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Veröffentlicht am 19.03.2022

Ein Puzzle, bei dem letztlich ein Teil fehlte

Die Aosawa-Morde
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„Die Aosawa Morde“ von Riku Onda, laut Klappentext der ungewöhnlichste Spannungsroman, den man je gelesen habe, ein Meisterwerk aus Japan, entpuppte sich in der Tat als ein Buch, das in keiner Weise so ...

„Die Aosawa Morde“ von Riku Onda, laut Klappentext der ungewöhnlichste Spannungsroman, den man je gelesen habe, ein Meisterwerk aus Japan, entpuppte sich in der Tat als ein Buch, das in keiner Weise so konzipiert ist wie die sonst üblichen Kriminalromane.

Worum geht es?
Die reiche Familie Aosawa veranstaltet ein großes Fest, bei dem siebzehn Menschen an einer Zyanidvergiftung sterben, nur die blinde Tochter überlebt; sie hatte nicht davon getrunken. Der Getränkelieferant begeht kurz darauf Selbstmord, er gilt als der Täter, der Fall als abgeschlossen, obwohl sein Motiv unklar blieb. Jahre später verfasst eine Studentin ein Buch über den Fall, basierend auf Interviews, auf den Erinnerungen damals involvierter Menschen. Jahre nach Erscheinen des Buches beginnt die Suche nach der Wahrheit aufs Neue.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich, denn als Leser mutiert man in den meisten Kapiteln zum unsichtbaren Interviewpartner bzw. Zuhörer eines Dialogs, bei dem man nur die Antworten auf imaginäre Fragen erfährt. Es dauert eine Weile, bis man sich hineinfindet in diesen Stil, doch sprachlich ist es klar und gut verständlich. Mit den Kapiteln wechseln die Personen, die jeweils aus ihrer Perspektive und aus ihrer Erinnerung die Vorkommnisse vor oder nach dem Mord schildern. Der Satz „Die Wahrheit ist nichts anderes als ein Gegenstand, der aus einer bestimmten Perspektive betrachtet wird“ gewinnt, je länger man liest, immer mehr an Bedeutung. Denn die verschiedenen Sichtweisen und Beobachtungen öffnen stets neue Blickrichtungen. Vieles wiederholt sich scheinbar und ist doch nicht dasselbe. Man muss konzentriert lesen, um alle Details zu erfassen. Zudem entwickelt sich die Handlung nicht chronologisch, sondern wechselt zwischen Szenen zum Zeitpunkt des Mordes bis in die Gegenwart. In kleinen Puzzleteilchen gestaltet sich von Kapitel zu Kapitel ein Bild von den Geschehnissen. Es gestaltet sich ein Bild – aber ist es die Wahrheit?

Das Buch fesselt nicht durch Action oder bedrohliche Situationen, auch wenn manches düster und mysteriös erscheint. Die ruhige Erzählweise, es sind durchwegs Rückblenden, treibt den Leser dennoch vorwärts, in dem Streben nach der Lösung des Rätsels, der Erklärung, nach dem Motiv – nach der Wahrheit!

Mit hinein verwoben erfährt man viel über die japanische Kultur. Die Schilderungen des Umfelds, der Landschaften, des städtischen Lebens, des Wetters, aber auch der Kluft zwischen Arm und Reich, fand ich sehr interessant. Allerdings habe ich mich auch gefragt, ob nicht manche Feinheiten durch die Übersetzung verloren gingen.

Die Charaktere der involvierten Personen, vom blinden Mädchen angefangen über die Autorin, den Ermittler, den Täter usw. sind sehr eingehend ausgearbeitet. Mit jedem Kapitel, mit jeder Aussage lernt man sie besser kennen und verstehen, erfährt man über ihr Umfeld, ihr Schicksal und ihren Bezug zu den Morden.

„Die Aosawa Morde“ empfand ich als ein Buch, dem man sich voll widmen muss, es ist keine Literatur für zwischendurch. Es hat mich fasziniert und ich fand es auch spannend, aber ich bevorzuge Krimis mit eindeutiger Lösung. Die Frage nach der Wahrheit wurde mir nicht schlüssig beantwortet. Ein Wermutstropfen. Aber abgesehen von dieser rein subjektiven Empfindung ist es ein auf nicht alltägliche Art und Weise packendes Buch!

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Veröffentlicht am 28.02.2022

Grausamer Mord im beschaulichen Tessin

Mord in Montagnola
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„Mord in Montagnola“ von Mascha Vassena ist der gelungene Auftakt zu einer neuen Krimi-Serie, die im Tessin spielt.

Worum geht es?
Die Übersetzerin Moira kehrt nach vielen Jahren Auslandsaufenthalt in ...

„Mord in Montagnola“ von Mascha Vassena ist der gelungene Auftakt zu einer neuen Krimi-Serie, die im Tessin spielt.

Worum geht es?
Die Übersetzerin Moira kehrt nach vielen Jahren Auslandsaufenthalt in ihr Heimatdorf zurück, um ihren gesundheitlich angeschlagenen Vater zu besuchen. Sie trifft ihre Jugendliebe, den Rechtsmediziner Luca wieder, der sie um Unterstützung als Dolmetscherin in einem Mordfall ersucht. Durch die Befragungen wird Moira immer mehr in die Ermittlungen involviert und trägt schließlich maßgeblich zur Entlarvung des Mörders bei.

Der Schreibstil liest sich flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge. Es ist ein typischer Regionalkrimi, der natürlich einen gewissen Fokus auf Land und Leute der Gegend hat, auf Landschaft und Kulinarik, auf Sehenswertes und Besonderes, wie in diesem Fall auf den berühmten Bewohner Montagnolas, Hermann Hesse. Ich empfand die Vermischung der polizeilichen Aktivitäten mit den privaten Szenen gut ausgewogen, passend zu einem Krimi dieses Genres.

Nach dem ziemlich heftigen, thrillermäßigen Prolog bewegt sich die Handlung in punkto Spannung eher im Wohlfühlmodus bis zum dramatischen Showdown. Die Ermittlungen gehen zäh voran, immer wieder führen Spuren in eine Sackgasse, erweisen sich Verdächtige als unschuldig – das ermöglicht es auch der Leserschaft ausgezeichnet, eigene Theorien aufzustellen, mit zu raten. Letztlich löst sich der Fall überraschend, aber schlüssig auf.

Die Charaktere sind überzeugend dargestellt, insbesondere Moira mit ihren sehr menschlichen Eigenschaften, wie Hilfsbereitschaft, Verständnis für die Sorgen anderer und Verantwortungsgefühl, aber auch alle anderen wesentlichen handelnden Personen haben Struktur und strahlen eine gewisse Lebendigkeit aus.

„Mord in Montagnola“ ist ein Kriminalroman mit reichlich Lokalkolorit, einer sympathischen Protagonistin, wo zwar die Mordermittlung im Mittelpunkt steht, dennoch noch Raum für Privates ist. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und ich freue mich auf die Fortsetzungen.

  • Einzelne Kategorien
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  • Spannung
Veröffentlicht am 20.02.2022

Man ist nie zu alt für einen Neubeginn

Eine Liebe in Regensburg
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„Eine Liebe in Regensburg“ ist der zweite Teil einer Novellen-Trilogie von Rüdiger Marmulla.

Eine wundervolle Geschichte, mit der man ein bisschen in eine heile Welt versinkt, voller Verständnis und ...

„Eine Liebe in Regensburg“ ist der zweite Teil einer Novellen-Trilogie von Rüdiger Marmulla.

Eine wundervolle Geschichte, mit der man ein bisschen in eine heile Welt versinkt, voller Verständnis und Rücksichtnahme, Liebe und Geborgenheit, wo Schwierigkeiten und Probleme mit Optimismus und Glück gemeistert werden. Was sich auch immer querlegt, letztlich siegt das Gute. Diese Novelle liest sich ein bisschen wie ein Märchen – und gerade das tut gut, in Zeiten wie diesen, wo man tagtäglich mit negativen, bedrohlichen und erschreckenden Meldungen konfrontiert wird.

Worum geht es?
Richard heiratet seine wiedergefundene Jugendliebe Dana. Für die beiden beginnt nicht nur im Hinblick auf ihre Beziehung ein neuer Lebensabschnitt, sondern sie stürzen sich auch in ein gewagtes Projekt: sie eröffnen ein gemeinsames Hotel mit Restaurant. Das läuft natürlich nicht problemlos ab.

Der Schreibstil ist flüssig, klar, kurz und bündig, einige Kapitel sind nur eine Seite lang. Der Text ist vorwiegend in Dialogform gehalten, was sich sehr lebendig anfühlt, als wäre man dabei. Da es so gut wie keine ausführlichen Beschreibungen gibt, weder von Örtlichkeiten noch von Personen, bleibt vieles der Fantasie des Lesers überlassen. Ich persönlich hätte da gerne etwas mehr Ausschmückung gehabt.

Den ersten Teil dieser Trilogie muss man zwar nicht gelesen haben, um in diese Geschichte hineinzukommen, die wichtigsten Fakten werden erwähnt. Trotzdem würde ich raten, zuvor Teil 1 zu lesen. Denn Richards Wesen eröffnet sich einem wesentlich klarer, wenn man seine Vorgeschichte kennt.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Dana und Richard, beide schon in fortgeschrittenem Alter, mit erwachsenen Kindern, sind sympathisch und liebenswert dargestellt, voller Tatkraft und Ideen, großzügig und mit dem Herzen am rechten Fleck. Es gibt keine Misstöne und keine Ecken und Kanten.

Ich habe das rund 80 Seiten umfassende Büchlein in einem Sitz ausgelesen, habe es genossen, zwischen all den blutrünstigen und kniffligen Thrillern und Krimis einmal etwas Harmonisches und Unproblematisches zu lesen. Schade, dass ich nicht gleich den dritten Teil zur Hand hatte – immerhin hat mich der Cliff-Hanger am Ende schon sehr neugierig gemacht!

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Most und Mord

Mostbarone
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„Mostbarone“ von Helmut Scharner ist ein typischer Regionalkrimi mit Lokalkolorit und Informationen über Land und Leute, Kulinarik und Gebräuche, keinen grausigen Beschreibungen der Mordopfer, dem Schwerpunkt ...

„Mostbarone“ von Helmut Scharner ist ein typischer Regionalkrimi mit Lokalkolorit und Informationen über Land und Leute, Kulinarik und Gebräuche, keinen grausigen Beschreibungen der Mordopfer, dem Schwerpunkt auf der stets mühsamen Ermittlungstätigkeit und Einblick ins Privatleben des Kriminalbeamten.

Obwohl ich als Quereinsteiger die Vorgängerbände nicht kannte, dies jedoch bereits der vierte Band einer Reihe ist, kam ich problemlos in die Handlung hinein. Der Personenkreis ist überschaubar, der Schreibstil liest sich flüssig, die Kapitel sind angenehm kurz und – was ich sehr schätze – jeweils mit einer Orts- und Zeitangabe betitelt. Im Übrigen finde ich auch das Cover sehr gelungen. So kann man sich die Tracht der Mostbarone sehr gut vorstellen.

Der im Mittelpunkt stehende Ermittler, Major Brandner, ist sympathisch und auch authentisch charakterisiert – ein Mann, der seinen Beruf ernst nimmt, sich einem Fall vollauf widmet, Tag und Nacht, sonn- und feiertags einsatzbereit ist. Er liebt seine Familie, muss aber diese und sein eigenes Ruhebedürfnis aber immer wieder berufsbedingt hintanstellen. Die übrigen Personen werden eher nur äußerlich und mit wenigen Wesenszügen beschrieben, was ich für dieses Genre aber als ausreichend empfand. Belebend fand ich den Einblick in die Gedanken der handelnden Personen, was durch die kursive Schrift auch optisch gut hervorstach.

Die Handlung bewegt sich in relativ gemächlichen Bahnen, die Befragungen wirken nicht sehr spektakulär, obwohl sich der Kreis der Verdächtigen und die Bandbreite der Motive immer mehr ausweitet. Ich rätsle gerne mit und stelle meine eigenen Theorien auf, dieser Krimi bot mir hierfür reichlich Gelegenheit. Erst als noch ein zweiter Mord passiert, stieg die Spannungskurve stetig nach oben – bis zum dramatischen Showdown, wo nicht nur ein Überraschungstäter offenbart, sondern der Fall auch schlüssig gelöst wurde.

Der Fall spielt im Hochsommer 2020, nach dem ersten Lockdown. Sehr gut dosiert wird auf die Auswirkungen von Corona auf die Menschen hingewiesen, wie z.B. kein Händeschütteln mehr und Reisebeschränkungen. Wobei letzteres dazu führt, dass Brandners Familie Urlaub im Mostviertel macht und in diesem Zusammenhang nicht nur immer mehr in das Geschehen integriert wird, sondern auch Sehenswertes und landschaftliche Besonderheiten dieser Gegend hervorgehoben werden. Selbst ich als Österreicherin habe viel Neues über das Mostviertel erfahren, u.a. über Mostsorten und das Brauchtum der Mostbarone. Ich habe mich lediglich gefragt, ob es in dieser Region keinen speziellen Dialekt gibt. Sprachliches Lokalkolorit habe ich etwas vermisst.

Mir hat der Krimi sehr gut gefallen, auch Lust auf die Vorgängerbände gemacht. Wer unblutige, sich langsam entwickelnde Regionalkrimis mag, mit einem sympathischen Ermittler und einer gut konstruierten Handlung, wird, wie ich, die Lesestunden mit diesem Buch genießen.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Journalistin deckt korrupte Machenschaften auf

Die Volontärin
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„Die Volontärin“ ist der Debüt-Thriller von Stefan Cornelissen – und schon einmal vorweg: er ist recht gut gelungen!

Worum geht es?
Emma Erdmann ist als Volontärin bei einem Radiosender beschäftigt. Eines ...

„Die Volontärin“ ist der Debüt-Thriller von Stefan Cornelissen – und schon einmal vorweg: er ist recht gut gelungen!

Worum geht es?
Emma Erdmann ist als Volontärin bei einem Radiosender beschäftigt. Eines Tages bleibt ihr Kollege und Ex-Freund Tom unentschuldigt dem Dienst fern, ist nicht erreichbar, bleibt spurlos verschwunden. Emma macht sich Sorgen. Da sie weiß, woran der Journalist gearbeitet hat, vertieft sie sich in dessen Projekt, den Bericht über ein Unternehmen, das Flugtaxis entwickelt. Sie stößt hierbei auf zweifelhafte Geschäftspraktiken und Korruption – und begibt sich damit in Gefahr.

Ich habe einige Kapitel gebraucht, in die Geschichte hineinzufinden. Das lag teils an den zahlreichen involvierten Personen, teils an den ausführlichen technischen Erklärungen Flugtaxis und Drohnen betreffend, aber auch daran, dass mich der stetige Wechsel zu auf Wochen zurückliegende Ereignisse immer wieder aus dem roten Faden der Gegenwart herausriss. Sobald ich die Personen zuordnen konnte und die Handlungsstränge sich eher in der Gegenwart weiterentwickelten, hatte mich das Buch voll gepackt.

Vom Schreibstil her liest sich der Roman flüssig, die Kapitel sind kurz gehalten. Der Spannungsbogen baut sich langsam auf, verläuft für einen Thriller auch eher ruhig, steigert sich gegen Ende in ziemlich rasantem Tempo zu einem dramatischen Showdown. Im Prinzip ist es ein unblutiger Thriller, mit Gefahren- und Schreckensmomenten, jedoch kaum Action. Dennoch hält sich das Spannungslevel konstant – immer mehr Machenschaften werden aufgedeckt, auch im privaten Bereich wird Emma mit Überraschungen konfrontiert.

Die Handlung ist komplex und abwechslungsreich aufgebaut, einerseits durch die Rückblenden, andererseits durch die Schilderungen der Geschehnisse alternierend aus der Sicht von Emma, Tom und der gegnerischen Akteure.

Im Mittelpunkt des Romans steht Emma, sowohl ihre Aktionen im Zusammenhang mit ihrer Suche nach Tom, als auch ihre Vorgeschichte, ihre psychischen und gesundheitlichen Probleme, ihr familiäres und freundschaftliches Umfeld. Sie ist zwar mit Stärken und Schwächen dargestellt, dennoch schwappten ihre Gefühle, ob Trauer, Angst, Zorn oder Leidenschaft, nicht zu mir über. Sie blieb für mich immer etwas zu distanziert.
Alle übrigen, die ihr zur Seite stehenden Freunde ebenso wie die ihr böse gesinnten Gegner, sind ausreichend oberflächlich charakterisiert.

Ich verbrachte mit diesem Roman packende Lesestunden und sehe mit Interesse weiteren Büchern aus der Feder von Stefan Cornelissen entgegen.

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