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Veröffentlicht am 31.01.2023

Informativ, aber ohne Wow-Effekt

Solitaire
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Auch wenn für mich immer noch nicht ganz ersichtlich ist, ob nun zuerst Tori und dann erst Nick und Charlie existierten, so habe ich mich auf „Solitaire“ von Alice Oseman wirklich sehr gefreut, denn als ...

Auch wenn für mich immer noch nicht ganz ersichtlich ist, ob nun zuerst Tori und dann erst Nick und Charlie existierten, so habe ich mich auf „Solitaire“ von Alice Oseman wirklich sehr gefreut, denn als Fan, die zuerst durch die Netflix-Serie „Heartstopper“ bekehrt werden musste, war Tori natürlich definitiv eine Figur, die eine untergeordnete Rolle gespielt hat, aber gleichzeitig sofort Potenzial bewiesen hat. Deswegen wollte ich nun in Romanform endlich mehr zu Tori erfahren. Ob nun zuerst der Webcomic existierte, aus dem dann die vier Heartstopper-Volumes resultierte, ist letztlich auch egal, dann „Solitaire“ ist definitiv Osemans erster ausgeschriebener Roman. Der deutsche Buchmarkt agiert daher etwas rückwärtsgewandt, da die neueren Sachen schon in deutscher Übersetzung vorliegen. Wie finde ich nun also den chronologischen Debütroman?

Ich habe „Solitaire“ als Hörbuch gehabt. Auch wenn nicht wie bei den „Heartstopper“-Romanen die Synchronstimmen von Charlie und Nick gewonnen werden konnten, so macht Christiane Marx als Stimme von Tori definitiv einen guten Job und hat dies auch schon in „This Winter“ unter Beweis gestellt. Sie hat dabei eine gute Art, Tori etwas Kratzbürstiges, aber auch sehr, sehr Sensibles mitzugeben, weswegen ich trotz des Alters der Sprecherin die Stimme nicht als unpassend empfunden habe. „Solitaire“ ist aber nicht nur ein Tori-Roman, sondern auch die Fans von Charlie und Nick kommen wieder auf ihre Kosten, da man viel über die beide erfährt. Das passt, denn so wie Tori für ihren Bruder da war, so ist er es umgekehrt auch für sie, während er selbst weiterhin mit seinen Dämonen zu kämpfen hat und in Nick und seiner Schwester definitiv die besseren Ratgeber als in seinen Eltern hat. Die Eltern Spring fand ich in „This Winter“ schon sehr ignorant dargestellt, das ändert sich auch hier nicht, weswegen es wirklich schön ist, dass die jungen Leute sich wenigstens gegenseitig habe und sich beistehen.

Bei Tori wiederum geht es nicht darum, sie in „Solitaire“ mit einer Diagnose in eine Schublade zu stecken, aber es ist offensichtlich, dass sie an Depressionen leidet und auch ausgeprägte soziale Ängste hat, weswegen sie viel lieber isoliert als in Gemeinschaft agiert. Oseman ist es gut gelungen, Tori als Person einzufangen. Denn sie ist eine loyale Person, aber sie ist auch jemand, der in eine Ecke gedrängt auszukeilen weiß. Das macht es mit Tori nicht immer einfach, denn speziell Lucas als auch Michael Holden (die zwei Namen gehören einfach zueinander) zeigen überdeutlich, dass ihnen an ihr etwas liegt, aber Tori hat ein Talent, sie jeweils wegzustoßen, wenn sie emotional zu ihr vordringen. Das wirkt manchmal im Verlauf etwas launenhaft, aber ich glaube einfach, dass es für Tori ganz neue Welten sind und dass es sie auch ängstigt, aus ihrer Routine rausgeholt zu werden. Sie würde sicher gerne wachsen, aber lieber in ihrem Zimmer mit einem Film nach dem nächsten, aber bitte nicht mit der nächsten Party.

Jetzt heißt der Untertitel „Keine Liebesgeschichte“ und ja, es kommt schon hin. Auch wenn ich definitiv eine Romanze ausfindig gemacht habe, so ist es wegen Toris Art definitiv meilenweit entfernt von dem verliebten Charlie beispielsweise. Sie ist eher verunsichert, wenn sie ein Junge anguckt und es wird auch augenscheinlich, dass sie mit sich selbst auf dem Kriegsfuß steht, also definitiv nicht viel Liebe. Dennoch ist Michael Holden als Gegengewicht ein echtes Geschenk. Auch er hat seine Dämonen, was ebenso wie Toris Ängste zu den Streitereien beiträgt, aber er versteckt sie hinter guter Laune und extrovertierten Handlungsweisen. Sie sind damit wie eine Wippe, die sich gegenseitig ausgleichen und deswegen ist es dann doch irgendwie eine Liebesgeschichte, aber eine, die eher einer langen Geburt gleichkam.

Was mir die Geschichte etwas vermiest hat, das war aber das Geschehen rund um Solitaire. Zunächst fand ich das als Handlungselement sehr spannend, denn was will der Blog und was steckt dahinter? Aber die Aktionen wurden immer abgedrehter, irgendwann war zu offensichtlich, wer zumindest beteiligt ist und dann das klärende Gespräche hat mir überhaupt nichts erklärt. Das war insgesamt definitiv zu übertrieben und zu gekünstelt. Das titelgebende Element war dann doch letztlich der schwächste Teil. Zudem würde ich mal behaupten, dass man merkt, dass „Solitaire“ Osemans erstes Werk ist. Wenn ich da so an „Loveless“ denke, dann sind es doch Welten. Tori hat zwar mehr Profil bekommen, aber in so einem Kontext wie bei „Loveless“ und ich wäre wohl weggeblasen worden vor Begeisterung. Dennoch bin ich weiterhin gespannt, was Netflix wohl alles aus dieser Welt machen wird.

Fazit: „Solitaire“ ergänzt die „Heartstopper“-Welt definitiv wieder informativ. Die Stimmung ist sicherlich ganz anders als bei Charlie und Nick, aber dem Bild, was man von Tori in kurzen Szenen gewonnen hat, das wird in dem Buch transportiert. Insgesamt hätte ich mir dennoch einfach ein ‚mehr‘ gewünscht. Zumal eben auch der titelgebende Blog leider ein Flop in der Ausgestaltung war. Die Sprecherin war aber ein Gewinn und hat schön durch die Handlung geführt.

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Veröffentlicht am 04.01.2023

Gigantisches Potenzial mit noch unerfahrener Autorin

Lightlark
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TikTok ist ein mir völlig fernes soziales Medium, aber ich habe mir sagen lassen, dass es eine neue Plattform für vielfach abgelehnte Autor*innen ist, die endlich durchstarten können. So hat es schon Olivie ...

TikTok ist ein mir völlig fernes soziales Medium, aber ich habe mir sagen lassen, dass es eine neue Plattform für vielfach abgelehnte Autor*innen ist, die endlich durchstarten können. So hat es schon Olivie Blake mit „The Atlas Six“ auf den deutschen und demnach auch internationalen Buchmarkt geschafft. Genauso hat auch Alex Aster mit „Lightlark“ einen Hype ausgelöst, weswegen auch dieses nun für deutsche Interessenten erschienen ist. Dazu zähle ich auch mich, denn ich habe mir „Lightlark“ nun einmal zu Gemüte geführt. Ich habe im Vorfeld – ähnlich wie bei Blake – mitbekommen, dass es große Kontroversen gab und gibt, aber das führe ich mir lieber erst hinterher zu, um möglichst unbefangen meine eigenen Eindrücke zu schildern.

Ich habe „Lightlark“ als Hörbuch konsumiert und ich habe die Erzählstimme von Nina Reithmeier von Anfang an als sehr angenommen empfunden. Mit einem neuen Kapitelanfang hatte ich manchmal den Eindruck, dass die Stimme sich etwas verändert hat, aber über so ein langes Hörbuch hinweg ist das vielleicht normal, weil so etwas natürlich nicht an einem Tag eingelesen wird. Störend war es auch nicht, zumal sich der Eindruck immer schnell relativierte. Ich hatte zudem auch den Eindruck, dass die sehr ruhige Stimme von Reithmeier mir geholfen hat, mit Isla wärmer zu werden. Diese fand ich zwar nicht per se unsympathisch, weil ich auch verstehen kann, dass sie zeitlebens eingesperrt gewisse Freiheitsbedürfnisse hat, aber sie war mir doch zu oft zu egoistisch und auch zu launisch. Das ist mir oft aber erst in der nachträglichen Bewertung aufgefallen, weil eben die Erzählstimme, die ich so toll fand vieles abgefedert hat. Daher insgesamt wirklich ein großes Kompliment für die Produktion des Hörbuchs, zumal sie für die sonstige übertriebene Länge auch nichts können.

Das ist nämlich ein Kritikpunkt, den ich „Lightlark“ definitiv vorwerfen möchte, denn ich fand die Handlung stellenweise zu langatmig bzw. auch für die großen Zeitsprünge zwischendurch zu oberflächlich. Ich weiß natürlich nicht, was Aster für die Zukunft der Reihe noch geplant hat und ich hinterher sage, das war schon alles richtig so, aber meine Intuition sagt mir zunächst, dass man vielleicht nicht das gesamte Centennial mit dem ersten Band hätte abbilden sollen. Denn verständlicherweise wollte sich Aster viele Enthüllungen für ein spannendes Ende aufbewahren, doch das hat dazu geführt, dass es zwischendurch eher langweilig wurde. Der Anfang war noch dadurch gerettet, dass regelmäßig die Wettbewerbe stattfanden, die als inhaltliche Höhepunkte zu charakterisieren sind. Als aber später Isla mit Oro ein Team bildet und sie nach dem Herzen von Lightlark suchen, da scheint innerhalb des Centennials alles zum Erliegen zu kommen. Keine Wettbewerbe mehr, kaum noch Begegnungen mit den anderen und das hat sich mir einfach nicht als logisch erwiesen. Natürlich haben diese Episoden stellenweise mit guter Charakterarbeit ausgeholfen, aber eben auch einseitig, denn eigentlich geht es vorrangig um Isla, Oro und Grimm. Selbst Celeste, die beste Freundin von Isla, wird zu wenig ins Zentrum gerückt, von Cleo und Azul ganz zu schweigen. Ich würde daher sagen, dass die Erzählstilistik nicht ganz gelungen ist, weil angesichts des breiten Erzählpotenzials einerseits zu einseitig erzählt wurde und weil andererseits irgendwann eine große inhaltliche Delle sich ereignet, die das Buch zu lang erscheinen lässt.

Nun aber genug gemeckert, denn es ist schließlich auch Asters großer Durchbruch. Sie hat zwar schon davor geschrieben, aber vermutlich bekommt sie erstmals in einem so großen Ausmaß Feedback, was ihr durchaus noch helfen kann. Fakt ist aber erstmal, dass Aster eine großartige Fantasie hat, denn mir hat es richtig gut gefallen, welche Idee sie entwickelt hat. Es ist sicherlich nicht alles neu, aber ich fand das Konzept mit den sechs Reichen und den sechs Flüchen spannend und trotz einer gewissen benötigten Komplexität verständlich präsentiert. Während ich bei anderen Fantasy-Reihen schon mal völlig oder lange genug überfordert bin, habe ich hier wunderbar reingefunden und das ist sehr lobenswert. Auch sehr viele inhaltliche Tendenzen fand ich echt toll. Durch die Flüche hatte es etwas angenehm Düsteres, auch die Wettbewerbe haben den Eindruck verstärkt. Ich fand auch die meisten Enthüllungen echt spannend, auch weil am Ende die Geschichte irgendwie abgeschlossen wirkt, aber gleichzeitig noch so viele Möglichkeiten bereit hält. Die Geschichte und das Potenzial sind echt gigantisch und ich finde, dass auch in der Charakterarbeit abseits des genannten Trios noch sehr viel möglich ist. Ich fand aber auch, dass die Liebesgeschichte ungewöhnlich erzählt ist, weil es eine gibt, von der wir lange nichts wissen (zumindest nicht im kompletten Ausmaß) und parallel entsteht ganz leise und still eine andere. Es wird sicherlich spannend, was Aster noch für die Zukunft vorhat. Fakt ist aber, dass es mich nicht wundert, dass es schon einen Produktionsdeal gibt, denn die Geschichte sieht auf dem großen Bildschirm sicherlich fantastisch aus.

Fazit: „Lightlark“ hat ein wirklich tolles Potenzial, weil Aster mit viel Fantasie und mit einer angenehmen Art, ihre Welt zu präsentieren, überzeugt. Erzählstilistisch ist aber noch viel Luft nach oben. Die Erzählung war zu langatmig und die Höhepunkte nicht gleichmäßig genug verteilt. Die Charakterarbeit hätte insgesamt auch nicht so einseitig sein müssen. Abschließend wiederhole ich auch gerne noch einmal mein Lob für die Hörbuch-Produktion, die ich wirklich sehr genossen habe und die mich durch die Schwächen gut durchleiten konnte.

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Veröffentlicht am 27.12.2022

Zwischen Thriller und Roman

Happy New Year – Zwei Familien, ein Albtraum
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Auch wenn „Happy New Year“ nicht als Thriller etc. vermarktet wurde, so ist der Cover doch sehr typisch für das Genre, weil es mystisch und in seiner simplen Schönheit doch auch bedrohlich wirkt. Dazu ...

Auch wenn „Happy New Year“ nicht als Thriller etc. vermarktet wurde, so ist der Cover doch sehr typisch für das Genre, weil es mystisch und in seiner simplen Schönheit doch auch bedrohlich wirkt. Dazu noch der Unterteil „Zwei Familien, ein Alptraum“ und ich war erst recht wieder bei Thriller. Letztlich ist „Happy New Year“ aber wirklich eher ein Zwitterding, denn es hat etwas Rätselhaftes an sich, wo man sich so seine Gedanken machen kann, was wohl passiert ist und wer wo Verantwortung trägt. Letztlich ist das Buch aber vor allem eine tiefgehende psychologische Studie, die durch drei Perspektiven intensiv beleuchtet werden.

Wofür ich Malin Stehn auf jeden Fall loben kann, das ist ihre Art, ihren drei Perspektiven so treu zu bleiben und mit Frederik, Nina und Lollo auch drei Charaktere zu schaffen, die alle auf ihre Weise keine Sympathieträger sind, weil die Autorin wirklich verdammt tief gräbt. Wir haben sicherlich alle unsere hässlichen Seiten, aber die werden selten so geballt gezeigt. Zwar war das Buch so wahrlich kein Stimmungsaufheller, aber ich fand es doch auch faszinierend, diese Charaktere so ehrlich und verblümt kennenzulernen. Bei Lollo erleben wir sofort eine sehr oberflächliche Persönlichkeit, die an ihre Freundinnen keinen guten Gedanken lässt und die alles mit einem prüfenden Auge bedenkt, ob es nur ja einen äußeren Anschein wahrt. Später als ihre Tochter Jennifer verschwunden ist, wandelt sich das Bild und es wird deutlich, dass sie den Hass auf ihre eigene Persönlichkeit in Hass auf ihren Ehemann umwandelt, obwohl sie sich immer einig bei allem waren. Es ist sicherlich nicht einfach, bedingungsloses Mitleid mit Lollo zu empfinden, aber es ist dennoch interessant mitzuverfolgen, wie sie quasi durch diesen Schrecken ‚aufwacht‘.

Nina ist sicherlich die normalste in der ganzen Geschichte, die auch in den ganzen sich entfaltenden Ereignissen ein fast schon außenstehender Posten ist. Sie hat damit zu kämpfen, wie ihr Mann den Boden unter den Füßen verliert, sie sieht ihre leidende Tochter und sie schämt sich auch gegenüber Lollo, weil sie für sie nicht die bedingungslose Freundin sein kann, weil zu viel reinspielt. Sie ist ein wenig die Kümmerin, die Bodenständige, auf deren Rücken unwissentlich so viel ausgetragen wird und der irgendwann auch einfach mal der Kragen platzt. Dennoch ist sie auch die Figur, bei der man am wenigsten entdecken kann, weil sie auch keine Geheimnisse hat, sie ist einfacher Mensch, der damit arbeitet, was ihr angeboten wird. Frederik wiederum ist der, zu dem die meisten Andeutungen gemacht werden und wo man nicht sicher ist, wie dunkel das Grauen bei ihm wirklich ist. Er war durch seine Stimmungen sicherlich der unerträglichste, aber ich fand es durchaus auch interessant, wie er immer in der Liebe zu seiner Familie und seinen Schuldgefühlen schwankte. Da er gerade auch zu Beginn der Geschichte für mich den vernünftigsten Eindruck machte, war ich auch gespannt, wie weit seine Schuld nun tatsächlich reicht.

Während nun also diese Figurenebene wirklich sehr interessant und ungewöhnlich für mich war, so bin ich zu dem Erzählstil noch etwas unentschlossen. Dieses Figurenbasierte fließt natürlich einteilig groß ein, aber dennoch hemmt es auch in einigen Aspekten. Denn das, was am Ende noch alles aufgedeckt wird, das passiert eher im Off und wird dann aus dem Hut gezaubert. Vielleicht muss ich mich an der Stelle mehr daran erinnern, dass es eben kein Thriller ist, aber dennoch war es schon eher ungewöhnlich. Ich habe zwar zwischendurch in eine ähnliche Richtung gedacht, die finale Lösung fand ich dennoch überraschend und dazu hätte ich mir noch etwas mehr Innenleben gewünscht und nicht nur den Strafprozess dann. Manche Wendungen waren mir auch etwas zu übertrieben, auch weil mir dann im nächsten Schritt die ausführlichere Darstellung von Jennifer gefehlt hat, denn sie ist für diese Geschichte enorm wichtig, auch wenn sie aktiv keine große Rolle spielt. Es hat auch immer mal wieder Rückblenden gegeben, aber bis auf die eine entscheidende waren die auch eher austauschbar. Es ist also ein etwas schmaler Grat, auf dem der Erzählstil hier wandelt. Die Vor- UND Nachteile sind offensichtlich.

Fazit: „Happy New Year“ war in meinem Lesejahr 2022 ein ungewöhnliches Buch, weil es irgendwo zwischen Thriller und psychologischem Roman schwankte und weil auch der Erzählstil dementsprechend seine Vor- und Nachteile aufzuweisen hat. Während ich die intensiven Figurenperspektiven zu schätzen wusste, so fühlte sich das Buch in anderen Aspekten wiederum unfertig an.

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Veröffentlicht am 29.11.2022

Alles neu und doch stilistisch gleich

Kalt und still
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Viveca Sten kenne ich bislang nur von ihrer Schärengarten-Krimireihe, zu der ich immer eine sehr ambivalente Beziehung hatte, denn Frust, Spannung und Unsinn gaben sich oft die Klinke in die Hand. Dementsprechend ...

Viveca Sten kenne ich bislang nur von ihrer Schärengarten-Krimireihe, zu der ich immer eine sehr ambivalente Beziehung hatte, denn Frust, Spannung und Unsinn gaben sich oft die Klinke in die Hand. Dementsprechend neugierig geworden bin ich bei der Ankündigung von „Kalt und still“, denn die neue Reihe verlagert das Geschehen weiter oben in den Norden an den Polarkreis und bringt auch neue Charaktere mit sich.

Auch wenn so erstmal alles neu erscheint, so habe ich doch gleich viele Parallelen entdeckt und leider auch welche, die mich eher skeptisch machen. Bei der Schärengarten-Reihe hat mich stets gestört, dass für das Marketing Thomas Andreasson genannt wurde, obwohl Nora Linda genauso ein großer Teil der Handlung war. Sie war zwar keine ermittelnde Kommissarin, aber gerade später hat sie Thomas extrem viel zugearbeitet und es wirkte immer unfair, zumal die Reihe von Anfang an auf beide ausgelegt war. Bei „Kalt und still“ findet sich im Titel hier nur Hanna Ahlander, obwohl es mit Daniel Lindskog erneut sofort eine Doppelstruktur gibt. Zudem sind beide nun auch Polizisten, da wäre es nochmal sinniger gewesen, ihn auch in die Werbung mit reinzunehmen. Sowas ist einfach ärgerlich und müsste nicht sein, weswegen ich den Verlag an der Stelle nicht verstehe.

Kommen wir aber nun zum eigentlichen Inhalt, wo wir auch Parallelen sehen, denn wir haben eben einen Mann und Frau, die beide sehr ambivalent angelegt sind und ich habe mich doch auch öfters bei dem Gedanken erwischt, dass mich die ganze Dynamik an Nora und Thomas erinnert, gerade wenn ich an Thomas und Daniel erinnere, wo wir die Überforderung mit dem Familienalltag haben, was die Beziehung belastet. Dennoch kommen auch neue Faktoren ins Spiel und bei Daniel ist das sicherlich sein Temperament, was mehrfach beleuchtet und kritisch angesprochen wird. Ich finde es ohnehin wichtig, dass die Figuren nicht aalglatt sind und bei Daniel merkt man schon deutlich, dass er eine kurze Zündschnur hat, die speziell in seinem Beruf auch gefährlich werden kann. Seine Charaktereigenschaft ist hier aber auch besonders interessant, weil bei Hanna ganz extrem betont wird, was sie vom männlichen Geschlecht hält, weil sie von Berufswegen her oft in die dunkle Seele gucken musste, wenn es um Missbrauch von Frauen, vor allem in privaten Beziehungen, geht. Noch wirkt Hanna von Daniel ganz angetan (was hier erstmal vor allem beruflich gemeint ist), aber was, wenn sie diese Zeit selbst erleben muss, die doch so ein rotes Tuch für sie darstellt? Hier blicke ich vielleicht schon zu weit in die Zukunft, aber ich sehe hier eben auch das Potenzial.

Kommen wir nun aber zum Inhalt und das war immer schon Stens große Stärke. Auch wenn ich ihr nicht nachsagen würde, dass sie spektakuläre Wendungen und Überraschungen stets parat hat, so schafft sie es doch auch immer, klare und spannende Strukturen zu schaffen, die dann in der speziellen Atmosphäre der Landschaft besonders wirken. Das ist hier zum Auftakt auch gut gelungen, zumal ich bei Daniel und Hanna auch das Gefühl hatte, dass sie ähnliche Anteile bekommen und beide viel beigetragen haben. Clever war sicherlich auch, Hannas kleinen Nebenfall schließlich auch in den großen einfließen zu lassen, was endgültig ein sehr rundes Bild ergeben hat. Zwar sind mir beide noch etwas fremd und sie wurden auch sehr extrem gezeichnet, damit wir gleich ein entsprechendes Bild von ihnen haben, aber es zeigt sich immerhin sofort, dass sie gute Instinkte haben und mutig sind. Wie üblich wurde der Fall auch wieder aus vielen Perspektiven geschildert. Das erscheint wie für Sten üblich manchmal etwas willkürlich, aber es gibt eben auch immer inhaltliches Futter, so dass man als Leser ganz eigene Puzzle dargeboten bekommt. Auch wenn ich die Lösung irgendwann erkannt habe, so will ich doch sagen, dass es lobenswert war, dass alles in einem echten Showdown endete und so die etwas abgefallene Spannung wieder aufgefangen wurde.

Fazit: Es ist sicherlich eine gute Idee von Sten, eine neue Reihe zu wagen. Dennoch ist ihr Stil ganz klar zu erkennen. Wie frisch das alles dann wirkt, kann nur die Zukunft zeigen, aber hier fand ich es im vertrauten Stil doch neu genug, um sicherlich weiterlesen zu wollen.

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Veröffentlicht am 17.10.2022

Entspanntes Sommergefühl als nette Abwechslung

The Brooklyn Years - Wo wir hingehören
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Mit dem fünften Band aus der Brooklyn Years-Reihe wurde der Band rund um Torhüter Silas Kelly und Sängerin Delilah Sparks bereits deutlich angeteasert und nun war es also so weit. Ich war überrascht, wie ...

Mit dem fünften Band aus der Brooklyn Years-Reihe wurde der Band rund um Torhüter Silas Kelly und Sängerin Delilah Sparks bereits deutlich angeteasert und nun war es also so weit. Ich war überrascht, wie losgelöst dieser Band aus der Reihe war, nämlich inhaltlich hatte er kaum etwas mit Eishockey zu tun, weil die Handlung im Sommer liegt. Ich fand es aber gut gelungen, denn Delilah hat nichts mit dem unmittelbaren Umfeld des Eishockeyteams zu tun und so hat man eine gute Lösung gefunden, denn mitten in der Hochsaison wäre es wohl wirklich kompliziert geworden, die Handlung logisch zu strukturieren.

Was ich dem Band auf jeden Fall anlaste, das ist eine sehr schwache Charaktereinordnung. Man bekommt zwar gut ein Gefühl dafür, wer Silas und Delilah als Personen sind, aber es ist viel zu oberflächlich gegraben worden. Bei ihr wird gezeigt, dass sie im Pflegesystem groß geworden ist, was sie einerseits etwas naiv, aber auch sehr hart gemacht hat. Es wäre interessant gewesen, diesen Gegensatz näher zu ergründen, aber es blieb völlig offen. Bei Silas wiederum haben wir einen Vater, der im Gefängnis sitzt, weswegen er nur von seiner Mutter groß gezogen wurde. Auch hier hätte es so viel zu entdecken gegeben. Doch die Geschichte bleibt sehr an der Gegenwart kleben und bietet dann nur noch Rückblenden zu ihrem gemeinsamen Sommer in der Vergangenheit. Deswegen bleibt insgesamt der Eindruck einer sehr, sehr flott erzählten Geschichte, der noch etwas mehr Tiefe gut gestanden hätte.

Aber wenn wir auf das schauen, was wir geboten bekommen haben, so fand ich das Kennenlernen von Silas und Delilah wirklich süß, denn vor allem er ist wirklich ein anständiger und aufmerksamer Kerl, der wohl mit der einfühlsamste Mann aus dem Eishockeyteam ist, auch weil er in keiner Weise so stereotyp handelt, dass er Delilah ständig retten will. Ich fand es immer wieder großartig, wie sehr er ihr auch vertraut hat, dass sie auf sich aufpassen kann, dass er sich auch inhaltlich in ihre Probleme mit Brett nicht einmischen wollte, da hatte ich großen Respekt vor. Nur am Ende hat er dann eben wegen mehr Wissen den Retter gegeben, aber das passte in die Geschichte. Es war vielleicht etwas seltsam, wie schnell es zwischen den beiden zur Sache ging, als sie sich nach drei Jahren erstmals wiedersehen, auch wenn es natürlich nur durch die vergangene Zeit aufgeschoben wurde. Aber es passt auch zu der gewissen Oberflächlichkeit, die ich schon im Abschnitt davor ansprach.

Insgesamt mochte ich auch die Atmosphäre sehr, denn die Hochzeit als Setting, dass auch Zara aus True North mit ihrer Tochter vorbeischauen durfte, dass all das wirklich locker und leicht war. Nach sechs Bänden fühlt sich so ein Figurenrepertoire eben wie eine Familie an und es war toll, sie zu so einem Anlass zusammenzubringen. Es war auch eine gute Atmosphäre so Silas und Delilah zusammenzubringen, weil sie sofort mit dem konfrontiert wurden, was sein kann. Deswegen mochte ich den inhaltlichen Verlauf des Bandes echt gerne, auch anfangs mit der Twitter-Wette, wie die alle zusammensaßen und Silas aufgezogen haben, es war einfach durchzogen von tollen Beispielen, wie eng alle zusammenhalten. Delilah wirkte natürlich als Nicht-Fan etwas außen vor, aber ich denke, zum Ende hat man deutlich gesehen, dass sie genauso willkommen geheißen wurde wie alle anderen auch.

Fazit: Es ist einfach inzwischen eine Familie bei der Brookyln Years-Reihe, weswegen ich diese leichte Atmosphäre abseits der Eishockeywelt sehr genossen habe. Es hat für die Geschichte von Silas und Delilah absolut Sinn ergeben und es gab ja auch Ernsthaftigkeit. Dennoch in der Charakterarbeit ausgerechnet an den spannenden Stellen zu oberflächlich.

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