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Veröffentlicht am 10.06.2023

Bildgewaltig

So weit der Fluss uns trägt
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Wunderbar bildgewaltig zeichnet Shelley Read ein Bild von Colorado zwischen 1948 und 1971. Obwohl es natürlich deutlich später spielt, lösen die beschriebenen Szenarien manchmal „Unsere kleine Farm“ Vibes ...

Wunderbar bildgewaltig zeichnet Shelley Read ein Bild von Colorado zwischen 1948 und 1971. Obwohl es natürlich deutlich später spielt, lösen die beschriebenen Szenarien manchmal „Unsere kleine Farm“ Vibes in mir aus. Staubige Straßen, Farmen, Einöden... die Schauplätze werden zum Greifen nah beschrieben und ich konnte mir alles, inklusive der Hitzesommer oder der kalten Winter originalgetreu vorstellen.
Die Charaktere in diesem Roman leben in Einklang mit der Natur und ich denke, dass die Autorin selbst viel Zeit im Wald verbringt, denn die Beschreibungen von Flora und Fauna sind ihr außerordentlich gut gelungen. Teilweise kam es mir so vor, als würde ich die Rehe mit eigenen Augen sehen und den Duft der Pfirsiche riechen.
Die Hauptfigur der Geschichte ist Victoria, die zu Beginn 17 Jahre alt ist. Nach dem Unfalltod ihrer Mutter und weiteren Familienangehörigen lebt sie ein freudloses Leben mit ihrem Vater, ihrem niederträchtigen Bruder Seth und ihrem kriegsversehrten Onkel Og. Harte körperliche Arbeit auf der Pfirsichfarm prägt ihren Alltag. Als sie sich in den Jungen Wilson Moon verliebt, fühlt sie sich zum ersten Mal wie der Teenager, der sie eigentlich ist. Doch Wil ist ein Ausgestoßener und eine Tragödie, die noch jahrelang ihre Schatten voraus wirft, nimmt ihren Lauf.

„So weit der Fluss uns trägt“ ist ist vor allem eins, nämlich trist. Nach dem Klappentext hatte ich mir in irgendeiner Form eine Liebesgeschichte vorgestellt, aber tatsächlich ist die Geschichte fast durchgängig düster.
Victorias Leben ist geprägt von Verlust (Menschen, Heimat, Tiere...) und einem konstanten Kampf ums Überleben. Sie ist eine Einzelgängerin, die wenig Kontakt zu anderen Menschen hat. Deswegen wird in diesem Buch phasenweise sehr wenig gesprochen. Man ist als Leser sehr nah an Victorias Gedanken und inneren Monologen dran und sieht die Welt mit ihren Augen. Ich mochte sie gerne und es war interessant zu beobachten, wie sie über die Jahre immer stärker wird und vom jungen, hilflosen Mädchen zu einer erfolgreichen Farmerin wird.
Obwohl mir die Atmosphäre des Romans wirklich gut gefallen hat, empfand ich die Geschichte teilweise als zu ruhig. Die Kapitel sind lang und manchmal passiert über mehrere Seiten nicht wirklich viel.
Ich habe „So weit der Fluss uns trägt“ gerne gelesen, da Shelley Read eine sehr talentierte Schriftstellerin ist. Neben ihren wunderbaren Naturbeschreibungen gelingt es ihr auch sehr gut, Emotionen zu transportieren. Auf den letzten Seiten hat mich der Roman sehr berührt und mir war ein wenig nach weinen zumute.
Auf dem Klappentext wird damit geworben, dass 2023 jeder über dieses Buch sprechen würde. Deswegen hatte ich eine ziemlich große Erwartungshaltung und je näher ich dem Ende kam, desto mehr fragte ich mich, wann denn nun etwas Außergewöhnliches passieren wird. Antwort: nie.
Es ist keine Zeitverschwendung das Buch zu lesen, es ist, wie bereits erwähnt, wirklich gut geschrieben, teilweise fast poetisch. Aber die Geschichte hat nichts, was mir länger in Erinnerung bleiben wird oder weswegen es in aller Munde sein könnte. Es ist sogar so, dass man etwas Ausdauer mitbringen sollte, insbesondere für den recht ruhigen Mittelteil.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Tragische Dreiecksbeziehung

Die Schwestern von Sherwood
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„Die Schwestern von Sherwood“ ist unterteilt in zwei Erzählebenen.
Ein Handlungsstrang spielt Ende des 19. Jahrhunderts und erfüllt alle Voraussetzungen, um ein richtig schöner Schmöker zu sein, in den ...

„Die Schwestern von Sherwood“ ist unterteilt in zwei Erzählebenen.
Ein Handlungsstrang spielt Ende des 19. Jahrhunderts und erfüllt alle Voraussetzungen, um ein richtig schöner Schmöker zu sein, in den man sich perfekt vertiefen kann.
Die Schwestern Cathleen und Amalia haben eine sehr enge und vertraute Beziehung. Als als Amalia aufgrund einer Erkrankung taub wird, ändert sich daran nichts. Als sich beide jedoch in den selben Mann verlieben, nimmt eine Verkettung von tragischen Ereignissen ihren Lauf.

Claire Winter kreiert eine tolle, düstere Atmosphäre. Alte Herrenhäuser, Dauerregen und eine Moorlandschaft, die faszinierend und gefährlich gleichermaßen ist.
Was die Charaktere anbelangt, sind die beiden Schwestern ein Lichtblick zwischen einer Vielzahl an Personen, die überwiegend berechnend und aus monetären Beweggründen agieren. Am meisten erschreckt hat mich allerdings die Art und Weise, wie damals mit tauben Menschen umgegangen wurde.

Das Liebesdreieck empfand ich ich als sehr tragisch, auch wenn ich die Emotionen der Protagonisten nicht so gefühlt habe. Einerseits sprechen Edward und Amalia von der großen Liebe, gleichzeitig haben sie so viele Geheimnisse vor einander, dass jeder eigentlich nur in ein Phantom verliebt sein kann und nicht in die echte Person.

Wegen mir hätte die Geschichte gerne exklusiv 1881 spielen können. Parallel gibt es nämlich noch eine zweite Erzählebene, in der Melinda 1948 ein geheimnisvolles Päckchen erhält und sich auf Spurensuche begibt.
Die Handlung wird also einerseits 1881 vorwärts erzählt und 1948 rückwärts. Dadurch wird schon frühzeitig sehr viel preisgegeben. Bevor ich in der Hälfte des Romans war, war mir eigentlich schon klar, wie die weitere Entwicklung aussehen wird. Dadurch hat mir etwas die Spannung gefehlt.

Mein abschließender Kritikpunkt hat nichts mit dem Inhalt zu tun. Ich finde, dieses Buch ist extrem papierverschwenderisch gedruckt. Es gibt sehr viele Leerseiten. Bestimmt könnte man vom Umfang 50 Seiten abziehen, wenn man den Text einfach fortlaufend gedruckt hätte.

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Veröffentlicht am 30.04.2023

Untypischer Liebesroman

Wo du uns findest (Light in the Dark 2)
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Antonia Wesselings neuer Roman wirkt durch sein schlichtes Cover in pink mit goldenen Verzierungen sehr edel. Was ich persönlich nicht unbedingt gebraucht hätte, ist der Farbschnitt. Dieser schimmert nämlich ...

Antonia Wesselings neuer Roman wirkt durch sein schlichtes Cover in pink mit goldenen Verzierungen sehr edel. Was ich persönlich nicht unbedingt gebraucht hätte, ist der Farbschnitt. Dieser schimmert nämlich nur bei direkter Lichteinstrahlung golden und wirkt dagegen im Lampenlicht eher vergilbt.

„Wo du uns findest“ ist kein romantischer Liebesroman, sondern das Portrait einer Beziehung im rauen Alltag.

Mel und Ben lernen sich in einer Disco kennen und kommen nach einigen Dates zusammen. Beide lieben sich und sind glücklich, obwohl Ben kein Freund großer Worte ist und seine Gefühle verschlossen hält. Er lebt nach den antiquierten Vorsätzen, dass Männer nicht weinen dürfen und keine Emotionen zeigen sollen.
Trotzdem sind die beiden glücklich, bis Ben zunehmend an seinen eigenen Ansprüchen und denen seines Vaters verzweifelt. Während sein Leben gefühlt den Bach runtergeht, geht es für Mel beruflich bergauf, was unfreiwillig für Reibungspunkten sorgt.

Thematisch ist diese Roman sehr modern und an den aktuellen Zeitgeist angepasst. Melina ist Hobby-YouTuberin und an ihrem Beispiel bekommt der Leser interessante Einblicke in das Business. Ich fand es spannend, mehr über Kooperationen und gewerbliches Bloggen zu erfahren. Diesen Teil des Romans fand ich wirklich unterhaltsam und ich mochte auch Melina mit ihrem Enthusiasmus und ihrer Begeisterung fürs Kochen sehr gerne.
Auch Ben konnte ich grundsätzlich gut leiden und ich habe sehr mit ihm mitgelitten, als die Auswirkungen des jahrelangen Drucks über ihm zusammenbrechen.

Als Freunde geben die zwei ein schönes Team ab, aber die Liebesbeziehung der beiden finde ich sehr ernüchternd und deprimierend. Es ist die Art Beziehung, bei der man mit jemandem zusammen ist, um nicht alleine zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Melina langfristig mit jemandem glücklich ist, der nicht über seine Gefühle sprechen kann, ihre Hobbies nicht versteht und mit dem es auch im Bett immer nach dem selben Schema abläuft. Dies wird bei einer expliziten Szene gegen Ende des Buches erwähnt, dass es immer gleich ist und war für mich der letzte Stein, dass ich diese Beziehung einfach trist finde.
„Wo du uns findest“ erzählt in vieler Hinsicht von einer realistischen Partnerschaft, wie sie viele führen, Mir persönlich gefällt es aber besser, von großen, romantischen Gefühlen zu lesen.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Mehr als ein Liebesroman

Was uns durch die Zeiten trägt
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Titel und Coverbild lassen vermuten, dass es sich bei „Was uns durch die Zeiten trägt“ um einen romantischen Liebesroman handeln könnte.
Tatsächlich ist das Buch aber viel mehr als das.

Der Roman beschreibt ...

Titel und Coverbild lassen vermuten, dass es sich bei „Was uns durch die Zeiten trägt“ um einen romantischen Liebesroman handeln könnte.
Tatsächlich ist das Buch aber viel mehr als das.

Der Roman beschreibt das tragische Schicksal der Familie Reich in den Jahren 1943 bis 1946. Die Familie lebt in einem kleinen Dorf in Schlesien. Während an vielen Orten um sie herum der zweite Weltkrieg tobt, geht das Leben für sie relativ geordnet weiter. Sie haben mit Einschränkungen zu kämpfen aber für Bombenangriffe etc. leben sie zu abgeschieden.
Der wahre Horror beginnt für sie erst mit der Kapitulation Deutschlands und der Besetzung Schlesiens durch die Russen und Polen.

Marion Johanning beschreibt eindringlich und gefühlvoll den tägliche Überlebenskampf und die Ängste der Menschen. Ich fand insbesondere die Familie Reich sehr beeindruckend, weil sie sich durch die größten Widrigkeiten kämpfen und niemals den Mut verlieren.
Es ging mir sehr nahe zu lesen, wie die Menschen nach und nach immer mehr verloren haben, wie ihnen die Heimat genommen wurde und sie letztendlich auch den letzten Rest ihrer Besitztümer zurücklassen mussten.

Mit Luise hat die Autorin eine liebenswerte, sympathische Hauptfigur erschaffen. Sie ist ein junges Mädchen, am Anfang noch ziemlich unbeschwert, dass gerne tanzen geht und für den Nachbarssohn schwärmt. Durch die äußeren Umstände muss sie sehr schnell erwachsen werden, Verantwortung übernehmen und schwerwiegende Entscheidungen treffen. Im weiteren Verlauf des Buches wirkt sie sehr viel älter als 15 / 16 Jahre.
Zwischen ihr und dem Zwangsarbeiter Marian entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die aufgrund seiner Tragik und der Unmöglichkeit sehr bewegend ist.

Ich finde es schön, dass es eine Fortsetzung gibt, denn ich möchte gerne lesen, wie sich die Familie Reich ein neues Leben in einer neuen Heimat aufbaut.

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Veröffentlicht am 26.03.2023

Staatlicher Machtmissbrauch

Institut für gute Mütter
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Frida ist Ende 30 und Mutter einer kleinen Tochter. Ihr Mann hat sie kurz nach der Geburt von Harriet verlassen, sie leidet unter der Trennung, das Kleinkind strapaziert ihre Nerven bis zur Zerreißprobe ...

Frida ist Ende 30 und Mutter einer kleinen Tochter. Ihr Mann hat sie kurz nach der Geburt von Harriet verlassen, sie leidet unter der Trennung, das Kleinkind strapaziert ihre Nerven bis zur Zerreißprobe und ihre Schlafprobleme belasten sie zusätzlich.
Eines Tages kommt es zu einer Kurzschlussreaktion, Frida verlässt die Wohnung und lässt die nicht einmal 2-jährige Harriet allein zu Hause. Die Nachbarn alarmieren die Kinderschutzbehörde und eine beispiellose Maschinerie tritt in Gang.
Frida kommt für ein Jahr in ein Mütter-Erziehungscamp um zu beweisen, dass sei als Mutter geeignet ist.

Man kommt als Leser nicht umhin, Frida dafür zu verurteilen, dass sie ein Kleinkind 2 Stunden allein gelassen hat. Der Grundgedanke, dass Kinder besser und schneller geschützt werden, klingt deswegen zunächst einmal positiv. Die Szenen, die sich in diesem Erziehungsheim abspielen, stellen das Kindeswohl jedoch nur zum Schein in den Mittelpunkt. Letztendlich geht es um Gehorsam und die Umsetzung von standardisierten Erziehungsmethoden. Umarmungen sollen genau 3 Sekunden lang dauern, Mütter müssen mit ihren Kindern jeden Tag eine vorgegebene Anzahl an Wörtern sprechen etc. Geübt wird mit KI-Puppen, die im ersten Moment gruselig wirken, sich aber im weiteren Verlauf überraschend menschlich entwickeln.
Keine der inhaftierten Mütter ist perfekt, aber die wenigsten haben sich richtig schlimme Vergehen zu Schulden kommen lassen. Kaum eine hat es verdient, in diesem Gefängnis zu sein und man beginnt schnell, mit ihnen zu sympathisieren und auf ihre Entlassung zu hoffen. Selbstverständlich ist es überhaupt nicht in Ordnung, was Frida getan hat, je besser man sie kennenlernt, desto mehr wünscht man ihr, dass sie eine zweite Chance erhält.

„Institut für gute Mütter“ wird auf dem Einband mit „The handmaid's tale“ und „Squid game“ verglichen. Dem kann ich allerdings nicht zustimmen. Während die beiden anderen immer neue Schockmomente präsentieren, wird die Handlung von Jessamine Chans Roman ziemlich schnell monoton. Kurz nach der Einweisung in das Gefängnis ist es auf jeden Fall krass zu lesen, wie die Mütter hier umerzogen werden sollen. Aber es kommt nichts neues mehr hinzu. Die Tagesabläufe und das Gedankenkarussell wiederholen sich und es ist längst nicht so brutal, wie der Klappentext vermuten lässt.
Das Buch ist nicht direkt langweilig, ich hatte durchaus Interesse zu erfahren, wie es ausgeht, aber es gibt keine erkennbare Spannungskurve. Man durchschaut als Leser auch ziemlich schnell, dass die Bewertungsschemata nach Willkür verändert werden und dass die Trainerinnen kein Interesse daran haben, dass jemand die Prüfungen wirklich besteht.
90 % der Handlung spielt sich exklusiv im Institut ab. Insgesamt war ich etwas enttäuscht, wie dünn die Handlung ist. Auch der erhoffte große Knall am Ende blieb aus, hier wäre definitiv mehr möglich gewesen und in meiner Vorstellung hatte ich mir den Schluss anders ausgemalt.
Man kann das Buch durchaus mal lesen, wenn nicht, ist es aber auch kein Verlust.
Leuten mit Kindern würde ich tendenziell allerdings eher abraten. Ich könnte mir vorstellen, wenn man selbst Kinder hat, nimmt man sich die hier beschriebenen Szenarien ganz anders zu Herzen.

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