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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.03.2023

Über das Schreiben

Wir hätten uns alles gesagt
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Mein erstes Buch von Judith Hermann, aber bestimmt nicht das Letzte. Ein perfektes Cover, vielleicht vom beschriebenen „Haus am See“, autobiographische Geschichtsfetzen, wie willkürlich zusammengefügt ...

Mein erstes Buch von Judith Hermann, aber bestimmt nicht das Letzte. Ein perfektes Cover, vielleicht vom beschriebenen „Haus am See“, autobiographische Geschichtsfetzen, wie willkürlich zusammengefügt und doch sorgsam geordnet. Der depressive, alles-überschattende Vater, die abwesende Geld-verdienen-müssende Mutter, die vage, verlassene Freundin Ada, der unvermutet aus der Hutschachtel auftauchend und wieder verschwindende Psychoanalytiker, der einen so schönen Rezensionstext formuliert: „alles so geschickt zu verfremden, dass am Ende nichts mehr richtig ist , aber alles wahr“. Der Text wimmelt von wunderbaren Formulierungen: „für da Wort Glück musste Gott um Verzeihung gebeten werden“, „ sie sagte auch, du bist das Licht in unsrer Dunkelheit, was mich verwirrte, denn niemand verhielt sich so, als wäre ich ein Licht“.
Die Autorin verhüllt und enthüllt so geschickt, dass am Ende Autobiographisches mit Traumhaft- Assoziiertem verschmilzt und doch glasklar ein Lebensgefühl beschreibt. Gleichzeitig bemüht sich Judith Hermann, ernsthaft zu ergründen, was ihr Schreiben bezweckt und worüber sie, die doch womöglich gar nichts zu erzählen hat, wie sie einmal ein Kritiker schmähte, eigentlich schreibt.
Und das ist, wie bei den meisten Autoren, die Kindheit, die erlittenen Traumata, die erfahrene Liebe und das, was nicht mehr ist und immer noch wirkt.
Ein bewundernswert schönes Buch.

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Veröffentlicht am 08.03.2023

Atemberaubend

Fünf Winter
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Kaum ist es März, habe ich schon ein Jahreshighlight. Fünf Winter ist ein Krimi, aber was für einer! Joe Mc Grady ist Polizist in Honolulu 1941. Wortkarg, abgebrüht, sensibel und mit eisernem Ehrenkodex. ...

Kaum ist es März, habe ich schon ein Jahreshighlight. Fünf Winter ist ein Krimi, aber was für einer! Joe Mc Grady ist Polizist in Honolulu 1941. Wortkarg, abgebrüht, sensibel und mit eisernem Ehrenkodex. Als er einen Mordfall aufklären soll, bei dem ein junges Paar auf schreckliche Weise ermordet wurde, findet er Unstimmigkeiten. Der Onkel, des jungen Mannes, ein amerikanischer General, gibt ihm den Auftrag den Mörder zu suchen, obwohl sein Direkter Vorgesetzter ihm den Fall nicht überlassen will. Die Spur führt nach Wake Island und von dort nach Hongkong mitten in den Angriff Japans auf Pearl Harbour.
Die Geschichte geht tief unter die Haut, ist atemlos spannend und lakonisch-dicht erzählt, ohne jeden Schnörkel. Die deutsche Übersetzung durch Stephan Lux finde ich großartig gelungen. Die Personen sind so glaubhaft, dass ich bisweilen glaubte, beim Lesen den Film zu sehen.
Der Roman hat den Edgar Award 2022 völlig zurecht gewonnen.
Lesen!

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Veröffentlicht am 13.02.2023

Wunderbare Vogelwelt

Vogel entdeckt - Herz verloren
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Ein Vogelbuch? Und noch dazu über ganz normale heimische Arten? Und das soll interessant sein? Und wie. Das Autorenpaar, das auch den zweideutig launigen Podcast „Gut zu Vögeln“ betreibt, hat einen
entzückenden ...

Ein Vogelbuch? Und noch dazu über ganz normale heimische Arten? Und das soll interessant sein? Und wie. Das Autorenpaar, das auch den zweideutig launigen Podcast „Gut zu Vögeln“ betreibt, hat einen
entzückenden Beitrag zum Vogelflüsterer für Einsteiger geschrieben. Einfach, sympathisch und fröhlich. So wünsche ich mir einen Ratgeber. Für alle, die genauer hinsehen möchten, was hier vorort so um uns rumzwitschert, genau das Richtige. Für erfahrene Ornithologen wahrscheinlich eher zu wenig informativ, aber für interessierte Laien wie mich exakt das Richtige. Es macht Spass, den Anekdoten zu folgen, die Infos sind übersichtlich und klar strukturiert. Ein prima Büchlein, auch zum Verschenken. Die Schrift ist etwas klein. Zumindest für mich. Die Bilder sind schön. Werde gkeich mal mein Fernglas reaktivieren und lostraben.

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Veröffentlicht am 03.12.2022

Berührendes Portrait einer Dichterin

Die Suche nach Heimat
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Mascha Kaléko war ein Ausnahmetalent. Ihre lebendigen und fast prosaischen Gedichte haben noch immer Kraft und Esprit. Würde sie heute leben, wäre sie vielleicht eine berühmte Slam-Poetry-Ikone. Denn die ...

Mascha Kaléko war ein Ausnahmetalent. Ihre lebendigen und fast prosaischen Gedichte haben noch immer Kraft und Esprit. Würde sie heute leben, wäre sie vielleicht eine berühmte Slam-Poetry-Ikone. Denn die Frische, die ihre Texte ausstrahlen ist einfach besonders. Sie wirken modern und doch zeitlos.


Die Autorin, die hier unter ihrem Pseudomym ( Indra Maria Janos) schreibt, hat gut recherchiert und beschränkt sich auf die prägende Phase in Maschas Leben. Innerhalb weniger Jahre zwischen dem Ende der Weimarer Republik und den dunklen Wirren der Nazidiktatur erlebt die junge Frau im Rekordtempo und mit scheinbarer Mühelosigkeit ihr Debüt als Dichterin. Schnell wird sie bekannt und mit nur einundzwanzig Jahren eine Berühmtheit. Und das in einer Zeit, in der so viele Talente wirkten, noch dazu in Berlin. Ihren Stammplatz im berühmten Künstlertreff, dem Romanischen Café, muss sie nicht erkämpfen. Mit Ikonen wie Erich Kästner, Ringelnatz, Brecht, Tucholsky, Rohwolt teilt sie die fruchtbare Inspiration jener Tage U d trifft auf viele berühmte Zeitgenossen.


Verheiratet mit dem eher konservativen, neun Jahre älteren Saul, entdeckt Mascha bald, dass ihr Lebenshunger sehr viel größer ist als der seine und dass sie weit mehr will, als nur eine Ehefrau zu sein.


Mir haben Schreibstil und Geschichte sehr gut gefallen. Die Autorin vermittelt großartig die Zerrissenheit einer begabten Künstlerin, die in Konvention, Zeitgeist und Politik gefangen ist. Ihre Handlungsweisen mögen nicht immer heldenhaft gewesen sein, dennoch war Mascha Kalénko mutig und blieb sich selbst treu. Die sich langsam aufbauende Bedrohung der Juden durch Hitler und seine grauenhafte Ideologie, ist eindringlich und absolut nachvollziehbar geschildert. Man möchte Mascha zurufen, Deutschland sofort zu verlassen, aber sie harrt gefühlte Ewigkeiten aus. Ein wenig schade fand ich, dass die Zeit nach der Emigration in Amerika kaum Raum erhalten hat, aber dafür hat die Autorin sicher gute Gründe.


Auch so ist ihr ein wunderbares Zeitdokument und eine sehr emotionale Biographie gelungen. Mascha Kaléko hat das allemal verdient. Ich wünsche mir, dass noch viele Menschen ihre Gedichte lesen, den sie sind noch immer brandaktuell.

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Veröffentlicht am 21.11.2022

Atmosphärisch dichter Roman

Die dunklen Sommer
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Eine Sekte, viel tragische Vergangenheit, Verlust, Trauer, ein charismatischer, dunkler Führer, das ist der Stoff aus dem dieser düstere Roman besteht. Die Hauptfigur Saskia ist ein unglückliches Mädchen, ...

Eine Sekte, viel tragische Vergangenheit, Verlust, Trauer, ein charismatischer, dunkler Führer, das ist der Stoff aus dem dieser düstere Roman besteht. Die Hauptfigur Saskia ist ein unglückliches Mädchen, die nach einem Lebenssinn dürstet, den sie in der sektenähnlichen Gemeinschaft um den dogmatischen Abraham findet. Sowohl die Beschreibungen der Gruppe, als auch die Ideologie und die Naturbilder empfand ich als sehr stimmig. Der Schreibstil hebt sich wohltuend ab von zahlreichen einfach gestrickten Coming of Age Bücher. Ich empfand „Die dunklen Sommer“ nicht als ausgesprochenes Jugendbuch, denn es geht wohl um junge Menschen, aber mehr noch um die universellen Themen Schuld, Verantwortung und Erlösung. Der Autorin ist ein anspruchsvoller, spannender psychologisch interessanter Roman gelungen. Von mir eine klare Leseempfehlung.

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