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Veröffentlicht am 15.09.2016

"Deutschenmädchen"

Das Haus der verlorenen Kinder
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1941 Norwegen: Seit ihrer Kindheit sind Lisbet und Oda eng miteinander befreundet und fast wie Schwestern. Als ihr Ort von deutschen Soldaten besetzt wird, verlieben sich die beiden gleichzeitig in den ...

1941 Norwegen: Seit ihrer Kindheit sind Lisbet und Oda eng miteinander befreundet und fast wie Schwestern. Als ihr Ort von deutschen Soldaten besetzt wird, verlieben sich die beiden gleichzeitig in den “Feind”, was in ihrer Umgebung nicht gern gesehen wird. Sowohl Lisbet als auch Oda lassen sich diese Liebe nicht ausreden und schon bald müssen sie sich von ihren Liebsten trennen, die an eine andere Kriegsfront geschickt werden. Doch beide Frauen sind schwanger und gelten fortan bei ihrem eigenen Volk als Geächtete, als Deutschenmädchen, was ihnen das Leben zur Hölle macht. Ganz auf sich allein gestellt und nur die jeweilige Freundin an der Seite versuchen Oda und Lisbeth, dem Schicksal zu trotzen, doch dann passiert etwas Furchtbaren…

2005 Wiesbaden: Die junge Marie hat jahrelang in Heimen und Pflegefamilien zugebracht, nachdem sie ihre Eltern als Zweijährige durch einen Unfall verloren hat. Als sie durch das sie betreuende Amt einige wenige Dinge ihrer verstorbenen leiblichen Eltern erhält, macht sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln und landet in einem Seniorenpflegeheim in Wiesbaden, wo zur Zeit des 2. Weltkrieges ein Lebensbornkinderheim untergebracht war. Im Heim lernt sie die 84-jährige Norwegerin Betty kennen, die beiden mögen sich sofort und unternehmen einiges miteinander. Einiges Tages verschwindet Betty spurlos und ein One-Night-Stand klaut Marie das Tagebuch ihrer Großmutter. Marie macht sich auf den Weg sowohl Betty als auch Antworten zu finden und reist nach Norwegen.

Linda Winterberg hat mit ihrem Roman “Das Haus der vergessenen Kinder” einen sehr emotionalen und berührenden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig und fesselt den Leser ab der ersten Seite. Die beiden Handlungsstränge sind parallel angelegt und durch die jeweiligen Kapitelüberschriften gekennzeichnet. Der Spannungsbogen ist sehr schön angelegt und zieht sich wie ein roter Faden durch beide erzählten Geschichten hindurch. Der Leser wird dazu angehalten, mitzurätseln und sich seine eigenen Gedanken zu machen, während man wie im Flug durch die Handlung läuft, so wunderbar ist dieser Roman geschrieben. Auch der historische Hintergrund über die Lebensborneinrichtungen und die Besatzung in Norwegen sind sehr schön recherchiert und der Handlung unterlegt.

Die Charaktere wurden von der Autorin sehr liebevoll gestaltet und ausgearbeitet. Sie wirken alle durchweg sehr lebendig, lebensecht und authentisch. Lisbeth ist in einem liebevollen und behüteten Zuhause aufgewachsen. Sie wirkt eher zurückhaltend und etwas unsicher, ist sich ihrer eigenen Körperlichkeit nicht so sehr bewusst wie ihre Freundin Oda. Doch Lisbeth hat ein besonders gutes Herz, versucht immer, das Beste in den Dingen zu sehen und nicht den Mut zu verlieren. Oftmals wirkt sie dann überraschenderweise wie die Stärkere der beiden Frauen. Oda ist impulsiv, fröhlich und draufgängerisch, aber sie ist auch oftmals boshaft, verletzend und missgünstig, was unter Freundinnen eigentlich nicht sein sollte. Marie ist eine sehr zurückhaltende junge Frau, die schon sehr viel Schlimmes im Leben erlebt hat und nach ihren Wurzeln sucht, um sich endlich eine Identifikation zu geben und ihr eigenes Leben starten zu können. Die ganze Unwissenheit hält sie gefangen in ihrer momentanen Lebenssituation, doch sie möchte endlich die Wahrheit wissen.

“Das Haus der vergessenen Kinder” ist ein wundervoller und gefühlvoller Roman, der den Leser durch die zauberhafte Erzählweise der Autorin nicht loslässt und auch nach der letzten Seite noch in Gedanken verharren lässt. Nur ungern lässt man Marie, Oda und Lisbet ziehen, hat man doch das Gefühl, man wäre mit ihnen nach der Lektüre regelrecht verwachsen. Ein absolutes Lesehighlight für alle, die sich sowohl für historische Romane als auch für Familiengeheimnisse interessieren und die es lieben, sich in einem Roman verlieren zu können. Chapeau, wundervoll gemacht!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Ode an die wahre Liebe

Fünf Viertelstunden bis zum Meer
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Eines Tages erhält der 84-jährige Ezio Ortolani einen Brief, auf den er schon 60 Jahre wartet. Er ist von Giovanna Berlucci, der einzigen Frau, die er je geliebt hat, seiner ganz großen Herzensliebe. 1945 ...

Eines Tages erhält der 84-jährige Ezio Ortolani einen Brief, auf den er schon 60 Jahre wartet. Er ist von Giovanna Berlucci, der einzigen Frau, die er je geliebt hat, seiner ganz großen Herzensliebe. 1945 lernten sich die beiden am Strand von San Cataldo in Stiefelabsatz von Italien kennen. Giovanna, gerade dem Meer entstiegen, in einem notdürftig geknoteten Badeanzug, der Jahre später als Bikini durchgehen würde, ist für Ezio wie eine Traumerscheinung. Der schüchterne junge Mann rennt ihr entgegen und ihm fällt nichts anderes ein, als Giovanna zu fragen „Darf ich Dich küssen?“, um sich dann auf dem Absatz umzudrehen und Giovanna stehen zu lassen aus Angst vor der eigenen Courage. Doch Giovanna ist neugierig und lebenshungrig, sie läuft Ezio hinterher. Damit beginnt eine Liebe, die nur einen Sommer dauert, aber ein Leben lang hält. Als Ezio ihr die Frage aller Fragen in den Sand schreibt, gibt ihm Giovanna keine Antwort, sondern springt ins Meer. Ezio flüchtet vor Giovanna in den Norden Italiens, doch seine Gedanken machen die Flucht nicht mit, sie sind immer bei Giovanna in Süditalien geblieben. Der Brief bringt ihn zurück zu ihr…

Ernest van der Kwast erzählt mit seinem Roman „Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ eine leise, ruhige und doch so poetische und zauberhafte Liebesgeschichte, die einen als Leser mitten ins Herz trifft. Der Schreibstil ist liebevoll und sanft. Die Handlung ist eingebettet in die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse, die in den 60 Jahren zwischen Abschied und Wiedersehen von Ezio und Giovanna geschehen sind. Die Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind so fließend, im einen Moment ist man noch im Hier und Jetzt und erlebt den hastigen Aufbruch des Postboten zu seiner schwangeren Frau ins Krankenhaus, im nächsten Augenblick durchlebt man mit Ezio seine überstürzte Abreise im Jahr 1945 nach Bozen und seine Gedanken und verletzten Gefühle leisten einem dabei Gesellschaft.

„Fünf Viertelstunden bis zum Meer“ ist reine Poesie und Romantik, die allerdings nicht kitschig wirkt, sondern tief im Inneren den Wunsch weckt, dass das Leben so sein möge. Der Augenblick des Wiedersehens zwischen Ezio und Giovanna am Bahnsteig nach über 60 Jahren macht deutlich, dass die wahre Liebe alles überdauert und alles verzeiht, dass sich die Menschen, die zusammengehören, auch finden werden, auch wenn die Jugend vorbei ist und das Lebensende vielleicht naht. Ein Wunsch, der in uns allen tief verwurzelt ist. Einfach zauberhaft erzählt. Hier gilt eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Man sieht nur mit dem Herzen gut...

Alles Licht, das wir nicht sehen
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1934. Obwohl die 6-jährige Marie-Laure LeBlanc blind ist und keine Mutter mehr hat, erlebt sie durch die liebevolle Erziehung ihres Vaters eine glückliche und unbeschwerte Kindheit in Paris. Ihr Vater ...

1934. Obwohl die 6-jährige Marie-Laure LeBlanc blind ist und keine Mutter mehr hat, erlebt sie durch die liebevolle Erziehung ihres Vaters eine glückliche und unbeschwerte Kindheit in Paris. Ihr Vater arbeitet als Schlosser und Modellbauer im Naturhistorischen Museum, wo auch Marie-Laure viel Zeit verbringt und alles Wissen in sich aufsaugt, es ist praktisch ihr zweites Zuhause. All das ändert sich, als 1944 die deutschen Truppen in Paris einmarschieren. Marie Laure und ihr Vater fliehen aus der Stadt nach St. Malo zu Verwandten. In ihrem Gepäck ist der wertvolle Diamant „Das Meer der Flammen“ aus dem Museum, um den sich ein Mythos rankt.
Zu gleichen Zeit wächst der deutsche Waisenjunge Werner Hausner im Ruhrgebiet auf. Er ist ein aufgeweckter, dabei sensibler Junge, hochbegabt und mit einem Händchen für Technik. Dieses bewahrt ihn vor einem Schicksal in den Kohleminen, er bekommt einen Platz an einer Eliteschule der Nazis. Doch mit 16 Jahren wird er doch an die Front geschickt und seine besondere Begabung für Kriegszwecke genutzt. Kurz vor Ende des Krieges wird er nach St. Malo geschickt, um dort die Widerstandskämpfer ausfindig zu machen. Wird er Marie-Laure dort begegnen?

Anthony Doerr hat mit seinem Buch „Alles Licht, da wir nicht sehen“ einen zauberhaften und sehr poetischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist einfühlsam, liebevoll, prosaisch und einfach wunderschön zu lesen. Der Autor hat die wunderbare Gabe, seine Protagonisten und die Handlungsorte auf außergewöhnlich Weise zum Leben zu erwecken und dem Leser ins Herz zu brennen. Seine Sprache ist bildhaft, dabei bleibt er immer authentisch, so dass man beim Lesen das Leid des Krieges und die Gefühle der einzelnen Charaktere sehr genau vor Augen hat und mit ihnen mitfiebern kann. Die einzelnen Handlungsstränge werden sehr gekonnt miteinander verflochten.

Die Protagonisten sind wundervoll angelegt. Marie-Laure ist eine zauberhafte Person, die dem Leser sofort ans Herz wächst, man möchte sie beschützen, dabei ist sie so stark und mutig in ihrem Wesen und beschämt den Leser ein ums andere Mal. Durch den Krieg muss sie Hunger und Verlust erleben und ihr Vater wird vermisst. Doch auch wenn sie blind ist, sieht sie mehr als mancher Sehende. Durch ihre „Sichtweise“ wird der Leser in eine nur ihr bekannte Welt geführt, die sehr intensiv und erstaunlich ist und die die Leserseele berührt. Werner ist ein sensibler junger Mann, der als Waisenkind eine traurige Kindheit erleben musste. Seine Begabung gibt ihm Halt und lässt ihn sich eine eigene Welt aufbauen, die allerdings leider von anderen missbraucht wird.

Anthony Doerr hat mit „Alles Licht das wir nicht sehen“ ein vielschichtiges literarisches Kleinod geschaffen. Seine Erzählkunst ist einmalig und wird jedem Leser im Gedächtnis bleiben. Eine absolute Leseempfehlung für eine Meisterleistung, Chapeau!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn blinde Herzen sehen lernen

Nur mit deinen Augen
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Die 24-jährige Buchhändlerin Alice Breuer möchte eine Veränderung in ihrem Leben und kündigt kurzerhand ihren Job in Berlin, um für ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen nach Italien ins malerische Venedig ...

Die 24-jährige Buchhändlerin Alice Breuer möchte eine Veränderung in ihrem Leben und kündigt kurzerhand ihren Job in Berlin, um für ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen nach Italien ins malerische Venedig zu gehen. Ihre Mutter hat bis zu ihrem Tod so Venedig geschwärmt, deshalb möchte sie es jetzt mit eigenen Augen sehen. Mit ihrer Gastfamilie Scarpa hat Alice leider kein großes Los gezogen. Sie wird von ihnen regelrecht ausgenutzt und hat nur in den sehr späten Abend- und frühen Morgenstunden die Möglichkeit, die geheimnisvolle Lagunenstadt zu erkunden. Bei einem ihrer Ausflüge lernt sie den 30-jährigen Nachbarn Tobia Manin kennen, der ebenfalls erst seit kurzer Zeit in der Stadt ist und sehr zurückgezogen lebt. Einst war er ein aufstrebender kalifornischer Geschäftsmann, doch seit einem Schusswechsel ist der reiche Tobia blind und musste sich von seinen Träumen verabschieden. Alice ist von Tobia fasziniert und beginnt, langsam sein Vertrauen zu gewinnen. Dabei muss sie auch Rückschläge einstecken, denn Tobias Vertrauen in die Menschen ist durch seine Behinderung erschüttert. Doch Alice lässt nicht locker und schleicht sich auch langsam in Tobias Herz. Aber in nächster Nähe der beiden lauert jemand, der ihnen das Glück nicht gönnt und für sie eine Gefahr darstellt. Werden Tobia und Alice diese Schwierigkeiten meistern?

Valerie Bielen hat mit ihrem Buch „Nur mit deinen Augen“ ein wunderschönes Debüt vorgelegt, das vor malerischer Kulisse eine mitreißende Geschichte erzählt. Der Schreibstil ist herrlich flüssig zu lesen, dabei einfühlsam und nimmt den Leser als Begleitung von Alice mit ins zauberhafte Venedig. Auch die Erzählperspektive passt wunderbar dazu. Man lauscht Alice und ihren Gedanken. Alice‘ Streifzüge durch die Lagunenstadt sind so realistisch beschrieben, dass man im Kopf alles wunderbar vor sich sehen kann und das Gefühl hat, mit von der Partie zu sein. Die Charaktere sind liebevoll und authentisch skizziert und wachsen einem schnell ans Herz. Alice ist eine sehr sympathische und einfühlsame Person, die schon einige Schicksalsschläge einstecken musste und trotzdem nicht mit ihrem Leben hadert, sondern anpackt und unterstützt. Sie hat das Herz am rechten Fleck und interessiert sich für die Menschen selbst und nicht für ihren materiellen Background. Allerdings ist sie auch zu gutmütig und lässt sich deshalb schnell ausnutzen, ohne sich groß zu wehren. Tobia hatte ein reiches und erfülltes Leben, welches sich schlagartig mit dem Verlust seines Augenlichtes veränderte. Diese Veränderung hat Tobia noch immer nicht verkraftet, er ist zornig auf die Welt und hat das Vertrauen in die Menschen verloren und sich fast selbst aufgegeben. Er schottet sich vor allem und jedem ab und richtet sich in seiner Einsamkeit ein. Als er und Alice aufeinander treffen, treffen zwei einsame Seelen aufeinander, die sich viel zu sagen und zu geben haben. Erst langsam öffnen sie sich dem anderen, lernen voneinander wieder zu vertrauen, die Masken fallen zu lassen und das Leben willkommen zu heißen, um ihr Glück zu finden.

Valerie Bielen ist eine wunderschöne und gefühlvolle Liebesgeschichte vor der malerischen, mystischen Kulisse Venedigs gelungen, die auch einen kriminalistischen Teil beinhaltet. Ein herrliches Buch für zauberhafte Lesestunden. Absolute Leseempfehlung für ein sehr gelungenes Debüt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

"Gärten sind die zärtlichsten Spuren, die Menschen auf dieser Welt hinterlassen können." (Autor unbekannt)

Augustas Garten
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"Als erstes hat Gott der Allmächtige einen Garten angelegt."
Sir Francis von Verulam Bacon 1561 - 1626

Im Sommer 1975 verlässt die 5-jährige Augusta mit ihrer Mutter Barbara ihr gewohntes und geliebtes ...

"Als erstes hat Gott der Allmächtige einen Garten angelegt."
Sir Francis von Verulam Bacon 1561 - 1626

Im Sommer 1975 verlässt die 5-jährige Augusta mit ihrer Mutter Barbara ihr gewohntes und geliebtes Heim und ihren Vater, als die Eltern sich trennen. Barbara zieht mit ihrer Tochter zu ihrem Freund Eduard. Augusta denkt immer noch, sie machen nur einen Besuch, denn ihre Mutter macht sich nicht die Mühe, ihrer Tochter die Situation zu erklären. Augustas Fragen, wann sie denn wieder nach Hause gehen, werden von Barbara immer nur mit „bald“ abgeschmettert. Doch das „bald“ dauert immer länger, Augusta, wenn auch noch ein kleines Mädchen, beginnt zu verstehen, dass ihre eigene Mutter sie anlügt. Sie will zu ihrem Vater, will nach Hause, doch was soll sie tun? Sie will nicht bei Eduard wohnen, sondern mit ihrer Mutter und ihrem Papa zusammen sein wie früher. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit träumt sie sich in den ans Fenster gemalten Garten, wo sie sich ihrem imaginären Freund anvertrauen kann, was ihr auf der Seele liegt und ihr das Herz so schwer macht, sonst hört ihr ja niemand zu. Als ihre Mutter ihr kurz vor ihrem 6. Geburtstag erzählt, dass es kein Zurück zum Papa und dem alten Zuhause geben wird, fasst Augusta den Entschluss, ihren Vater auf eigene Faust zu besuchen. Am Geburtstagsmorgen macht sie sich ganz allein auf den Weg, der sie jedoch nicht zu ihrem Vater, sondern direkt in ein Unglück führt. Warum musste es so weit kommen?
Andrea Heuser hat mit ihrem Roman „Augustas Garten“ einen zauberhaften Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist leise, poetisch, leicht melancholisch, emotional und dabei zart wie ein Schmetterling, der einen mit seinen Flügeln an der Wange streift. Sehr gefühlvoll erzählt die Autorin die Geschichte hauptsächlich aus der Sichtweise ihrer Hauptprotagonistin Augusta und erweckt das kleine Mädchen in den Köpfen der Leser regelrecht zum Leben. Ausflüge in die Vergangenheit der Eltern werden durch einzelne Rückblenden sehr schön mit in die Handlung eingebunden, sind sie doch unverzichtbar, um einzelne Handlungsweisen der Erwachsenen zumindest in Ansätzen nachvollziehen zu können. Doch die Hauptperson dieser Geschichte ist Augusta. Ihr Heimweh, ihre Wut über die Lügen der Mutter, ihre Sehnsucht zu ihrem Vater und auch ihre unendliche Einsamkeit sind regelrecht greifbar und treffen den Leser mitten in Herz und Seele.

"Wer mich kennen lernen will, muss meinen Garten kennen, denn mein Garten ist mein Herz."
Hermann Fürst Pückler-Muskau 1785 - 1871

Augustas Rückzugsort, ihr „Fenstergarten“ mit ihrem imaginären Freund ist die Flucht hin zu Wärme und Geborgenheit, hin zu Wahrheit und Licht, hin zu sich selbst, hin zu ihrem Wunschleben, hin zu Freunden und Freuden, die es nur dort gibt. Die reale Welt hat ihr alles genommen, deshalb ist dieser imaginäre Garten für ihre Seele besonders wichtig und wird es immer sein. Augusta und ihre kleine Kinderseele brennen sich in das Herz des Lesers und lange Zeit, vielleicht für immer, werden diese „Brandnarben“ dort bleiben.

„Den Garten des Paradieses betritt man nicht mit den Füssen, sondern mit dem Herzen.“
Bernhard von Clairvaux 1091 - 1153

Eine Verbeugung vor Andrea Heuser, ihr ist ein literarisches Kleinod gelungen, meisterlich erzählt, wundervoll und einfach unvergesslich. Chapeau!