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SofieWalden

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Veröffentlicht am 12.12.2021

Der Kampf, zurück ins Leben, in sein Leben mit dem geschriebenen Wort

OMBRA
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Hanns-Josef Ortheil ist ein renommierter deutschsprachiger Schriftsteller, ein Mann, der mit und für das Wort lebt, für den Sprache ein ganz entscheidender Bestandteil seines Lebens ist. Und sein Leben ...

Hanns-Josef Ortheil ist ein renommierter deutschsprachiger Schriftsteller, ein Mann, der mit und für das Wort lebt, für den Sprache ein ganz entscheidender Bestandteil seines Lebens ist. Und sein Leben war voll, prall gefühlt mit Literatur und auch mit der Musik. Bis zu dem Tag, der ihn zu einer schweren Herzoperation zwang, mit vielen Wochen auf der Intensivstation, teilweise im Koma.
Dieses Buch nun ist die Geschichte, seine Geschichte zurück, zurück ins Leben, in eine Gegenwart, eine Existenz, die er so erst einmal schwer akzeptieren kann. Er ist traumatisiert von dieser Zeit, in der er schon um sein Leben kämpfen musste und er hat 'Einbußen' erlitten. Alles ist schwer, physisch und psychisch. Jeder Schritt muss bedacht sein. Alle Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit, ist verloren und die Fähigkeit zu schreiben, ganz real mit einem Stift einen Text aufs Papier zu bringen, sie ist ihm vorerst zumindest genommen. Er begibt sich in eine Rehaklinik. Jeden Morgen kommt er mit dem Zug, sein Zuhause ist nicht weit und er lernt, bekommt Gedankenanstöße, kommuniziert, ersetzt das Schreiben durch Bilder und ein Diktiergerät, ist das ein oder andere Mal fassungslos und gleichzeitig auch irgendwie fasziniert, was er nun ist und wer er (wieder) werden könnte.
Persönlicher kann ein Roman nicht sein, dieser Roman einer Wiedergeburt und vielleicht gerade deshalb löst er bei seinen Lesern etwas aus. Man will dabei sein, den Gedanken des Autors folgen, seine Empfindungen verstehen, Freude haben, wenn er selbst beginnt, wieder solche Gefühle zu entwickeln und sehr wohlwollend zu verfolgen, wenn er in seinen Gesprächen doch wieder mit dem Wort arbeitet, damit spielt und so seinem Gegenüber auch neue Erfahrungen bietet und manchmal auch eine Herausforderung.
Dieses Buch überrascht, gerade weil es einen nicht mehr loslässt und das ist schon irgendwie ein wenig faszinierend und sehr positiv besonders.
Ich kann es nur empfehlen.

Veröffentlicht am 21.11.2021

Die Geschichte einer toxischen queeren Beziehung, die die Autorin selbst erlebt hat

Das Archiv der Träume
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Carmen ist die Protagonistin dieser Geschichte. Es ist die Autorin selbst, Carmen Maria Machado, die sich hier in der Ich-Form (und manchmal auch im Du, zu sich selbst) offenbart, die ihre eigene erlebte ...

Carmen ist die Protagonistin dieser Geschichte. Es ist die Autorin selbst, Carmen Maria Machado, die sich hier in der Ich-Form (und manchmal auch im Du, zu sich selbst) offenbart, die ihre eigene erlebte toxische queere Beziehung mit uns Lesern teilt, ungeschönt, real und zutiefst persönlich.
Eigentlich verläuft die Geschichte wie aus dem Lehrbuch, es gibt das Kennenlernen, diese herrliche neue Liebe, Partnerschaft auf Augenhöhe. Doch dann gibt es die ersten 'Vorfälle', die Aussetzer, das Leidtun, das sich Entschuldigen. Und dann geht es weiter, die Kräfte verschieben sich und wie kann es nur geschehen, aus Carmen wird eine nicht nur gedemütigte, sondern zutiefst verunsicherte, verletzte, die Schuld bei sich selbst suchende und sich selbst verachtende Person. Diesem Spiel, dem Treiben ihrer Partnerin zuzusehen, zu erleben, was diese Beziehung aus einem machen kann, dass ist richtig schwer und es kommt einem so unfassbar vor, dass Carmen nicht schon längst gegangen ist, um sich selbst zu retten. Das tut sie dann ja letztendlich doch, aber viel zu spät und der Weg zurück zu einem Menschen, der sich selbst wertschätzt und auch wieder Vertrauen zu anderen aufbauen kann, der ist lang und braucht viel Kraft. Die Autorin geht diesen Weg, findet zurück in ein 'normales' Leben und dieses Buch spielt dabei eine ganz große Rolle. Es ist wie eine Therapie und wo andere nicht zuhören wollen, ihre Leser tun es. Und die Art, wie Carmen ihr Erleben zum Ausdruck bringt, die sehr eigene elementare Sprache, dieses Zusammenführen zu Sätzen, die es eigentlich so gar nicht gibt und die doch genau das vermitteln, was in ihr in diesem Augenblick gerade geschieht, das ist vielleicht manchmal etwas befremdlich und vom Lesefluss her auch mühesam, aber für sie selbst muss es genau so sein. Und ich hoffe, viele Leser können das auch so annehmen und Carmen so durch ihre Geschichte begleiten.
Ein sehr besonderes Buch über ein spezielles Thema, das in dieser Konstellation noch wenig Öffentlichkeit erfahren hat. Und so wie die Autorin selbst, hoffe ich, es hilft.

Veröffentlicht am 19.11.2021

Der Weg zurück zu den eigenen Wurzeln

Der Flug des Raben
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Dies ist die Geschichte des jungen Garnet Raven, der als kleines Kind als Angehöriger des Ojibwe Stammes seiner Familie entrissen wurde und dann in ständig wechselnden Pflegefamilien aufwachsen musste. ...

Dies ist die Geschichte des jungen Garnet Raven, der als kleines Kind als Angehöriger des Ojibwe Stammes seiner Familie entrissen wurde und dann in ständig wechselnden Pflegefamilien aufwachsen musste. Orientierungslos und ohne Wurzeln wird er bald zum Kleinkriminellen und landet schließlich im Gefängnis. Dort erreicht ihn ein Brief von seinem Bruder Stanley, der ihn auffordert, nach seiner Entlassung nach Hause zu kommen. Doch dieses Zuhause, seine wirkliche Familie, die Sprache, die Kultur seines Volkes, all das ist ihm fremd. Keeper, ein trockender Alkoholiker, den Garnets Großvater, ein traditioneller Medizinmann, einst auswählte, das alte Wissen zu bewahren und weiterzugeben, nimmt sich des jungen Mannes an, auch um etwas wieder gut zu machen, denn der Alkohol hat ihn an der ihm übertragenen Aufgabe scheitern lassen. Er führt Garnet ein in diese ihm anfangs so fremde Welt und erfährt daraus selbst die Kraft, um sich den Dämonen seiner Sucht zu stellen.
Der 2017 verstorbene Autor Richard Wagamese war eine wichtige indigene Stimme seines Landes. Die Geschichte, die er hier erzählt, sein 1994 erschienener Erstlingsroman, ist zum großen Teil auch seine Geschichte und all das, was er hier in derart einfacher naher Sprache so überaus kunstvoll an uns heranträgt, uns mitnimmt hin zu den Schicksalen, die die indigene Bevölkerung, von Staat und Kirche dirigiert, erleiden hat müssen, ist auch ihm geschehen. Erst kürzlich hat das Auffinden von Massengräbern, die in der Nähe von Orten gefunden wurden, an denen einst solche Heime, in denen indigene Kinder zur 'Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft' gezwungen werden sollten, standen, weltweit für Empörung gesorgt und in Kanada selbst zu einem heftigen gewalten Aufschrei gegen die Institutionen, die diese Häuser betrieben haben.
Dieser Roman ist auf seine ganz eigene Art unendlich 'schön' und sehr berührend, ruhig und voller Empathie. Ich wünsche diesem Buch, von ganzem Herzen, eine große Leserschaft.
Es lohnt sich!

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Chopin, das Geheimnis seiner Musik für das Leben und die Liebe

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin
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Eric liebt das Klavier im Haus seiner Eltern am meisten, wenn es still ist und nicht von seiner Schwester bearbeitet wird. Doch als seine Tante Aimée eines Tages zu Besuch kommt und sich an dieses Klavier ...

Eric liebt das Klavier im Haus seiner Eltern am meisten, wenn es still ist und nicht von seiner Schwester bearbeitet wird. Doch als seine Tante Aimée eines Tages zu Besuch kommt und sich an dieses Klavier setzt, ertönt Chopin, auf eine so wunderbare sphärisch im Raum schwebende Weise, dass Eric erstarrt vor Glück und beschließt, Klavierspielen zu lernen, so Klavierspielen zu lernen. Als er später zum Studieren nach Paris geht, sucht er sich dort eine Lehrerin, um zu versuchen, Chopin doch noch so nahe zu kommen, dass ihm ein Klangerlebnis gelingt, wie es einst seine Lieblingstante Aimée erschaffen hat. Madame Pylinska heißt die Dame, die ihm empfohlen wird und die sich seiner, allerdings nur aufgrund ihrer gemeinsamen Liebe zu Chopin, schließlich widerstrebend annnimmt. Sie hat sehr eigenwillige Unterrichtsmethoden und dabei steht das Klavierspielen selbst erst einmal im Hintergrund. Denn nur wer gelernt hat, das Leben (und die Liebe) bewusst zu erleben, der kann die Musik Chopins zu seinem außergewöhnlichen Wohlklang bringen und umgekehrt ist es ebenso.
Eine wunderschöne poetische Ode an Chopin und an das Leben.

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Der größte Boxer aller Zeiten und wer er wirklich war

Cassius X
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Die Wahrnehmung des großen Cassius Clay, der sich nach seiner Konvertierung zum Islam Muhammad Ali nannte, in der Öffentlichkeit war das seine Inzenierung als 'Großmaul', laut, polemisch, provozierend ...

Die Wahrnehmung des großen Cassius Clay, der sich nach seiner Konvertierung zum Islam Muhammad Ali nannte, in der Öffentlichkeit war das seine Inzenierung als 'Großmaul', laut, polemisch, provozierend und arrogant. Aber wer war der Mensch dahinter wirklich. In diesem Buch erhalten wir einen Einblick in das Private dieses als den größten Boxer aller Zeiten bezeichneten Mannes und das Bild, das man hier gewinnen kann, ist so ganz anders.
In seiner Verbindung zu Malcolm X, seinem großen Vorbild und dem zu seiner Zeit nicht seiner Kunst entsprechend wahrgenommenen Soulsänger Sam Cooke zeichnet sich ab, was Cassius für alle wollte, die gleichen Menschenrechte und das dies auch für seine 'afroamerikanen Brüder' gelten sollte, dafür hat er gekämpft. Und dabei erfährt man viel für die sozialen Verhältnisse im Amerika dieser Zeit, über Bürgerrechte, Rassismus und über die dramatischen auch gewalttätigen Entwicklungen, die bis heute kein Ende gefunden haben.
Man erlebt aber auch den Feingeist, den Poet, den Musiker, den Freund und das wird mit viel Empathie und sehr berührend an uns Leser herangetragen.
Ein sehr gelungenes authentisches Buch über diesen Mann Cassius, der zur Legende wurde.