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Veröffentlicht am 12.10.2022

„Denn wir wollen, müssen, dürfen wandern.“

Der Fußgänger
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"Der Fußgänger: Eine bodenständige Philosophie des Wanderns - Meine Essenz zum 300-jährigen Jubiläum des Gräfe und Unzer Verlags“ hat mich besonders sprachlich begeistert. Wigald Boning war mir bisher ...

"Der Fußgänger: Eine bodenständige Philosophie des Wanderns - Meine Essenz zum 300-jährigen Jubiläum des Gräfe und Unzer Verlags“ hat mich besonders sprachlich begeistert. Wigald Boning war mir bisher eher als wissenshungriger Fernsehmoderator und lustiger Liedermacher bekannt. Deswegen habe ich mich über die gewohnt erheiternden Metaphern, die pointierte Wortwahl und skurrilen Vergleiche („…wie eine Rheuma geplagte Ringelnatter“) umso mehr gefreut, sodass ich ich unzählige lustige Textstellen nennen könnte. Zudem ist es sehr beeindruckend, wenn Wigald Boning von einer über 42 km Wanderung schreibt, die er in Holzschuhen (!) absolviert hat. Altbewährtes ist oft viel besser, als man denkt, auch wenn Holzschuhe nicht zu empfehlen sind. Lieber die alte Ledertasche, statt die rückenfeindlichen Scout Schulanzen der 90er; lieber gehen, statt fahren: „Leute, hütet euch vor Autos. Sie machen dick, schlaff und hässlich. Man sieht nicht die Feinheiten der Landschaft und riecht nicht die Aromen der Welt.“

Der Schreibstil ist herrlich wortgewandt, oft komödiantisch und manchmal poetisch schön, wenn die Liebe zur Natur durchbricht oder naturgemäß Rilke und Nitzsche zitiert werden (müssen). Wigald Boning schreibt über geschundene Fußsohlen, experimentelles Wandern, erinnerungswürdige Routen und scheiterfreudige Spaziererlebnisse, ebenso wie über hilfreiche Mittel und Unterarten des Gehens wie das unterschätze Schieben, „als geheime Quelle des Glücks.“

Philosophisch, kritisch, intellektuell anregend mit persönlichen Anekdoten und gedanklichen Ausflügen, die immer wieder im titelgebendem Themen münden, abgerundet durch private Fotoaufnahmen und den ein oder anderen Literaturtipp.

Für alle, die der Kapitän im Supermarkt sein wollen, nach motivierenden Gründen für das Barfuss gehen suchen.; die wissen möchte, wo man ganz unverhüllt wandern kann und die Spaß an guter Unterhaltung haben. Hat mich oft schmunzeln lassen, mir ganz neue Seiten des Spazierengehen aufgezeigt und mich in jeder Hinsicht inspiriert. „Wandern hilft aus den meisten Lebenskrisen.“ Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 12.10.2022

Wieder beeindruckend

Miss Kim weiß Bescheid
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In dem Buch "Miss Kim weiß Bescheid“ kommen acht Kurzgeschichten zusammen, die von unterschiedlichen koreanischen jungen und alten Frauen erzählen. Ganz nah ist man diesen Frauen, die in der Ich-Perspektive ...

In dem Buch "Miss Kim weiß Bescheid“ kommen acht Kurzgeschichten zusammen, die von unterschiedlichen koreanischen jungen und alten Frauen erzählen. Ganz nah ist man diesen Frauen, die in der Ich-Perspektive von Geschehnissen aus ihrem Leben und ihren Gedanken erzählen. Fast immer geht es um die Familie, gesellschaftliche Erwartungen, schweren Schicksalen, die vor allem Frauen zu tragen haben, Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit. In "Weggelaufen" erzählt eine Tochter von dem Verschwinden ihres Vaters und wie die Familie damit umgegangen ist. Erzählt mit einer angenehmen Nüchternheit, die trotzdem viel Tiefe zulässt. Es werden viele Themen behandelt: u.a. die unbequeme Konfrontation mit dem Älterwerden, Krankheiten und Sterben, Reue, Einsamkeit, Cybermobbing, häusliche Gewalt.

Besonders gefallen hat mir die Geschichte "Die Nacht der Polarlichter“, in der es um berufstätige Eltern und die aufopfernden koreanischen Großmütter geht, die sich um ihre Enkelkinder kümmern. Doch die Protagonistin widersetzt sich dieser Verpflichtung und möchte stattdessen die Polarlichter sehen. Ein Skandal? Damit erfüllt sie sich einen Traum und geht sogar ein Bündnis mit ihrer Schwiegermutter ein - ebenso ungewöhnliche für eine koreanische Frau. Nur eins der Beispiele für den Wandel und inspirierende Frauenbilder.

Fazit: Aufwühlende, anspruchsvolle und schonungslose Geschichten über Frauen, die mehr Gleichberechtigung der Geschlechter in den Fokus rücken lässt. Ein Buch, das sachlich und provokant in seiner Struktur vielschichtig ist. Lesenswert!

Veröffentlicht am 12.10.2022

Spielerisch schauriges Bilderbuch mit Überraschungseffekt

Schau durchs Fenster!
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"Schau durchs Fenster!" ist nicht nur der Buchtitel dieses großformatigen Bilderbuchs, sondern auch als Aufforderung zu verstehen. Denn in dem Buch gibt es viele unterschiedliche Hausansichten mit einem ...

"Schau durchs Fenster!" ist nicht nur der Buchtitel dieses großformatigen Bilderbuchs, sondern auch als Aufforderung zu verstehen. Denn in dem Buch gibt es viele unterschiedliche Hausansichten mit einem ausgeschnittenem Fenster, welches einen Blick in das Haus (und auf die nächste Seite) erhaschen lässt - genau wie auf dem Cover. Aber hier ist nichts so wie es scheint! Die Fenster und der dazu gehörige Text spielen wunderbar mit den Erwartungen der kleinen Leser und Leserinnen, um dann erstaunt festzustellen, was sich wirklich dahinter verbirgt. Eine vermeintlich unheimliche Gestalt entpuppt sich als harmlos und umgekehrt. Hier wurden viele tolle Ideen umgesetzt und laden zum Raten und Mitmachen ein. Unser Favorit war der Dinosaurier. Mehr möchte ich gar nicht verraten. Es hat uns jedenfalls viel Freude bereitet und passt perfekt in die herbstliche Zeit um Halloween. Nicht nur wegen der märchenhaften Unholde und schauerlichen Finsterlinge, die sich hinter den Mauern verstecken könnten, sonder auch der zurückhaltenden Farbwahl. Durch die wenigen kurzen Texte, ganzseitigen Illustrationen, mit liebevollen Details zum Entdecken, und griffigen Seiten können schön Dreijährige hier erste spielerische Eindrücke sammeln. Insgesamt ein schönes Bilderbuch, das mit schaurigen Erwartungen und Vorurteilen spielt. Sehr zu empfehlen!

Veröffentlicht am 19.09.2022

Einfaches Familien-Kochbuch für jeden Tag

Casa Zarrella
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Casa Zarrellla ist ein Gemeinschaftsprojekt von Jana Ina Zarrella und Johann Lafer, das sich an alle richtet, die bewusst und genussvoll kochen möchten, wobei vor allem Jana Ina Zarrella Rezepte beisteuert, ...

Casa Zarrellla ist ein Gemeinschaftsprojekt von Jana Ina Zarrella und Johann Lafer, das sich an alle richtet, die bewusst und genussvoll kochen möchten, wobei vor allem Jana Ina Zarrella Rezepte beisteuert, die sie auch privat kocht und Johann Lafer ein paar Tipps und Feinheiten einstreut.

Mich hat das Kochbuch sehr angesprochen und viele Rezepte sind nach meinem Geschmack. Deswegen habe ich schon einiges getestet, wie den Kräuter-Smoothie oder den Gemüsereis aus dem Backofen. Es war alles lecker, auch wenn noch kein Lieblingsgericht dabei war. Besonders neugierig war ich auf die Veggie-Carbonara, da ich noch keinen passenden Ersatz gefunden habe, der so gut schmeckt wie das Original. Jana Ina nimmt Möhre statt Speck, was uns leider nicht ganz überzeugen konnte.

Ich mag das übersichtliche Layout und die schicken - und trotzdem realistischen - Serviervorschläge. Die Rezepte und ihr Aufwand sind unkompliziert und damit wirklich für den Alltag geeignet. Das hat mich am meisten überzeugt, denn ich habe keine außergewöhnlichen Rezepte erwartet, sondern ein bisschen Motivation und Inspiration, um wieder mehr Spaß am Kochen zu haben. Es gibt Bewährtes, was jeder kennt, wie Schupfnudeln oder Chili ohne Fleisch, was sich durch Feinheiten aber von Gewohntem abhebt, wie die brasilianische Zubereitung von Reis - eines meiner Favoriten. Auch wenn die Rezepte vegetarisch sind, stehen immer wieder mal Hinweise für Fleischempfehlungen. Passt für mich, da ich auch nicht immer Fleisch dazu brauche. Der theoretische Teil bietet kein Geheimwissen, sondern die wichtigsten Basics für mehr Struktur und Einfachheit beim Kochen. Auch die Wochenplan-Doppelseite zum Kopieren beweist, gesunde Ernährung erfordert planerischen Einsatz.

Fazit: Ich würde das Buch allen empfehlen, die einfache Rezepte für die ganze Familie suchen und die gern hilfreiche Kochbücher durchblättern, wenn in einer stressigen Phase die Inspiration ausbleibt.

Veröffentlicht am 19.09.2022

Briefroman mit Feel-Good-Stimmung

Das Glück auf der letzten Seite
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Anne-Lise macht Urlaub in einem bretonischen Hafenstädtchen und findet in ihrem Hotelzimmer ein zutiefst berührendes Manuskript. Durch ihr Engagement erhält der Autor sein, seit dreiunddreißig Jahren, ...

Anne-Lise macht Urlaub in einem bretonischen Hafenstädtchen und findet in ihrem Hotelzimmer ein zutiefst berührendes Manuskript. Durch ihr Engagement erhält der Autor sein, seit dreiunddreißig Jahren, verschollenes Werk zurück. Daraus entsteht ein Briefwechsel zwischen den beiden und es stellt sich heraus, dass ein unbekannter Autor das Manuskript weitergeschrieben und beendet hat. Anne-Lise macht sich auf die Suche nach dem unbekannten Verfasser und schreibt ihrer besten Freundin und dem Autor. Zudem korrespondiert sie mit Lesern des Manuskriptes: „Ich glaube zunehmend, Maggie, dass dieses Manuskript die Kraft hat, unsere Schutzmauern einzureißen. Seit es in Zimmer 128 aufgetaucht ist, verfolgen wir seinen Weg von Leser zu Leser, und sobald wir in seinem Namen sprechen, öffnen sich Türen und hellen sich Gesichter auf.“ Vgl. 51

Der Klappentext ist hier absolut zutreffend: Es ist ein Feel-Good-Briefroman mit melodischer Wortwahl und einem literarischen Rätsel, dessen Lösungssuche süchtig macht und berührende Geständnisse und schicksalhafte Begegnungen hervorbringt. Cathy Bonidan verbindet auf besondere Weise den Zauber des Briefeschreibens mit der Leidenschaft zur Literatur, die „verwundete Herzen aufbricht“ Vgl. 52. Außerdem fliegt man förmlich durch die kurzen Brief-Kapitel, die zwei bis vier Seiten umfassen. Das liegt aber auch an der charmant gewählten Schreibweise, die aus der Zeit gefallen scheint, aber wohltuend und teilweise sehr humorvoll ist, und natürlich den bezaubernden Figuren, die über sich hinauswachsen. Allen voran Anne-Lise, die mit ihrer beharrlichen Neugierde auch Grenzen überschreitet, um Positives zu bewirken. Aber auch ihre resolute Freundin Maggy, mit der sie sich seit Kindertagen verbunden fühlt oder der eigenbrötlerische Autor des Manuskriptes, der sich lieber in sein Schneckenhaus zurück zieht. Cathy Bonidan hat es geschafft, dass man sich den Figuren, ihren intimen Gedanken und Schicksalen, trotz der eingeschränkten Erzählweise, beim Lesen besonders nah gefühlt hat. Das erst ruhige und dann ansteigende Erzähltempo habe ich dabei als sehr angenehm empfunden. Das überraschende Ende konnte mich dann vollends begeistert. Damit hatte ich nicht gerechnet!

Fazit: Es geht um Liebe, Freundschaft und die unglaubliche Kraft von Geschichten, die Menschen zusammenführt. Ein Feel-Good-Roman, in den ich versinken konnte, während ich mich ganz auf die Briefe konzentriert habe. Jeder einzelne von ihnen entfachte eine gewisse Vorfreude, die sich zu einem stimmigen Gesamtbild entwickelt konnte. Ich kann diesen warmherzigen, humorvoll erfrischenden Briefroman sehr empfehlen.