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Veröffentlicht am 19.06.2022

Männer nehmen die Welt nicht wahr, weil sie selber glauben, sie seien die Welt. (Virginia Woolf)

Die Liebenden von Bloomsbury – Virginia und die neue Zeit
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1903 London. Während ihre Schwester Vanessa einem Kunststudium nachgeht, träumt Virginia Stephen von einem Leben als Schriftstellerin. Die beiden Schwestern stammen aus einem wohlhabenden Intellektuellen ...

1903 London. Während ihre Schwester Vanessa einem Kunststudium nachgeht, träumt Virginia Stephen von einem Leben als Schriftstellerin. Die beiden Schwestern stammen aus einem wohlhabenden Intellektuellen Elternhaus und nach dem Tod des Vaters gründen sie gemeinsam mit ihren Brüdern Thoby und Adrian im Stadtteil Bloomsbury eine Wohngemeinschaft, die sich die „Bloomsbury Group“ nennt und ausschließlich der Kunst und der freien Denkweise gewidmet. Künstlern, Literaten und Wissenschaftlern steht ihr Haus für einen Austausch immer offen, das Netzwerk vergrößert sich schnell. Doch die Wohngemeinschaft wird auch kritisch von der Gesellschaft betrachtet, die von Standesdünkel und der damaligen Etikette geprägt ist und vor allem unverheirateten Frauen das Leben schwer macht. Auch Virginia und Vanessa bleiben davon nicht verschont…
Stefanie H. Martin hat mit „Die Liebenden von Bloomsbury-Virginia und die neue Zeit“ den Auftaktband ihrer historisch-biografischen Trilogie um den von Virginia Stephen-Woolf mitgegründeten Bloomsbury-Zirkel vorgelegt, in dem sich Literaten, Kritiker sowie Wissenschaftler tummelten und einen regen Austausch über zeitgemäße Themen wie die Unterdrückung der Frau und der Wunsch nach einem freiheitlichen Geist pflegten. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Familie Stephen einziehen und die Ereignisse hautnah miterleben. Interessant stellt die Autorin die Familie Stephen in den Vordergrund, die schon im viktorianischen England recht fortschrittliche Ansichten vertrat und gerade deshalb von der Gesellschaft kritisch beäugt wurde. Was durch den Titel fälschlicherweise darauf hindeutet, dass es sich in der Handlung ausschließlich um die berühmte Schriftstellerin Virginia Woolf, geborene Stephen, handelt, entpuppt sich im Nachhinein als Gründungsgeschichte der Bloomsbury-Group, wobei nebenbei die Entwicklung der Schwestern Virginia und Vanessa abgehandelt wird. Während Vanessa sich der Kunst widmete und Eheprobleme mit ihrem Mann Clive hatte, ist vor allem Virginia diejenige, die gegen die allgegenwärtige Rolle der Frau kämpft und einen großen Freiheitsdrang hat, den ihr die moralisierende Gesellschaft nicht zugestehen will. Misshandlungen innerhalb der Familie haben Virginia zudem sehr geprägt, denn sie hatte zeitlebens bipolare Störungen und war psychisch sehr instabil.
Die Charaktere sind gut herausgestellt und mit realistischen Ecken und Kanten glaubwürdig in Szene gesetzt. Der Leser findet seinen Platz als Beobachter in der ersten Reihe, wo er den Geschwister Stephen bei ihren Unternehmungen folgt und auch einen tieferen Einblick in das Leben von Vanessa und Virginia erhält. Die beiden Schwestern pflegen ein inniges Verhältnis, obwohl sie auch miteinander in Konkurrenz stehen und der anderen den jeweiligen Erfolg neiden. Virginia ist eine rastlose und sprunghafte Frau, sehr intelligent und hochsensibel, doch auch sehr labil und depressiv in ihrer Persönlichkeit. Sie hat aufgrund des an ihr begangenen Missbrauchs eine Abneigung gegen Männer. Vanessa ist ebenfalls eine beeindruckende Frau, doch wird sie bei Weitem von Virginia überstrahlt. Auch Clive Bells und Lytton Strachey, Thoby und weitere Protagonisten sind gut ausgearbeitet und sorgen für einige Unterhaltung.
„Die Liebenden von Bloomsbury-Virginia und die neue Zeit“ ist ein historisch-biografischer Roman, der nicht nur gut die damalige Zeit nebst ihren Wertevorstellungen wiederspiegelt, sondern dem Leser auch einen guten Einblick in das Privatleben von Virginia Woolf und ihren Geschwistern bietet, wobei das Schaffen der außergewöhnlichen Frau leider außen vor bleibt. Deshalb gibt es hier auch nur eine eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.06.2022

Der Widerstand verschafft der Liebe immer kräftigere Waffen. (George Sand)

Was der Morgen verspricht
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1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen ...

1904 Berlin. Die junge Jüdin Hannah Sternberg, Tochter aus gutem Hause, möchte unbedingt Medizin studieren, was ihren Eltern gar nicht gefällt. Ihnen strebt vielmehr eine standesgemäße Heirat vor und einen passenden Kandidaten haben sie auch schon in Daniel Friedländer gefunden. Doch sie haben die Rechnung ohne Hannah gemacht, die sich viel lieber in der Praxis ihres Großvaters aufhält und ihm bei den Behandlungen über die Schulter sieht. Hannahs Eltern sehen über die Wünsche ihrer Tochter hinweg und organisieren erst die Verlobung, dann die Hochzeit und Hannah muss Folge leisten. Aber von ihren Träumen hat sie sich deshalb noch lange nicht verabschiedet und kämpft weiter für ihr großes Ziel: das Medizinstudium…
Kristina Herzog hat mit „Was der Morgen verspricht“ einen unterhaltsamen, historischen Roman vorgelegt, der das Schicksal einer jungen Frau zur damaligen Zeit beschreibt und die sich gegen die damalige Erwartungshaltung der Gesellschaft auflehnt. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil fängt den Leser schnell ein und bringt ihn ins vergangene Jahrhundert zurück, um dort als Schatten von Hannah deren Schicksal für den Zeitraum von 1904 bis 1925 hautnah mitzuverfolgen. Hannahs Eltern vertreten die Ansicht, dass die Rolle ihrer Tochter die einer Ehefrau und Mutter zu sein hat und entscheiden über ihren Kopf hinweg über ihr Leben. Auch wenn sich der zukünftige Ehemann Daniel als ein angenehmer Zeitgenosse entpuppt, ist allein der Gedanke schrecklich, einen Mann heiraten zu müssen, den man kaum kennt und den man sich selbst nicht ausgesucht hat. So ergeht es auch Hannah, auch wenn sie sich schon bald von Daniels menschlichen Qualitäten überzeugen kann. Trotzdem ist sie mutig und widerspenstig genug, sich ihre Träume nicht aus dem Kopf schlagen zu lassen und erhält neben ihren Großeltern ausgerechnet von ihrem Ehemann die nötige Unterstützung. So beginnt sie schließlich ein Studium in Tübingen, da nur dort Frauen der Zugang dazu gewährt wurde. Kristina Herzog spult ihre Geschichte in einem gemächlichen Tempo ohne große Höhen und Tiefen ab, die Handlung besitzt kaum Spannungsmomente. Gleichzeitig ist alles sehr weichgespült, Probleme lösen sich praktisch in Luft auf und insgesamt ist alles eitel Sonnenschein. Die Schwierigkeiten der Frauen damals werden nicht wirklichkeitsgetreu dargestellt, was der Geschichte ihrer Glaubhaftigkeit beraubt. Auch die Zeitsprünge sowie viele Dinge, die sich einfach in Wohlgefallen auflösen, hinterlassen keinen positiven Eindruck.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten ausgestaltet, der Leser folgt ihnen auf Schritt und Tritt, um die Ereignisse zu verfolgen. Hannah ist schon als junge Frau nicht nur wissbegierig, sondern besitzt Entschlossenheit, Mut und eine gewisse Stärke. Sie hält an ihren Träumen fest und kämpft für die Realisierung. Daniel ist ein freundlicher und liebenswerter Mann, der seine Frau auf Hänfen trägt und ihre jeden Wunsch erfüllen will. Alma ist die gute Seele des Hauses. Sie ist zurückhaltend, steht Hannah aber immer zur Seite und ist vor allem sehr loyal. Hannahs Mutter ist eiskalt und weil sie selbst unglücklich ist, ist ihr das Schicksal ihrer Tochter wohl egal. Hannahs Bruder Jakob ist ein Widerling, der sich nimmt, was er will, ohne Rücksicht auf Verluste.
„Was der Morgen verspricht“ ist ein kurzweiliger historischer Roman, in dem eine Frau für ihre Rechte kämpft. Eine gemächliche Handlung mit zeitlichen Sprüngen, ohne Tiefgang und große Spannung sowie die sich gefällig auflösenden Probleme hinterlassen allerdings keinen bleibenden Eindruck beim Leser. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 11.06.2022

Herr, Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. (Psalm 119,105)

Das Geheimnis von Hope Island
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Nach dem Tod ihres Mannes will Abby Baker mit ihrer Tochter Emma neu anfangen und zieht in ihren Heimatort Hope Harbor zurück. Dort nimmt sie in Vertretung ihrer kranken Mutter Grace an einer Ehrenbezeugungsveranstaltung ...

Nach dem Tod ihres Mannes will Abby Baker mit ihrer Tochter Emma neu anfangen und zieht in ihren Heimatort Hope Harbor zurück. Dort nimmt sie in Vertretung ihrer kranken Mutter Grace an einer Ehrenbezeugungsveranstaltung der ehemaligen Leuchtturmwärter teil, wo sie Carson Stevens begegnet, der aus dem alten Leuchtturm ein Bed & Breakfast machen möchte. Abbys Angebot, ihm bei der Innenausstattung zu helfen, nimmt er gerne an. Als sie in dem alten Leuchtturm ausmisten, stößt Abby in einem Versteck auf alte Tagebücher ihrer Großmutter. Die Lektüre über die Vergangenheit ihrer Großmutter fasziniert Abby und offenbart ihr schon bald ein Geheimnis, dass ihr eigenes Leben für immer verändert…
Marilyn Turk hat mit „Das Geheimnis von Hope Island“ einen kurzweiligen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser eine angenehme Auszeit beschert. Der flüssig-leichte und gefühlvolle Erzählstil zieht den Autor schnell in die Handlung hinein, wo er sich durch bildhafte Landschaftsbeschreibungen sogleich an den malerischen Ort Hope Harbour mit seinem alten Leuchtturm versetzt fühlt. An der Seite von Abby und Carson macht sich der Leser daran, das alte Gemäuer zu erkunden und darf über Abbys Schulter von der Vergangenheit ihrer Großmutter erfahren, die ihre Erlebnisse in alten Tagebüchern festgehalten hat. Das alte Familiengeheimnis, das bisher zwischen den Tagebuchseiten gut verborgen war, wird durch die Autorin leider viel zu schnell gelüftet. Auch die Sabotageakte auf der Baustelle rund um den Leuchtturm, die Carson Kopfschmerzen bereiten, deuten schon bald auf den Übeltäter hin und rauben der Geschichte damit jedes Maß an Spannung. Danach plätschert die Handlung eigentlich nur noch vor sich hin und lässt den Leser ohne größere Höhen durch die Story jagen bis zum Ende des Romans. Während die Aufzeichnungen von Großmutter Grace den Leser zurück in die Zeit des Zweiten Weltkrieges versetzten und zu fesseln vermögen, kann es die Gegenwartsgeschichte nur bedingt. Die Beziehung zwischen Abby und Carson ist zwar einigermaßen romantisch angelegt, doch wirkt sie irgendwie nicht realistisch, vor allem in Bezug auf Abbys gerade erst erlebten Schicksalsschlag. Ebenso ist der Autorin nicht gelungen, den christlichen Aspekt in ihrer Geschichte überzeugend und tiefgründig darzustellen.
Die Charaktere sind recht oberflächlich und blass gestaltet, ihnen fehlt es neben glaubwürdigen menschlichen Eigenheiten vor allem an Tiefgründigkeit. Der Leser findet sich deshalb nur als Statist in dieser Geschichte wieder und beobachtet die Protagonisten auf Distanz. Abby wurde vom Schicksal hart gebeutelt, sie ist zurückhaltend freundlich, doch lässt sie egoistische Züge durchblitzen, die sie nicht gerade sympathisch machen. Tochter Emma dagegen begegnet der Welt mit offenem Wesen und wickelt alle um den Finger. Oma Grace war eine Frau mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Carson ist ein Mann, der nicht nur zupacken kann, sondern sich auch noch Träume bewahrt hat. Zudem ist er hilfsbereit, freundlich, aber auch vorsichtig.
„Das Geheimnis von Hope Island“ ist unterhaltsame Sommerlektüre, dessen Geheimnis allerdings schon früh aufgedeckt wird und dabei ohne große Spannung auskommt. Kurzweilig zu lesen, aber ohne jeglichen Tiefgang. Eingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.05.2022

Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste. (Heinrich Heine)

Die Buchhandlung in der Amalienstraße
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1913 München. Die 19-jährige Elly Grafenstetter ist überglücklich, dass sie in der Buchhandlung in der Amalienstraße einen Ausbildungsplatz bekommen hat, denn sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen ...

1913 München. Die 19-jährige Elly Grafenstetter ist überglücklich, dass sie in der Buchhandlung in der Amalienstraße einen Ausbildungsplatz bekommen hat, denn sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen und nicht in eine Ehe gedrängt werden. Auch ihre beste Freundin Henni wird dort als Ladenhilfe angestellt, die beiden Frauen finden nichts schöner als Lesen. Zudem wollen sie ihre Idee umsetzen und einen Schriftstellerinnen-Salon gründen, doch zur damaligen Zeit werden sie als Frauen leider nicht ernst genommen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht und Hennis Bruder Zacherl und sowie der mit ihnen befreundete Buchhändler Leo sich zum Kriegsdienst melden, steht es für die Buchhandlung nicht zum Besten, denn die Menschen brauchen andere Dinge als Bücher. Zudem erschwert die Zensur den Verkauf von Literatur. Aber weder Elly noch Henni wollen die Segel streichen und kämpfen für ihren Traum...

Heidi Rehn hat mit „Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur in die Kaiserzeit des letzen Jahrhunderts zurückführt, sondern ihn auch mit zwei jungen Frauen bekannt macht, die ihren Traum leben wollen und dabei an Grenzen stoßen. Die Autorin mixt gekonnt Fiktion mit realen Fakten und belegten Personen und führt den Leser mit locker-flüssigem Schreibstil ins vergangene Jahrhundert in eine Zeit des Umbruchs und des Krieges. Der Zeitrahmen der Geschichte spannt sich von 1910 bis 1919. Der Leser trifft auf zwei Frauen mit unterschiedlichem gesellschaftlichem Hintergrund, die schnell enge Freundinnen werden und die Liebe zu Büchern teilen. Elly kommt aus gutem Hause und soll nach Wunsch ihrer Mutter die Ehe mit einem Mann eingehen, den Elly nicht ausstehen kann und sich hier behaupten muss. Henni dagegen stammt aus einfachsten Verhältnissen, hat aber gerade deshalb wohl Courage genug, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Während der Leser das Schicksal der beiden Frauen beobachtet und in die Anfänge der Frauenbewegung eintaucht, entdeckt er im Hintergrund das München von damals. Dass Frauen zur damaligen Zeit einen Beruf erlernten, war eine Ausnahme, denn normalerweise war ihnen die Rolle der Ehefrau und Mutter zugedacht. Rehn hat den historischen Hintergrund gut recherchiert und mit ihrer Geschichte verwoben. Der Ausbruch des Krieges und die damit einhergehende Folge, dass Bücher eine Art Luxusgut waren und auch der Zensor eine Rolle spielte in Bezug auf den Inhalt der diversen Lektüren ist heute kaum denkbar, zeigt aber auch, wie engstirnig bzw. pragmatisch damals gedacht wurde. Die Handlung selbst plätschert eher vor sich hin, es gibt kaum wirkliche Höhen und Tiefen, so dass einige Strecken recht langatmig erscheinen, in denen vor allem die politische Lage sehr ausufernd beschrieben wird und so von den beiden Protagonistinnen sehr ablenkt.

Die Charaktere sind lebendig in Szene gesetzt und mit authentischen Eigenschaften ausgestattet. Der Leser agiert aber eher als Statist, da sich eine Nähe zu den Protagonisten nicht einstellen will. Elly ist eine Frau, die weiß, was sie will und dies auch durchsetzen möchte. Sie wirkt oftmals anstrengend, selbstsüchtig und übergriffig. Henni ist selbstbewusster als Elly, was allein schon ihrem familiären Hintergrund geschuldet ist, da sie sich immer alles erkämpfen musste. Leo und Zacherl werden nur oberflächlich skizziert, bleiben somit recht blaß und ohne Tiefe.

„Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ ist ein historischer Unterhaltungsroman, der dem Leser einen guten Einblick ins München der damaligen Zeit bietet und nebenbei das Rollenbild der Frau zu jener Zeit thematisiert. Gute Hintergrundrecherche sowie die Verknüpfung von Fiktion und Realität sorgen hier leider nur für eine eingeschränkte Leseempfehlung, da die Protagonisten fremd blieben und der Leser nur außen vor als mittendrin war!

Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen. (Vincent van Gogh)

Liebe in den Gezeiten des Meeres
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Bei Maddy Monroe schlägt das Unglück gleich doppelt zu, denn nicht nur ihr Freund hat sie hintergangen, sondern auch ihren Job ist sie los. Ein Anruf von Connor Sullivan, dem Nachbarn ihrer Großmutter, ...

Bei Maddy Monroe schlägt das Unglück gleich doppelt zu, denn nicht nur ihr Freund hat sie hintergangen, sondern auch ihren Job ist sie los. Ein Anruf von Connor Sullivan, dem Nachbarn ihrer Großmutter, lenkt Maddy allerdings ab, denn ihre Oma ist verschwunden und sie muss sich darum kümmern. In Seahaven angekommen, trifft Maddy auf ihre älteren Schwestern Nora und Emma, mit denen sie seit vielen Jahren keinen Kontakt hatte. Alle drei erfahren erst jetzt, dass ihre Oma auf Reisen ist und sich dabei erhofft, dass die Schwestern sich endlich wieder miteinander vertragen. Während sich die Schwestern in Abwesenheit ihrer Großmutter um die Entrümpelung deren Hauses kümmern, fördern sie nicht nur einige gut gehütete Geheimnisse zutage, sondern werden auch mit ihren alten Unstimmigkeiten konfrontiert, die endlich aus der Welt geschafft werden müssen…
Denise Hunter hat mit „Liebe in Gezeiten des Meeres“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, in dem der Leser nicht nur vier unterschiedliche Frauen kennenlernt, sondern auch so manches bisher gut verborgenes Geheimnis lüften wird. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil lässt den Leser schnell an Maddys Seite gleiten und ihr auf den Fersen folgen. Von Charlotte geht es ins malerische Seahaven zu einem Familientreffen der besonderen Art, denn Maddy begegnet unvorhergesehen ihren älteren Schwestern, mit denen sie seit langer Zeit nicht gesprochen hat. Während die Schwestern sich unter dem Dach ihrer Großmutter nicht aus dem Weg gehen können, kommen nach und nach ihre alten Streitigkeiten aufs Tablett, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Bei der gemeinsamen Entrümpelungsaktion, bei denen ihnen Nachbar Connor eine große Hilfe ist, stoßen die drei Schwestern zudem auf Geheimnisse ihrer Großmutter, die viele Dinge innerhalb der Familie in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Autorin lässt den Leser jede ihrer Protagonistinnen mitsamt ihrer Probleme und Sorgen kennenlernen, wobei sie auch kurze Rückblenden in die Vergangenheit in ihre Geschichte miteingearbeitet hat, so dass die einzelnen Konflikte nachvollziehbar sind. Maddy, die von Männern momentan die Nase voll hat, findet ausgerechnet in Connor jemanden, der einen zweiten Blick wert ist. Doch bis sie das erkennt, braucht Connor jede Menge Geduld. Der christliche Aspekt wird in dieser Geschichte nur angerissen, hauptsächlich geht es um Vergebung und Verzeihen. Wenn man das große Ganze betrachtet, dann hätten die Schwestern schon vor Jahren das Gespräch miteinander suchen müssen, als die manchmal wie Kinderei wirkenden Probleme so lange mit sich herumzutragen.
Die Charaktere sind lebendig ausgestaltet, wirken glaubwürdig und authentisch, doch bleibt der Leser hier eher Statist als mit ihnen zu fiebern und zu fühlen. Maddy ist von allen noch die Sympathischste. Sie ist fürsorglich und hilfsbereit, innerlich jedoch ist sie verletzt, traurig und auch verunsichert, weil sie nicht mehr weiß, ob sie noch vertrauen kann. Emma und Nora allerdings leben in ihrer eigenen Blase, denn obwohl sie jeweils ihre eigenen Probleme haben, hat sich der lächerliche Konflikt zwischen den beiden so hoch geschaukelt, dass sie diesen über Jahre gezogen haben. Connor ist ein freundlicher und sensibler Mann, der selbst sein Päckchen zu tragen hat.
„Liebe in Gezeiten des Meeres“ ist ein unterhaltsamer Roman mit einer Mischung aus Problembewältigung, Familiengeheimnissen und Romantik. Kurzweilig geschrieben, jedoch nicht der beste Roman der Autorin. Eingeschränkte Leseempfehlung!