderschönes Buch, das auch heute noch lesenswert und aktuell ist, und das ich von Herzen gern weiterempfehle. – Und jetzt freue ich mich auf den zweiten Band und weitere Geschichten mit Bibi.

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Veröffentlicht am 30.10.2021

Der Umwelt zuliebe - Aus ALT mach NEU

Neue Dinge aus alten Stoffen
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„Neue Dinge aus alten Stoffen“ – Der Titel des Buches und dazu das Cover mit der Abbildung eines ausgemusterten T-Shirts haben mich neugierig gemacht. Neugierig deswegen, weil auf dem alten T-Shirt das ...

„Neue Dinge aus alten Stoffen“ – Der Titel des Buches und dazu das Cover mit der Abbildung eines ausgemusterten T-Shirts haben mich neugierig gemacht. Neugierig deswegen, weil auf dem alten T-Shirt das Schnittmuster eines kleinen Elefanten zu sehen ist.
Ich versuche umweltbewusst zu leben. Das Buch hat mich angelacht und schon war es meins, obwohl ich gar nicht besonders gut mit der Nähmaschine umgehen kann. Eine gute Entscheidung, wie ich schon nach den ersten Blicken ins Buch festgestellt habe.
Auf den ersten Seiten gibt es eine Übersicht der Projektideen, nach der Einleitung folgen einfach erklärte Techniken und Tipps sowie Anleitungen zum Reparieren und Verschönern. Es ist toll, wie aus vielen verschiedenen Bereichen jede Menge Ideen angeboten werden. Zu meinen Favoriten, an die mich mich zunächst herantrauen werde, gehört natürlich der Elefant vom Titelbild, aber auch der Zergel, ein Zerr- und Wurfspielzeug für den Hund. Außerdem möchte ich die Topflappen und die Pflanztaschen aus Jeansstoffen sehr gern nacharbeiten.
Ich bin restlos überzeugt und begeistert von dem Buch, schon aus dem einfachen Grund, weil ich selbstgemachte Geschenke liebe. Und davon bietet das Buch eine ganze Menge.
Sehr gern empfehle ich dieses Buch mit über 100 alltagstauglichen Upcycling-Ideen den Fortgeschrittenen, aber ganz besonders auch den Anfängern.

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Veröffentlicht am 29.10.2021

Ein Buch, das Feuer entfacht und Lust auf mehr macht

Annette von Droste-Hülshoff. Dichterin zwischen den Feuern
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Ich liebe die Romanbiografien von Maria Regina Kaiser. Mit „Annette von Droste-Hülshoff – Dichterin zwischen den Feuern“ aus dem Südverlag konnte sie mich jetzt wieder einmal begeistern.
Die Aufmachung ...

Ich liebe die Romanbiografien von Maria Regina Kaiser. Mit „Annette von Droste-Hülshoff – Dichterin zwischen den Feuern“ aus dem Südverlag konnte sie mich jetzt wieder einmal begeistern.
Die Aufmachung des Buches gefällt mir. Die Farben des Covers tauchen als Buchumschlag außen und innen sowie im Lesebändchen noch einmal auf und das Layout ist sehr geschmackvoll gestaltet.
Auf die vielen kleinen Geschichten, die mit Ort und Jahreszahl angegeben sind, macht bereits das übersichtlich gestaltete Inhaltsverzeichnis neugierig.
Annette von Droste-Hülshoff ist im Januar 1797 als Frühchen zur Welt gekommen und musste dadurch gleich lernen, um ihr Leben zu kämpfen. Eine liebevolle Amme hat sicher einen großen Teil dazu beigetragen. Sie blieb immer etwas kränklich, war trotzdem ein lebhaftes Kind, auch manchmal ungehorsam – und sie wusste genau, was sie wollte. Schon früh war ihre Begabung zu erkennen, denn sie hat nicht nur als Fünfjährige bereits Gedichte geschrieben, sondern war auch sehr musikalisch. Ihr Selbstbewusstsein drückt sie aus in dem Satz: „Denn in hundert Jahren möchte‘ ich gelesen werden…“
In der Liebe hatte Annette von Droste-Hülshoff kein großes Glück. Hier hat mich die Geschichte ihrer Freundschaft mit Levin Schücking sehr berührt. Ganz viele Gedichte sind daraus entstanden. Wunderbar, wie Maria Regina Kaiser einige ihrer Gedichte in ihre Erzählungen integriert hat.
Annette von Droste-Hülshoff wuchs in einer sehr großen Familie auf, die auch in dem Buch Raum fand. Aus diesem Grund war ich sehr froh, im Anhang auch den Abschnitt „Annettes Menschen“ zu entdecken, der mir geholfen hat, mich in der Familie zurechtzufinden, der aber auch Informationen zu vielen Berühmtheiten der damaligen Zeit enthält.
Um beim Thema zu bleiben: Der Anhang ist einfach großartig. Neben „Annettes Menschen“, „Annettes Orte“ und „Annettes Werke“ sind ein Glossar und eine Literaturauswahl enthalten.
Mir hat der Einblick in das Leben und Wirken der Annette von Droste-Hülshoff sehr gefallen. Dabei ließen sich Roman und Anhang sehr gut parallel lesen. Ich habe große Lust bekommen, mich weiterhin mit der großartigen Frau zu beschäftigen, ihre Werke und auch einen Teil ihrer Orte kennenzulernen.
Sehr gern gebe ich meine Empfehlung für dieses großartige Buch, dass auch in mir ein Feuer entfacht hat.

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