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Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn blinde Herzen sehen lernen

Nur mit deinen Augen
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Die 24-jährige Buchhändlerin Alice Breuer möchte eine Veränderung in ihrem Leben und kündigt kurzerhand ihren Job in Berlin, um für ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen nach Italien ins malerische Venedig ...

Die 24-jährige Buchhändlerin Alice Breuer möchte eine Veränderung in ihrem Leben und kündigt kurzerhand ihren Job in Berlin, um für ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen nach Italien ins malerische Venedig zu gehen. Ihre Mutter hat bis zu ihrem Tod so Venedig geschwärmt, deshalb möchte sie es jetzt mit eigenen Augen sehen. Mit ihrer Gastfamilie Scarpa hat Alice leider kein großes Los gezogen. Sie wird von ihnen regelrecht ausgenutzt und hat nur in den sehr späten Abend- und frühen Morgenstunden die Möglichkeit, die geheimnisvolle Lagunenstadt zu erkunden. Bei einem ihrer Ausflüge lernt sie den 30-jährigen Nachbarn Tobia Manin kennen, der ebenfalls erst seit kurzer Zeit in der Stadt ist und sehr zurückgezogen lebt. Einst war er ein aufstrebender kalifornischer Geschäftsmann, doch seit einem Schusswechsel ist der reiche Tobia blind und musste sich von seinen Träumen verabschieden. Alice ist von Tobia fasziniert und beginnt, langsam sein Vertrauen zu gewinnen. Dabei muss sie auch Rückschläge einstecken, denn Tobias Vertrauen in die Menschen ist durch seine Behinderung erschüttert. Doch Alice lässt nicht locker und schleicht sich auch langsam in Tobias Herz. Aber in nächster Nähe der beiden lauert jemand, der ihnen das Glück nicht gönnt und für sie eine Gefahr darstellt. Werden Tobia und Alice diese Schwierigkeiten meistern?

Valerie Bielen hat mit ihrem Buch „Nur mit deinen Augen“ ein wunderschönes Debüt vorgelegt, das vor malerischer Kulisse eine mitreißende Geschichte erzählt. Der Schreibstil ist herrlich flüssig zu lesen, dabei einfühlsam und nimmt den Leser als Begleitung von Alice mit ins zauberhafte Venedig. Auch die Erzählperspektive passt wunderbar dazu. Man lauscht Alice und ihren Gedanken. Alice‘ Streifzüge durch die Lagunenstadt sind so realistisch beschrieben, dass man im Kopf alles wunderbar vor sich sehen kann und das Gefühl hat, mit von der Partie zu sein. Die Charaktere sind liebevoll und authentisch skizziert und wachsen einem schnell ans Herz. Alice ist eine sehr sympathische und einfühlsame Person, die schon einige Schicksalsschläge einstecken musste und trotzdem nicht mit ihrem Leben hadert, sondern anpackt und unterstützt. Sie hat das Herz am rechten Fleck und interessiert sich für die Menschen selbst und nicht für ihren materiellen Background. Allerdings ist sie auch zu gutmütig und lässt sich deshalb schnell ausnutzen, ohne sich groß zu wehren. Tobia hatte ein reiches und erfülltes Leben, welches sich schlagartig mit dem Verlust seines Augenlichtes veränderte. Diese Veränderung hat Tobia noch immer nicht verkraftet, er ist zornig auf die Welt und hat das Vertrauen in die Menschen verloren und sich fast selbst aufgegeben. Er schottet sich vor allem und jedem ab und richtet sich in seiner Einsamkeit ein. Als er und Alice aufeinander treffen, treffen zwei einsame Seelen aufeinander, die sich viel zu sagen und zu geben haben. Erst langsam öffnen sie sich dem anderen, lernen voneinander wieder zu vertrauen, die Masken fallen zu lassen und das Leben willkommen zu heißen, um ihr Glück zu finden.

Valerie Bielen ist eine wunderschöne und gefühlvolle Liebesgeschichte vor der malerischen, mystischen Kulisse Venedigs gelungen, die auch einen kriminalistischen Teil beinhaltet. Ein herrliches Buch für zauberhafte Lesestunden. Absolute Leseempfehlung für ein sehr gelungenes Debüt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

"Gärten sind die zärtlichsten Spuren, die Menschen auf dieser Welt hinterlassen können." (Autor unbekannt)

Augustas Garten
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"Als erstes hat Gott der Allmächtige einen Garten angelegt."
Sir Francis von Verulam Bacon 1561 - 1626

Im Sommer 1975 verlässt die 5-jährige Augusta mit ihrer Mutter Barbara ihr gewohntes und geliebtes ...

"Als erstes hat Gott der Allmächtige einen Garten angelegt."
Sir Francis von Verulam Bacon 1561 - 1626

Im Sommer 1975 verlässt die 5-jährige Augusta mit ihrer Mutter Barbara ihr gewohntes und geliebtes Heim und ihren Vater, als die Eltern sich trennen. Barbara zieht mit ihrer Tochter zu ihrem Freund Eduard. Augusta denkt immer noch, sie machen nur einen Besuch, denn ihre Mutter macht sich nicht die Mühe, ihrer Tochter die Situation zu erklären. Augustas Fragen, wann sie denn wieder nach Hause gehen, werden von Barbara immer nur mit „bald“ abgeschmettert. Doch das „bald“ dauert immer länger, Augusta, wenn auch noch ein kleines Mädchen, beginnt zu verstehen, dass ihre eigene Mutter sie anlügt. Sie will zu ihrem Vater, will nach Hause, doch was soll sie tun? Sie will nicht bei Eduard wohnen, sondern mit ihrer Mutter und ihrem Papa zusammen sein wie früher. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit träumt sie sich in den ans Fenster gemalten Garten, wo sie sich ihrem imaginären Freund anvertrauen kann, was ihr auf der Seele liegt und ihr das Herz so schwer macht, sonst hört ihr ja niemand zu. Als ihre Mutter ihr kurz vor ihrem 6. Geburtstag erzählt, dass es kein Zurück zum Papa und dem alten Zuhause geben wird, fasst Augusta den Entschluss, ihren Vater auf eigene Faust zu besuchen. Am Geburtstagsmorgen macht sie sich ganz allein auf den Weg, der sie jedoch nicht zu ihrem Vater, sondern direkt in ein Unglück führt. Warum musste es so weit kommen?
Andrea Heuser hat mit ihrem Roman „Augustas Garten“ einen zauberhaften Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist leise, poetisch, leicht melancholisch, emotional und dabei zart wie ein Schmetterling, der einen mit seinen Flügeln an der Wange streift. Sehr gefühlvoll erzählt die Autorin die Geschichte hauptsächlich aus der Sichtweise ihrer Hauptprotagonistin Augusta und erweckt das kleine Mädchen in den Köpfen der Leser regelrecht zum Leben. Ausflüge in die Vergangenheit der Eltern werden durch einzelne Rückblenden sehr schön mit in die Handlung eingebunden, sind sie doch unverzichtbar, um einzelne Handlungsweisen der Erwachsenen zumindest in Ansätzen nachvollziehen zu können. Doch die Hauptperson dieser Geschichte ist Augusta. Ihr Heimweh, ihre Wut über die Lügen der Mutter, ihre Sehnsucht zu ihrem Vater und auch ihre unendliche Einsamkeit sind regelrecht greifbar und treffen den Leser mitten in Herz und Seele.

"Wer mich kennen lernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz."
Hermann Fürst Pückler-Muskau 1785 - 1871

Augustas Rückzugsort, ihr „Fenstergarten“ mit ihrem imaginären Freund ist die Flucht hin zu Wärme und Geborgenheit, hin zu Wahrheit und Licht, hin zu sich selbst, hin zu ihrem Wunschleben, hin zu Freunden und Freuden, die es nur dort gibt. Die reale Welt hat ihr alles genommen, deshalb ist dieser imaginäre Garten für ihre Seele besonders wichtig und wird es immer sein. Augusta und ihre kleine Kinderseele brennen sich in das Herz des Lesers und lange Zeit, vielleicht für immer, werden diese „Brandnarben“ dort bleiben.

„Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füssen, sondern mit dem Herzen.“
Bernhard von Clairvaux 1091 - 1153

Eine Verbeugung vor Andrea Heuser, ihr ist ein literarisches Kleinod gelungen, meisterlich erzählt, wundervoll und einfach unvergesslich. Chapeau!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unsterbliche Paula - Deutsche Geschichte wunderbar erzählt

Als wir unsterblich waren
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"Und über uns im schönen Sommerhimmel war eine Wolke, die ich lange sah. Sie war sehr weiß und ungeheuer oben, und als ich aufsah, war sie nimmer da.“
Bertold Brecht, „Erinnerungen an die Marie A.“

Die ...

"Und über uns im schönen Sommerhimmel war eine Wolke, die ich lange sah. Sie war sehr weiß und ungeheuer oben, und als ich aufsah, war sie nimmer da.“
Bertold Brecht, „Erinnerungen an die Marie A.“

Die schüchterne und zurückhaltende Alexandra lebt allein mit ihrer 93-jährigen Großmutter Momi in Ostberlin, als am 9. November 1989 die Mauer fällt. Mit ihrer Freundin Meike macht sie sich nach dieser Nachricht auf, um die offene Grenze auszuprobieren und verliert in dem Menschengetümmel zwar Meike, trifft aber auf Oliver. Zwischen den beiden ist ein Erkennen, eine tiefe Verbindung – die Liebe auf den ersten Blick. Meike bleibt für einige Tage bei Oliver am Leopoldplatz im Wedding, die beiden lernen sich immer mehr kennen und wollen sich gar nicht trennen. Als Oliver sie zu ihrer Großmutter nach Hause begleitet, um diese kennenzulernen, erschrickt Momi bei seinem Anblick und seinem Namen zu Tode, bricht zusammen und liegt kurz darauf auf der Intensivstation. Alexandra ist völlig am Boden zerstört und will Oliver nicht wiedersehen, zu groß ist die Angst, Momi zu verlieren, denn sie ist ihre einzige Familie, von der sie so gut wie nichts weiß. Bei Nachforschungen in Momis Schlafzimmer entdeckt sie eine alte Kiste mit Fotos und Zeitungsausschnitten. Als ihre Großmutter wieder bei Bewusstsein ist, drängt Alexandra sie, ihr von der Vergangenheit zu erzählen, denn sie möchte mehr über ihre Familie wissen und vor allem herausfinden, warum Momi so ablehnend Oliver gegenüber ist. Dann beginnt Momi Stück für Stück, ihrer Enkelin von ihrem Leben zu erzählen:
Es ist einer der letzten schönen Tage im Strandbad Wannsee im August 1912…
„Als wir unsterblich waren“ von Charlotte (Lyne) Roth erzählt zum einen die Rahmenhandlung von Alexandra in der Gegenwart des Jahres 1989 und zum anderen die Hauptgeschichte von Paula und Clemens von August 1912 bis Januar 1933. Der Leser wird sowohl in Deutschlands jüngste Vergangenheit entführt, aber das Hauptaugenmerk richtet sich auf die Zeit der Weimarer Republik, in denen Paula, Clemens, Manfred, Harry, Kutte und ihre Freunde aufwachsen und sich gegen die Ausbeutung der Arbeiter und die Misshandlung von Frauen durch ihre Ehemänner auflehnen und sich politisch engagieren. Man erfährt von knappen Lebensmitteln, vielen Entbehrungen, den täglichen Kampf ums Überleben mit sehr wenig Geld, dem Ausbruch des ersten Weltkriegs und die politischen Hintergründe, die bald zum Aufstreben der NSDAP führten. Aber auch den einfachen schönen Dingen wie einem Tag im Strandbad mit einem Picknick oder der engen Freundschaft untereinander wird Platz eingeräumt. Charlotte Roth schafft es mit ihrem außergewöhnlichen Talent, Geschichten zu erzählen, und einem wunderbaren Schreibstil auf sehr eindrucksvolle Weise, den Leser in die Vergangenheit zu entführen. Man hat das Gefühl, Teil von Paulas Freundeskreis zu sein und sie bei ihrem täglichen Leben zu begleiten. Auch der geschichtliche Hintergrund ist akribisch recherchiert und sehr gut in die Handlung eingebettet. Die Charaktere der einzelnen Protagonisten sind so vielschichtig, individuell und authentisch angelegt, wie man es selten in Romanen findet. Dabei ist Paula der Star unter ihnen, sie ist lebenshungrig, aufopfernd, mitfühlend und einfach zum Verlieben. Sie glaubt an die Liebe und an das Gute im Menschen. Clemens hat ein ausgesprochenes Talent zu reden und zu überzeugen, dabei ist er tief im Inneren ein Zweifler, ein Suchender, eine zerrissene Seele. Paulas Bruder Manfred ist der ewig Kämpfende, Unerbittliche. Oder Kutte: er ist ein Bär von einem Mann, der für seine Freunde durch die Hölle geht und immer zu Hilfe eilt. In jedem von ihnen findet man ein Stück von sich selbst, deshalb wirken sie so vertraut, wie Freunde eben, die man gut kennt.
Charlotte Roth schreibt so authentisch, warmherzig, liebevoll und mit einer Prise Humor, dass man als Leser gar nicht anders kann, als sich von ihrer Geschichte einfangen und hinwegtragen zu lassen. Man findet die Liebe ebenso wie großes Leid, die unendliche Hoffnung auf bessere Zeiten, die Trauer um geliebte Menschen und den Kampf für eine lebenswertere Zukunft. Die Gefühle spielen Achterbahn und sind doch sehr real. In diesem Roman wird deutsche Geschichte wieder lebendig und ganz präsent. Einmal mehr wird einem vor Augen geführt, was unsere Vorfahren für uns getan haben, dass wir heute in Frieden und Freiheit leben können. All das sollte man von einem guten historischen Roman erwarten und genau dies wird hier über alle Maßen erfüllt.
Besser als Charlotte Roth mit „Als wir unsterblich waren“ kann man es nicht machen. Absolute Leseempfehlung für das Highlight 2014. Chapeau!!!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Liebe und Krieg im Südseeparadies

Der Glanz von Südseemuscheln
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1914. Alma lebt mit Ehemann Joshua und Sohn Max im australischen Sydney und wird dort als Deutsche angefeindet. Während ihr Mann als Kapitän oft auf See ist und sie mit Max allein zurechtkommen muss, macht ...

1914. Alma lebt mit Ehemann Joshua und Sohn Max im australischen Sydney und wird dort als Deutsche angefeindet. Während ihr Mann als Kapitän oft auf See ist und sie mit Max allein zurechtkommen muss, macht ihr Schwägerin Mary das Leben zur Hölle. Als Joshuas Schiff kentert und er als vermisst gilt, steht Alma eine harte Zeit bevor, bis Joshua zurückkehrt. Doch er ist ein anderer geworden. Werden Alma und Joshua wieder zueinander finden und in dieser schweren Zeit Halt in ihrer Ehe finden?

Almas Schwester Mathilde lebt seit 10 Jahren auf der Südseeinsel Samoa, als der 1. Weltkrieg ausbricht und Neuseeländer das Land besetzen. Aus ehemaligen Freunden werden auf einmal Feinde und die Lebensumstände sind sehr hart, jeder kämpft ums nackte Überleben. Die Ananasfabrik, die Farm und das Haus der Familie werden ihnen genommen, Mathildes Bruder Fritz wird verhaftet und Grete wird schwanger. Als Mathilde als Haushälterin bei dem Offizier Scott Turner anfängt, verliebt sie sich schnell in den “Feind”, doch hat das eine Zukunft?

Regina Gärtner hat mit ihrem Buch “Der Glanz der Südseemuscheln” ihren Anschlussroman zum ersten Band “Unter dem Südseemond” vorgelegt und lässt den Leser erneut an dem Leben der Schwestern Alma und Mathilde teilhaben. Damit hat die Autorin wieder einen Volltreffer gelandet. Der Schreibstil ist herrlich flüssig und bildhaft, sofort ist der Leser mitten im Geschehen und findet sich an exotischen Schauplätzen wieder, um die Protagonisten in ihrem täglichen Leben zu begleiten. Die Landschaftsbeschreibungen lassen Bilder vor dem inneren Auge entstehen, so dass die Handlung regelrecht wie ein Film abläuft. Der geschichtliche Hintergrund wurde von der Autorin wieder sehr gut recherchiert und verschmilzt sehr gut mit der erzählten Geschichte. Der Spannungsbogen wird stetig aufgebaut und zieht sich wie ein Faden durch den gesamten Roman. Doch vor allem muss man die verschiedenen Charaktere bewundern, die von der Autorin liebevoll und sehr komplex erschaffen wurden. Alma ist eine herzensgute Frau, die fleißig, geschickt und warmherzig, weshalb ihr das Leserherz sehr schnell zufliegt. Aber auch Mathilde ist eine gute Seele, die versucht, alles zusammen zu halten und alles und jeden zu unterstützen, damit es den Menschen um sie herum gut geht. Sie verzagt nicht und stellt sich mutig den Widrigkeiten, die sich ihr in den Weg stellen. Beide Schwestern haben in diesem Buch einige Schwierigkeiten zu überwinden und wachsen charakterlich an ihren Aufgaben. Diese Entwicklung ist besonders gut gelungen.

Regina Gärtner hat in ihrem Roman alles vereint, was ein tolles Buch ausmacht: Spannung, Historie, eine schöne Liebesgeschichte und Geheimnisse, die den Leser dazu animieren, unbedingt dahinter kommen zu wollen und das Buch nicht eher aus der Hand zu legen, als bis dieses gelüftet ist. “Der Glanz der Südseemuscheln” ist ein Roman, der eine spannende und sehr unterhaltsame Lektüre nicht nur verspricht, sondern sie über alle Maßen hält. Absolute Leseempfehlung! Chapeau, Frau Gärtner!!!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Pablo & Eva - eine bittersüße Liebe

Madame Picasso
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1911 flüchtet Eva Gouel vor einer geplanten arrangierten Hochzeit aus ihrem Elternhaus in die Metropole Paris, um sich dort ihr eigenes Leben aufzubauen. Über ihre Freundin Sylvette findet sie eine Anstellung ...

1911 flüchtet Eva Gouel vor einer geplanten arrangierten Hochzeit aus ihrem Elternhaus in die Metropole Paris, um sich dort ihr eigenes Leben aufzubauen. Über ihre Freundin Sylvette findet sie eine Anstellung als Näherin im berühmten Moulin Rouge und nennt sich fortan Marcelle Humbert. Recht schnell macht sich Eva/Marcelle einen Namen als zuverlässige Arbeitskraft, die von ihren Kollegen für ihre Einfälle und ihr Gespür sehr geschätzt wird. Ausgerechnet im Moulin Rouge sieht sie den berühmten Maler Pablo Picasso zum ersten Mal, ohne zu wissen, wer er ist. Als sie sich kurze Zeit später erneut begegnen und einander vorgestellt werden, sind sich beider der gegenseitigen Anziehungskraft bewusst, doch Eva hält sich zurück, ist Picasso doch seit vielen Jahren mit Fernande verbandelt, die sich überall Madame Picasso nennt. Doch diese Beziehung steht bereits am Abgrund und je öfter sich Eva/Marcelle und Pablo Picasso treffen, umso näher kommen sie sich. Bis sich Picasso endgültig von Fernande trennt und fortan Eva als seine Muse und Inspiration, aber gleichzeitig auch als seine „Madame Picasso“ vorstellt. Die Liebe der beiden ist sehr tief und Picasso hat ihr schon einen Heiratsantrag gemacht, als Eva schwer erkrankt.

Anne Girard hat mit ihrem Roman „Madame Picasso“ einen wunderschönen historischen Liebesroman vorgelegt, der exzellent recherchiert wurde und von vielen Hintergrundinformationen gestützt wird. Dadurch ist ihr mit kleinen Einschränkungen ein sehr authentisches und biografisches Werk gelungen, das sich durch einen poetischen und bezaubernden Schreibstil herrlich lesen und den Leser an einer der schönsten und zugleich traurigsten Liebesgeschichten der neueren Geschichte teilhaben lässt. Die Landschaftsbeschreibungen und auch die Örtlichkeiten in Paris sind wunderbar beschrieben, so dass man sich sofort in die damalige Künstlermetropole zurückversetzt fühlt und alles vor dem inneren Auge lebendig wird. Die Charaktere sind sehr realistisch angelegt, was erneut die Recherchearbeit der Autorin hervorhebt. Pablo Picasso galt immer als stolzer, schwieriger, leicht selbstverliebter Mann, der andererseits aber auch sehr großzügig sein konnte. Die Grundlage für seine Angst vor Krankheit und Tod wurde schon in seinen jungen Jahren gelegt und erklärt innerhalb des Romans so manche seiner Reaktionen. Eva ist eine sehr junge und anfangs leicht zu beeindruckende Frau, die alles für ihre große Liebe tut und dabei über sich hinaus wächst und dadurch Pablo Picasso eine große Unterstützung ist.

„Madame Picasso“ ist eine Hommage an Eva Gouel und eine einzigartige Liebesgeschichte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Sehr schön wurden auch Informationen zur damaligen Mode und den Lebensgewohnheiten eingestreut und die Erwähnung zahlreicher berühmter Namen aus Kunst und Kultur, die sich zur gleichen Zeit in Paris traf und austauschte, macht das Buch noch einmal mehr zum Leseschmaus.

Auch die Aufmachung des Romans wurde vom Aufbau Verlag liebevoll gestaltet. Schon das Cover ist eine Augenweide, im Umschlag versteckt sich dann noch ein Stadtplan von Paris aus dem Jahr 1911, anhand dessen man sich gut orientieren kann.

Ein Lesemuss für alle Liebhaber historischer Bücher, wunderbarer Liebesgeschichten und gut recherchierter Romane. Absolute Leseempfehlung, einfach wunderschön!!!