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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.12.2022

Einfach mal stehenbleiben und dann ausklinken aus dieser Welt, auf Zeit

Nicht aus der Welt
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Wer kennt das nicht, die Fülle des Alltags, der Druck, immer präsent, immer up to date zu sein und dazu die Probleme, mal gewichter, mal banal, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Und man fragt sich, ...

Wer kennt das nicht, die Fülle des Alltags, der Druck, immer präsent, immer up to date zu sein und dazu die Probleme, mal gewichter, mal banal, die einem die Luft zum Atmen nehmen. Und man fragt sich, wo bleibe ich dabei. Genauso geht es den drei Protagonisten in diesem Buch, das dieses jedem doch sehr nahe Thema aufgreift und daraus eine Geschichte macht.
Denn hier gibt es sie, die wundersame rettende Auszeit, die den Menschen Zeit und Ruhe schenkt und die Möglichkeit, sich neu zu finden, um Kraft zu schöpfen, für den Wiedereinstieg oder vielleicht auch etwas völlig anders. Der Ort, der einem das beschert, ist ein Hotel und sein Chef, der Initiator dieses Traumkonstrukts, heißt Valentin. Er sucht die Menschen aus, Menschen, die es brauchen und lädt sie ein. Und so haben auch Hempel, Linda und Frederike hierher gefunden. Hempel ist eigentlich ohne hohen Ziele unterwegs in seinem Leben, aber um seiner in allen Belangen engagierten Freundin zu imponieren, behauptet er, unbedingt einmal den New York Marathon mitlaufen zu wollen. Und seine Freundin packt es an. Und nun sitzt er sozusagen in der Falle mit diesem irrwitzigen Unterfangen, dass für ihn niemals in Frage kommt. Bei Linda ist es die Höhenangst, die sie ausbremst und schlimme Folgen hat und Frederike wird von ihrer späten Mutterschaft und den ihr sonst aufdoktrierten Erwartungen niedergedrückt. Sie alle drei werden zu Gästen in diesem 'Unterschlupf' und dürfen bleiben, solange sie es benötigen.
Spannend, dieses Szenario und man erwartet viel. Tiefgang, Intensität, Zurückgeworfenheit auf sich selbst, ein nicht mehr weglaufen können und auch wollen vor dem, der man wirklich ist und der man sein will, das wird es sein, was hier 'erlebt' wird und so ist es auch, zu einem Teil. Denn sehr bald ist es mit der Zurückgezogenheit vorbei und stattdessen tritt das Aufeinandertreffen der drei Hauptprotagonisten und was sich daraus ergibt, in den Vordergrund.
Dieses Buch, es ist kurzweilig, auch überaschend lustig und sehr unterhaltsam. Man mag diese Menschen, alles ist gut nachvollziehbar und man kann sagen, es passt. Doch die Geschichte, die man bei dem gegebenen Ausgangsszenario erwartet, ist es nicht.

Ein angenehmes Lesevergnügen, nicht mehr und nicht weniger.

Veröffentlicht am 21.12.2022

Eine Familiensaga, verbunden mit ihrem über die Generationen fortgeführten Beruf

Goldener Boden
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'Goldener Boden', dem Handwerk wird das allgemein zugeschrieben, aber an den Friseurberuf denkt man dabei erst einmal nicht. Aber genau dies ist, über drei Generationen fortgeführt, der Broterwerb von ...

'Goldener Boden', dem Handwerk wird das allgemein zugeschrieben, aber an den Friseurberuf denkt man dabei erst einmal nicht. Aber genau dies ist, über drei Generationen fortgeführt, der Broterwerb von Gustavs Familie.
Es beginnt im Jahr 1896. Der junge Gustav hat sein Köfferchen gepackt und ist ausgezogen, um sein Glück zu machen,im großen Amerika. Nach seiner Ankunft in New York findet er eine Unterkunft bei einem Friseuermeister, bei dem er dann auch, erst einmal nebenher, zusätzlich zu seinem eigentlichen Job, arbeitet. Er macht sich gut und wird so Friseur. Doch dann beordert ihn seine Mutter zurück nach Deutschland und als verantwortungsvoller und guter Sohn lässt er sein New Yorker Leben hinter sich und kommt nach Hause zurück. Und auch hier macht er seinen Weg. Viele Jahre später, 1935, hat Gustavs Tochter Clara das Friseurgeschäft weitgehend übernommen. Die Nazi-Zeit, die Kriegsjahre, das sind jetzt die Themen, die das Leben der Familie bestimmen. Schließlich müssen sie aus Pommern flüchten. Das Friseurhandwerk ermöglicht ihnen jedoch, auch anderorts, unter den allerwiedrigsten Bedingungen, ein Durchkommen, dem inzwischen alten Gustav, Clara und ihren vier Töchtern. Und als der Krieg zuende ist, taucht auch Claras Mann Rudolf wieder auf. Als jedoch herauskommt, dass dieser Mitglied der SS war, muss die Familie erneut alles hinter sich lassen, hin zu einem Neuanfang in einer anderen Stadt.
Diese 3-Generationen-Familiensaga durchläuft einen großen Teil unserer neueren Geschichte, sehr gut recherchiert, nichts aussparend und auch gerade bzgl. der Zeit der Nazidiktatur scheut die Autorin nicht davor zurück, die ein oder andere Person der Familie, involviert in dieses Gefüge, darzustellen.
Insgesamt ist es eine sehr interessante lebensechte Familiengeschichte geworden und auch der Erzählstil war passend und hat überzeugt. Und das Werk unter der Prämisse des Friseurhandwerks zu gestalten, gibt dem Ganzen noch zusätzlich eine besondere Note.
Sehr gute Leseunterhaltung.

Veröffentlicht am 10.12.2022

Der Oskar Schindler Japans, als Schlagwort für ein reiches Leben

Codename: Sempo
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Der Japaner Chiune Sugihara, nur sehr wenige Menschen konnten bisher mit seinem Namen etwas verbinden, das für die Öffentlichkeit beachtenswert erscheint. Dies und seine größte Tat, die Rettung von bis ...

Der Japaner Chiune Sugihara, nur sehr wenige Menschen konnten bisher mit seinem Namen etwas verbinden, das für die Öffentlichkeit beachtenswert erscheint. Dies und seine größte Tat, die Rettung von bis zu 10000 Juden, verbindet ihn mit dem vor allem durch den Film von Steven Spielberg ins Rampenlicht getretenen Oskar Schindler und so wird dieser Mann schlagwortartig inzwischen auch oft als 'der Oskar Schindler Japans' proklamiert.
'Codename Sempo', dieses biografisch angelegte Werk, will dem Diplomaten, Agenten, dem Retter so vieler Leben, aber auch der Privatperson und dem Familienmensch Sugihara hier ein kleines ehrendes Denkmal setzen, diesen weltoffenen und von menschlichen Überzeugungen geleiteten Mann dem Vergessen innerhalb der großen weltgeschichtlichen Umtriebe dieser Zeit entreißen.
Und wie dies geschieht, hätte Sugihara wahrscheinlich gefallen, denn er fungiert hier auch als Türöffner für den Einblick in die über Europa hinausgehenden, zum größten Teil vom 2.Weltkrieg ausgelösten Verbandelungen und Gegenoffensiven zwischen Japan, China und der damaligen russischen Großmacht. Von seinem Werdegang über Kindheit und Jugend bis hin zu seiner Zeit in Litauen, wo er Tausenden von Juden entgegen den Anweisungen seiner japanischen Heimat Visa ausgestellt hat, um ihnen das Durchqueren Russlands hin zu wirklich für sie sicheren japanischen Gefilden zu ermöglichen, begleiten wir diesen Mann und auch sein nachfolgendes Schicksal in den späteren Jahren wird nicht ausgespart.
Dies ist ein sehr anregendes, vielschichtiges, gerade am Ende auch sehr berührendes Buch, das durchaus Emotionalität zulässt und an der verantwortungsvollen Recherche des Autors kommen zu keinem Zeitpunkt Zweifel aus.
Ein romanhaft ummanteltes biografisch strukturiertes Werk, das viel zu bieten hat.

Veröffentlicht am 09.12.2022

Kriminunterhaltung mit Whiskeydunst und Dubliner Flair

Ein Schuss Whiskey
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Als Krimischreiber mit Schreibblockade wählt Janus Rossner einen ungewöhnlichen Weg, um wieder an Inspiration zu kommen. Er begibt sich auf eine ausgedehnte Pubtour durch Dublin. Dass mit dem Alkohol ist ...

Als Krimischreiber mit Schreibblockade wählt Janus Rossner einen ungewöhnlichen Weg, um wieder an Inspiration zu kommen. Er begibt sich auf eine ausgedehnte Pubtour durch Dublin. Dass mit dem Alkohol ist ja so eine Sache und meistens kommt es anders wie man denkt. So ist das auch hier, denn Janus nicht mehr sehr trittfester Nachhauseweg beschert etwas sehr reales, einen Mord. Eine junge Frau wird, mit Rezitationen irischer Literaten auf den Lippen, durch einen Kopfschuss getötet, direkt vor den Augen unseres Protagonisten. Und noch besser, keiner glaubt ihm das Erlebte. Selbst Janus selbst hat kurzfristig mal so seine Zweifel, denn Wiskey ist schon ein zwar sehr edles, aber auch heftiges Gebräu und davon hatte er ja nun mal einiges intus. Aber nein, das hier war echt und so macht er sich, ein bisschen weibliche Unterstützung inklusive, ans Ermitteln. Dabei kommt viel Dubliner Flair und noch mehr fundiertes Wissen über irischen Whiskey ins Spiel und der Krimi nimmt, über viele schräge Ecken, seinen sehr unterhaltsamen erquicklichen Verlauf.
Nach Gin und Rum beweist der Autor in seinem nun dritten Kriminalroman mit einem alkoholischen Aufhänger, dass er auch zum Thema irischer Wiskey jede Menge interessantes Wissen zu bieten hat. Und das als Leser näher beleuchtet zu bekommen, eingebunden in eine sehr vielfältig angelegte Krimiunterhaltung, das macht einfach richtig Spaß.
Und als kleine Bemerkung am Rande. Wer sich nach diesem Buch einen irischen Wiskey einschenkt, hat ein ganz anderes Bewusstsein für dieses edle Gebräu.

Veröffentlicht am 02.12.2022

Die Zukunft kommt einem in vielem sehr bekannt vor

Turn me on, dead man
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Dies ist eine Geschichte aus der Zukunft, nicht abgehoben, nicht so richtig weit weg von unserer Welt heute, eher, erschreckend intensiv voller mieser Machenschaften der Menschen, die sich Politiker nennen ...

Dies ist eine Geschichte aus der Zukunft, nicht abgehoben, nicht so richtig weit weg von unserer Welt heute, eher, erschreckend intensiv voller mieser Machenschaften der Menschen, die sich Politiker nennen und sich auch so aufführen, als Lenker unserer Welt. So etwas wie Freiheit, Eigenbestimmtheit gibt es nicht mehr, zu unserem besten und gespitzelt wird, was das Zeug hält. Aber das ist noch lang nicht alles.
Dieses Buch, es war nicht leicht, sich auf diese Geschichte einzulassen, ihr eine Chance zu geben. Nicht alles war rund, einige Abzweigungen waren überraschend und spannend, andere haben es ein wenig verwirrend gemacht, aber insgesamt ist das Experiment für einen selbst geglückt. Etwas kantig, aber interessant, spannend und wohltuend vom 'Üblichen' entfernt.
Ein überraschendes angenehmes Leseerlebnis.