Gut geschriebener Blick in vielfältige Mordermittlungen
Das Prinzip Mord„Das Prinzip Mord“ erfreut schon auf den ersten Blick durch seine gelungen ungewöhnliche Gestaltung. Der feste, kantige Einband harmoniert mit dem schwarzen Rand des Buchblocks, innen erfreut cremefarbenes, ...
„Das Prinzip Mord“ erfreut schon auf den ersten Blick durch seine gelungen ungewöhnliche Gestaltung. Der feste, kantige Einband harmoniert mit dem schwarzen Rand des Buchblocks, innen erfreut cremefarbenes, sich hochwertig anfühlendes Papier. Jeder berichtete Fall wird mit einer ganzseitigen, in der oberen Hälfte schwarzen Fotografie eingeleitet, das Motiv ist jeweils ein tatsächliches Foto aus der Akte (in den Schilderungen finden sich jeweils weitere Fotos). Die Schrift ist der Schreibmaschinenschrift nachempfunden, um dem Leser das Gefühl zu geben, eine tatsächliche Polizeiakte zu lesen – eine gute Idee. Gelegentliche Unterstreichungen und geschwärzte Zeilen sollen dies visuell noch unterstreichen. Die geschwärzten Zeilen fand ich allerdings eher irritierend. Im Ganzen aber ist die visuelle Gestaltung hervorragend.
Der Inhalt kann vollständig mithalten. Die Autoren erklären im Vorwort, daß ihnen weder daran lag, „das Leid anderer Menschen (…) in die Öffentlichkeit“ zu ziehen, noch „die Täter vorzuführen, zu analysieren und zu ‚Monstern‘ zu machen.“ So haben sie sich auf die Ermittler und ihre Arbeit konzentriert. Das halte ich für eine hervorragende Perspektive und es ihnen gelungen, dies konsequent durchzuführen. Wir erfahren durchaus Notwendiges über Opfer und Täter, aber eben nicht mehr. Das ist eine Vorgehensweise, die ich wesentlich respektvoller finde als so manche betont rührselige oder grausige Schilderung in anderen Büchern über Kriminalfälle. Lediglich in einem Fall ist dieses Vorgehen etwas kontraproduktiv, da die Besonderheit hier in der Vorgeschichte des Tatopfers liegt, nicht in der Ermittlungsarbeit, so dass dieser Fall etwas blass wirkt.
Die Fokussierung auf die Ermittlungen passt zu dem sehr sachlichen Schreibstil, der aber keineswegs ohne Empathie ist. Ich habe diese Sachlichkeit genossen und finde sie für das Sujet angemessen.
Fünfzehn Fälle werden im Buch berichtet, sie bilden in vielerlei Hinsicht ein breites Spektrum ab und haben alle ihre interessanten Facetten, ihre Ungewöhnlichkeiten, die erklären, warum sie ins Buch aufgenommen wurden, auch wenn ich zwei Fälle etwas blass fand. Die Erzählweise ist anschaulich und interessant, ohne je ins Sensationslüsterne abzugleiten. Überflüssige oder zähe Passagen gab es keine, die Konzentration auf das Wesentliche ist gelungen. Es wäre angesichts der Tragik, über die hier berichtet wird, geschmacklos, das Buch als „spannend“ zu bezeichnen, aber ja, ich fieberte beim Lesen mit, nahm innerlichen Anteil an den Ermittlungen und war manchmal wütend über schlampige Ermittlungen, die dann zu sog. Cold Cases führten und zumindest in einem Fall den tatsächlichen Täter davonkommen ließen und einen Unschuldigen ins Gefängnis brachen. Immer wieder berührt die Hartnäckigkeit und auch persönliche Betroffenheit der Ermittler, liefern Berichte über die Ermittlungsmethoden faszinierende Informationen, überraschen häufig unwahrscheinlich erscheinende Zufälle, die beweisen, daß das Leben in dieser Hinsicht manchmal jeden Roman übertrifft. Abgerundet werden die Fallschilderungen von einem Interview mit einem Mordermittler.
Die optische Gestaltung, die sachliche Erzählweise und die überwiegend gelungene Auswahl von Fällen mit Besonderheiten in der Ermittlung machen dieses Buch für mich zu einem der lesenswertesten Bücher über wahre Kriminalfälle.