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Veröffentlicht am 10.02.2022

Warum musste der Wattführer sterben

Wattführermord in Harlesiel. Ostfrieslandkrimi
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„Wattführermord in Harlesiel“ von Rolf Uliczka ist bereits der 14. Band dieser Reihe, die ich seit Band 12 mit Begeisterung verfolge.

Ich war relativ schnell wieder vertraut mit den Protagonisten, aber ...

„Wattführermord in Harlesiel“ von Rolf Uliczka ist bereits der 14. Band dieser Reihe, die ich seit Band 12 mit Begeisterung verfolge.

Ich war relativ schnell wieder vertraut mit den Protagonisten, aber ich denke, dass auch Neueinsteiger kein Problem haben, in die Geschichte hineinzufinden. Es sind immer wieder kurze Rückblicke und Hinweise auf frühere Fälle eingeflochten, die auch etwas über das vorherige Leben der handelnden Personen offenbaren.

Aber worum geht es diesmal?
Während einer Wattwanderung stürzt der erfahrene Wattführer in einen Priel und kann nur noch tot geborgen werden. Bald entpuppt sich der scheinbare Unfall als heimtückischer Mord. Welcher der Verdächtigen hat den allseits beliebten Mann umgebracht und warum?

Schon durch das Cover gleitet man in die richtige Stimmung, wird zum Mitwanderer und wagt sich im Geiste auch hinaus in die scheinbar unendliche Weite, stapft durchs mehr oder weniger seichte Meer, durch den Schlamm. Ich konnte die Panik der Touristen gut nachempfinden, als sie plötzlich führerlos mitten im Nirgendwo standen, noch herrschte Ebbe, doch die Flut würde wiederkommen …

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge, die diversen Szenen- bzw. Ortswechsel bringen Abwechslung in die Handlung und geben auch Einblicke in Geschehnisse abseits der Ermittlungsarbeiten. Obwohl es sich um einen „Ostfrieslandkrimi“ handelt, gibt es keinerlei sprachliche Probleme. Der Text ist bis auf wenige im ostfriesischen Dialekt geführte Dialoge in Hochdeutsch verfasst, und selbst diese sind vom Sinn her leicht verständlich und haben so ihren eigenen Reiz.

Was ich bereits bei den Vorgängerbänden als Österreicherin geschätzt habe: man erfährt so nebenbei auch viel über Ostfriesland – wie so eine Wattwanderung abläuft, was Wattwürmer sind und wie nützlich diese sind, was man unter Gulfhöfen versteht, u.v.a.m. Diesmal hat der Autor am Rande der Handlung Ostfriesland kurz verlassen und einen kleinen Abstecher ins Ahrtal gemacht, wo er selbst viele unvergessliche Urlaube verbracht hat – zur Erinnerung an die Naturschönheiten dieser Gegend, die im Vorjahr durch Hochwasser katastrophal zerstört wurden – nicht nur eine schöne Geste des Autors, sondern mir brachte er damit auch diese Landschaft näher.

Das sympathische Ermittler-Duo Nina und Bert ist mit Leib und Seele dem Beruf verbunden, die beiden wirken authentisch und bestechen auch durch ihre Art und Weise, wie sie mit ihren KollegInnen umgehen. Mir gefällt dieses harmonisch zusammenarbeitende Team.

Dadurch, dass es von Anfang an mehrere Verdächtige gibt, diese erst ausgeforscht werden müssen und das Mordmotiv völlig unklar ist, erhält man als Leser erfreulich viel Gelegenheit mit zu rätseln und eigene Theorien aufzustellen. Die mühsame Ermittlungstätigkeit wird so detailliert geschildert, dass man sich richtig integriert fühlt. Der Spannungsbogen wird nie unterbrochen, die Informationen verdichten sich langsam immer mehr bis zum recht dramatischen Showdown.

„Wattführermord in Harlesiel“ hat mir äußerst fesselnde Lesestunden beschert. Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Fall!

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Veröffentlicht am 29.01.2022

Ein Haus ist noch kein Zuhause

Faule Mieten
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Durch die Leserunde bei LovelyBooks wurde ich auf das Buch „Faule Mieten“ von Sonja Rudorf aufmerksam. Es erwies sich als guter Griff – es ist ein eher ruhig verlaufender Krimi mit einem unspektakulär ...

Durch die Leserunde bei LovelyBooks wurde ich auf das Buch „Faule Mieten“ von Sonja Rudorf aufmerksam. Es erwies sich als guter Griff – es ist ein eher ruhig verlaufender Krimi mit einem unspektakulär gehaltenen Mord, mit dem Schwerpunkt auf den Charakteren und viel Potential für die LeserInnen zum Mitraten.

Worum geht es?
Gebaut wird viel, doch preiswerte Wohnungen sind Mangelware in Frankfurt. Da erscheint eine eben frei gewordene Mansardenwohnung ein Glücksfall für die Therapeutin Jona Hagen, noch dazu wo die übrigen Mieter so sympathisch und freundlich wirken. Doch bald erfährt sie, dass ihr Vormieter ermordet wurde. Entgegen dem Rat des in diesem Fall ermittelnden Kommissars Ulf Steiner, Jonas Freund, bleibt Jona in der Villa, um die BewohnerInnen näher kennenzulernen bzw. auszuhorchen. Nicht nur sie ist misstrauisch und stößt auf etliche Ungereimtheiten, sondern auch eine der Hausbewohnerinnen …

Ich lege gerne Puzzles. Was den Aufbau dieses Krimis anbelangt, sah ich mich einer ähnlichen Aufgabe gegenüber. Zuerst bekommt man den Rahmen geliefert, lernt die handelnden Personen kennen, die Ermittler ebenso wie die Hausbewohner. Nach und nach verdichten sich die Informationen, aber die verbindenden Teilchen, die bleiben lange im Dunkeln. Das machte die Lektüre äußerst spannend und interessant. Man kann sich allerlei Theorien und Vermutungen hingeben, wird immer wieder aufs Neue überrascht. Der wahre Tathergang und die Motivation offenbaren sich erst ganz am Schluss, auf eine Art und Weise, mit der jedenfalls ich nicht gerechnet hatte.

Der Schreibstil ist flüssig, Stimmungen und Beschreibungen der Stadt, des Umfelds werden anschaulich vermittelt, ohne je langatmig zu sein. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, die oftmaligen Szenenwechsel beleben die Handlung, ebenso wie die Schilderung der Geschehnisse abwechselnd aus Sicht von Jona und Ellen, jenen beiden, die – jede aus anderen Motiven heraus – unklaren Begebenheiten auf den Grund gehen.

Die Hausbewohner stehen im Fokus, wirken mehr oder weniger verdächtig. Ihre Eigenschaften und Eigenheiten sind in ihrer Vielschichtigkeit überzeugend dargestellt. Man traut ihnen die Tat zu und auch wieder nicht. Sind sie doch alle nicht nur zwielichtig, sondern auch sympathisch gezeichnet. Aber auch dem Privatleben des Ermittlerduos Jona und Ulf wird genügend Raum gegeben, durch Gefühle und Gedanken wirken auch sie lebendig und authentisch.

Das Buch streift zudem auch noch ein ernstes aktuelles Thema – die stetig steigenden Mieten, die Wohnungsnot und die Machenschaften von Immobilienfirmen.

Mit den Örtlichkeiten tat ich mir als Wienerin, die die Stadt Frankfurt und deren Stadtteile (Ostend, Dichterviertel, Dornbusch, Platenviertel) nicht kennt, ein wenig schwer, z.B. auch mit den Entfernungen, die Jona von ihrer Praxis zur Villa etc. zurücklegt. Vielleicht hätte mir da ein Stadtplan oder ein Skizze etwas geholfen.

Mir hat dieser Krimi jedenfalls ausgesprochen gut gefallen und Lust auf weitere Fälle mit Jona und Ulf gemacht bzw. möchte ich die Vorgängerbände auch noch gerne nachholen.

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Veröffentlicht am 24.01.2022

Mord oder doch kein Mord - das ist hier die Frage

Kernölkrieg
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Schon lange hat mich ein Regionalkrimi nicht derart gut unterhalten wie „Kernölkrieg“ von Klaudia Blasl. Das waren 269 Seiten pures Lesevergnügen für mich!

Worum geht es?
Im fiktiven südsteirischen Damischtal ...

Schon lange hat mich ein Regionalkrimi nicht derart gut unterhalten wie „Kernölkrieg“ von Klaudia Blasl. Das waren 269 Seiten pures Lesevergnügen für mich!

Worum geht es?
Im fiktiven südsteirischen Damischtal planen profitgierige, korrupte Politiker und Unternehmer einen Kraftwerksbau und eine Ferienhaussiedlung, was einerseits die schützenswerte Flora und Fauna der Aulandschaft zerstören und andererseits auch das beschauliche Leben der Einheimischen und die Ruhe und unberührte Natur suchenden Urlauber beeinträchtigen würde. Die Initiativen der Umweltschützer scheitern, bis eines Tages ein Toter im Bach liegt …

Abgesehen davon, dass der Handlungsaufbau so geschickt gestaltet ist, dass durch immer neue Überraschungen und Ereignisse die Spannung stetig aufrecht erhalten wird, und man bis zuletzt als Leser völlig im Dunkeln tappt, wer in diesem von recht einfach gestrickten Menschen bewohnten Dorf so raffiniert mordet, amüsierte ich mich in erster Linie über die Protagonisten, die wunderbar humorvoll charakterisiert, ja, eigentlich karikiert sind. Mir kamen beim Lesen immer wieder die Zeichnungen von Manfred Deix in den Sinn. Im Übrigen, das Geschehen ist zwar in der Südsteiermark angesiedelt, doch es könnte sich eigentlich auch überall anders so zutragen …
Nichtsdestotrotz ist die Handlung im Steirischen angesiedelt, was durch Landschaftsbeschreibungen und die für diese Gegend typische Kulinarik gut zum Ausdruck kommt. Die Ortsbewohner sprechen je nach Position mehr oder weniger Umgangssprache, gespickt mit vielen landsläufigen Ausdrücken (Glossar ist vorhanden), leider spricht jedoch keiner, nicht einmal der urigste Bauer, wenigstens ein paar Worte, ursteirischen Dialekt.
Im Mittelpunkt stehen die Ermittler – der deftige Hausmannskost liebende, etwas behäbige und nicht gerade von Arbeitseifer strotzende, aber keineswegs dumme Revierinspektor Kapplhofer und sein Vorgesetzter vom Landeskriminalamt Graz, der asketische, eigenbrötlerische, misanthropische und überhebliche Polizeihauptmann van Trott. Deren Dialoge und Hickhack waren einfach köstlich zu lesen. Doch es bevölkern noch so einige überall präsente Typen dieses idyllische Dorf - wie der rücksichtslose und geldgierige Bankier, der nur auf Profit bedachte und Schmiergelder verteilende Unternehmer, der korrupte Fremdenverkehrsobmann, der geltungsbedürftige Bürgermeister, der passionierte Umweltschützer. Sie sind alle sehr einprägsam beschrieben, bereits ihre Namen lassen (wie seinerzeit bei Nestroy) auf ihre Eigenschaften schließen, wie Protzmann oder van Trott(l). Was da nicht alles an Situationskomik passiert, das die Lachmuskeln aktiviert!
Da ich das Spiel mit der Sprache sehr schätze und liebe, begeisterte mich vor allem der Schreibstil der Autorin, die eigenwilligen, fantasievollen und aussagekräftigen Wortkreationen und bildhaften Assoziationen, z.B. motorisiertes Viagra (das knallrote Oldtimer-Coupé des nicht mehr jungen Bürgermeisters), hochhackige Haxenbrecher (High-Heels) oder im Zuge eines Ehestreits „vipert und nattert“ das Eheweib.
Das Buch spielt im Jahr 2020, erschien jedoch bereits 2018. Folglich ist Covid-19 natürlich kein Thema. Dennoch traut man der Autorin – denkt man an die Ibiza-Affäre und deren Folgen - beinahe seherische Fähigkeiten zu, ist doch im Prolog folgender Satz zu finden: „Ganz Österreich erbebt unter umweltpolitischen Rückzügen und wirtschaftspolitischen Vorstößen, schmierigen Korruptionsskandalen und schmutzigen Campaigning-Affären.“ Und auf Seite 148 steht: „Wobei die Zahl blauer Wunder seit der letzten Regierungsbildung generell rapide angestiegen war und – ganz im Sinne der alten Redewendung – für einige böse Überraschungen gesorgt hatte.“
Bei „Kernölkrieg“ handelt es sich um den dritten Band der Damischtal-Reihe, der Krimi kann aber problemlos ohne Kenntnis der Vorgängerbände gelesen werden. Sehr hilfreich, von Anfang an die zahlreichen Dorfbewohner überblicken zu können, ist das vorhandene Personenregister.

Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 15.01.2022

Tiefe Liebe - in Konflikt zwischen Pflicht und Neigung

Als die Tage leiser wurden
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„Als die Tage leiser wurden“ von Josephine Cantrell ist ein hinreißend gefühlsstarker tiefgründiger Liebesroman voller Romantik und Poesie.

Worum geht es?
Da ist Cecilia, die in London zusammen mit einer ...

„Als die Tage leiser wurden“ von Josephine Cantrell ist ein hinreißend gefühlsstarker tiefgründiger Liebesroman voller Romantik und Poesie.

Worum geht es?
Da ist Cecilia, die in London zusammen mit einer Freundin ein Café betreibt. Sie belastet ein Geheimnis, das ihr kürzlich tödlich verunglückter Vater mit ins Grab genommen hat. Und da ist Lukas, ein junger Mann, den es immer wieder in das Café zieht, wie sich später herausstellt, ist er ein bekannter Pianist. Die beiden verlieben sich ineinander. Doch auch Lukas umgibt ein Geheimnis.
Ganz sanft entwickelt sich die Liebe der beiden, es dauert, bis es zum ersten Kuss kommt. Ich habe schon lange nicht so etwas Romantisches gelesen, das aber nie in Kitsch abgleitet. Die tiefe Liebe zueinander wird aber auf eine harte Probe gestellt.
Als sich herausstellt, dass die Geheimnisse Cecilias Leben komplett durcheinander wirbeln, das gemeinsame Glück und ihre Liebe stark belasten, ihr Vertrauen in die Menschen stark erschüttert ist und sie von Zweifeln und moralischen Gewissensbissen gepeinigt wird, stellt sie sich sehr charakterfest den Problemen. Mit ihrer Stärke weist sie letztlich auch Lukas den richtigen Weg aus dem Dilemma.
Das Wunderbare an diesem Roman ist die Art und Weise, in der die Autorin Stimmungen erzeugt, poesievoll das Umfeld beschreibt - sie malt regelrecht mit Worten. Die Emotionen der Protagonisten sind so intensiv und anschaulich beschrieben, dass man buchstäblich mit ihnen mit leidet, hofft und sich mit ihnen nacheinander sehnt.
Die Geheimnisse werden schrittweise gelüftet, es eröffnet sich Unerwartetes, scheinbar Auswegloses. Das Gefühlschaos der beiden so liebenswerten Menschen berührt ungemein, man kann sich dank des einfühlsamen Schreibstils wunderbar in ihre Lage hineinversetzen, ihre Zerrissenheit zwischen Pflicht und Neigung nachvollziehen. Die Handlung ist bis zum Ende von einer stetigen Spannung und der Frage, wie es wohl enden mag, durchzogen.
Ich persönlich kenne London nur sehr oberflächlich, als Tourist, der lediglich eine Stadtrundfahrt machen konnte. Mich beeindruckten die leisen Töne, wie die Autorin den Leser in kleine Gassen und an stille Plätze führt, und so en passant auch interessante Geschichten über die Stadt mit einfließen lässt, wie jene über den giftigen Nebel im Jahr 1952 oder über Dead Man’s Hole.

Ich habe wunderbare Lesestunden mit dieser Lektüre verbracht, bin hinein gesogen worden in die Handlung, wurde von den Emotionen mitgerissen und fühlte mich mitten im Geschehen, ganz nah bei Cecilia und Lukas. Ein wahres Lesehighlight!

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Veröffentlicht am 11.01.2022

In den Fängen eines Psychopathen

Nummer Neunzehn
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Eigentlich lese ich gerne Thriller. Aber wie ich nunmehr festgestellt habe, eher solche, wo es nur zwischengestreute brutale, blutige und grausige Szenen gibt, ansonsten aber der Schwerpunkt auf den Ermittlungen ...

Eigentlich lese ich gerne Thriller. Aber wie ich nunmehr festgestellt habe, eher solche, wo es nur zwischengestreute brutale, blutige und grausige Szenen gibt, ansonsten aber der Schwerpunkt auf den Ermittlungen liegt; wo es eher darum geht, den Täter zu finden, zu fassen, bevor er weiter mordet, oder darum, ein noch in seinen Händen befindliches Ofer zu retten, also um einen spannenden Wettlauf gegen die Zeit.

In diesem Buch gerät eine junge Frau bereits nach wenigen Seiten in die Fänge eines Psychopathen und als Leser(in) wird man quasi hautnah Zeuge all der perfiden Qualen und Schikanen, die das Opfer erleiden muss. Bereits nach wenigen Kapiteln war ich nahe daran zu kapitulieren, weil ich jeglichen Hoffnungsstrahl, die nahenden Retter vermisste. Doch letztlich siegte meine Neugier, ich wollte unbedingt erfahren, wie diese hoffnungslos wirkende Situation endet. Ich kämpfte mich bis zur wirklich verblüffenden Wendung und dem dramatischen Showdown durch.

Subjektiv gesehen traf das Buch nicht meinen persönlichen Geschmack, entsprach es nicht jener Literatur, die mir Lesevergnügen bereitet. Es war mir zu beklemmend, zu erschütternd, zu grausam.

Objektiv betrachtet ist es ein Spitzen-Thriller, der von der ersten bis zur letzten Seite packend ist. Dem Autor ist es extrem gut gelungen, die beiden Protagonisten zu charakterisieren. Einerseits macht er deutlich, wie zwiegespalten der Psychopath ist, schildert dessen Stimmungswechsel, den Irrsein, der in der Motivation seiner Taten steckt. Andererseits zeigt er sehr einfühlsam die Vielschichtigkeit der Gefühle des Opfers, die zwischen Hoffnungslosigkeit und unbändiger Wut, erzwungener Gefügigkeit und Widerstand wechseln.

Der Schreibstil ist flüssig, trotz der Detailverliebtheit entsteht nie Langatmigkeit. Ich schätzte auch die kurzen Kapitel, denn ich konnte all das Grausame nur in kleineren Dosen ertragen. Zudem verfügt der Autor über reiche Fantasie – keine der fiesen und bösartigen Aktionen wiederholt sich. Nicht nur die Örtlichkeiten und Handlungen sind minutiös beschrieben, sondern auch die dadurch ausgelösten Gedanken und Empfindungen, sowohl von Opfer als auch Täter. Man kann sich vorbildlich in die Protagonisten hinein versetzen, das Geschehen wirkt unwahrscheinlich lebendig.

„Nummer 19“ erhält von mir aufgrund der schriftstellerischen Qualität 5 Sterne. Ich gebe aber nur eine bedingte Leseempfehlung ab. Wer nicht über 300 Seiten lang körperliche Schmerzen und seelische Tortur eines Opfers miterleben möchte, sollte wohl von dieser Lektüre absehen.

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