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Veröffentlicht am 28.06.2022

Die Tochter des Mörders

Nachttod
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Hanna Duncker kehrt nach Jahrzehnten als Ermittlerin in ihre alte Heimat Öland zurück. Als Kind lebte sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder au der Insel vor der Küste Schwedens. Als ihre Mutter starb, ...

Hanna Duncker kehrt nach Jahrzehnten als Ermittlerin in ihre alte Heimat Öland zurück. Als Kind lebte sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder au der Insel vor der Küste Schwedens. Als ihre Mutter starb, brach die Familie auseinander. Ihr Bruder kam in schlechte Kreise, der Vater wurde Alkoholiker. Als er als Mörder und Brandstifter verurteilt wird, flüchtet Hanna nach Stockholm und wird Polizistin. Mit der Vergangenheit konnte sie nie richtig abschließen, wie auch die Menschen auf Öland, die Hanna's Namen natürlich kennen. Die Rückkehr ist alles andere als einfach. Sie wird bedroht und angefeindet, denn sie ist die Tochter eines Mörders. Außerdem arbeitet sie unter dem Ermittler, der damals ihren Vater verhaftet hat.
Ihr erster Fall: Ein toter Teenager der erstochen aufgefunden wird. Joel, der Tote, ist ausgerechnet der Sohn ihrer damaligen besten Freundin Rebecka und Hanna muss (entgegen aller realistischen Polizeiarbeit wegen Befangenheit) ermitteln....

Die Ermittlungsarbeit steht in "Nachttod" im Vordergrund. Die Charaktere bleiben dabei noch etwas blass, jedoch wird die Polizeiarbeit realitätsnah beschrieben. Der Autorin gelingt es ebenfalls, die Stimmung auf der schwedischen Ostseeinsel nachfühlbar einzufangen. Die Stimmung ist düster und teilweise aggrssiv. Die Krimihandlung hat so einige Längen. Mehr Spannung erzeugen die Kapitel, die eingeschoben werden und die letzten Stunden von Joel erzählen. Der Leser lernt ihn zwar nur für wenige Stunden kennen, doch seine Ängste und seine Zerrissenheit werden sehr authentisch dargestellt.

Hanna Duncker ist nicht unbedingt ein Sympathieträger. Sie ist unsicher und verschlossen, wortkarg und mürrisch. Der innere Kampf, dem Hanna sich selbst aussetzt, ist durch die Zeilen sehr gut spürbar, jedoch macht sie sich selbst das Leben umso schwerer.
Ihr Kollege Eric Lindgren hingegen scheint ein sympathischer Kerl zu sein. Er ist mit einer Inderin verheiratet, die zur Zeit in ihrer Heimat bei ihren Eltern weilt und die er sehr vermisst.

Obwohl der Krimi so einige Längen hat, ist er mir gut im Gedächtnis geblieben (Teil 2 habe ich ebenfalls bereits gelesen). Leider werden die Nachforschungen zur Tat ihres Vaters im ersten Band nicht aufgeklärt. Ebenso erfahren wir nicht, wer Hanna die Rückkehr auf Öland schwer macht. Der Fall um den toten Jungen wird jedoch abgeschlossen und ist schlüssig.

Fazit:
Eine Krimireihe, deren erster Band noch etwas Luft nach oben hat, was vorallem an der Ermittlerin selbst liegt. Trotzdem ist mir der Krimialfall wirklich gut in Erinnerung geblieben, was bei meinem Krimi- und Thrillerkonsum nicht so oft passiert. Band zwei ist bereits gelesen und die Rezension wird demnächst gepostet werden.

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Veröffentlicht am 21.06.2022

Ein Sommer, wie kein anderer

Der Papierpalast
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Auf den Roman, der mir noch unbekannten Autorin Miranda Cowley Heller, wurde ich durch mehr und mehr Bilder und Rezensionen auf Instagram aufmerksam. Nachdem ich mir den Klappentext durchgelesen hatte, ...

Auf den Roman, der mir noch unbekannten Autorin Miranda Cowley Heller, wurde ich durch mehr und mehr Bilder und Rezensionen auf Instagram aufmerksam. Nachdem ich mir den Klappentext durchgelesen hatte, klettere "Der Papierpalast" gleich auf meine Wunschliste. Umso mehr freute ich mich, als ich das Buch ganz neu in meiner Bücherei entdeckte. Natürlich kam es gleich mit nach Hause.

Eleonor, genannt Elle, verbringt ihre Sommer am liebsten mit ihrer ganzen Familie im Ferienhaus in den Black Woods, in der Nähe des Atlantiks bei Cape Cod. Dort hat sie schon ihre Kindheit, gemeinsam mit ihrer Schwester Anna und dem zwei Jahre jüngeren Nachbarsjungen Jonas, verbracht. Die verfallenen Holzhütten, in denen die Familie noch heute den Sommer über wohnt, hat sie liebevoll "den Papierpalast" genannt. Ein kleiner idyllischer Teich ist der Mittelpunkt. Doch der Papierpalast ist auch Zeuge einer komplizierten und verlustreichen Familiengeschichte. Hier hat sich Elle das erste Mal verliebt - in Jonas, den Nachbarjungen. Als sie diesen Sommer wieder mit ihrem Ehemann Peter und ihren drei Kindern anreist, ist jedoch plötzlich alles anders. Elle hatte eine leidenschaftliche Nacht mit Jonas, den sie ihr ganzes Leben lang nicht vergessen konnte. Nun steht sie vor der Frage, mit welchen der beiden Männer sie ihre weitere Zukunft verbringen möchte....

Als Rahmenhandlung für ihren Roman nimmt Miranda Cowley Heller nur einen einzigen Tag. Dabei erfahren wir in Rückblenden von Elle’s Kindheit, die geschickt mit der Gegenwart verwoben wird. Der Autorin gelingt ein komplexes, bedrückendes, aber auch sehr eindringliches Porträt einer komplizierten Familie. Die Entwicklung der Frauen - Elle, Wallace und Anna - und ihre Beziehung zueinander zählt für mich zu den Stärken des Romans. Die Geschichte wechselt immer zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Trotzdem handelt es sich hier nicht um die im Klappentext suggerierte sommerliche Strandlektüre, denn der Roman schreckt nicht vor harten Themen, wie sexuellem Missbrauch und Gewalt zurück. Romantische Gefühle wurden, vorallem durch die sehr oft verwendete rüde und ordinäre Sprache bei erotischen Szenen, im Keim erstickt. Zusätzlich bin ich kein Freund von Dreiecksbeziehungen.
Besonders im Vergangenheitsstrang, der die Kindheit von Elle und Anna erzählt, erfahren wir von einigen traumatischen Erlebnissen, die eine Triggerwarnung benötigt hätten.

Ein Highlight sind die wunderschönen, detailreichen und bildstarken Beschreibungen der Landschaft. Die Tier- und Pflanzenwelt wird sehr lebendig und stimmungsvoll beschrieben. Der Scheibstil ist sowohl poetisch, als auch bei einigen Szenen etwas explizit.
Die Hype um die Geschichte kann ich nicht ganz nachvollziehen. Mir hat der Roman gut gefallen, aber er rangiert bei mir eher im Mittelfeld bzw. sticht nicht wirklich unter anderen ähnlichen Romanen hervor.

Für mich blieb das Ende leider offen, welches Raum für Interpretation und Spekulation lässt. Einige Buchblogger empfanden dies nicht so, doch mich verwirrte vorallem der letzte Absatz so sehr, dass ich nach dem letzten Satz nicht wusste, wie Elle sich entschied. Darüber bin ich doch etwas enttäuscht, denn ich mag offene Enden nicht.

P:S.: Wenn jemand von euch das Buch gelesen hat, schreibt mir bitte eine PN. Ich würde gerne über das Ende diskutieren.


Fazit:
Der Roman ist definitiv keine leichte Kost und auch keine leichte Sommerlektüre. Eine Triggerwarnung fände ich angebracht. Trotzallem hat mich die tiefgründige Geschichte voller Geheimnisse und Lügen teilweise fasziniert. Bei meiner Bewertung bin ich mir diesmal ziemlich unsicher und vergebe 3 1/2 Sterne, die ich auf anderen Portalen aufrunden werde.

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Veröffentlicht am 17.06.2022

Conny von Klarg ermittelt

Schatten über Saint-Tropez
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"Schatten über Saint-Tropez" ist der Auftaktband einer neuen Reihe rund um die Reisejournalistin Conny von Klarg aus der Feder von Sabine Vöhringer. Damit wechselt sie die Location von München nach Südfrankreich. ...

"Schatten über Saint-Tropez" ist der Auftaktband einer neuen Reihe rund um die Reisejournalistin Conny von Klarg aus der Feder von Sabine Vöhringer. Damit wechselt sie die Location von München nach Südfrankreich. Im Gegensatz zu Kommissar Tom Perlinger, der in Bayern ermittelt, haben wir es in Saint-Tropez mit keiner Polizistin oder Kommissarin zu tun, sondern mit einer Reisejournalistin, die sich in die Aufklärung eines Mordes stürzt.

Conny von Klarg schreibt seit Neuestem für die "La Voyagette". Sie hat vom Nachrichtenjournalismus in das Ressort Reisen gewechselt und fliegt voller Vorfreude an die Côte d’Azur. Ihre mütterliche Freundin Simonette, die ein mondänes Hotel in Saint-Tropez führt, hat ihr ein Interview versprochem. Conny hat viele Sommer bei Simonette verbracht, die ihr nach dem Tod der Eltern Mutterersatz war. Als sie jedoch im Hotel ankommt, erfährt sie, dass Simonette verhaftet und des Mordes am Milliadär Henri Moreau beschuldigt wurde. Conny kann es nicht fassen! Sie glaubt felsenfest an ihre Unschuld und versucht vor Ort Ermittlungen anzustellen. Als Conny erfährt, dass Simonettes Hotel „La Maison des Pêcheurs“ kurz vor dem Ruin steht, ist sie entsetzt. Und warum schweigt Simonette in der Untersuchungshaft? Ihrem Lebensgefährten Jacques ist es ebenso unerklärlich, warum seine Freundin verdächtigt wird. Als auch noch wertvolle Bilder in seinem Haus gestohlen werden, die Simonette extra bei ihm gelagert hat, um sie vor Diebstahl zu schützen, beginnt auch Jacques zu handeln. Gemeinsam mit Conny versucht er Simonettes Unschuld zu beweisen. Dabei stoßen die beiden auf einige Geheimnisse aus der Vergangenheit. Als noch Connys Exfreund Félix auf den Fall angesetzt wird, der als Kriminalpsychologe mit Simonette sprechen soll, scheint es für ihre mütterliche Freundin sehr ernst zu werden...

Trotz der Verhaftung von Simonette beginnt der Krimi eher langsam und plätschert etwas dahin. Man schaltet fast in den Urlaubsmodus um, denn die landschaftlichen Beschreibungen sind unheimlich inspirierend und wecken das Fernweh. Man spürt den Mistral, riecht den Lavendel, trinkt Pastis und lässt sich die Sonne ins Gesicht scheinen...einfach herrlich. Doch dabei rückt der Fall zu Beginn etwas zu viel in den Hintergrund. Es dauert bis richtige Spannung aufkommt und als Leser rätselt man lange Zeit über das Motiv des Mordes und über das Schweigen von Simonette.

Zusätzlich kommen zu Beginn einfach zu viele Personen vor, die es dem Leser schwer machen diese zuzuordnen. Manche davon bleiben nur kleine Randfiguren und sind für die Geschichte nicht wirklich wichtig.
Auch das Verhalten von Conny fand ich manchmal etwas zu riskant und unüberlegt. Zusätzlich verwirren die vielen Rückblenden und Beziehungskonstellationen der Figuren.
Als sehr interessantes Thema empfand ich die Kunstszene, die im Fall eine größere Rolle spielt. Generell ist der Plot komplex und richtig interessant aufgebaut, verliert jedoch durch zu viel drumherum an Spannung. Erst im letzten Drittel zieht der Krimi richtig an und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Schreibstil:
Saine Vöhringer schreibt sehr bildhaft und detailverliebt. Das Flair und der Charme der Gegend wird unwahrscheinlich lebendig dargestellt und man hat das Gefühl direkt vor Ort zu sein. Dabei lässt die Autorin auch immer wieder kleine französische Sätze oder einzelne Worte einfließen, die man auch ohne Sprachkenntnisse versteht und in der Handlung Sinn ergeben. Da ich selbst Französisch gelernt habe, war es allerdings für mich sowieso kein Problem.

Fazit:
Ein komplexer und vielschichtiger Krimi mit viel französischem Flair, der zu Beginn durch die vielen Figuren und Rückblicke etwas verwirrt und dem Kriminalfall die Spannung nimmt. Doch von Seite zu Seite nimmt die Geschichte immer mehr Fahrt auf. Das Ende und die Auflösung konnten mich ebenfalls überzeugen.

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Veröffentlicht am 31.05.2022

Düstere Machenschaften in St.Pölten

Blutgrund
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Letztes Jahr habe ich vom Autor "Finsterdorf" gelesen und war richtig begeistert. Deshalb habe ich mich schon sehr auf sein neues Werk gefreut, welches in St.Pölten, unserer niederösterreichischen Landeshauptstadt ...

Letztes Jahr habe ich vom Autor "Finsterdorf" gelesen und war richtig begeistert. Deshalb habe ich mich schon sehr auf sein neues Werk gefreut, welches in St.Pölten, unserer niederösterreichischen Landeshauptstadt spielt. Ich wohne selbst nur 20 km entfernt, war in St.Pölten in der Oberstufe und im Internat und habe später auch lange Zeit dort gearbeitet. Ich kenne also die Stadt sehr gut.

In seinem neuen Krimi hat der Autor sehr aktuelle Themen aufgegriffen: Korruption, Wanderarbeiter und dessen Ausbeutung, sowie unlautere Machenschaften im Baugewerbe.
Als Radu Tirla, ein rumänischer Wanderarbeiter, auf offener Straße angegriffen und schwer verletzt wird, tippt die Polizei zuerst auf einen Überfall von Rechtsradikalen. Kurze Zeit später wird Valentin Gebert, ein junger Journalist ebenfalls überfallen und getötet. Er hat sich zuletzt mit dem Thema Wanderarbeiter auseinandergesetzt, was Radek und seinen Kollegen Neumann stutzig werden lässt. Sie beginnen im Umkreis des verletzten Rumänen nachzuforschen und entdecken in den Ausländerquartieren, in denen Radu mit anderen Wanderarbeiten wohnt, menschenunwürdige Bedingungen. Bald erkennen die Polizeibeamten, dass es sich um eine weitaus komplexere Geschichte handelt, als zuerst angenommen. Die Ermittlungen ziehen immer weitere Kreise, bis in die höchsten Ebenen von Politik und Wirtschaft. Die Suche nach den Hintermännern entwickelt sich äußerst schwierig. Gemeinsam mit Sonja, der Schwester des ermordeten Journalisten, die brisante Aufzeichnungen ihres Bruders findet und Klaus Winkler, Aktivist einer linken Partei, versucht Radek mehr über die Hintergründe der beiden Überfälle zu erfahren. Winkler hatte sowohl Kontakt zu Radu Tirla, als auch zu Valentin Gebert. Der Parteigenosse traut der Polizei jedoch nicht wirklich und hält entscheidene Hinweise zurück. Dies bringt nicht nur ihn, sondern auch Sonja und Radek in Gefahr....

"Blutgrund" ist so ganz anders als Peter Glanningers letztes Werk "Finsterdorf". Hier handelt es sich viel mehr um einen Polit- und Wirtschaftskrimi, bei dem es um Korruption und Machtspielchen geht, und nicht um einen mysteriösen Krimi mit Gruselfaktor. Die Ermittlungsarbeit wird groß geschrieben, wobei Radek und Neumann sehr lange Zeit im Dunkeln tappen. Dadurch ergaben sich für mich in der Mitte doch einige Längen. Die Spannung kommt erst wieder im letzten Viertel auf. Die oftmaligen Perspektivwechsel und inneren Monologe, statt auflockernden Dialogen, lassen den Leser oftmals etwas außen vor.

Hingegen bin ich mit den beiden Ermittlern sehr gerne durch bekannte Straßen und Plätze der Landeshauptstadt gewandert. Ich hatte jede Ecke von St. Pölten im Kopf, die die beiden Ermittler besuchten und richtiges Kopfkino. Die Charaktere sind ebenfalls gut gezeichnet und lebendig.
Außerdem erkennt man wirklich sehr gut, dass Peter Glanninger selbst Polizeibeamter war und ganz genau weiß, wovon er schreibt. Auf seinen nächsten Krimi bin ich shcon sehr gespannt...

Fazit:
Ein topaktueller und düsterer Krimi, der Korruption und diverse Machenschaften anprangert. Der Spannungsaufbau ist eher langsam und die Ermittlerarbeit wird groß geschrieben. An "Finsterdorf" kam der Krimi für mich leider nicht heran. Trotzdem habe ich es sehr genossen in meiner Heimt "mitermitteln" zu dürfen.

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Veröffentlicht am 25.05.2022

Wenn die Erinnerung zermürbt

Eine andere Zeit
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Nachdem mir "Luzies Erbe" von Helga Bürster sehr gut gefallen und mich der Klappentext ihres neuen Romanes sehr angesprochen hat, habe ich mich sehr gefreut, dass ich bei der Lovelybooks Leserunde mitlesen ...

Nachdem mir "Luzies Erbe" von Helga Bürster sehr gut gefallen und mich der Klappentext ihres neuen Romanes sehr angesprochen hat, habe ich mich sehr gefreut, dass ich bei der Lovelybooks Leserunde mitlesen durfte.

Helga Bürster erzählt in ihrem neuen Roman eine ruhige Geschichte über eine Familie in Vorpommern, deren Welt sich kurz vor dem Mauerfall für immer verändert. Die Autorin berichtet auf zwei Zeitebenen, die nicht wie üblich voneinander getrennt sind, sondern oftmals unkontrolliert hin und herspringen, was ein konzentriertes Lesen erfordert. Man gewöhnt sich aber schnell daran, während Rückblicke und Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder die Handlung ergänzen.

Wir lernen als Leser die Familie Jendrich mit ihren beiden Töchtern Enne und Suse kennen. Letztere ist ein kränkliches Kind, das alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, während Enne immer zurückstecken muss und eher "mitläuft". Als Suse Jahre später bei einem Urlaub in Ungarn an der österreichischen Grenze plötzlich spurlos verschwinder, bringt dieser Vorfall einen großen Keil und Sprachlosigkeit in die Familie. Dreißig Jahre nach Suses Verschwinden zieht eine geheimnisvolle Frau im Nachbarhaus ein, die kaum jemand zu Gesicht bekommt. Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln…

Das zurückgezogene und ruhige Landleben in Pommern wird sehr bildhaft beschrieben. Christine, die Kusine aus dem Westen, die jedes Jahr mit ihrer Mutter in den Sommerferien die Verwandtschaft im Osten besucht, liebt die Gegend. Sie fühlt sich am Land viel wohler, als in der grauen Stadt im Westen, wo sie mit ihrer Mutter in einem seelenlosen Wohnblock wohnt.

Gerne habe ich das Leben der Familie in Ost- und West vor dem Mauerfall begleitet. Die Sprachlosigkeit der einzelnen Familienmitglieder übt eine gewisse Distanz aus und auch die Atmosphäre eher erdrückend. Düsternis und Traurigkeit herrschen vor, aber es scheint auch immer wieder Hoffnung durch. Man spürt deutlich, dass ein Ereignis nicht nur das Leben eines Einzelnen verändert, sondern auch dessen Umkreis.

Die Darstellung der Lebensverhältnisse im geteilten Deutschland wurden von der Autorin sehr eindringlich dargestellt. Dabei verzichtet sie auf Klischees oder Beurteilung.

Leider gibt es auch einen Kritikpunkt, der auch vielen Mitlesern nicht gefallen hat. Das Geheimnis um Suse wird nicht aufgeklärt und bleibt offen. Das finde ich sehr schade, auch wenn es die Fantasie des Lesers anregen soll. Für mich war das Verschwinden von Suse ein sehr wichtiger Punkt im Roman, der den roten Faden bildet.
Durch den Klappentext und der Lektüre von "Luzies Erbe" hatte ich eindeutig mehr erwartet. Trotzdem war der Roman lesenswert.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist schnörkellos und passt zur kargen Gegend in der Nähe der Ostsee. Helga Bürster bleibt dem Leser gegenüber auf Distanz. Trotzdem sind die Beschreibungen des Dorfes und der Landschafts sehr bildhaft. Die plattdeutschen Dialoge geben dem Roman mehr Authentizität und versprühen Lokalkolorit.

Fazit:
"Eine andere Zeit" kommt leider nicht an "Luzies Erbe" heran, hat aber einige Berührungspunkte, die mir gut gefallen haben. Mit dem eher offenen Ende habe ich leider (immer) Schwierigkeiten und deshalb gibt es diesmal 3 Sterne von 5.

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