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Veröffentlicht am 20.07.2022

Spannendes Thema, Luft nach oben

Willkommen in Wisewood
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Viele Fragen stellten sich mir direkt zu Beginn, die neugierig darauf machten, was mich erwarten würde. Was genau ist Wisewood? Was passiert mit den Menschen dort? Warum schließen sie sich dieser Gemeinschaft ...

Viele Fragen stellten sich mir direkt zu Beginn, die neugierig darauf machten, was mich erwarten würde. Was genau ist Wisewood? Was passiert mit den Menschen dort? Warum schließen sie sich dieser Gemeinschaft überhaupt an? Und viel wichtiger noch: Was hat Natalie zu verbergen?

Auf all diese Dinge ist die Autorin im Verlauf der Geschichte eingegangen, auch wenn ich mir hier und da mehr Details gewünscht hätte. Sie konnte Personen und Situationen wunderbar beschreiben, dennoch hatte ich oft das Gefühl, es würde etwas fehlen. Oder ich hätte etwas übersehen. Das sorgte dafür, dass ich Seiten zurückgeblättert habe, nur um dann doch nichts weiter zu finden.

Man folgt im Wesentlichen zwei Handlungssträngen. In der Gegenwart geht es hauptsächlich um Natalie, die eine Karrierefrau, Perfektionistin und etwas überfürsorglich ist, besonders wenn es um ihre Schwester Kit geht.

In dem anderen Erzählstrang geht es um zwei kleine Mädchen, die unter den harten Regeln des Vaters zu leiden haben. Sie nennen ihn „Sir“ und haben häufig Angst, dass sie seinen Erwartungen nicht gerecht werden können.

Die Situation innerhalb der Gemeinschaft, die Regeln, die Unterwürfigkeit der Menschen - all das hat mir zu schaffen und mich nachdenklich gemacht. Jedoch haben mir die überraschenden Wendungen gefehlt. Hier hätte die Autorin viel eher mit kleinen Auflösungen trumpfen können, denn das Ende kam zu abrupt, auch wenn es das Beste am Buch war. Der große Knall hat leider gefehlt und wäre für mich das i-Tüpfelchen gewesen.

Fazit: Hier wurde ein spannendes Thema aufgegriffen, dessen Ausarbeitung Luft nach oben hatte. Mehr Details, vor allem hinsichtlich der Sekte, hätten diesem Werk gutgetan. Als leichte Lektüre empfehle ich das Buch an Leser, die sich einfach berieseln lassen möchten, weiter. Für geübte Thriller-Liebhaber jedoch, die mehr Tiefe und Wendungen erwarten, könnte das Buch womöglich zu zäh sein.

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Veröffentlicht am 27.04.2022

Gelungener Krimi mit tollem Setting

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Mumien, Pharaonen, das alte Ägypten und der ganze Totenkult drumherum üben auf mich ja eine unglaubliche Faszination aus. Findet ihr die Geheimnisse um die mächtigen Pyramiden, mit ihren versteckten Grabkammern ...

Mumien, Pharaonen, das alte Ägypten und der ganze Totenkult drumherum üben auf mich ja eine unglaubliche Faszination aus. Findet ihr die Geheimnisse um die mächtigen Pyramiden, mit ihren versteckten Grabkammern und Schätzen auch so spannend?

Pötzschs Auftakt der Totengräber-Reihe hatte mich im letzten Jahr absolut begeistert. Sehnlichst habe ich auf die Fortsetzung gewartet. Als dann die Ankündigung erschien und Leopold von Herzfeldts neuer Fall auch noch tief mit dem ägyptischen Totenkult verstrickt zu sein schien, hüpfte mein kleines Bücherherz vor Freude.

Nun ja, vielleicht habe ich meine Erwartungen einfach zu hoch geschraubt. Pötzsch erzählt eine wirklich gute Kriminalgeschichte. Die Story ist so konstruiert, dass man ihr auch sehr gut folgen kann, wenn man den ersten Teil der Serie nicht gelesen hat. Gleichzeitig verzichtet der Autor auf ausladende Rückblicke, sodass Lesern, die von Herzfeldt schon bei seinem ersten Fall durch das historische Wien begleitet haben, nicht langweilig wird.

Dennoch hatte der Krimi stellenweise so seine Längen, die mich einige Nerven gekostet haben. Zudem konnte mich die Auflösung des eigentlichen Falls nicht so richtig mitreißen. Zwar war das Finale für mich so nicht vorhersehbar, ich hatte mir da aber doch eine spektakulärere, vielleicht auch verschwörerrischere Enthüllung gewünscht. Für mich bot der Fall, den zunächst von Herzfeldts Kollege Loibl untersucht, sehr viel mehr Zündstoff und hätte das Potential gehabt, die mysteriöse Mumie zu übertrumpfen.

Nichts desto trotz konnte mich das Team rund um Leopold von Herzfeldt und das Wiener Sicherheitsbüro wieder mitreißen. Ich habe diese wilde Truppe, die aus nicht unterschiedlicheren Charakteren bestehen könnte, lieb gewonnen. Alle sind authentische Typen, und es macht Spaß, ihren Überlegungen, ihrer Arbeit und ihren ganz eigenen Leben zu folgen.

Fazit: „Das Mädchen und der Totengräber“ ist ein gelungener Krimi mit wunderbarem Setting und einem wirklich genialen Ermittlerteam. Leider konnte der zweite Band der Reihe für mich nicht mit dem grandiosen Auftakt mithalten. Trotzdem ist jeder, der historische Krimis mag, bei diesem Buch gut aufgehoben.

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Veröffentlicht am 06.03.2022

Ist Selbstjustiz wirklich eine (gute) Lösung?

Artemis
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Was denkt ihr über die Themen Selbstjustiz und Zivilcourage?

In welchen Situationen sollte man einschreiten? Wann hält man sich raus und wartet auf die Polizei? Darf jemand dem Rechtssystem trotzen, ...

Was denkt ihr über die Themen Selbstjustiz und Zivilcourage?

In welchen Situationen sollte man einschreiten? Wann hält man sich raus und wartet auf die Polizei? Darf jemand dem Rechtssystem trotzen, um selbst für Gerechtigkeit zu sorgen?

Dieses Buch ist voller TRIGGER, daher geht (spätestens) während des Lesens achtsam mit euch um. Man wird mit sexuellem Missbrauch, Spiegelstrafen und psychischen Erkrankungen konfrontiert - verbunden mit sozial- und gesellschaftskritischen Aspekten. Nehmt meine WARNUNG daher bitte ernst!

Die beiden Kommissare Rubina Hiller und Simon Peick haben mit ihrem neuen Fall alle Hände voll zu tun. Ein Mädchen wird auf dem Weg nach Hause brutal vergewaltigt. Dass damit etwas anderes Grausames zum Leben erwuckt wurde, wird relativ schnell klar, doch dann ist es bereits zu spät. Und als LeserIn steckt man sofort mittendrin - in den dunklen Abgründen der menschlichen Seele. Einfach so: ready, steady, PENG!

Ich war oft hin- und hergerissen zwischen Entsetzen, Wut, Zweifeln und Mitgefühl. Dass ein Missbrauchsopfer die Schuld bei sich sucht, ist leider häufig die emotionale Reaktion auf solch ein traumatisches Erlebnis. Das Opfer fühlt Hilflosigkeit und Scham, zieht sich völlig zurück. Manchmal neigt es zu selbstverletzendem Verhalten, um sich wieder "zu spüren" oder in irgendeiner Form mitzuteilen. Ziemlich harter Tobak.

Dann lernen wir Emi kennen.

Zitat Seite 151: In Emi war die latente Wut zum Kochen gekommen. Wut auf die Angreifer. Wut auf die Weggucker. Wut auf die Wut.

Und so nimmt sich Emi jeden Vergewaltiger einzeln vor, verstümmelt ihn, erniedrigt ihn und sorgt für Gerechtigkeit. Einerseits konnte ich Emis Gedankengänge nachvollziehen, andererseits hat es mich genau deswegen erschreckt. Die Passagen aus Emis (Täter)Sicht hielten die Spannung hoch und machten kleinere Defizite wieder wett (jemand liegt z.B. auf dem Rücken und wird dann nochmal auf den Rücken gedreht).

Ich weiß nicht genau, was ich vom Ende halten soll. Meine Vermutung wurde bestätigt, aber hinzu kamen noch Puzzleteile, die mich etwas überfordert haben. Die vielleicht insg. zu konstruiert wirken. Weniger ist manchmal mehr.

Weil die Themen in diesem Thriller sehr wichtig sind und mir die Umsetzung größtenteils gefiel, empfehle ich ARTEMIS gerne weiter.

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Veröffentlicht am 14.12.2021

Cooler Horror-Mystery-Science-Mix!

Virus Omega 1: Die Vorherrschaft
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Wenn Aliens unseren Planeten übernehmen würden, wärt ihr dann für die menschliche Rasse oder würdet ihr euch den Außerirdischen anschließen?

Diese Frage mussten sich die verschiedenen Figuren in diesem ...

Wenn Aliens unseren Planeten übernehmen würden, wärt ihr dann für die menschliche Rasse oder würdet ihr euch den Außerirdischen anschließen?

Diese Frage mussten sich die verschiedenen Figuren in diesem Buch stellen. Ist man auf der Seite der Menschen, stellt sich direkt die nächste Frage: Möchte man sich trotzdem neutral verhalten oder aktiv gegen die Aliens kämpfen? Gar nicht so leicht zu beantworten, oder? Versetzt euch in ein dystopisches Setting und stellt euch vor, dass eure Familie aufgrund der Invasion tot ist. Dass ihr fast auf euch allein gestellt seid und nur das bisschen Lebenswillen habt, weil ihr euch einer kleinen Gruppe von Gleichdenkenden angeschlossen habt. So geht es Andrew. Und er war mir als Protagonist sofort sympathisch - nicht zuletzt auch wegen all dem, was er durchmachen musste.

Andrew ist ein ehemaliger FBI-Agent, dem seine Fähigkeiten und Kenntnisse zugutekommen, wenn es darum geht, irgendwie zu überleben. Obwohl er mehr wie ein Einsiedler wirkt, der seine Ruhe haben will, hilft er den Anderen, so gut er kann. Ich konnte die Trauer über den Verlust seiner Liebsten gut nachempfinden und auch verstehen, warum er Gemälde von mittlerweile leerstehenden Häusern sammelt, auf denen glückliche Familien zu sehen sind. Hat mich echt tief berührt.

Im weiteren Verlauf der Geschichte lernen wir weitere Charaktere kennen. Menschen aus Andrews Umfeld, aber auch die von der Gegenseite. Da dies Teil 1 einer Reihe ist, war für mich vorher schon klar, dass hier nicht sofort auf jeden einzelnen Charakter eingegangen wird. Ich gehe aber davon aus, dass das bei den nächsten Teilen so sein wird. Jetzt konnte ich mir jedenfalls schon mal einen guten Überblick darüber verschaffen, mit wem ich es so zu tun habe. Und eins kann ich euch sagen: Den Aliens in diesem Buch möchte man garantiert nicht begegnen! Da ist der Name Programm. Ihr wollte Beispiele? Okay! Beim Alien vom Typ "Schwindel" wird einem übel und man muss sich übergeben, wenn man es sieht. Beim "Widerling" bekommt Angstzustände und Ekelgefühle. Und "Migräne", naja, ihr könnt es euch denken.

Ich bin sehr gespannt, wie es mit Andrew weitergeht, denn Teil 1 endet damit, dass er jemandem begegnet, der seine Zukunft vermutlich ordentlich durcheinanderbringen wird.

Die Zeichnungen sind wie typisch für einen Comic. Nichts Besonderes; ich würde sie eher als solide bezeichnen. Mir haben sie aber gefallen und sie passen gut zum Plot.

Persönliches Fazit: Cooler Einstieg in die Virus Omega-Reihe, die neugierig macht auf die Abenteuer, die den Protagonisten noch bevorstehen. Ich bleibe auf jeden Fall am Ball! Empfehlenswert für alle, die gerne Comics aus den Genres Horror, Mystery und Science-Fiction lesen.

Kleiner Tipp: Lest am besten nicht die Beschreibungen der anderen Teile, wenn ihr den ersten hier noch nicht gelesen habt, da diese spoilern.

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Veröffentlicht am 23.11.2021

Zeitzeugnis, das zum Nachdenken anregt

Rapport W
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Auschwitz ist wohl jedem geläufig. Dazu gehörten die Konzentrationslager Auschwitz (Stammlager) und Monowitz, das Vernichtungslager Birkenau sowie circa 50 weitere Außenlager. Das Ganze wurde von 1940 ...

Auschwitz ist wohl jedem geläufig. Dazu gehörten die Konzentrationslager Auschwitz (Stammlager) und Monowitz, das Vernichtungslager Birkenau sowie circa 50 weitere Außenlager. Das Ganze wurde von 1940 bis 1945 von der SS betrieben. Per Bahn wurden Gefangene dorthin transportiert, darunter etwa 90% Juden. Und hier beginnt die Story von Rapport W.

W. Witold Pilecki. Ein Offizier der Zweiten Polnischen Republik, Gründer der Widerstandsbewegung Geheime Polnische Armee, Mitglied der Heimatarmee - und der Mann, der freiwillig nach Auschwitz ging. Zugegebenermaßen dachte ich beim Buchtitel zuerst daran, es würde sich bei Pilecki um eine fiktive Figur handeln. Leider habe ich mich nie gründlich mit dem Holocaust und verwandten Themen befasst (und auch die Buchbeschreibung offenbar nicht richtig wahrgenommen), sodass mir erst beim Lesen bewusst wurde, dass es ihn wirklich gab. Diesen polnischen Helden. Womöglich war die Bildungslücke auch Schuld daran, dass ich mit dem Buch so meine Probleme hatte. Mancher Hinweis brachte mich zum Grübeln, einiges musste ich querlesen und wiederum anderes googeln. Vorteil: Ich habe mich (endlich) mit der Thematik auseinandergesetzt. Und war am Ende ziemlich betroffen.

Zitat Seite 134: "Es gab ein Schlachthaus. Es befand sich neben dem Krematorium, von dem die Asche stammte, die zum Düngen der Erde diente."

Die erdrückenden Empfindungen wurden durch die trostlos und kalt wirkenden Illustrationen in Blau- und Rottönen verstärkt. Manchmal standen nur wenige Worte dabei, manchmal keine. So ließ ich die Szenen auf mich wirken und mich von ihnen ergreifen. Das Artwork ist nicht sehr detailliert und anspruchsvoll, sondern zeigt Menschen und Gegenstände eher oberflächlich. Trotzdem bleiben sie nicht distanziert, sondern wecken das Interesse. Man möchte verstehen, wen oder was man da sieht. Ist erschrocken darüber, wie schnell aus einer vermeintlich normalen Situation etwas Furchtbares entstehen kann. Ich vermute, dass Gaétan Nocq genau diese Schrecken, das Trostlose, Unwirkliche, Abscheuliche in den Zeichnungen festhalten wollte.

Zitat Seite 194: "Sie wurden zum Block 3 gebracht. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass sie im Laufe des Tages erschossen werden würden."

Fazit: Ein Zeitzeugnis als Graphic Novel, wichtig und ergreifend, mit Illustrationen, die sowohl zum Nachdenken anregen als auch eine gewisse Leere in einem hinterlassen. Dieses Buch vergisst man garantiert nicht so schnell.

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