Roadtrip durch Frankreich
Die Paradiese von gesternEs ist das Jahr 1990 und Ella und René, ein junges Paar aus Ostdeutschland, befinden sich auf einer Reise durch Frankreich. Sie lassen sich treiben, finden sich auf der Dune du Pilat während eines Gewitters ...
Es ist das Jahr 1990 und Ella und René, ein junges Paar aus Ostdeutschland, befinden sich auf einer Reise durch Frankreich. Sie lassen sich treiben, finden sich auf der Dune du Pilat während eines Gewitters wieder und stoßen nur zufällig auf das Château Violet. Das Schloss ist ein ehemaliges Weingut, an dem die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat und das nur noch von der Besitzerin, Madame de Violet, und einem Diener bewohnt wird.
Der als kurze Übernachtung geplante Aufenthalt verlängert sich schon bald, verknüpft die Figuren miteinander und lässt unterschiedliche Welten aufeinanderprallen: den Osten mit dem Westen, die Vergangenheit mit der Gegenwart. Die Charaktere hängen Welten und Vorstellungen nach, die es nicht mehr gibt oder noch nie gab und die nur in ihnen selbst weiterleben. So träumt Charlotte, die Gräfin, von dem florierenden Schloss aus den alten Tagen, Alain, der Sohn und Erbe träumt von seiner Kindheit und Ella und René projizieren Erwartungen auf den jeweils anderen, die diese(r) nicht zu erfüllen imstande ist. Die Figuren stehen sich damit manchmal selbst im Weg und werden, durch das Annehmen neuer Sichtweisen, dazu gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
“[S]ie waren auf der Suche nach einem Frankreich, das es seit über hundert Jahren nicht mehr gab und das sie aus den Romanen von Balzac, Flaubert und Maupassant kannten. Sie fuhren in eine neue Welt, um die alte darin zu finden, und dabei folgten sie ausschließlich ihren romantischen Vorstellungen."
Man muss sich als Leser schon einlassen auf diesen Roman, dessen Figuren nicht immer zu überzeugen vermögen. René und Ella wirken zuweilen melodramatisch und ihre Streitereien scheinen an den Haaren herbeigezogen. Aber diese Schwächen werden wettgemacht durch die Geschichte der Familie der Violets und das Schicksal der Gräfin, die durchaus anschaulich und lebendig erzählt werden. Und dann ist es vor allem die Atmosphäre, die den Roman trägt. Dieser Roadtrip durch Frankreich, der ganz große Lust darauf macht, selbst ins Auto zu steigen und loszufahren. Deshalb lohnen sich die über fünfhundert Seiten dann doch, trotz Schwächen.