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Veröffentlicht am 22.04.2024

Feministischer Protest

Und alle so still
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Was wäre, wenn plötzlich alle Frauen die Arbeit niederlegen würden, wenn sie sich weigern würden weiterzumachen wie bisher?

Um dieses Gedankenexperiment geht es in Mareike Fallwickls neuem Roman „Und ...

Was wäre, wenn plötzlich alle Frauen die Arbeit niederlegen würden, wenn sie sich weigern würden weiterzumachen wie bisher?

Um dieses Gedankenexperiment geht es in Mareike Fallwickls neuem Roman „Und alle so still“. Die Geschichte folgt drei Hauptfiguren: Elin, die durch ihre Arbeit als Influencerin auf ihren Körper reduziert wird und mit der Häme und dem Hass im Internet tagtäglich konfrontiert wird. Nuri, der mehrere Jobs hat und in prekären Verhältnissen lebt. Und schließlich Ruth, die sich jahrelang um ihren behinderten Sohn gekümmert hat und als Pflegerin im Krankenhaus arbeitet.

Das Leben dieser Figuren ändert sich mit einem Schlag, als überall Frauen anfangen, sich niederzulegen, aus Erschöpfung und aus Protest. Sie machen einfach nicht mehr weiter. Und plötzlich bricht das ganze System zusammen, besondere alle Bereiche, die von Care-Arbeit abhängig sind.

"Das ganze System beruht auf unserer Verfügbarkeit. Unserer Körper, unserer Kraft, unserer Zeit. Diese Verfügbarkeit zu entziehen, ist die einzige Möglichkeit, die uns noch bleibt."

Es war diese Grundidee, die mich neugierig gemacht hat und wegen der ich den Roman lesen wollte. Die Frage zu stellen, was passieren würde, wenn Frauen gemeinsam protestieren würden und wenn daraus eine Bewegung entstehen würde, fand ich faszinierend.

Aber leider hat mich die Umsetzung nicht überzeugen können. Es fehlte mir an Schlagkraft, an Kraft im Allgemeinen, die ein Roman mit solch einem Thema für mich haben müsste. Vieles wirkte zu simpel und zu konstruiert. Ich glaube, dass die Autorin das Thema als Sachbuch ganz wunderbar umgesetzt hätte. Aber als Roman hat es für mich leider nicht richtig funktioniert.

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Veröffentlicht am 14.09.2023

Nicht vollständig überzeugend

Hinter der Hecke die Welt
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Ein Dorf schrumpft. Pina und Lobo, die beiden Dorfkinder, sind die einzige Hoffnung der Bewohner. Doch auch sie wachsen beide nicht weiter. Und dann sind da noch die anderen Probleme: Die leere Dorfkasse ...

Ein Dorf schrumpft. Pina und Lobo, die beiden Dorfkinder, sind die einzige Hoffnung der Bewohner. Doch auch sie wachsen beide nicht weiter. Und dann sind da noch die anderen Probleme: Die leere Dorfkasse zum Beispiel oder die Schule, die schließen musste. Jetzt gibt es nur noch die Hecke, das Herzstück des Dorfes, die von allen gepflegt wird und sogar Touristen anlockt.

Während die Dorfbewohner gegen das Verschwinden ihres Dorfes kämpfen, ist Dora in der Arktis und beschäftigt sich dort mit dem Schmelzen der Eisberge.

Leider konnte mich der Roman nicht vollständig überzeugen. Das Erzählte kam mir zu lose aneinandergereiht vor. Auch der Erzählstil war für mich etwas zu langatmig, hat sich zu sehr im Kreis gedreht. Mir hat Handlung und Substanz gefehlt.

Das war deshalb so schade, weil der Roman Themen behandelt, die eigentlich viel Potenzial haben und die von der Literatur unbedingt aufgegriffen werden sollten. Hier ist dieses Potenzial jedoch leider nicht vollständig ausgeschöpft worden.

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Veröffentlicht am 11.04.2023

Vermag nicht ganz zu überzeugen

Tochter einer leuchtenden Stadt
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Ich hatte hohe Erwartungen an diesen Roman, der sich eines spannenden Moments in der Geschichte annimmt und in einer Stadt und Region spielt, zu der ich ein besonderes Verhältnis habe. Der Schauplatz ist ...

Ich hatte hohe Erwartungen an diesen Roman, der sich eines spannenden Moments in der Geschichte annimmt und in einer Stadt und Region spielt, zu der ich ein besonderes Verhältnis habe. Der Schauplatz ist Smyrna (das heutige Izmir) nach dem ersten Weltkrieg. Hier leben Menschen unterschiedlicher Nationen und Kulturen zusammen. Im Fokus des Romans stehen drei Familien, eine levantinische, eine griechische und eine türkische. Sie werden von uns Leser*innen begleitet, während um sie herum das Osmanische Reich zerfällt und das Zusammenleben der Menschen in ihrer Heimatstadt unter den historischen Umbrüchen leidet.

Leider konnte der Roman meine Erwartungen nicht erfüllen. Er ist viel zu zäh und liest sich nur mit Mühe. Die Geschichte verliert sich in einem Zuviel an Figuren und Handlungssträngen. Im Mittelteil stockt die Handlung besonders oft. Es hätte einiger Kürzungen und Verdichtungen bedurft.

Es ist schade, dass das so ist. Denn immer wieder zeigt Defne Suman, dass sie die Atmosphäre der Zeit und der Stadt heraufbeschwören kann und dass sie sprachmächtig ist. Es ist auch deshalb schade, weil der historische Moment ein großes literarisches Potential hat und weil mit ihm eine Zeitreise möglich gewesen wäre. Diese bleibt bei Suman jedoch wenn überhaupt äußerst ruckelig und katapultiert den Lesenden immer wieder ins Hier und Jetzt zurück. Deshalb kann ich leider nur empfehlen, statt des Romans ein gutes Sachbuch zu lesen, wenn man mehr über Izmir zu jener Zeit erfahren möchte.

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Es fehlte etwas...

Keine gute Geschichte
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Der Ort, an dem man aufwachst, prägt einen. Das gilt auch für die Protagonistin in Lisa Roys Roman “Keine gute Geschichte”. Sie verbringt ihre Kindheit in Katernberg, einem sozial schwachen Stadtteil von ...

Der Ort, an dem man aufwachst, prägt einen. Das gilt auch für die Protagonistin in Lisa Roys Roman “Keine gute Geschichte”. Sie verbringt ihre Kindheit in Katernberg, einem sozial schwachen Stadtteil von Essen. Jetzt, nach über zehn Jahren, kehrt sie an diesen Ort zurück. Und Katernberg könnte kaum unterschiedlicher sein zu dem Leben, was sie sich mühevoll in Düsseldorf aufgebaut hatte. Sie war als Social Media-Managerin tätig und bewegte sich in einer Welt voll Anglizismen, Influencern, Fashion und teurem Essen.

Aber auch diese Welt hat sie nicht glücklich gemacht. Es plagen sie Depressionen und es entsteht oft das Gefühl, als wäre da eine Distanz zwischen ihr und der Welt, als hätte sie sich nicht nur von der Welt, sondern sogar von sich selbst entfremdet. Grund dafür ist auch der frühe Verlust der Mutter, die einfach verschwunden ist und von der man bis heute nicht weiß, was mit ihr passiert ist.

Verlust und verschwundene Personen sind ein Motiv in dem Roman. Nicht nur die Mutter, auch zwei junge Mädchen aus Katernberg sind nämlich verschwunden. Diese Welt, in der Menschen einfach weg sind und nicht wieder auftauchen, bietet keinen Halt. Deshalb versucht die Protagonistin, selbst Halt und Zuneigung zu finden. Sie will Nähe zu Männern, beginnt beispielsweise gleich zu Beginn ein Verhältnis mit John. Doch diese körperlichen Beziehungen fühlen sich einsam und kalt an.

Der Roman hatte mich gereizt: Das Ruhrgebiet, eine Kindheit in einem Arbeiterviertel, eine Protagonistin, die sich gesellschaftlich hochzukämpfen versucht... Aber ich muss zugeben, dass mich der Roman relativ früh nicht mehr ganz zu überzeugen vermocht hat. Die Protagonistin ist mir völlig fremd geblieben. Außerdem konnte die Geschichte weder durch die Beziehungen zu den Nebenfiguren noch durch die Storyline der beiden verschwundenen Mädchen ausreichend Tiefe entwickeln. Es hat mir etwas gefehlt. Und das ist schade, weil ich dieses etwas immer wieder habe durchblitzen sehen. Zum Beispiel, wenn erzählt wird, dass die Protagonistin als Jugendliche Listen geführt hat, auf denen stand, wie reiche Leute sich verhalten. Oder dass sie vor ihrem ersten Arbeitstag in der PR-Welt Filme angeschaut hat, weil sie nicht wusste, was sie anziehen soll. Solche Details konnten immer wieder herausstechen. Aber sie haben nicht überwogen.

Keine schlechte Geschichte also, aber leider auch keine richtig gute.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Zu stark fiktionalisiert

Frau Merian und die Wunder der Welt
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Frau Merian und die Wunder der Welt macht den Leser mit dem Leben der Forscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian vertraut. Maria wuchs in Deutschland auf, lebte dann aber in den Niederlanden. Ihre ...

Frau Merian und die Wunder der Welt macht den Leser mit dem Leben der Forscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian vertraut. Maria wuchs in Deutschland auf, lebte dann aber in den Niederlanden. Ihre große Leidenschaften galt den Schmetterlingen, die sie in ihren unterschiedlichen Stadien malte. Der Roman begleitet sie von Amsterdam bis in die niederländische Kolonie Surinam, wo sie die Insekten- und Tierwelt beobachtete und erforschte. Das Ergebnis dieser Reise waren eine Ausstellung und ein Buch, das ihre Funde dokumentierte.

Der Roman setzt dieser beeindruckenden und starken Frau ein Denkmal. Was mich jedoch gestört hat war die Tatsache, dass die fiktiven Elemente sehr viel Raum eingenommen haben. Ganz besonders die Beziehung zu Jan de Jong, einer fiktiven Figur, die es so in Marias Leben nicht gegeben hat, habe ich als überflüssig empfunden. Sie lässt den Roman konstruiert erscheinen und trägt dazu bei, dass er sich an einigen Stellen in Ausschweifungen verliert.

Diese zu starke Fiktionalisierung wird alleine dadurch aufgewogen, dass mich der Roman mit Maria Sybilla Merian überhaupt erst in Kontakt gebracht hat und ich nun Lust bekommen haben, mehr über sie zu erfahren.

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