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Veröffentlicht am 29.10.2022

Gut geschriebener Blick in vielfältige Mordermittlungen

Das Prinzip Mord
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„Das Prinzip Mord“ erfreut schon auf den ersten Blick durch seine gelungen ungewöhnliche Gestaltung. Der feste, kantige Einband harmoniert mit dem schwarzen Rand des Buchblocks, innen erfreut cremefarbenes, ...

„Das Prinzip Mord“ erfreut schon auf den ersten Blick durch seine gelungen ungewöhnliche Gestaltung. Der feste, kantige Einband harmoniert mit dem schwarzen Rand des Buchblocks, innen erfreut cremefarbenes, sich hochwertig anfühlendes Papier. Jeder berichtete Fall wird mit einer ganzseitigen, in der oberen Hälfte schwarzen Fotografie eingeleitet, das Motiv ist jeweils ein tatsächliches Foto aus der Akte (in den Schilderungen finden sich jeweils weitere Fotos). Die Schrift ist der Schreibmaschinenschrift nachempfunden, um dem Leser das Gefühl zu geben, eine tatsächliche Polizeiakte zu lesen – eine gute Idee. Gelegentliche Unterstreichungen und geschwärzte Zeilen sollen dies visuell noch unterstreichen. Die geschwärzten Zeilen fand ich allerdings eher irritierend. Im Ganzen aber ist die visuelle Gestaltung hervorragend.
Der Inhalt kann vollständig mithalten. Die Autoren erklären im Vorwort, daß ihnen weder daran lag, „das Leid anderer Menschen (…) in die Öffentlichkeit“ zu ziehen, noch „die Täter vorzuführen, zu analysieren und zu ‚Monstern‘ zu machen.“ So haben sie sich auf die Ermittler und ihre Arbeit konzentriert. Das halte ich für eine hervorragende Perspektive und es ihnen gelungen, dies konsequent durchzuführen. Wir erfahren durchaus Notwendiges über Opfer und Täter, aber eben nicht mehr. Das ist eine Vorgehensweise, die ich wesentlich respektvoller finde als so manche betont rührselige oder grausige Schilderung in anderen Büchern über Kriminalfälle. Lediglich in einem Fall ist dieses Vorgehen etwas kontraproduktiv, da die Besonderheit hier in der Vorgeschichte des Tatopfers liegt, nicht in der Ermittlungsarbeit, so dass dieser Fall etwas blass wirkt.
Die Fokussierung auf die Ermittlungen passt zu dem sehr sachlichen Schreibstil, der aber keineswegs ohne Empathie ist. Ich habe diese Sachlichkeit genossen und finde sie für das Sujet angemessen.
Fünfzehn Fälle werden im Buch berichtet, sie bilden in vielerlei Hinsicht ein breites Spektrum ab und haben alle ihre interessanten Facetten, ihre Ungewöhnlichkeiten, die erklären, warum sie ins Buch aufgenommen wurden, auch wenn ich zwei Fälle etwas blass fand. Die Erzählweise ist anschaulich und interessant, ohne je ins Sensationslüsterne abzugleiten. Überflüssige oder zähe Passagen gab es keine, die Konzentration auf das Wesentliche ist gelungen. Es wäre angesichts der Tragik, über die hier berichtet wird, geschmacklos, das Buch als „spannend“ zu bezeichnen, aber ja, ich fieberte beim Lesen mit, nahm innerlichen Anteil an den Ermittlungen und war manchmal wütend über schlampige Ermittlungen, die dann zu sog. Cold Cases führten und zumindest in einem Fall den tatsächlichen Täter davonkommen ließen und einen Unschuldigen ins Gefängnis brachen. Immer wieder berührt die Hartnäckigkeit und auch persönliche Betroffenheit der Ermittler, liefern Berichte über die Ermittlungsmethoden faszinierende Informationen, überraschen häufig unwahrscheinlich erscheinende Zufälle, die beweisen, daß das Leben in dieser Hinsicht manchmal jeden Roman übertrifft. Abgerundet werden die Fallschilderungen von einem Interview mit einem Mordermittler.
Die optische Gestaltung, die sachliche Erzählweise und die überwiegend gelungene Auswahl von Fällen mit Besonderheiten in der Ermittlung machen dieses Buch für mich zu einem der lesenswertesten Bücher über wahre Kriminalfälle.

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Veröffentlicht am 03.07.2022

Ein Leben wie ein Roman - hervorragend erzählt

Hans Fallada
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Zuerst war ich aufgrund des Buchumfangs (um die 400 Seiten) ein wenig skeptisch, daß es eventuell Längen geben würde, aber die gab es zu keinem Moment. Falladas Leben war der reinste Roman und Uzulis erzählt ...

Zuerst war ich aufgrund des Buchumfangs (um die 400 Seiten) ein wenig skeptisch, daß es eventuell Längen geben würde, aber die gab es zu keinem Moment. Falladas Leben war der reinste Roman und Uzulis erzählt es – im positiven Sinne – wie einen Roman. Er beginnt mit einer besonders dramatischen Episode und zieht den Leser durch farbige, lebhafte Schilderung – der aber keineswegs das Fundierte fehlt – gleich in das Geschehen hinein. So bleibt es das ganze Buch hindurch, ich habe selten eine Biographie so gebannt gelesen.
Das Buch ist ausgezeichnet recherchiert, das merkt man nicht nur am umfangreichen Quellenverzeichnis und den zahlreichen Zitaten im Text. Uzulis zieht verschiedene Perspektiven heran, wir erfahren Fallada aus Sicht seiner Mutter, seiner ersten Ehefrau und verschiedener Weggefährten, aber auch aus seiner eigenen Sicht. So wird das Bild dieses komplexen und schwierigen Charakters facettenreich. Vereinzelt hätte der Autor sich mit der eigenen Meinung ein wenig zurückhalten können, aber überwiegend wird hier ein ausgewogenes Bild geschildert, versucht Uzulis, Falladas Motive zu ergründen, äußert oder zitiert gelegentlich Vermutungen dazu und sagt auch offen, wenn es eben nicht mehr als solche Vermutungen gibt. Auch schildert er die historischen und gesellschaftlichen Hintergründe anschaulich und bettet Falladas Leben und Werk hervorragend in diese ein.
Überhaupt verbindet er Person und Werk ausgezeichnet. In manchen Schriftstellerbiographien nehmen lange Nacherzählungen der Werke zu viel Raum ein, Uzulis dagegen beschränkt sich hier gelungen auf das Wesentliche. – Im Buch finden sich zahlreiche Fotografien, erfreulich über die Seiten verteilt, so daß die Abbildungen zum gerade Erzählten zeitlich und thematisch passen. Eine sehr angenehme Art der Illustration.
Diese Biographie macht einfach alles richtig, sie hat mir Fallada sowohl als Mensch wie auch als Autor in lebendiger Erzählweise nahegebracht, wichtige Hintergründe in genau richtiger Detailtiefe geschildert und neugierig auf jene seiner Werke gemacht, die ich noch nicht gelesen habe, zudem diese Werke gelungen im Spiegel von Falladas Leben und Umständen betrachtet. Lediglich ein paar kleine Schlussbemerkungen über die weiteren Lebenswege seines Umfelds hätte ich mir noch gewünscht, aber das ist reine Geschmackssache. Ein ausgezeichnetes Buch, sowohl vom Unterhaltungs- wie auch vom Informationsgehalt!

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Veröffentlicht am 07.05.2022

Herrlich gestaltet und vielfältig informativ

Inselwandern in Kroatien
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Dieser Inselwanderführer für Kroatien war eine echte Freude! Dies begann schon bei der ausnehmend ansprechenden Gestaltung. Jede der sieben vorgestellten Inseln hat ein eigenes Kapitel, welches mit einer ...

Dieser Inselwanderführer für Kroatien war eine echte Freude! Dies begann schon bei der ausnehmend ansprechenden Gestaltung. Jede der sieben vorgestellten Inseln hat ein eigenes Kapitel, welches mit einer farbig unterlegten Doppelseite eingeleitet wird, auf der sich links eine Karte der Insel und eine hübsche Zusammenfassung ihrer wesentlichen Vorzüge (z.B. "Sonnenreichtum, mediterranes Flair und der Charme der k.u.k. Monarchie") findet, rechts ein Einführungstext. Die Farbe dieser Doppelseite zieht sich dann erfreulich durch das ganze jeweilige Kapitel, inklusive farbig abgesetzter Seitenränder, so daß man sich sofort gut orientieren kann. Die Farben sind übrigens alle sanft und harmonisch - einer der vielen Aspekte, in denen sich die liebevolle Gestaltung des Buches zeigt.

Insgesamt werden fünfunddreißig Touren (fünf pro Insel) vorgestellt, von unterschiedlicher Länge und auch sonst in vielerlei Hinsicht abwechselnd. Jede Tour beginnt, wie in Wanderführern üblich, mit nützlichen Informationen, die hier umfassend und gut dargestellt sind - lediglich ein Höhenprofil hätte mich noch gefreut, aber das ist persönliche Präferenz und nicht in jedem Wanderführer enthalten. Hier hat man den Gesamtunterschied an Höhenmetern sowie auf den - für meinen Geschmack etwas zu reduzierten - Karten die Höhenangaben einzelner Punkte. Es wird auch darauf hingewiesen, sich vor Ort mit Karten zu versorgen. Ob die Wege, wie im Buch erwähnt, auch "ohne weiteres Informaterial" zu begehen sind, kann ich - noch - nicht beurteilen, die Kombination auf Karte und Routenbeschreibung macht aber einen umfassenden Eindruck. Sehr schön auch Tips für kleine Umwege oder zum "Weiterwandern". Ebenfalls gelungen fand ich, dass bei den praktischen Informationen (die übrigens in ihrer visuelle Gestaltung mit dem restlichen Buch absolut mithalten können) immer mit einem Begriff die Art der Wanderung (z.B. "Bergwanderung", "Küstenwanderung" oder "Spaziergang") zusammengefasst war. Eine weitere schöne Idee: vorne im Buch findet sich eine - ebenfalls hübsch gestaltete - Übersicht, die für jede Insel eine besonders empfehlenswerte Wanderung nennt. Man sieht - Übersichtlichkeit, Informationsgehalt und Gestaltung haben mich absolut überzeugt.

Die Routenbeschreibungen lesen sich überwiegend sehr angenehm. Wir bekommen hier nicht nur eine Wegbeschreibung, sondern zahlreiche Eindrücke - fast sieht man alles vor sich, so farbig werden Gerüche, Pflanzen, Geräusche und kleine Besonderheiten geschildert. So mag ich Wanderführer, wenn man schon beim Lesen einen Eindruck bekommt, was einen erwartet und zudem am liebsten gleich loswandern würde (oder eben auch erkennt, welche Route nicht unbedingt den eigenen Geschmack treffen würde). Auch die Beschreibungen jener Routen, die ich nicht wandern würde, habe ich interessiert gelesen, weil sie so unterhaltsam waren. Das einzige kleine Manko ist die Neigung der Autorin, uns kontinuierlich über ihre Gefühlswelt zu informieren. Schon beim gefühlig-pathetischen Vorwort habe ich gefürchtet, dass das Lesen anstrengend werden würde. Das ist so stark nun nicht eingetreten, aber es wurde doch zunehmen enervierend, ständig mit Verzückung aller Art konfrontiert zu werden. Passagen wie "hatte uns (...) in Entzücken versetzt. Ich bin hingerissen (...), genieße (...) bin voll Freude über mein Hier-Sein! Vollends glücklich bin ich ..." oder " "Ich bin fasziniert ... Ich bin gebannt ... Hingerissen betrachte ich ... und mir gehen die Augen über ... Es verblüfft mich ... Und dann kippt meine fast ehrfürchtige Betrachtung in kichernde Heiterkeit ..." (diese war fast eine halbe Seite lang) sind vielleicht für einen persönlichen Wanderbericht angebracht (aber auch da schwächt inflationäre Begeisterung die Wirkung eher), in einem Wanderführer aber fehl am Platz, zumindest in dieser Häufigkeit. Auf einer Seite wird uns eine Viertelseite vom Malhobby der Autorin berichtet - da verstehe ich wirklich nicht, welchen Wert diese Information für den Leser haben soll. Dies war ein zwar kleiner, aber doch beständiger Wermutstropfen in dem ansonsten aber erfreulichen Text.

Sehr schön fand ich, dass die Autorin sich nicht nur auf die Wanderrouten beschränkt, sondern in - ansprechend farbig unterlegten - Informationskästen noch zahlreiche Hintergrundinformationen berichtet. Diese sind herrlich vielfältig, wir erfahren Geschichtliches, etwas über die Produkte der Inseln und ihre Herstellung, es gibt Städtebeschreibungen und Beschreibungen origineller Museen. Eine tolle Mischung und inhaltlich auf positive Weise weit über das hinausgehend, was ich von Wanderführern kenne. Dieses Buch ist letztlich schon fast ein umfassender Inselreiseführer und zudem eine unterhaltsame Lektüre.

Abgerundet wird dieses so erfreulich Buch dann noch durch zahlreiche qualitativ herrliche Farbfotos. Ich war angenehm überrascht, wie viele Fotos sich im Buch finden, wie groß und gut sie sind. Diese anzusehen hat richtig Spaß gemacht.

Wer also mehr über diese sieben Inseln vor der Küste Kroatiens erfahren möchte, ob nun als Reisevorbereitung oder auch einfach aus allgemeinem Interesse, tut hier einen ganz ausgezeichneten Griff!

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Vielfältige und unterhaltsame Reise

Odenwald - HeimatMomente
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Dieses Buch über den Odenwald hat mich begeistert! In 50 Einträgen berichtet Cornelia Lohs allerlei Unterhaltsames und Wissenswertes, ich habe es mit Vergnügen gelesen.

Das Buch hat ein handliches Format, ...

Dieses Buch über den Odenwald hat mich begeistert! In 50 Einträgen berichtet Cornelia Lohs allerlei Unterhaltsames und Wissenswertes, ich habe es mit Vergnügen gelesen.

Das Buch hat ein handliches Format, so daß es sich gut mitnehmen läßt. Ein kleines Manko ist der ziemlich dünne Einband, wesentlich dünner als die Einbände meiner anderen Reise- und Wanderführer, und obwohl ich das Büchlein nur zu Hause gelesen habe, sind die Ecken schon leicht angestoßen. Gerade bei einem Buch, das man unterwegs bei sich hat, wäre ein festerer Einband sinnvoll. Dafür ist es ansonsten hochwertig ausgestattet, die Seiten sind aus qualitativ gutem Papier, das zudem für die zahlreichen Farbfotografien ausgezeichnet geeignet sind. Es ist herrlich, wie viele Fotos es hier gibt, durchweg bester Qualität. Die Überschriften und Rahmen der Kästen für weitere Informationen sind ebenfalls farbig, die Überschriften selbst im selben schwungvollen Font wie der Buchtitel. Die visuelle Gestaltung ist sehr ansprechend! Nur die Karten haben mich nicht vollständig überzeugt. Relativ weit vorne findet sich eine Deutschlandkarte, bei der die inneren Grenzen der Bundesländer eingezeichnet sind, die äußeren aber nicht, was bei an andere Länder angrenzende Bundesländer seltsam und irritierend aussieht - es wirkt, als ob hier jemand etwas übersehen hätte. Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich eine Nahansicht der Bereiche von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern, über welche sich der Odenwald erstreckt. Die fünf Gegenden, denen sich die Kapitel widmen, sind hier zwar mit Rahmen eingezeichnet, die Rahmen und auf die Kapitel hinweisenden Zahlen sind aber dünn und in einem schwachen Rot, das sich vom kräftigen Grün der Karte kaum abzeichnet, was dies schlecht erkennbar macht, auch sind keine Städte eingezeichnet, so daß mir diese Karte kaum bei der Orientierung half. Hier hätte im Sinne der Übersichtlichkeit einiges besser gemacht werden können. Vor jedem der fünf Kapitel findet sich dann eine Karte der jeweiligen Gegend, die übersichtlich und hilfreich ist.

Der Inhalt kann mit der ansprechenden Gestaltung absolut mithalten. Cornelia Lohs’ Schreibstil ist eine Freude - persönlich, anschaulich, farbig. Hier gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine trockenen Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten, sondern wir erfahren Hintergründe und Anekdoten in einer ausgezeichneten Mischung. Es gibt historische Informationen, Berichte über Familienunternehmen, originelle Geschäftsideen, Sagen, interessante Menschen - es ist im positiven Sinne eher Lesebuch als Reiseführer. Ich fand es toll, wie viel ich hier über den Odenwald erfahren habe und ich habe auch die Einträge zu Orten gelesen, die ich nicht besuchen würde (und manche, die eher Aufhänger zu einer Geschichte als wirkliche Sehenswürdigkeit sind), deren Geschichte aber interessant war. So ist das Buch auch ohne Reiseabsicht empfehlenswert. Das soll aber nicht heißen, daß nicht als Reiseführer dienlich wäre, im Gegenteil! Ich habe hier eine ganze Menge Orte entdeckt, die ich besuchen möchte. Sehr schön fand ich auch, daß die praktischen Informationen immer einen „Weitere Aktivitäten“-Abschnitt haben, der sehr gute zusätzliche Tips bietet - als begeisterte Wanderin freute ich mich hier insbesondere über Wanderroutentips,

Und so hat das Buch wirklich fast alles ganz ausgezeichnet gemacht, die winzigen Mankos sind kaum der Rede wert. Visuell erfreuliche Gestaltung geht Hand in Hand mit vielfältigen Informationen, die in unterhaltsamem Schreibstil präsentiert werden.

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Veröffentlicht am 13.11.2021

Unterhaltsam, fundiert, vielseitig - so soll Geschichte sein!

Wolfszeit
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Diese Buch stand eine ganze Weile ungelesen in meinem Regal. Keineswegs aus Mangel an Interesse, sondern weil ich mir angesichts des Umfangs und Themas eine zwar lohnenswerte, aber doch schwergängige Lektüre ...

Diese Buch stand eine ganze Weile ungelesen in meinem Regal. Keineswegs aus Mangel an Interesse, sondern weil ich mir angesichts des Umfangs und Themas eine zwar lohnenswerte, aber doch schwergängige Lektüre erwartete, der ich mich nicht nebenbei widmen wollte. Nun kann ich sagen: lohnenswert ist diese Lektüre absolut, schwergängig dagegen keineswegs! Ich war sofort gebannt von der Erzählweise des Autors. Hier wird Geschichte so erzählt, wie ich es schätze: fundiert, respektvoll und trotzdem eingängig. Das Buch vermittelt auf ungemein unterhaltsame Weise eine Vielzahl interessanter Fakten, darunter zahlreiche, die mir auch als Geschichtsfan neu waren. Harald Jähner kündigt im Vorwort an, den Nachkriegsjahren den Schleier der Düsternis ein wenig nehmen zu wollen und tatsächlich gelingt es ihm, aufzuzeigen, wie viel positive Stimmung es trotz der Not und dem Leid gab. Überhaupt wohnt der Erzählweise eine Leichtigkeit inne, die das Lesen angenehm gestaltet. Dabei mangelt es ihm aber nie an Ernst und Respekt, wo dieser angebracht ist und natürlich ist den tiefdunklen Aspekten ebenfalls Raum gewidmet. Es wird nichts beschönigt, die allgemeine Ausrichtung des Buches ist aber von einem erfreulichen Facettenreichtum, welcher die emotionale Vielfalt dieser Zeit hervorragend widerspiegelt.
Jähner zitiert zahlreiche Zeitgenossen, die uns teilweise im Laufe des Buches immer wieder begegnen, was eine angenehm persönliche Komponente in das Buch bringt und auf den Blick auf das eröffnet, was ich immer am interessantesten finde: wie sich geschichtliche Ereignisse auf die Menschen auswirkten. Auch die zahlreichen Fotos sind anschaulich, während umfangreiche Quellenangaben im Anhang die sorgfältige Recherche beweisen. Wir erfahren über Politik ebenso wie über Liebesbeziehungen, über den Schwarzmarkt ebenso wie über die Begründung ungewöhnlicher Karrieren wie z.B. der Beate Uhses, oder der Entwicklung Volkswagens, von den Schicksalen derer, die nach einem entwurzelten Leben in Lagern den Weg in einer bürgerliche Existenz nicht (mehr) fanden. Es gibt unterhaltsame Informationen, so mußte ich schmunzeln, daß es gerade Frankfurt gelang, als einzige Stadt die Trümmerbeseitigung so durchdacht anzugehen, daß sie damit noch Gewinn machten. Vereinzelt wechselten mir die Themen zu schnell, hätte ich mir mehr Informationen gewünscht, aber das waren Ausnahmen. Es ist beeindruckend, welche Themenvielfalt hier versammelt ist, ohne daß es auf Kosten der Tiefe geht.
„Wolfszeit“ ist Geschichtsvermittlung, wie es sein soll: unterhaltsam wie ein Roman, dabei bestens recherchiert und von unglaublicher Informationsvielfalt. Rundum gelungen!

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