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Veröffentlicht am 15.03.2023

Portrait eines Arbeiters

Stellenweise Glatteis
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Der Roman versetzt den Leser in die 70er Jahre ins Ruhrgebiet. Karl Maiwald arbeitet in einem Betrieb, der Industriegase herstellt. Zuerst war er dort als Lastwagenfahrer angestellt, doch Bandscheibenprobleme ...

Der Roman versetzt den Leser in die 70er Jahre ins Ruhrgebiet. Karl Maiwald arbeitet in einem Betrieb, der Industriegase herstellt. Zuerst war er dort als Lastwagenfahrer angestellt, doch Bandscheibenprobleme und Abszesse haben ihm das Fahren bald unmöglich gemacht. Jetzt arbeitet er in der Werkstatt und ist im Betriebsrat. Eines Tages entdeckt er durch Zufall, dass die Betriebsleitung die Arbeiter ohne deren Wissen abhört. Maiwald ist angesichts dieser Verletzung von Vertrauen und Privatsphäre entsetzt. Er findet heraus, dass die Gespräche unter den Arbeitern systematisch aufgeschrieben und in Akten angelegt werden. Zusammen mit seinem Kollegen bricht er in den Betrieb ein und stiehlt die Akten, um die Betriebsleitung bei der Weihnachtsfeier konfrontieren zu können.
Es folgen Streiks, Gerichtsverfahren, Erpressungen, Solidarität, Uneinigkeit und vor allem Enttäuschungen. Maiwald fühlt sich immer wieder missverstanden, ignoriert und alleingelassen. Nicht nur das kriminelle Verhalten der Betriebsleitung enttäuscht ihn, sondern auch die Tatenlosigkeit seiner Arbeitskollegen und sogar die Gewerkschaft, die später einen Teil des Unternehmens kauft und deshalb gar nicht an einer Aufklärung des Skandals interessiert ist.

Max von der Grün erzählt aus dem (Arbeits-)Leben eines Menschen, für den Moral und Gerechtigkeit Werte sind, für die es sich zu kämpfen lohnt, der aber immer wieder erfahren muss, dass er mit seinen Prinzipien alleine dasteht. Er erzählt von sozialer Ungerechtigkeit, die sich in allen Bereichen des Lebens manifestiert, zum Beispiel in der Aufteilung der Straße: Auf der einen Seite stehen die Villen der Ärzte und Anwälte, auf der anderen die Wohnungen der Arbeiter und hinter deren Häusern die Baracken der Gastarbeiter. Soziale Hierarchien und die Macht, bzw. Machtlosigkeit, die mit ihr einhergeht, prägen die Geschichte. Auch die Angst davor, den Job zu verlieren, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Prekarität ist allgegenwärtig und allein der Gedanke, dass der eigene Körper versagen könnte oder dass man aus anderen Gründen den Job verlieren könnte, ist maßgeblich an allen Entscheidungen, Handlungen und sogar Meinungen des sozialen Umfelds Maiwalds beteiligt.

Stellenweise Glatteis ist ein Roman, der durch seine Thematik überzeugt und durch sein klares Porträt eines Arbeiters, der an der Ungerechtigkeit der Arbeitswelt zu verzweifeln droht, aber trotzdem niemals aufhört, sich zur Wehr zu setzen und für seine Ideale einzustehen.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Muss man gelesen haben

Rosa Luxemburg: Briefe aus dem Gefängnis
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“So ist das Leben und so muß man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd - trotz alledem.”

Wenn man Rosa Luxemburg nicht schon vor der Lektüre dieses Büchleins mochte, dann tut man es spätestens danach. ...

“So ist das Leben und so muß man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd - trotz alledem.”

Wenn man Rosa Luxemburg nicht schon vor der Lektüre dieses Büchleins mochte, dann tut man es spätestens danach. Denn dass sie trotz der Umstände, trotz der Sinnlosigkeit und trotz der Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren ist, solch wunderbar positive, aufmunternde und poetische Briefe geschrieben hat, das Gute in der Welt gesehen hat und sich Büchern, Kunst, der Natur und Geologie gewidmet hat, ist absolut bemerkenswert. Sogar fünf Sterne können diesem Buch deshalb nicht gerecht werden.

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Unbedingt lesen!

Winterbienen
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Natur und Krieg. Bienen und Menschen. Leben und Tod.

All dies verwebt Norbert Scheuer auf großartige und einfühlsame Weise in seinem Roman „Winterbienen“. Er erzählt in Tagebuchform über das Leben des ...

Natur und Krieg. Bienen und Menschen. Leben und Tod.

All dies verwebt Norbert Scheuer auf großartige und einfühlsame Weise in seinem Roman „Winterbienen“. Er erzählt in Tagebuchform über das Leben des Imkers Egidius Arimond in der Eifel, der während des Zweiten Weltkriegs Juden in seinen Bienenstöcken bis zur belgischen Grenze schmuggelt. Das Fortschreiten des Krieges, die Frauengeschichten des Protagonisten und seine Epilepsie, die immer schlimmer wird, weil er sich keine Medikamente mehr besorgen kann und schließlich die zunehmend gefährlicher werdenden Fahrten mit den Flüchtlingen führen dazu, dass die Situation beklemmender und bedrückender wird.

Bevor die Geschichte jedoch an Rasanz zunimmt, gelingt es Scheuer, über den Krieg, der „doch immerzu anwesend [ist]; ein schrecklicher Dämon, der seit Menschengedenken existiert, versteckt in einem Winkel lauert und jederzeit unerwartet hervorkommen kann, um blindwütig die Natur und ihre Kreaturen zu schänden”, eindrücklich zu erzählen. Denn er stellt ihn dem Leben der Bienen und ihrem Rhythmus gegenüber, verbindet beides sprachlich miteinander und schafft so einen Kontrast, aber auch ein Nebeneinander.
Einerseits sind die Bienen untrennbar mit den Schrecken des Krieges verbunden und beschützen nicht nur die Flüchtlinge in den Bienenkästen, indem sie sich wie eine Traube um die Menschen legen, sondern auch die Notizen Egidius’ und eine Notration seines Medikaments, die in den Kästen der Bienen sicher aufgehoben sind. Auf einer metaphorischen Ebene lassen sich außerdem die abstürzenden Flugzeuge, die an der Front gefallenen Soldaten, von denen lediglich die Särge den Weg zurück in die Eifel finden, mit einer Krankheit vergleichen, die die Bienen ihres Orientierungssinns beraubt. Sie finden nicht mehr in den Stock zurück und sterben. Ein anderes Bild sind die Menschen im Bunker, die sich wie ein Bienenschwarm zusammenfinden: „Im hintersten Winkel des großen Bunkers in der Bahnhofstraße hängt der ganze Ort gleichsam wie eine zitternde Menschentraube zusammen.”
Andererseits aber, stehen die Bienen in ihrem Verhalten für all das, was der Krieg nicht ist. Sie arbeiten zusammen, sorgen besonders im Winter füreinander und verteilen “Wärme im Staat”, damit die Larven nicht erfrieren, während der Krieg Hass und Kälte im von menschlicher Hand geführten Staat verteilt. Der ewige Rhythmus der Bienen stellt sich dem Hass, dem Töten und der Zerstörung gegenüber. Sie bleiben vom Krieg unberührt: „Der Lärm der Angriffe scheint den Bienen nichts auszumachen; sie leben in einer anderen, wie es scheint, friedlichen Welt, sie interessiert der Krieg nicht.” Erst als Soldaten auf die Bienenstöcke schießen und diese mutwillig zerstören, hält der Krieg der Menschen selbst in der Bienenwelt Einzug.

Scheuers Roman ist wie der Tanz der Bienen, wie ihr „Sprachballett”. Er wird den Schrecken des Kriegs gerecht und schafft es gleichzeitig, dass diese nicht die Überhand gewinnen. Er bahnt sich erzählerisch einen Weg durch das Jahr 1944, indem er die Innenansichten des Protagonisten, historische Fragmente, Naturbeschreibungen der Eifellandschaft und den Rhythmus und das Leben der Bienen zu einem Gesamtbild verknüpft. Nicht zuletzt hat Scheuer Egidius Arimond mit diesem Roman ein ihm würdiges Denkmal gesetzt.

Ein absolut lesenswertes Buch!

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Veröffentlicht am 15.03.2023

Ein toller Ratgeber fur alle Hobbygärtner und Pflanzenfans

Superpflanzen
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Das Kennenlernen von Superpflanzen, die nichts umhaut, die robust, schön und insektenfreundlich sind, verspricht das Buch allen interessierten Leser*innen auf seinem Cover. Und dieses Versprechen hält ...

Das Kennenlernen von Superpflanzen, die nichts umhaut, die robust, schön und insektenfreundlich sind, verspricht das Buch allen interessierten Leser*innen auf seinem Cover. Und dieses Versprechen hält es auch!

Es ist voller Informationen zu den einzelnen Blumen, Bäumen und Sträuchern. Zu jeder Pflanze gibt es einen Steckbrief mit den wichtigsten Eigenschaften. Darüber hinaus stellt die Autorin die Pflanze in einem kurzen Text vor und gibt eigene Tipps zum Beispiel zum Standort, der Pflanzzeit usw. Auch die unterschiedlichen Sorten der Pflanze werden erwähnt.

Unterteilt sind die einzelnen Pflanzen in vier Kategorien: Standorthelden, Klimapflanzen, Robuste Pflanzen und Nachhaltigkeitshelden. Wenn man also für einen bestimmten Ort in seinem Garten nach einer Pflanze sucht oder mit einer bestimmten Absicht pflanzen möchte, kann man im entsprechenden Kapitel nachschlagen und findet dort sofort geeignete Pflanzen.

Doch das Buch bietet noch viel mehr als die Pflanzenübersicht. In einer Einleitung gibt die Autorin wichtige Tipps, um den Garten in Zeiten des Klimawandels widerstandsfähiger zu machen. Mulchen und Kompost sind einige der Tricks, die dazugehören. Auch die Gewinner und Verlierer des Klimawandels, sowohl in der Tier- als auch in der Pflanzenwelt, werden erwähnt.

Abgerundet werden diese Kapitel durch wunderschöne Fotos und schließlich auch durch Bezugsquellen, Literaturtipps und ein Verzeichnis der Pflanzen.

Insgesamt finde ich, dass "Superpflanzen" von Elke Schwarzer ein gelungenes Buch ist, dass man immer wieder zu Hand nehmen kann und das in den Buchregalen von Hobbygärtnern auf keinen Fall fehlen sollte!

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Ein wunderbares Buch

Das Tal in der Mitte der Welt
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Der Hintergrund für Malachy Tallacks Roman ist ein Tal auf Shetland. Die Geschichte folgt mehreren Charakteren, die dieses Tal bewohnen. Da sind zunächst David und Marie, für die das Tal ihre Heimat ist ...

Der Hintergrund für Malachy Tallacks Roman ist ein Tal auf Shetland. Die Geschichte folgt mehreren Charakteren, die dieses Tal bewohnen. Da sind zunächst David und Marie, für die das Tal ihre Heimat ist und deren beide Töchter weggezogen sind. Maggie, die älteste Talbewohnerin stirbt gleich zu Beginn des Romans und hinterlässt eine Lücke im Leben der anderen. Alice ist hingegen eine junge Schriftstellerin, die nach dem Tod ihres Mannes in das Tal geflüchtet ist. Sie arbeitet an einem Buch über die Geschichte und die Natur des Tals. Terry wurde von seiner Frau verstoßen und fristet im Tal ein Leben als einsamer Alkoholiker. Dann ist da noch Sandy, der von Emma verlassen wurde und nun von David lernt, wie man seinen eigenen Bauernhof führt. Schließlich sind Ryan und Jo kürzlich aus der Stadt in das Tal gezogen, weil sie sich finanzielle Vorteile erhoffen. Für jeden dieser Charaktere bedeutet das Tal etwas anderes. Heimat, Neuanfang, Verlust und Profit prägen ihre Beziehung zu dem Ort, in dem sie leben.

Tallack beschreibt seine Charaktere meisterhaft und lässt sie menschlich und nahbar erscheinen. Ihr Leben, Denken und Handeln ist geprägt von Verlust und Schicksalsschlägen, von Familien- und Beziehungsproblemen, aber auch von der Tatsache, dass sie alle im Tal zusammenkommen, dass sich ihre Wege kreuzen, sie sich gegenseitig helfen und füreinander da sind.

Die Figuren sind die Mitte ihrer eigenen Welt und das Tal schließt sie ein, gibt ihnen einen sicheren Hafen. Es ist ein Mikrokosmos, eine abgeschlossene Welt, in der jeder einzelne zählt, in der alle etwas zu sagen haben. Jede einzelne Figur macht das Tal zu dem, was es ist und trägt mit ihrer Geschichte zu einem großen Ganzen bei.

Neben der Gemeinschaft ist auch die Körperlichkeit und Rauheit des Lebens und der Arbeit ein Thema, das den Roman auszeichnet. Schon gleich zu Beginn wird der Leser mit einer Schlachtszene konfrontiert und immer wieder ist die Arbeit mit und gegen die Natur in der Geschichte präsent, wenn zum Beispiel Gräben im Schlamm gegraben werden müssen, Zäune repariert werden oder Lämmer sterben. Es sind sicherlich auch diese Szenen, die dazu beitragen, dass der Roman oft wie aus der Zeit gegriffen zu sein scheint.

Der Autor lässt sich beim Erzählen seiner Geschichte Zeit und richtet sich nach dem Lebensrhythmus der Talbewohner. Es sind die leisen Töne, die die Geschichte auszeichnen. Sie bedarf keiner Spannung und keiner großen und unerwarteten Wendepunkte, um ihre Wirkung vollständig zu entfalten. Die Ruhe und die Langsamkeit, die sie ausstrahlt, harmonieren mit der Ursprünglichkeit der Landschaft, die in ihr beschrieben wird und mit der Einfachheit des Lebens im Tal.

Malachy Tallack hat ein wunderbares Buch über das Leben in einem Tal auf Shetland geschrieben, das von Gemeinschaft, von Wetter, Stürmen und dem Atlantik bestimmt wird. Er beschreibt nicht nur einen Ort, sondern auch seine Menschen auf so einfühlsame und kraftvolle Weise, dass man sich als Leser wünscht, der Roman möge nach den fast vierhundert Seiten noch nicht enden…

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