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Veröffentlicht am 19.06.2022

Der Widerstand verschafft der Liebe immer kräftigere Waffen. (George Sand)

Was der Morgen verspricht
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1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen ...

1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen passenden Kandidaten haben sie auch schon in Daniel Friedländer gefunden. Doch sie haben die Rechnung ohne Hannah gemacht, die sich viel lieber in der Praxis ihres Großvaters aufhält und ihm bei den Behandlungen über die Schulter sieht. Hannahs Eltern sehen über die Wünsche ihrer Tochter hinweg und organisieren erst die Verlobung, dann die Hochzeit und Hannah muss Folge leisten. Aber von ihren Träumen hat sie sich deshalb noch lange nicht verabschiedet und kämpft weiter für ihr großes Ziel: das Medizinstudium…
Kristina Herzog hat mit „Was der Morgen verspricht“ einen unterhaltsamen, historischen Roman vorgelegt, der das Schicksal einer jungen Frau zur damaligen Zeit beschreibt und die sich gegen die damalige Erwartungshaltung der Gesellschaft auflehnt. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil fängt den Leser schnell ein und bringt ihn ins vergangene Jahrhundert zurück, um dort als Schatten von Hannah deren Schicksal für den Zeitraum von 1904 bis 1925 hautnah mitzuverfolgen. Hannahs Eltern vertreten die Ansicht, dass die Rolle ihrer Tochter die einer Ehefrau und Mutter zu sein hat und entscheiden über ihren Kopf hinweg über ihr Leben. Auch wenn sich der zukünftige Ehemann Daniel als ein angenehmer Zeitgenosse entpuppt, ist allein der Gedanke schrecklich, einen Mann heiraten zu müssen, den man kaum kennt und den man sich selbst nicht ausgesucht hat. So ergeht es auch Hannah, auch wenn sie sich schon bald von Daniels menschlichen Qualitäten überzeugen kann. Trotzdem ist sie mutig und widerspenstig genug, sich ihre Träume nicht aus dem Kopf schlagen zu lassen und erhält neben ihren Großeltern ausgerechnet von ihrem Ehemann die nötige Unterstützung. So beginnt sie schließlich ein Studium in Tübingen, da nur dort Frauen der Zugang dazu gewährt wurde. Kristina Herzog spult ihre Geschichte in einem gemächlichen Tempo ohne große Höhen und Tiefen ab, die Handlung besitzt kaum Spannungsmomente. Gleichzeitig ist alles sehr weichgespült, Probleme lösen sich praktisch in Luft auf und insgesamt ist alles eitel Sonnenschein. Die Schwierigkeiten der Frauen damals werden nicht wirklichkeitsgetreu dargestellt, was der Geschichte ihrer Glaubhaftigkeit beraubt. Auch die Zeitsprünge sowie viele Dinge, die sich einfach in Wohlgefallen auflösen, hinterlassen keinen positiven Eindruck.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausgestaltet, der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um die Ereignisse zu verfolgen. Hannah ist schon als junge Frau nicht nur wissbegierig, sondern besitzt Entschlossenheit, Mut und eine gewisse Stärke. Sie hält an ihren Träumen fest und kämpft für die Realisierung. Daniel ist ein freundlicher und liebenswerter Mann, der seine Frau auf Hänfen trägt und ihre jeden Wunsch erfüllen will. Alma ist die gute Seele des Hauses. Sie ist zurückhaltend, steht Hannah aber immer zur Seite und ist vor allem sehr loyal. Hannahs Mutter ist eiskalt und weil sie selbst unglücklich ist, ist ihr das Schicksal ihrer Tochter wohl egal. Hannahs Bruder Jakob ist ein Widerling, der sich nimmt, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Was der Morgen verspricht“ ist ein kurzweiliger historischer Roman, in dem eine Frau für ihre Rechte kämpft. Eine gemächliche Handlung mit zeitlichen Sprüngen, ohne Tiefgang und große Spannung sowie die sich gefällig auflösenden Probleme hinterlassen allerdings keinen bleibenden Eindruck beim Leser. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.06.2022

Herr, Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. (Psalm 119,105)

Das Geheimnis von Hope Island
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Nach dem Tod ihres Mannes will Abby Baker mit ihrer Tochter Emma neu anfangen und zieht in ihren Heimatort Hope Harbor zurück. Dort nimmt sie in Vertretung ihrer kranken Mutter Grace an einer Ehrenbezeugungsveranstaltung ...

Nach dem Tod ihres Mannes will Abby Baker mit ihrer Tochter Emma neu anfangen und zieht in ihren Heimatort Hope Harbor zurück. Dort nimmt sie in Vertretung ihrer kranken Mutter Grace an einer Ehrenbezeugungsveranstaltung der ehemaligen Leuchtturmwärter teil, wo sie Carson Stevens begegnet, der aus dem alten Leuchtturm ein Bed & Breakfast machen möchte. Abbys Angebot, ihm bei der Innenausstattung zu helfen, nimmt er gerne an. Als sie in dem alten Leuchtturm ausmisten, stößt Abby in einem Versteck auf alte Tagebücher ihrer Großmutter. Die Lektüre über die Vergangenheit ihrer Großmutter fasziniert Abby und offenbart ihr schon bald ein Geheimnis, dass ihr eigenes Leben für immer verändert…
Marilyn Turk hat mit „Das Geheimnis von Hope Island“ einen kurzweiligen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser eine angenehme Auszeit beschert. Der flüssig-leichte und gefühlvolle Erzählstil zieht den Autor schnell in die Handlung hinein, wo er sich durch bildhafte Landschaftsbeschreibungen sogleich an den malerischen Ort Hope Harbour mit seinem alten Leuchtturm versetzt fühlt. An der Seite von Abby und Carson macht sich der Leser daran, das alte Gemäuer zu erkunden und darf über Abbys Schulter von der Vergangenheit ihrer Großmutter erfahren, die ihre Erlebnisse in alten Tagebüchern festgehalten hat. Das alte Familiengeheimnis, das bisher zwischen den Tagebuchseiten gut verborgen war, wird durch die Autorin leider viel zu schnell gelüftet. Auch die Sabotageakte auf der Baustelle rund um den Leuchtturm, die Carson Kopfschmerzen bereiten, deuten schon bald auf den Übeltäter hin und rauben der Geschichte damit jedes Maß an Spannung. Danach plätschert die Handlung eigentlich nur noch vor sich hin und lässt den Leser ohne größere Höhen durch die Story jagen bis zum Ende des Romans. Während die Aufzeichnungen von Großmutter Grace den Leser zurück in die Zeit des Zweiten Weltkrieges versetzten und zu fesseln vermögen, kann es die Gegenwartsgeschichte nur bedingt. Die Beziehung zwischen Abby und Carson ist zwar einigermaßen romantisch angelegt, doch wirkt sie irgendwie nicht realistisch, vor allem in Bezug auf Abbys gerade erst erlebten Schicksalsschlag. Ebenso ist der Autorin nicht gelungen, den christlichen Aspekt in ihrer Geschichte überzeugend und tiefgründig darzustellen.
Die Charaktere sind recht oberflächlich und blass gestaltet, ihnen fehlt es neben glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten vor allem an Tiefgründigkeit. Der Leser findet sich deshalb nur als Statist in dieser Geschichte wieder und beobachtet die Protagonisten auf Distanz. Abby wurde vom Schicksal hart gebeutelt, sie ist zurückhaltend freundlich, doch lässt sie egoistische Züge durchblitzen, die sie nicht gerade sympathisch machen. Tochter Emma dagegen begegnet der Welt mit offenem Wesen und wickelt alle um den Finger. Oma Grace war eine Frau mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Carson ist ein Mann, der nicht nur zupacken kann, sondern sich auch noch Träume bewahrt hat. Zudem ist er hilfsbereit, freundlich, aber auch vorsichtig.
„Das Geheimnis von Hope Island“ ist unterhaltsame Sommerlektüre, dessen Geheimnis allerdings schon früh aufgedeckt wird und dabei ohne große Spannung auskommt. Kurzweilig zu lesen, aber ohne jeglichen Tiefgang. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.05.2022

Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. (Heinrich Heine)

Die Buchhandlung in der Amalienstraße
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1913 München. Die 19-jährige Elly Grafenstetter ist überglücklich, dass sie in der Buchhandlung in der Amalienstraße einen Ausbildungsplatz bekommen hat, denn sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen ...

1913 München. Die 19-jährige Elly Grafenstetter ist überglücklich, dass sie in der Buchhandlung in der Amalienstraße einen Ausbildungsplatz bekommen hat, denn sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht in eine Ehe gedrängt werden. Auch ihre beste Freundin Henni wird dort als Ladenhilfe angestellt, die beiden Frauen finden nichts schöner als Lesen. Zudem wollen sie ihre Idee umsetzen und einen Schriftstellerinnen-Salon gründen, doch zur damaligen Zeit werden sie als Frauen leider nicht ernst genommen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht und Hennis Bruder Zacherl und sowie der mit ihnen befreundete Buchhändler Leo sich zum Kriegsdienst melden, steht es für die Buchhandlung nicht zum Besten, denn die Menschen brauchen andere Dinge als Bücher. Zudem erschwert die Zensur den Verkauf von Literatur. Aber weder Elly noch Henni wollen die Segel streichen und kämpfen für ihren Traum...

Heidi Rehn hat mit „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Kaiserzeit des letzen Jahrhunderts zurückführt, sondern ihn auch mit zwei jungen Frauen bekannt macht, die ihren Traum leben wollen und dabei an Grenzen stoßen. Die Autorin mixt gekonnt Fiktion mit realen Fakten und belegten Personen und führt den Leser mit locker-flüssigem Schreibstil ins vergangene Jahrhundert in eine Zeit des Umbruchs und des Krieges. Der Zeitrahmen der Geschichte spannt sich von 1910 bis 1919. Der Leser trifft auf zwei Frauen mit unterschiedlichem gesellschaftlichem Hintergrund, die schnell enge Freundinnen werden und die Liebe zu Büchern teilen. Elly kommt aus gutem Hause und soll nach Wunsch ihrer Mutter die Ehe mit einem Mann eingehen, den Elly nicht ausstehen kann und sich hier behaupten muss. Henni dagegen stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat aber gerade deshalb wohl Courage genug, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Während der Leser das Schicksal der beiden Frauen beobachtet und in die Anfänge der Frauenbewegung eintaucht, entdeckt er im Hintergrund das München von damals. Dass Frauen zur damaligen Zeit einen Beruf erlernten, war eine Ausnahme, denn normalerweise war ihnen die Rolle der Ehefrau und Mutter zugedacht. Rehn hat den historischen Hintergrund gut recherchiert und mit ihrer Geschichte verwoben. Der Ausbruch des Krieges und die damit einhergehende Folge, dass Bücher eine Art Luxusgut waren und auch der Zensor eine Rolle spielte in Bezug auf den Inhalt der diversen Lektüren ist heute kaum denkbar, zeigt aber auch, wie engstirnig bzw. pragmatisch damals gedacht wurde. Die Handlung selbst plätschert eher vor sich hin, es gibt kaum wirkliche Höhen und Tiefen, so dass einige Strecken recht langatmig erscheinen, in denen vor allem die politische Lage sehr ausufernd beschrieben wird und so von den beiden Protagonistinnen sehr ablenkt.

Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und mit authentischen Eigenschaften ausgestattet. Der Leser agiert aber eher als Statist, da sich eine Nähe zu den Protagonisten nicht einstellen will. Elly ist eine Frau, die weiß, was sie will und dies auch durchsetzen möchte. Sie wirkt oftmals anstrengend, selbstsüchtig und übergriffig. Henni ist selbstbewusster als Elly, was allein schon ihrem familiären Hintergrund geschuldet ist, da sie sich immer alles erkämpfen musste. Leo und Zacherl werden nur oberflächlich skizziert, bleiben somit recht blaß und ohne Tiefe.

„Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ ist ein historischer Unterhaltungsroman, der dem Leser einen guten Einblick ins München der damaligen Zeit bietet und nebenbei das Rollenbild der Frau zu jener Zeit thematisiert. Gute Hintergrundrecherche sowie die Verknüpfung von Fiktion und Realität sorgen hier leider nur für eine eingeschränkte Leseempfehlung, da die Protagonisten fremd blieben und der Leser nur außen vor als mittendrin war!

Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen. (Vincent van Gogh)

Liebe in den Gezeiten des Meeres
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Bei Maddy Monroe schlägt das Unglück gleich doppelt zu, denn nicht nur ihr Freund hat sie hintergangen, sondern auch ihren Job ist sie los. Ein Anruf von Connor Sullivan, dem Nachbarn ihrer Großmutter, ...

Bei Maddy Monroe schlägt das Unglück gleich doppelt zu, denn nicht nur ihr Freund hat sie hintergangen, sondern auch ihren Job ist sie los. Ein Anruf von Connor Sullivan, dem Nachbarn ihrer Großmutter, lenkt Maddy allerdings ab, denn ihre Oma ist verschwunden und sie muss sich darum kümmern. In Seahaven angekommen, trifft Maddy auf ihre älteren Schwestern Nora und Emma, mit denen sie seit vielen Jahren keinen Kontakt hatte. Alle drei erfahren erst jetzt, dass ihre Oma auf Reisen ist und sich dabei erhofft, dass die Schwestern sich endlich wieder miteinander vertragen. Während sich die Schwestern in Abwesenheit ihrer Großmutter um die Entrümpelung deren Hauses kümmern, fördern sie nicht nur einige gut gehütete Geheimnisse zutage, sondern werden auch mit ihren alten Unstimmigkeiten konfrontiert, die endlich aus der Welt geschafft werden müssen…
Denise Hunter hat mit „Liebe in Gezeiten des Meeres“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, in dem der Leser nicht nur vier unterschiedliche Frauen kennenlernt, sondern auch so manches bisher gut verborgenes Geheimnis lüften wird. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Maddys Seite gleiten und ihr auf den Fersen folgen. Von Charlotte geht es ins malerische Seahaven zu einem Familientreffen der besonderen Art, denn Maddy begegnet unvorhergesehen ihren älteren Schwestern, mit denen sie seit langer Zeit nicht gesprochen hat. Während die Schwestern sich unter dem Dach ihrer Großmutter nicht aus dem Weg gehen können, kommen nach und nach ihre alten Streitigkeiten aufs Tablett, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Bei der gemeinsamen Entrümpelungsaktion, bei denen ihnen Nachbar Connor eine große Hilfe ist, stoßen die drei Schwestern zudem auf Geheimnisse ihrer Großmutter, die viele Dinge innerhalb der Familie in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Autorin lässt den Leser jede ihrer Protagonistinnen mitsamt ihrer Probleme und Sorgen kennenlernen, wobei sie auch kurze Rückblenden in die Vergangenheit in ihre Geschichte miteingearbeitet hat, so dass die einzelnen Konflikte nachvollziehbar sind. Maddy, die von Männern momentan die Nase voll hat, findet ausgerechnet in Connor jemanden, der einen zweiten Blick wert ist. Doch bis sie das erkennt, braucht Connor jede Menge Geduld. Der christliche Aspekt wird in dieser Geschichte nur angerissen, hauptsächlich geht es um Vergebung und Verzeihen. Wenn man das große Ganze betrachtet, dann hätten die Schwestern schon vor Jahren das Gespräch miteinander suchen müssen, als die manchmal wie Kinderei wirkenden Probleme so lange mit sich herumzutragen.
Die Charaktere sind lebendig ausgestaltet, wirken glaubwürdig und authentisch, doch bleibt der Leser hier eher Statist als mit ihnen zu fiebern und zu fühlen. Maddy ist von allen noch die Sympathischste. Sie ist fürsorglich und hilfsbereit, innerlich jedoch ist sie verletzt, traurig und auch verunsichert, weil sie nicht mehr weiß, ob sie noch vertrauen kann. Emma und Nora allerdings leben in ihrer eigenen Blase, denn obwohl sie jeweils ihre eigenen Probleme haben, hat sich der lächerliche Konflikt zwischen den beiden so hoch geschaukelt, dass sie diesen über Jahre gezogen haben. Connor ist ein freundlicher und sensibler Mann, der selbst sein Päckchen zu tragen hat.
„Liebe in Gezeiten des Meeres“ ist ein unterhaltsamer Roman mit einer Mischung aus Problembewältigung, Familiengeheimnissen und Romantik. Kurzweilig geschrieben, jedoch nicht der beste Roman der Autorin. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.05.2022

Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken. (Ferdinand Magellan)

Vier Frauen am Meer
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1925 Ahrenshoop, Ostsee. Die 26-jährige Handarbeitslehrerin Gitta Mahrenholz stammt aus wohlhabendem Haus. Gemeinsam mit ihrer Freundin Adelheid ist sie auf den Geschmack der Reformbewegung gekommen und ...

1925 Ahrenshoop, Ostsee. Die 26-jährige Handarbeitslehrerin Gitta Mahrenholz stammt aus wohlhabendem Haus. Gemeinsam mit ihrer Freundin Adelheid ist sie auf den Geschmack der Reformbewegung gekommen und besucht mit ihr deren Veranstaltungen, was sie vor ihren Eltern gekonnt verbirgt. Der Geschmack von Freiheit ist ihr wohlgehütetes Geheimnis und veranlasst sie auch dazu, ohne das Wissen und Einverständnis ihrer Eltern ganz allein zur Sommerfrische nach Ahrenshoop an die Ostsee zu reisen, wo es nicht nur vor Badegästen nur so wimmelt, sondern auch viele Künstler anzutreffen sind. Gitta möchte unbedingt auf eigenen Beinen stehen und mit ihrem geschickten Händchen Kleider in der neuen modernen Silhouette für Frauen erschaffen. Schon bald knüpft sie neue Kontakte und gründet schließlich mit drei Frauen das Regenbogenhaus, um dort ihre Ideen endlich in die Tat umsetzen zu können, was den einheimischen Bewohnern ein Dorn im Auge ist…
Svea Lubenow hat mit „Vier Frauen am Meer“ einen unterhaltsamen Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der den Leser zu einer Reise in die Vergangenheit an die Ostsee einlädt, um dort Gitta zu begleiten, die sich endlich vom gesellschaftlichen Korsett befreien und ein selbstbestimmtes Leben führen will. Der lockerflüssige und farbenfrohe Erzählstil lässt die wunderbare Ostseelandschaft mit seinen Bewohnern vor dem inneren Auge des Lesers Gestalt annehmen. Gemeinsam mit Gitta verlässt man das Dampfschiff in eine unbekannte und vor allem ungeplante Zukunft. Gitte ist in ihrer Naivität sehr mutig, denn sie verlässt ihr sicheres Zuhause, um ihre Unabhängigkeit zu erlangen und vor allem ihren Traum zu verwirklichen, denn sie möchte Kleider für die moderne Frau schneidern. In Ahrenshoop kann sie aufatmen und taucht gleichzeitig tief in die dort ansässige Künstlerkolonie ein, wo sie schnell in Franziska, Frida und Traudel Freundinnen und Gleichgesinnte findet, die den gesellschaftlichen Konventionen entflohen sind. Ihr gemeinsames Projekt, das Regenbogenhaus, soll ein offenes Haus sein, wo sich jede von ihnen selbst verwirklichen kann. Die Autorin fängt die damalige Stimmung sehr gut ein und versetzt den Leser mit ihren bildhaften Beschreibungen in den Urlaubsmodus. Die Handlung ist kurzweilig, bleibt aber leider recht oberflächlich, so dass man den Roman eher als leichte Kost bezeichnen kann.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet, überzeugen mit glaubwürdigen Ecken und Kanten. Der Leser nimmt an ihren Erlebnissen teil, ist aber über den gesamten Verlauf eher stiller Beobachter, als Teil des Ganzen. Gitta wirkt trotz ihres Alters oftmals recht naiv, aber sie besitzt genügend Mut, Dinge zu wagen. Sie ist freundlich und findet schnell Anschluss. Ungewöhnlich ist, dass sie mit 26 Jahren zur damaligen Zeit noch nicht verheiratet war. Franziska ist eher offensiv und zupackend. Aber auch Adelheid, Traudel, Frida und Sören bringen Abwechslung in die Geschichte.
„Vier Frauen am Meer“ ist ein Roman vor historischem Hintergrund, der kurzweilig zu unterhalten weiß, ohne den Anspruch zu erheben, besonders tiefgründig zu sein. Leichte Lektüre für zwischendurch. Eingeschränkte Empfehlung!