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Veröffentlicht am 13.11.2022

Wie immer ... Atwood!

Penelope und die zwölf Mägde
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Im Rahmen der “Canogate Myth Series” vom Herausgeber “Canogate Books” erscheinen neu interpretierte Mythen als Kurzgeschichte. Eine Reihe von Autoren hat bereits mitgemacht, darunter gehört das vorliegende ...

Im Rahmen der “Canogate Myth Series” vom Herausgeber “Canogate Books” erscheinen neu interpretierte Mythen als Kurzgeschichte. Eine Reihe von Autoren hat bereits mitgemacht, darunter gehört das vorliegende Buch von Margaret Atwood.
Sie hat es für die Reihe geschrieben und sich mit der Figur Penelope, der Frau von Odysseus befasst, aber auch mit den 12 Mägden, die jahrelang an ihrer Seite waren und ihr Leben lassen mussten.

Penelope ist tot.
Aber sie wandert, recht munter, durch das Totenreich und erzählt, wie es ist, tot zu sein, wie ihr Leben verlief und ganz wichtig, ihre Meinung.

Bei dieser Kurzgeschichte handelt es sich um eine Ich-Erzählung, die mit vielen Interpretationen arbeitet und den wenigen Infos, die es gibt. Man weiß wer Penelope war, was sie getan hat, aber was sie gedacht hat, bleibt eine offene Frage.
Die Autorin Atwood lässt sie hier gekonnt zu Wort kommen und versucht, diese romantische Sicht, die man über sie hat (die perfekte Ehefrau), zu verscheuchen.
Und auch Odysseus bleibt nicht verschont, denn sie erzählt unverblümt, wie ihr ach so toller Abenteuer-Ehemann war.

Im Stil der Antike lässt sie die 12 Mägde im Gesang, bzw. Chor auftreten und ihren Teil der Geschichte erzählen. Sie mixt diesen Stil mit der saloppen, unverblümten Art von Penelope, die keine Lust mehr hat zu schweigen und ausbricht beim Erzählen.
Das führte dazu, dass Penelope zu einem sehr greifbaren und nachvollziehbaren Charakter wurde. Eben eine Frau mit Ecken und Kanten, die einem es einerseits recht machen will und andererseits ihre Fehler macht, weil sie so ist, wie sie ist. Wunderbar!

Und dann kommt das Ende, wo die Autorin nochmal richtig in Fahrt kommt und Odysseus vor Gericht stellt, dabei wird die mystische Vorstellung von ihm als Helden beseitigt. Denn nach Penelopes Schilderung steht fest, der ach so schillernde Held ist in Wahrheit …

Das Buch lässt sich nicht vergleichen mit den anderen typischen “feministischen” Nacherzählungen der Antike, die gerade auf dem Buchmarkt sind. Margaret Atwood lässt sich nicht einfach in diese Schublade stecken mit ihrem Werk. Ihr Ziel war es nicht, eine starke Frauenstimme hier zu Wort kommen zu lassen, sondern eher zu entmystifizieren. Eine neue Wahrheit ans Licht zu bringen und / oder mal Klartext reden zu lassen.

Eindrücklich, spannend und mit ihrem typischen Sinn für Humor erzählt Atwood die Mythologie, wie sie es sieht! Empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Super Fortsetzung!

Mona - Verliebt, verlobt, beschworen
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Zu dem ersten Band habe ich, Schande über mein Haupt, keine Rezension geschrieben und ich versuche nun mit nur minimalen Spoiler zu arbeiten.
Soviel kann ich euch schon mal sagen: Nehmt den ersten Band ...

Zu dem ersten Band habe ich, Schande über mein Haupt, keine Rezension geschrieben und ich versuche nun mit nur minimalen Spoiler zu arbeiten.
Soviel kann ich euch schon mal sagen: Nehmt den ersten Band in die Hand! Lest ihn!

Für alle, die den ersten Band nicht kennen…

Es geht um Mona.
Eine recht ungeschickte Hexe.
Sie arbeitet in einem Museum im Nachtdienst und sorgt für die Sicherheit einer schlafenden Mumie. Eines Nachts gibt es einen Angriff, wobei sie versehentlich einen Erzdämon beschwört und an sich bindet. Einen charmanten, sexy Erzdämon übrigens.
Nur ist diese Beschwörung nicht so gut verlaufen und der Paktunfall bringt so einige Probleme in den Alltag von Mona, ihren Freuden und Kollegen (ein Vampir, ein Werwolf, ein Skelett usw.).

Fantasy in Deutschland

Bei der Buchreihe handelt es sich um Urban Fantasy, die in Deutschland spielt. Mit viel Witz wurde hier eine phantastische Welt eingebaut, die ganz schön realistisch rüberkommt, mit z.B. Zombies auf dem Weg zur Arbeit, Bürokratie-Wahnsinn beim Amt und alltägliche Job-Problemen durch Magie.
Die Umsetzung der Magie, bzw. der magischen Welt in Deutschland, gefällt mir an der Reihe besonders gut. Weil sie einerseits genug Erklärungen liefert, sodass ich (die immer gerne hinterfragt) zufrieden gestellt bin und andererseits ist es nicht zu kompliziert gemacht.

Magie und Slice of Life

Bei über 400 Seiten fragt man sich, was wohl alles passieren mag und auch ich war zunächst überrascht von der Handlung. Hier wird nämlich vieles auf “Slice of Life” gesetzt – magischer Alltag mit seinen Tücken.
Und wie auch im ersten Band der Reihe, wird hier viel geredet, gedacht und die Autorin bringt einen dabei oft zum schmunzeln. Es ist kein Buch, wo man mal schnell die Seiten unblättern kann. Auch wenn der Schreibstil locker ist, so ist viel Witz und Dialog verpackt in den Sätzen, dass es eher zum genießen und lachen einlädt.
Dann kommt die Handlung immer wieder in Fahrt (Spannungskurze eher wiederholt “hoch und runter”), da die Protagonistin zwischen Beziehungsproblemen und Stress auf der Arbeit, gerne mal in Gefahr gerät.

Liebe darf natürlich nicht fehlen …

Im zweiten Band der Reihe gewährt uns die Autorin auch einen tieferen Einblick in Balthazar, den beschwörten Dämon, der übrigens als Gottheit die Hölle regiert. Wir lernen sein Leben kennen, die Beziehung zu Mona entwickelt sich weiter und ein Baby spielt auf einmal eine Rolle …
Auch ihre magischen und nicht-magischen Freunde sind wieder Thema und bringen einigen Schwung zwischendurch rein.

Für mich ist die Reihe rund um Mona pure Entspannung und Unterhaltung. Sie gibt einen ein gutes Gefühl wieder, wie bei einer geliebten Serie, die man nach dem Feierabend beim Essen reinmacht.

Freue mich schon auf die Fortsetzung und hoffe sie werden zahlreich!

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Veröffentlicht am 24.07.2022

Sehr zum empfehlen!

Wovon wir träumen
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Und es ist wieder soweit, ein weiterer autofiktionaler Roman reiht sich in die Belletristik ein und gibt uns einen Einblick in eine Geschichte, wie so viele andere sie auch erlebt haben.
Was bedeutet es ...

Und es ist wieder soweit, ein weiterer autofiktionaler Roman reiht sich in die Belletristik ein und gibt uns einen Einblick in eine Geschichte, wie so viele andere sie auch erlebt haben.
Was bedeutet es Tochter zu sein? Wo stehe ich in meiner Kultur? Und wie spüre ich meine Migration?
Viele fragen, die sich unsere Erzählerin stellt und die sie durch Träume, in denen sie ihren Verwandten sieht oder durch Erinnerungen, beantwortet.

Nach dem Roman “Wo auch immer ihr seid” von Pham, war ich ganz schön angefixt von autofiktionaler Literatur – ein wunderbarer Grad zwischen Erzählung und Autobiographie. Da kam mir der Debütroman von Lin Hierse ganz recht und ich denke, ich wurde nicht enttäuscht.

Zwischen den beiden Büchern möchte ich auch keine weiteren Vergleiche ziehen, da sie meiner Meinung nach das Thema, bzw. Themen sehr unterschiedlich angehen und hier dreht es sich noch um ein weiteres Thema, dass im anderen kaum vorkommt – die “Mutter-Tochter”- Beziehung.
Aber nun kommen wir mal ganz zu “Wovon wir träumen”, indem es um eine junge Frau geht, die durch den Besuch der Beerdigung ihrer Oma (A’bu hier genannt) zurück nach China geht, wo sie ihre Verwandtschaft trifft.

Dieses Ereignis stößt eine Kette von Gedanken an, die sich in Träumen und Erinnerungen lösen. Oft wird das Thema “Mutter-Tochter” angegangen und auf verschiedenen Ebenen versucht die Erzählerin sich ihrer Mutter und deren Beziehung anzunähern, während sie sich die Frage rund um ihre Identität stellt.
Es klingt vielleicht nun kompliziert, wenn ich schreibe, dass wir über Träume und Erinnerungen uns hier bewegen, aber die Autorin schreibt in einem leichten Ton und es fühlt sich wie ein zaghaftes Antasten an. Schritt für Schritt erkundet man die Geschehnisse, das Innenleben und die Gedanken der Erzählerin, wie auch von anderen Familienmitgliedern und es bildet sich ein zart geknüpftes Mosaik.

Im Grunde war es für mich kein Buch, dass ich in einem Stück durchlesen konnte. An einigen Stellen nähert sie sich schmerzhaft ihren Erkenntnissen und man spürt den Kampf, den sie führt um damit zurecht zu kommen und abzuschließen.

Diese sorgfältige Erzählerstimme, die zaghaften Annäherungen und einfach das Leben in seinen Facetten – machen das Buch besonders. Sehr zum empfehlen!

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Veröffentlicht am 18.04.2022

Bewegender und wichtiger Roman

Wo auch immer ihr seid
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Autofiktionale Literatur – schwer im Kommen auf dem Buchmarkt. Man kann sich kaum retten vor den Autobiographien, die keine sind. Das soll jetzt nicht abwertend klingen in euren Ohren, wenn ihr das lest. ...

Autofiktionale Literatur – schwer im Kommen auf dem Buchmarkt. Man kann sich kaum retten vor den Autobiographien, die keine sind. Das soll jetzt nicht abwertend klingen in euren Ohren, wenn ihr das lest. Es geht mir hier nur kurz darum, klar zu machen, dass wir bei dem vorliegenden Buch eine Mischform haben aus Wahrheit und Fiktion = Autofiktional!
Aber kommen wir nun zum eigentlichen Roman, den ich ganz gut fand …

Sie nennt sich lieber Kim, damit ihre Freunde in Berlin es leichter haben sie anzusprechen, ist 30 Jahre alt, Journalistin und lebte schon immer in Deutschland.
Viel gibt es da nicht zu sagen, auch nicht über ihre Familie: typische Auswanderer und gerne wäre sie so deutsch, wie ihre Freunde.
Als dann ihre Großmutter stirbt und das Testament eröffnet werden soll, reist sie mit ihrem Vater nach Kalifornien, zu seinem Bruder.
Es erwartet sie eine Reise in die Vergangenheit, voller Offenbarungen, Verletzungen und Emotionen.

Ganze 20 Jahre ging der Vietnamkrieg – von 1955 bis 1975. Ein düsteres Kapitel der Geschichte mit zwei verhärteten Seiten.
Es ist eine Zeit, über dich ich in der Schule nicht viel gelernt hatte oder besser gesagt, gar nichts und so war der Roman für mich ein Einstieg in das Geschehen.
Auch wenn Kim die Protagonistin ist, so ist es die Geschichte ihrer Familie um die es sich hier dreht und von der sie wenig weiß. Warum lebt ihr Onkel in Kalifornien und ihr Vater in Deutschland? Warum sehen sie sich nie und reden so wenig miteinander? Wie hatte es die Familie geschafft zu fliehen? Und auf welcher Seite standen sie?

Wir lesen von Krieg, vom Abzug der Amerikaner in Saigon, von Umerziehungslagern und Unterdrückung. Bedrückend und nah erzählt die Autorin die Vergangenheit im Wechsel mit der Gegenwart und zeichnet so ein Bild einer Nachkriegszeit und ihren Folgen. Aber sie zeigt auch, wie schnell man oder besser gesagt, wie gerne man vergisst und weiterleben kann.

Nebenbei kommen wir der Kultur näher, ihren Gepflogenheiten, Kulinarik und Traditionen. Es gibt in dem Roman durchaus schöne Szenen, auch wenn es von der Vergangenheit überschattet ist.
Somit war es für mich ein aufwühlender Roman, aber auch eine sehr wertvolle Geschichte.

Den Roman empfehle ich jeden, der sich nach dem Klappentext schon ein bisschen dafür interessiert. Ihr werdet mitgenommen auf eine tragische Reise, gefüllt mit Hoffnung und Mut. Ihr bekommt einen Einblick in Vietnam, sein Volk und sein Denken. Und werdet für das Thema neu sensibilisiert. Hoffe bald auf mehr Bücher von der Autorin!

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Veröffentlicht am 20.02.2022

Meisterhafte Erzählung

Wolkenkuckucksland
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Anthony Doerr ist wahrlich ein meisterhafter Erzähler. Es ist mein erstes Buch von ihm gewesen und wenn er sich schon in seinen letzten Romanen bewiesen hat, will ich mich bitte entschuldigen. Jedoch kann ...

Anthony Doerr ist wahrlich ein meisterhafter Erzähler. Es ist mein erstes Buch von ihm gewesen und wenn er sich schon in seinen letzten Romanen bewiesen hat, will ich mich bitte entschuldigen. Jedoch kann ich mir schwer vorstellen, dass ein anderes Buch leicht an diesen Roman herankommen kann!

Mit Wolkenkuckucksland hat der Autor ein Buch geschrieben, dass einen begeistert, aufregt, fesselt und traurig, aber auch wehmütig zurückblicken lässt. Besonders die letzten 100 Seiten waren ein turbulentes Karussell, dass mich erstaunt hat!

Im Grunde ist Wolkenkuckucksland eine Geschichte von Antonius Diogenes, die vor langer Zeit aufgeschrieben, vergessen und wieder gefunden wurde.
Und in mehreren Zeitebenen, im Leben von verschiedenen Menschen, begegnen wir diesem Buch, ihrer Geschichte wieder. Immer geht es darum den Inhalt zu ergründen, ihr auf die Spur zu kommen und die Lücken, die die Zeit hat entstehen lassen, zu füllen.

Diogenes schreibt über den einfältigen Schäfer Aethon, der unzufrieden mit seinem Leben war und auf die Reise nach einem Land in den Wolken ging, wo in den Flüssen Wein fließt und die Schildkröten mit Honigkuchen beladen werden. Den beschwerlichen Weg meistert er verzaubert als Esel, dann als Fisch und anschließend als Vogel, wodurch er das Wolkenreich erreicht.

In einem Teil des Romans befinden wir uns in der Vergangenheit um 1440, wo wir Anna begegnen, einem jungen Mädchen in Konstantinopel, die an ein Buch über einen Schäfer gerät.
Und wir begegnen Omeir, weit weg von Anna, der mit Erzählungen von seinen Großvater aufgewachsen ist.
In der Gegenwart gibt es ebenfalls zwei Erzählstränge, in denen Diogenes Geschichte eine Rolle spielt.
In Zenos Leben, der sich nach einer langen Odyssee dieser Geschichte über einen einfachen Schafhirten widmet.
Und in der von Seymour, der erst spät die Geschichte zu lesen bekommt, wodurch sich sein restliches Leben verändert.
Der letzte Erzählstrang von Anthony Doerr spielt in der Zukunft und es geht um das junge Mädchen Konstance. Sie ist gefangen in einem Raumschiff, der auf der Suche nach einen neuen Planeten ist und entdeckt durch die Erzählung Wolkenkuckucksland die Wahrheit um sich herum.

Alle Personen sind miteinander auf eine gekonnte Art und Weise verbunden, dass es einen, besonders zum Ende hin, erschreckt.
Man begibt sich selbst auf eine lange Reise von Belagerungen, Kriegen, Umweltkatastrophen bis zu Bombenanschlägen durch die Zeit und immer dabei, die tröstende Erzählung von Diogenes, die einen, die Welt um sich herum vergessen lässt.

Doch auch schon der Start des Romans hatte mich gepackt, als wir in die Handlung zu einem späten dramatischen Punkt gestoßen werden, nur um dann wieder an den Anfang zu kommen. Sowas wirkt natürlich gleich aufregend und der flüssige, leichte poetische Stil von Doerr tat sein Rest, sodass ich mich schnell durch die knapp über 500 Seiten las.

Der Autor zeigt wie die Kraft der Erzählung, die Menschen trösten, hoffen und weiterkämpfen lassen kann.
Wirklich wunderbar erzählt mit Spannung, Dramatik und Einfühlsamkeit.
Für mich definitiv ein Jahreshighlight!

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