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Veröffentlicht am 12.09.2022

Mit den Augen eines Kindes

Das Mädchen, das nicht verschwinden wollte
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„...Vor gut zwei Jahren war sie hier eingezogen. Sie hatte Blumenzwiebeln gekauft, es aber nicht geschafft, sie einzupflanzen. Noch immer hingen keine Gardinen an den Fenstern...“

Miriam hat beruflich ...

„...Vor gut zwei Jahren war sie hier eingezogen. Sie hatte Blumenzwiebeln gekauft, es aber nicht geschafft, sie einzupflanzen. Noch immer hingen keine Gardinen an den Fenstern...“

Miriam hat beruflich viel erreicht. Sie träumt von einem weiteren unaufhaltsamen Abstieg. Darunter aber leidet ihr Privatleben. Außerdem suchen sie ab und zu Alpträume heim, in denen sie Kindheitserlebnisse aufarbeitet.
Der Autor hat einen tiefgründigen Roman geschrieben und sich dabei besonderer Stilmittel bedient. Nach einem Zusammenbruch schickt er seine Protagonistin zu einer neuen Therapie. Als sie aus der Behandlung aufwacht, steht ihr kindliches Ich neben ihr. Sie braucht Zeit, bis sie sich daran gewöhnt hat.
Nebenbei wartet beruflich eine schwierige Herausforderung auf sie. Eine Firma hat in Indien durch Schlamperei einen Unfall mit Toten verursacht. Ein deutscher Journalist war gerade in der Nähe. Nun ist es an Miriam, Schadensbegrenzung zu betreiben. Nur: Was sagt ihr Gewissen dazu?

„...Je durchsichtiger die Architektur eines Gebäudes, desto undurchsichtiger die Geschäfte, die dort getätigt werden...“

Die Kindheitserlebnisse werden kursiv wiedergegeben. Sie waren die Ursache, dass Miriam ihre Familie verlassen und ihren Glauben über Bord geworfen hat.

„...“Miriam“, Papas Gesicht blickt ernst auf sie herab. „Der Teufel in der Hölle feiert gerade ein Freudenfest. Und weißt du auch, warum?“ […] „Weil du die Sünde mehr liebst als Jesus.“...“

Damals ging Miriam in die sechste Klasse und hatte heimlich an der Sommerparty teilgenommen.
Ihr kindliches Ich namens Jonna will ihr dabei helfen, diese Erlebnisse mit neuen Augen zu sehen.

„...“Weißt du, warum der Weg zum Herzen Gottes so schmal ist?“ „Nein.“ „Weil er für Kinderfüße gemacht ist.“ Die Kleine strahlte sie an, als hätte sie alle Rätsel der Welt gelöst...“

Durch Jonna lernt Miriam, dass die Welt nicht nur Schwarz oder Weiß ist. Sie bekommt einen Blick auf die Liebe Jesus. Doch in ihrem Berufsleben geht sie weiter die vorgegebenen Wege. Allerdings hinterfragt sie immer mehr den Sinn ihres Tuns.
Es gäbe viele Stellen aus den Gesprächen zwischen Jonna und Miriam, die ich hier anführen könnte. Das aber würde den Rahmen der Rezension sprengen. Eines aber wird deutlich. Ein kindliches Blick verändert die Sicht auf die Vergangenheit. Miriam erkennt, dass es um ihr eigenes Ich geht.
Welche Konsequenzen wird sie ziehen?
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Hier werden auf ungewöhnliche Art Schmerzen und Verletzungen aufgearbeitet und der Weg zur Vergebung gegangen.

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Veröffentlicht am 12.09.2022

Sehr spannend

Solothurn blickt in den Abgrund
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„...Tomaso ging zu Boden. Sie schlug hart mit dem Hinterkopf auf. Sie blieb bei Bewusstsein, wollte sich aufrichten. Das Letzte, was sie sah, waren Hoodie und ein Schlagstock, der auf sie zuraste...“

Anastasia ...

„...Tomaso ging zu Boden. Sie schlug hart mit dem Hinterkopf auf. Sie blieb bei Bewusstsein, wollte sich aufrichten. Das Letzte, was sie sah, waren Hoodie und ein Schlagstock, der auf sie zuraste...“

Anastasia Tomaso arbeitet für eine Frauenrechtsorganisation im Schweizer Ort Olten. Sie war länger im Büro geblieben, um ein paar Akten abzuarbeiten. Als sie ein Geräusch hört, geht sie auf die Eingangstür zu. Was dann passiert, steht in obigen Zitat.
Der Autor hat einen fesselnden Krimi mit aktuellen Bezügen geschrieben. Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen.
Der Schriftstil sorgt für einen hohen Spannungsbogen. Viele gut ausgearbeitete Dialoge bringen die Probleme schnell auf den Punkt.
Der Fall landet bei Staatsanwältin Angela Casagrande und Polizeihauptmann Dominik Dornach. Als die Syrerin Rana verschwindet, mischt Dominiks Tochter Pia fleißig mit. Obwohl sie schon mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht hat, handelt sie nach wie vor ohne nachzudenken und vernachlässigt ihren Selbstschutz fahrlässig. Dominik muss also nicht nur einen Fall klären, sondern auch seine Tochter und deren Eskapaden im Auge behalten.
Ich mag den trockenen Humor, der ab und zu durchschimmert.

„...“Schon, ich habe die Katze rauslaufen sehen. Rana besitzt keine Katze. Wie ist die reingekommen?“ „Sag bloß, du hast das Vieh nicht aufgehalten und gefragt.“...“

Erste Spuren führen in die rechtsradikale Szene. Doch der entsprechende Politiker blockt nicht nur ab, er erhält außerdem Rückendeckung von höherer Stelle.
Wie schon angedeutet, werden in den Dialogen viele Themen diskutiert. So unterhält sich Angela mit einer Frauenrechtlerin und bekommt unter anderem gesagt:

„...Ich muss Ihnen nicht erklären, dass der gefährlichste Ort für eine Frau ihr Zuhause ist. Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von ihrem Ehemann, Partner oder Freund getötet...“

Doch sie wird noch deutlicher:

„...Sie wissen so gut wie ich, wie viele gewalttätige Männer tatsächlich eine substanzielle Strafe absitzen müssen. Der Rechtsstaat ist für Männer gemacht. Die Frauen müssen sehen, wo sie bleiben...“

Bald zeigt sich, dass wichtige Wirtschaftsinteressen den Fall tangieren. Gekonnt versucht man, Dominik auszubremsen. Bundeskriminalpolizei und Bundessicherheitsdienst bringen ihre Männer in Stellung, um öffentliches Interesse klein zu halten. Es geht um Investitionen in Millionenhöhe. Klasse finde ich die folgende Formulierung:

„...War das sein Ernst? Hatte die offizielle Schweiz tatsächlich vor, im großen geopolitischen Sandkasten des Weltkindergartens mitzuspielen?...“

Man ist dabei, manches geschickt unter den Tisch zu kehren. Was zählen Menschenleben, wenn es ums große Geld geht!Natürlich wird der Fall am Ende geklärt, wenn auch auf unkonventionelle Art.
Das lässt Raum für Diskussionen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Mit einem letzten Zitat möchte ich meine Rezension abschließen.

„...Sobald ein Tyrann nicht mehr salonfähig war, legte man sich halt mit dem nächsten ins Bett. Verständlich, was sollte man machen, wenn man im Winter weiterhin im T – Shirt in den Stuben fläzen wollte...“

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Stimmige Fortsetzung

Ulla und die Wege der Liebe
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„...Die Zeichen standen auf Neuanfang, trotz aller Trauer und Schwierigkeiten war da doch der Funke Hoffnung. Es gab einen Neuanfang, man musste es nur richtig machen...“

Diese Gedanken gehen Ursula im ...

„...Die Zeichen standen auf Neuanfang, trotz aller Trauer und Schwierigkeiten war da doch der Funke Hoffnung. Es gab einen Neuanfang, man musste es nur richtig machen...“

Diese Gedanken gehen Ursula im Januar 1919 durch den Kopf. Noch aber wirken die Spuren des Krieges nach.
Die Autorin hat eine zeitnahe Fortsetzung der Geschichte um die Familie Richard Dehmel geschrieben. Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen Heinrich und Ursula.
Der Schriftstil ist ausgereift. Es handelt sich eher um ein leises Buch. Wer große Aktionen erwartet, ist hier falsch. Dafür gibt es tiefgehende Diskussionen zu Problemen der Zeit.
Paulas Tod hat Spuren hinterlassen. Jetzt reißen alte Wunden wieder auf, zumal Ida, Richards zweite Frau, sich einen Anteil am Erbe erhofft. Diese unterschwelligen Verstimmungen durchziehen wie ein roter Faden das Buch. Ursula wirkt her oft ausgleichend.
Gleichzeitig ist die aufkommende Inflation von den Künstlern nicht leicht zu händeln. Das führt insbesondere zwischen Vera und Tetjus zu Spannungen. Tetjus gleicht in mancher Hinsicht Veras Vater Richard. Ida charakterisiert Tetjus so:

„...Tetjus will Dinge erleben – er will sich ausleben. Eine Frau oder gar eine Familie zu ernähren, danach steht ihm nicht der Sinn...“

Ursula hat eine besondere Gabe. Sie nimmt Gefühle als Farben wahr. Diese Farben zeigen ihr, wie sich Heinrich durch den Krieg verändert hat.

„...In ihrer Vorstellung war alles grün und gelb, alles farbenfroh und voller Hoffnung gewesen, doch dieses latent aggressive Violett, gepaart mit dem düsteren Braun der Traurigkeit hatte sie nicht erwartet...“

Ursula macht sich Sorgen um ihre Schwester Hilde. Der geht es während der Schwangerschaft nicht gut. Ihr Mann Helmuth hat dafür kein Verständnis. Außerdem vergiften seine antisemitischen Äußerungen die Atmosphäre.
Ein nächster tiefer Einschnitt kommt mit Richards Tod. Es gilt, die Weichen neu zu stellen. Richard hatte dafür gesorgt, dass Ursula Paulas Buch illustrieren durfte.

„...Manchmal ist das Leben wie eine Schiffsreise – es gibt Untiefen und Unwetter. Man weiß nie, was einem hinter der nächsten Biegung begegnet, dachte Ursula...“

Ursula und Heinrich heiraten in aller Stille. Wird es ihr in der Ehe gelingen, ihren künstlerischen Neigungen weiter nachzugehen? Heinrich, der seinen Abschluss als Arzt in der Tasche hat, nimmt erst einmal ein Psychologiestudium auf. Er möchte danach Menschen helfen, die an psychischen Schäden infolge des Krieges leiden.
Ursula glaubt an eine friedliche Welt. Immer wieder gibt es Diskussionen über die Zukunft. Vera ist da realistischer.

„...Immer noch gibt es Männer, die glauben, dass Gewalt eine Lösung ist. Dass man mit Waffen seine Meinung und seine Ansprüche durchsetzen kann...“

Ein umfangreiches Nachwort trennt Fiktion von Realität.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 08.09.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Elbpakt
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„...Sowie sich die mächtige Tür hinter ihr geschlossen hatte, verwandelte sie sich auf magische Weise. Aus der bösen Hexe wurde eine gute Fee. Und andersrum...“

Diese Worte aus dem Prolog führen auf fast ...

„...Sowie sich die mächtige Tür hinter ihr geschlossen hatte, verwandelte sie sich auf magische Weise. Aus der bösen Hexe wurde eine gute Fee. Und andersrum...“

Diese Worte aus dem Prolog führen auf fast geheimnisvolle Weise in den Krimi ein.
Wieder hat die Autorin einen fesselnden Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen. Das liegt nicht zuletzt an den hohen Spannungsbogen, der durch den ausgefeilten Schriftstil unterstützt wird.
In der Nähe des Altenheimes wurde ein Grabkreuz unter einer Eiche aufgestellt. Als Philipp und Hauke graben, finden sie einen Karton mit einem hellblauen Plüschhasen und einem abgeschnittenen Finger. Wenige Tage später gibt es ein weiteres Kreuz.
Der einzige Hinweis für die Ermittler ist der Name auf den Kreuz. Wer war Linda?
Die Befragungen im Altersheim laufen ins Leere. Es wird niemand vermisst. Auch der Name ist völlig unbekannt.

„...Gibt es Vermisstenanzeigen aus der Gegend, die auf eine alte Dame passen könnten?“ fragte Goldberg. „Nee, nix.“...“

Bald aber stellt sich heraus, dass der Täter auf sich aufmerksam machen will. Es gibt Anrufe bei der Presse, die auf Täterwissen hindeuten. Warum nur?
Philipp glaubt nicht daran, dass der Bestattungsort zufällig gewählt wurde. Akribisch recherchieren sie die Geschichte des Altenheims. Das hatte in einem älteren Fall schon einmal eine makabre Rolle gespielt.
Eine Spur in die Vergangenheit klingt erfolgversprechend. Allerdings leben nicht mehr viele, die Aussagen über diese Zeit machen könnten.
Natürlich spielt auch das Privatleben der Ermittler eine Rolle. Peter möchte für Hauke eine Freundin finden. Das liest sich amüsant, zumal Hauke nicht einfach zu nehmen ist. Sein Frauenverschleiß ist legendär. Kurzzeitig kommt sogar der Gedanke auf, das sich eine Verflossene von ihm einen Scherz erlaubt.
Natürlich wird der Fall am Ende aufgeklärt. Dabei kommt eine bittere Geschichte ans Licht, die bis in die Gegenwart nachwirkt.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin versteht es, überraschende Wendungen einzubauen und damit das logische Mitdenken zu fördern.

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Veröffentlicht am 07.09.2022

Berührendes Buch

Das Medaillon
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„...Er legt ihr die Hand auf den Rücken und dreht seine frisch angetraute Frau sanft und fest, wie er es beim Tanz tun würde. Dann legt er ihr die feingliedrige goldene Kette um den Hals...“

Wir schreiben ...

„...Er legt ihr die Hand auf den Rücken und dreht seine frisch angetraute Frau sanft und fest, wie er es beim Tanz tun würde. Dann legt er ihr die feingliedrige goldene Kette um den Hals...“

Wir schreiben das Jahr 1938, als Itzhak und Rosa heiraten. Noch sehen sie die dunklen Wolken nicht, die bald über Polen aufziehen werden.
Die Autorin hat einen bewegenden Roman geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Es ist aber kein leichtes Buch, denn sehr viele historische Ereignisse liegen dem zugrunde.
Der Schriftstil passt sich den Gegebenheiten an. Er lässt viel Raum für die inneren Befindlichkeiten der Protagonisten.
Die eigentliche Handlung beginnt mit dem Bombardement von Warschau im Jahre 1939. Sophie arbeitet in der Bibliothek. Sie ist Engländerin, aber ihrem Mann Janek nach der Hochzeit nach Polen gefolgt. Nach dem Einzug der Deutschen verschafft der Leiter der Bibliothek ihr und seiner Tochter eine neue Identität. Das wird ihnen das Leben retten. Er gibt ihnen manch Weisheit mit auf den Weg.

„...Die Angst ist ein unschöner Feind. Lass sie einen Fuß in die Tür kriegen, und sie wird dein Leben kontrollieren...“

Von ihrem Mann Janek, der in den Krieg zog, hat Sophie nichts mehr gehört.
Itzhak und Rosa geben ihr Haus auf und ziehen ins Ghetto, als dort noch Wohnungen zu bekommen waren. Sehr anschaulich wird das Leben der jüdischen Bevölkerung beschrieben.

„...Die Deutschen wollen, dass wir vergessen, wer wir sind und wem wir gehören. Nicht nur heute, sondern für alle Zeiten...“

Wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter entscheidet sich Itzhak, eine günstige Gelegenheit zu nutzen, und nach seinen Eltern in Litauen zu sehen. Als es Rosa immer schwerer fällt, ihre Tochter zu ernähren, nutzt sie das Angebot eines Netzwerkes um Irene Sendler und gibt ihre Tochter Ania in fremde Hände. Sie hängt ihr die Hälfte des Medaillons um, das sie zur Hochzeit erhielt.
In drei Handlungssträngen wird nun das Leben von Izthak, Rosa und ihrer Tochter erzählt. Dabei werden wichtige historische Gegebenheiten wie die Geschehnisse um das Warschauer Ghetto und die Liquidierung der jüdischen Bevölkerung in Litauen mit eingearbeitet. Gleichzeitig erfahre ich eine Menge unter den Widerstandskampf in Warschau außerhalb des Ghettos.
Deutlich wird, dass viele in der harten Zeit durch ihren Glauben getragen werden. Er durchzieht das Buch wie ein roter Faden.
Doch was wird nach dem Krieg? Wie geht eine Frau damit um, wenn sie in Kind, das sie fünf Jahre großgezogen und liebgewonnen hat, wieder hergeben soll? Die Autorin versteht es, die Zerrissenheit und die inneren Kämpfe sehr behutsam und ohne eigene Wertung wieder zu geben.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es arbeitet eine Stück Geschichte auf, indem es sie mit persönlichen Schicksalen verknüpft.

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